Je oller, desto doller von S0RA ([ J-Rock im Altersheim ]) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Es war ein schöner, sonniger Tag, als die pensionierten Musiker Kamijo und Kisaki in ihren elektrischen Rollstühlen im Garten des VIP-Altersheim saßen. Wie immer meckerten sie über die vorlaute Jugend, flanierten über alte Zeiten und ärgerten ihre Pfleger. Als Kamijo einen von den jungen Männern näher kommen sah, warf er seinen Gehstock ein Stück vor sich auf den Boden und grinste Kisaki an, der darauf dreckig lachte. Sie rissen sich aber zusammen, als der Pfleger bei ihnen war und Kamijo krächzte mit bemitleidenswertem Unterton: „Junger Mann, könnten Sie mir meinen Gehstock wieder aufheben? Ich weiß auch nicht, wie er dort hinkommen konnte.“ Er hustete herzzerreißend und Kisaki musste sich das Lachen verkneifen. „Aber natürlich! Gar kein Problem.“, lächelte der Pfleger und bückte sich also, um den Stock aufzuheben. Als Kisaki und Kamijo also freie Sicht auf den wohlgeformten Hintern des Mitarbeiters hatten, grinsten sie beide dreckig und lachten leise. Als der Mann sich aber wieder zu ihnen umdrehte, husteten sie schmerzerfüllt und Mitleid erregend. „So. Hier, bitte!“ Kamijo nahm den Stock also wieder in die Hand und bedankte sich. Anschließend fuhren er und Kisaki mit ihren Rollstühlen etwas durch den Park. „Warum hast du einen Gehstock, wenn du mit dem Rollstuhl fährst?“, fragte Kisaki und Kamijo grinste nur als Antwort: „Genau für solche Momente wie eben! Hehehe.“ Plötzlich hörten sie, wie der Drache des Hauses – eine etwas ältere Pflegerin – nach ihnen rief und somit mussten Kisaki und Kamijo wieder umkehren. „Was will die blöde Kuh nur wieder?“, meckerte Kisaki und Kamijo seufzte. „Ihr Baldrian kann sie behalten! Ich bleibe dabei, dass ich mit Rotwein einschlafe!“, sagte er und beide husteten wieder herzzerreißend, als sie bei der Pflegerin ankamen. „Jajaja, euch geht es SO schlecht, ich weiß schon! Wo treibt ihr euch denn wieder herum, huh? Heute ist doch Manas 170. Geburtstag! Und er hat euch eingeladen.“, meckerte sie und stemmte die Hände in die Hüften, doch Kisaki entgegnete trocken: „Er spricht nicht. Wie soll er uns eingeladen haben?“ „Ähm… Ich habe es… äh… in seiner Urinprobe gelesen! Ist auch egal! Kommt rein, es gibt Kaffee, Tee und Kuchen.“, sagte die Pflegerin und ließ nicht mit sich diskutieren. Neben Mana, der unbeeindruckt und emotionslos dreinschaute, saßen Gackt und Atsushi am Geburtstagstisch. Zwei Pflegerinnen halfen Kisaki und Kamijo aus ihren Rollstühlen und setzten sie an den Tisch. „Gibt es was zu feiern?“, fragte Atsushi und sah durch die Runde. „Der alte Sack hat Geburtstag.“, brummte Kisaki und griff einfach nach dem ersten Stück Kuchen. „Kisaki! Das ist aber nicht nett!“, ging eine Pflegerin mahnend dazwischen. „Wer liegt im Sarkophag?!“, rief Atsushi und schaute verständnislos in die Runde. „ER… HAT… GE-…BURTS-…TAG!“, rief Kamijo in sein Ohr und Atsushi nickte verstehend. „Achsoooo! Herzlichen Glückwunsch, Mana!“, rief Atsushi dann und sprach aufgrund seiner Schwerhörigkeit wie immer unnötig laut. Mana blinzelte nur und schaute ihn emotionslos an. Die Pflegerinnen verteilten also Kaffee und Kuchen an alle, doch Gackt schien skeptisch. „Ist das Jamaica Blue Mountain Wallenfort Estate-Kaffee, bei dem die handverlesenen Bohnen im Trommelröstverfahren und nicht mit Schockhitze bearbeitet wurden? Ansonsten können Sie den wieder wegnehmen, etwas anderes trinke ich nicht. Und die Schokolade auf dem Kuchen… Ist das Diätschokolade? Falls nicht, können Sie auch das behalten. Ein paar Ansprüche kann man wohl noch haben, oder? Wobei ich auf Manas Feier auch keinen Luxus erwartet habe.