Initium mortis von Luthien-Tasartir (Volturi-OS-Sammlung) ================================================================================ Kapitel 4: Ceterum censeo carthaginem esse delendam. ----------------------------------------------------- „N-Nein... Felix!“ Gerade noch hörte ich, wie der jüngere Vampir mir fluchend hinterherhetzte, bevor ich auch schon einen schmerzhaften Druck in meinem Rücken spürte, der mich zu Fall brachte. Wütend wirbelte ich herum und griff bereits nach dem Hals meines Angreifers, als meine Hand jedoch hinuntergedrückt wurde. Knurrend fletschte ich die Zähne, wobei ich weiterhin versuchte, mich zu befreien. Ich konnte es nicht ausstehen, wenn der Neugeborene dies tat. Es war wider aller Regeln! Ich war der Stärkste in der Garde! Nicht dieser Winzling, der gerade erst trocken geworden war! Noch einmal bäumte ich mich auf. Erfolgreich. Eine schnelle Drehung brachte den Jungvampir an seinen rechtmäßigen Platz. „Mach – das – nie – wieder!“, drohte ich dem vor mir liegenden Abschaum nun schon zum dritten Mal in dieser Woche und zum wahrscheinlich fünfzigsten Mal in dem auslaufenden Monat. Langsam wurde mein Druck um sein rechtes Handgelenk stärker. Meine Muskeln spannten sich immer weiter, bis ich mit einem Ruck den Arm meines Schützlings von seinem Körper trennte. Die Folge war ein markerschütternder Schrei und ein sich anschließendes leises Wimmern. Verächtlich schnaubend löste ich mich von ihm und warf ihm seinen Arm nach kurzem Zögern wieder zu. Schmerz war bis jetzt der beste Lehrer gewesen. Vielleicht lernte er es so, dass er mir nicht in die Quere kommen durfte, sollte ihm etwas an seinem Leben liegen. Mein Blick wanderte wieder in die Richtung, in die ich zuvor gestürzt war. Nichts. Erneut entfloh meiner Kehle ein – dieses Mal – frustriertes Knurren. Ich würde wohl doch erst Volterra verlassen müssen, bevor ich zu meinem langersehnten Trinken kommen würde. Kurz wandte ich mich zu dem noch immer auf dem Boden kauernden Vampir, bevor ich ihn mit einer schnellen Bewegung zum Aufstehen zwang. „Du wünschst dir wohl zu sterben, oder?“, fauchte ich ihn wütend an, wobei ich ihm meinen Augenkontakt aufzwang, indem ich ihn - im Genick haltend – zu mir drehte. „Wenn du dieses Verlangen hegst, hättest du nur höflich bitten müssen. Ich wäre dem mit Freuden nachgekommen.“ Statt einer Antwort erntete ich nur einen trotzigen Blick. Kurz ging ich auf das kleine Duell ein, dann ließ ich ihn abfällig wieder auf seine Beine herunter. Eine Erwiderung konnte sich der Junge sparen. Ich wusste auch so, was er von sich geben würde. „Das Jagen innerhalb der Sperrzone um und in Volterra ist strengstens verboten! Das hast du mir selbst beigebracht, warum hältst du dich nicht daran?“ Nun, er hatte Recht, allerdings vergaß er dabei immer wieder, dass nicht ich es war, der in letzter Zeit auf seine Kosten in Sachen Durst gekommen war. Mein Begleiter war jetzt, da er noch Reste seines menschlichen Blutes intus hatte, zu einer Art Übervampir mutiert, sobald er sein Verlangen, Menschen abzuschlachten, unter Kontrolle bekommen hatte. Nicht nur, dass er im Moment noch fast genauso stark wie ich war – dieser Effekt ließ zum Glück langsam nach -, nein, er war auch noch schneller als ich! Und; was mich am meisten frustrierte: Er war erfolgreicher in der Jagd. Ich wusste nicht, wie er es anstellte, mir meine Beute wegzuschnappen. Ich wusste nur, dass er immer wieder zielsicher auf den nächsten Menschen zueilte und mich so dazu zwang, daneben zu stehen und zuzusehen, wie er mein Trinken aussaugte! Selbst konnte ich nicht suchen, da ich noch immer ein Auge auf den Neuling haben musste und dieser folgte meinen Anweisungen, er möge mir folgen, schon allein aus Prinzip nicht. Nach der ersten Mahlzeit der Hatz, wies er mir zwar in der Regel den Weg zu einem Opfer, das nicht alleine in den nächtlichen Wäldern unterwegs war und ich so ebenfalls auf meine Kosten kam, aber es war erniedrigend und wesentlich weniger amüsant, beziehungsweise befriedigend, für mich. Mir kam es in seiner Gegenwart so vor, als seien unsere Rollen vertauscht worden. Das Schlimmste für mich war, dass