“, sagte Gackt arrogant und verschränkte die Arme. Die Pflegerin sah ihn verstört an und nahm also schnell wieder Kaffee und Kuchen vom Tisch. „Du Flitzpiepe, sei froh, dass du mit deinen Dritten im Maul überhaupt noch was essen kannst!“, fuhr Kisaki den ehemaligen Sänger an und fiel über das zweite Stück Kuchen her. Mana nickte zustimmend, verzog aber keine Miene dabei. Auch mit dem Alter hatte er seine Eleganz nicht verloren und trank langsam und gemütlich seinen Kaffee. Die wenigen, weißen Haare auf seinem Kopf waren auftoupiert und zur Feier des Tages trug er sogar schwarzen Lippenstift. „Sooo, dann wollen wir doch mal für Mana ein Geburtstagslied singen, nicht wahr? Also, auf drei und alle zusammen! Eins… Zwei… Drei!“, rief eine der Pflegerinnen, als wenn sie mit Kindern reden würde und stimmte also ‚Happy Birthday’ an. Kamijo sang voller Elan mit oder zumindest so gut seine Stimme es noch zuließ und Kisaki summte mit vollem Mund. Gackt weigerte sich für Mana zu singen, da er auch nach so vielen Jahren noch immer im Streit mit Mana hing. Er gähnte hinter vorgehaltener Hand und sah auf die Tischdecke. Atsushi nahm sein Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger, schaute nachdenklich und rief: „Moment, das Lied kenn ich! Warte… Ich komm gleich drauf. Könnt ihr lauter singen?“ Doch bevor er einstimmen konnte, griff Mana nach seinem Gehstock, streckte seinen Arm samt Stock aus und drückte damit auf die On-Taste des alten CD-Players, der auf der Fensterbank stand. Plötzlich durchbrach lauter Metal den schiefen Gesang der Pflegerinnen und Kamijo. Ein leichtes, erleichtertes Lächeln huschte über Manas Gesicht. Die Pflegerinnen hielten sich die Ohren zu und schauten wütend. „Mana! Der Krach ist viel zu laut! Mach das leiser!“, rief eine der drei Pflegerinnen, kam aber nicht gegen die laute Musik an. „DAS kenn ich aber wirklich!“, rief Atsushi fröhlich und wippte mit dem Kopf im Takt der Musik. „Ach, das waren noch Zeiten.“, seufzte Kamijo theatralisch und stützte seinen Kopf mit einer Hand ab. „Den Mist heutzutage kann sich ja kein Mensch mehr anhören! Das, was wir gemacht haben, war gut!“, rief Kisaki und hob seinen Zeigefinger. Plötzlich verstummte die Musik, da eine der Pflegerinnen den ‚Krach’ wieder ausschaltete. „Das ist nicht gut für eure Ohren! Bitte geht es etwas ruhiger an und -… WUAH!!“, bat eine Pflegerin, bis Mana sie immer wieder mit dem Gehstock anstuppste und böse anguckte. „Er hat doch Geburtstag! Lassen Sie ihm seinen Luxuslärm! Mit solch Musik sind wir groß geworden! …Na ja, bis auf Gackt.“, entgegnete Kamijo und musterte den arroganten Sänger skeptisch. „Tja, ich schlug eben eine andere Richtung ein. Aber dafür war ich um Längen erfolgreicher als ihr und musste keine Kleidchen nähen, um Geld zu kriegen!“ „Wer will um die Welt fliegen?“, rief Atsushi und hielt eine Hand an seine Ohr, um so besser zu hören. „AU!“, hörte man Gackt plötzlich rufen, da dieser nun auch Manas Gehstock zu spüren bekam. „Na, na, na, hört auf zu zanken! Es ist doch Manas Geburtstag!“, ging wieder eine Pflegerin dazwischen und lief zu Mana, um ihm den Stock weg zu nehmen. „Ist noch Kuchen da?“, fragte Kisaki in die Runde, nachdem er die letzten Stücke einfach heimlich gegessen hatte. „Fresssack! Kein Wunder, dass du damals immer so ein rundes Gesicht auf den Fotos hattest! Alles Speck!“, sagte Kamijo und nippte an seinem Kaffee. „Immerhin hatte ich nicht damals schon Schluchten im Gesicht, die man nur mit Photoshop bügeln konnte!“ „Jetzt ist aber Schluss!