ich mich noch nicht einmal dagegen wehren konnte. Als ich ihn einmal auf seine Fähigkeit, oder was auch immer das war, angesprochen hatte, hatte er mir nur ratlos erläutert, dass er selbst keine Antwort darauf hätte. Er wüsste einfach nur immer genau, wo sich die Menschen befanden. Die Erläuterung hatte mich natürlich in keiner Weise zufriedengestellt, aber ich hatte es dabei belassen. Viel mehr konnte ich aus diesem wortkargen Biest sowieso nicht herausbekommen; mal abgesehen davon, dass ich es vermied, mit ihm übermäßig viel zu reden. Mir reichte es schon, dass wir knappe vierundzwanzig Stunden am Tag aneinander hingen. Da brauchte ich seine Stimme nicht auch noch dreiundzwanzig Stunden täglich nach Blut jammern hören. „Komm endlich!“ Ich war einige Schritte vorausgegangen, bevor ich bemerkte, dass mir mein Schützling nicht gefolgt war. Als ich mich umdrehte, stand er noch immer an der gleichen Stelle, an der ich ihn auf dem Boden zurückgelassen hatte. Bis auf seine Hand, die geradezu krampfhaft seinen ehemals abgerissenen Arm massierte, rührte er sich nicht, sondern starrte mich nur weiter finster – oder war es nachdenklich? - an. Gereizt verdrehte ich die Augen, bevor ich erneut den Abstand zwischen uns überbrückte. „Was ist los, Frischling? Keinen Durst heute?“ Geringschätzig musterte ich mein Gegenüber, während ich auf eine Antwort seinerseits harrte. Diese ließ jedoch auf sich warten. War der Grieche denn nicht einmal in der Lage zu reden, wenn er dazu aufgefordert wurde? „Hör zu“, begann ich von Neuem, als der Neuling weiter den Taubstummen markierte. „Ich habe weder Lust, mit dir auf die Jagd zu gehen, noch, weitere Zeit mit dir zu verbringen. Also entscheide dich: Entweder du folgst mir jetzt, oder wir gehen wieder zurück, ich schließe dich ein und gehe alleine auf die Jagd.“ Endlich war eine Reaktion zu erkennen. Auch wenn es nicht die war, die ich erwartet oder mir gewünscht hatte. Ein leises Schnauben gefolgt von einem „Als ob du das könntest. Es wundert mich, dass du nicht schon längst verdurstet bist, oder hat man dich in den letzten hundert Jahren täglich gefüttert, um dich am Leben zu erhalten?“ zeigte mir, dass mein Gesprächspartner nicht im Stehen das Zeitliche gesegnet hatte. Fassungslos starrte ich den Neuling an. Wie konnte er es wagen? In meiner bisherigen Existenz als Vampir hatten die Meister schon einige Menschen verwandelt. Aber einen solchen. Er war anders als die anderen Frischlinge, das ließ sich nicht bestreiten. Schon allein wegen seiner Gabe, wenn es denn eine war. Dass er es aber auch noch wagte, mich, die bis jetzt älteste und längste Wache der Volturi, zu beleidigen... Ein Schmunzeln schlich sich auf meine Lippen. Der Bursche hatte Mut, das konnte man nicht bestreiten. „Für einen Neuling, hast du ein ganz schön großes Mundwerk“, knurrte ich schließlich wesentlich bedrohlicher als die letzten Male. Allein schon das Grinsen, das sich weiter verbreitert hatte, verlieh meiner Ansprache eine subtile, einschüchternde Art. Meinen Worten folgte eine unangenehme Stille, in der wir uns unnachgiebig mit abschätzenden Blicken taxierten. Noch einmal forschte ich in seinem Gesicht nach Anzeichen von Unsicherheit, die mir sein wahres Gemüt verraten würden. Nichts. Also ließ der Jungvampir es tatsächlich darauf ankommen, von mir zerrissen zu werden. Und das, nachdem er erst vor kurzem einen ähnlichen Schmerz zu spüren bekommen hatte. Erstaunlich... Das Grinsen auf meinem Gesicht verstärkte sich noch etwas mehr, bevor ich leise auflachte. „Mir scheint, ich habe dich unterschätzt. Eigentlich dachte ich, du seist nur ein weiterer Sklave, der kaum ein halbes Jahr unter der Herrschaft der Volturi aushält. Tut mir furchtbar Leid“, meinte ich schließlich noch immer amüsiert. „Es freut mich, deine Bekanntschaft zu machen, Demetri Volturi.“ Lächelnd hielt ich ihm meine Hand hin. Es würde interessant mit ihm werden, da war ich mir sicher, als ich den festen Druck der Rechten meines Gegenübers spürte. „Willkommen in Volterra“, murmelte ich fast unhörbar, als ich den Handschlag langsam löste. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)