“, rief der Hausdrache und die Senioren schwiegen. Es war immer das Gleiche, wenn sie zusammen saßen, aber wahrscheinlich war das ihre Art gewesen sich zu unterhalten. Sie stritten sich und wiederholten zehn Mal so laut für Atsushi, was sie gesagt hatten. Am Abend schlichen Kamijo und Kisaki sich nach dem Abendessen in Gackts Zimmer, als sie wussten, dass dieser zum Baden weg sein würde. Sie kicherten wie kleine Kinder und liefen gezielt zu Gackts Nachtschrank. Dort stand sein Glas mit den Dritten. Kamijo holte den Salzstreuer, den er aus der Kantine heimlich mitgenommen hatte und kippte den gesamten Inhalt in das Glas. Erneut kichernd rührten sie um, bis sich das Salz komplett aufgelöst hatte. „Der wird explodieren!“, freute Kamijo sich und schlich schnell wieder mit Kisaki aus dem Zimmer. Das hatte Gackt mehr als verdient nach den ganzen spitzen Bemerkungen, fanden Kisaki und Kamijo. Da ihr Pensum an Blödsinn für den Tag aber längst noch nicht erreicht war, schnappten sie sich Atsushi, den sie rauchend auf der Veranda fanden und fragten: „Machst du mit bei einem Rollstuhlrennen?“ „Was wollt ihr verbrennen?“ „ROLL-STUHL-RENNEN! Und du bist der SCHIEDS-RICH-TER! Verstanden?“, rief Kamijo also in sein Ohr und Atsushi machte wieder: „Achsoooo! Ja klar! Ihr Schlingel, ihr habt aber auch nur Quatsch im Kopf, haha!“ Kisaki verdrehte die Augen und schüttelte den Kopf. Konnte man das Hörgerät von diesem Mann nicht mal lauter drehen? Die Senioren klauten also von anderen Bewohnern des Heimes nicht-elektrische Rollstühle und positionierten sich an einem Ende des Flurs. Kamijo und Kisaki legten ihre Hände an die Räder und warteten gespannt auf den Start. „Also!“, rief Atsushi, musste sich dann aber räuspern, da der Raucherhusten seiner Lunge zu schaffen machte. „Achtung… Fertig… LOS!!“, rief er und Kamijo und Kisaki rollten so schnell sie konnten über den Flur. Dabei versuchten sie sich aber gegenseitig zu schubsen, bis plötzlich Gackt ihren Weg kreuzte und fast von ihnen überfahren wurde. „Ihr Schweine!!!“, rief er ohne seine Zähne im Mund und hielt den Scherzkeksen seine Dritten unter die Nase. „Gebt’s zu, das seid ihr gewesen!“ Kamijo und Kisaki brachen lachend auf ihren Stühlen zusammen, bis sie stark husten mussten und synchron nach Luft röchelten, da sie ihre Lungen überstrapaziert hatten. „Wer hat gewonnen?“, rief Atsushi vom anderen Ende des Flurs und lief langsam zu ihnen hin. „Was ist denn hier schon wieder los? Ab auf eure Zimmer, aber zack, zack!“ Eine der Pflegerinnen war auf den Tumult aufmerksam geworden und scheuchte die Senioren wieder auf ihre Zimmer. Kisaki gab ihr einen Klaps auf den Hintern, grinste dreckig und sagte: „Entspann dich, Schätzchen! Lass uns alten Männern noch unseren Spaß!“ „Ihr seid unmöglich!“, rief die Pflegerin mit rotem Kopf und schob Kisaki in sein Zimmer. Der nächste Morgen begann wie immer mit Frühsport. Diesen verrichteten die Senioren gemäß der neuen Technologien auf einem Wii-Balanceboard mit einem 3D-Hologramm einer jungen Frau, die die Übungen vormachte. „Und jetzt die Hände in den Himmel strecken! Ganz weit! Und tieeef ein- und ausatmen! Sehr gut! Und jetzt kreisen wir wieder die Hüften…“ „Was hat sie gesagt?!“, rief Atsushi und alle drehten sich synchron zu ihm um, um zu antworten: „DIE HÜFTEN!!!“ „Achsooo!“ „Gackt, hast du heute wieder meine Tabletten vom Tisch geklaut?!“, fragte Kamijo, während er die Hüften kreiste und seine Hände dagegen gestemmt hatte. Er sah Gackt vorwurfsvoll an, doch dieser entgegnete nur: „Ich will nicht vor euch sterben! Die Ewigkeit halt ich mit euch nicht aus, da sollt ihr lieber vor mir gehen und ich hab’ noch ein paar Jährchen Ruhe vor euch!“ „Du kommst eh in die Hölle! Wobei… Nee… Ich komm in die Hölle, haha!“, lachte Kisaki. Ein verträumtes Lächeln zierte Manas Lippen, während auch er die Hüften kreiste, wie die Frau es vormachte. Au ja, die Hölle… Da war es schön dunkel und friedlich, fand Mana. Darauf freute er sich schon und gemeinsam mit dem Teufel würde er jeden Tag eine Tasse Tee trinken. „Ich mag auch kein Gewölle! Meine Katze hat mich damit immer genervt.“, brachte Atsushi sich ins Gespräch ein. „Ich komme sicher auch in die Hölle… Ich habe schließlich so vielen unschuldigen Frauen die Herzen gestohlen!“, seufzte Kamijo theatralisch, woraufhin Kisaki die Augen verdrehte. „Wo wir wieder bei Gewölle wären… Stört es wen, wenn ich mich übergebe?“, fragte er und wurde von Kamijo leicht getreten. „Vorsicht! Ich hab’s im Kreuz!“ „Selber Schuld, du Stinkstiefel!“ Plötzlich öffnete sich die Tür und eine der Pflegerinnen kam ins Zimmer. „Genug Sport gemacht, die Besuchszeit hat begonnen! Ein paar von euch haben bereits Besuch, also trödelt nicht, ja?“, rief sie und wartete, bis jeder das Zimmer verlassen hatte. Kamijo ging mit auf Kisakis Zimmer, da sie Karten spielen wollten und nicht davon ausgingen, dass sie Besuch hatten. Kisaki hatte allerdings sehr wohl Besuch und zwar von niemand geringerem als seinen Enkel. Dieser sah exakt so aus, wie Kisaki vor mehreren Jahrzehnten einst ausgesehen hatte und saß mit locker überschlagenen Beinen auf einem Stuhl. „Tag, Opa.“, grüßte er kühl und knapp. „HIMMEL! Der sieht ja aus wie du!!!“, rief Kamijo und krallte seine Hand in die Brust, da er glaubte einen Herzinfarkt vor Schreck zu bekommen. „Oh, wie schön!! Mein Enkel kommt mich besuchen! Groß bist du geworden, hehe! Ganz der Opa!“, freute Kisaki sich und klopfte dem Jüngsten im Raum auf die Schulter. Er und Kamijo setzten sich ebenfalls auf zwei Stühle und Kamijo musterte den jungen Mann noch immer geschockt. „Darf ich vorstellen: Das ist Kisaki Jr. der Erste! Weißt du noch, als damals diese Geschichte mit den Designerbabys so in den Medien aufgewühlt wurde? Hehehe, ich war einer der ersten der seinen ‚Treibstoff’ hat einfrieren lassen, bis die Gesetze gelockert wurden und siehe da! Das ist nun mein Enkel. Ist er nicht hübsch? Ich hab ihn exakt nach meiner DNA nachbauen lassen, hehe.“, erklärte Kisaki und lachte leise, bis er stark husten musste und röchelte. „Oh, das ist widerlich. Wirklich, Kisaki. Einer von deiner Sorte hat dem Planeten sicher gereicht!“, klagte Kamijo und musterte Kisaki Jr. verzweifelt. „Ich wollte fragen, wann du endlich stirbst, ich bräuchte dein Erbe für die Kosten einer Gerichtsverhandlung. Bitte lass dir nicht mehr all zu viel Zeit, ja?“, sprach die Kisaki-Kopie plötzlich in trockenem Tonfall und seufzte. „Hahaha, was sag ich? Ganz der Opa!!“, freute Kisaki sich und lachte laut. Kamijo vergrub sein Gesicht fassungslos hinter den Händen und murmelte: „Um Himmels Willen…“ „Ich muss dich leider enttäuschen, Junior. Sieh zu, dass du deinen Hintern da alleine raus kriegst! So schnell geb’ ich den Löffel noch nicht ab.“, grinste Kisaki, woraufhin sein Enkel genervt seufzend aufstand. „Schade. Na ja, bis dann.“, verabschiedete er sich knapp und verließ das Zimmer wieder. „Dein Enkel ist gefühllos und egoistisch! Wie kannst du so etwas züchten?!“, fragte Kamijo empört und hustete. „Was denn?! So bleibe ich unsterblich, hehehe.“, grinste Kisaki und sah aus dem Fenster. „Du bist unmöglich, Kisaki.“, seufzte Kamijo und schüttelte den Kopf über den selbstverliebten Greis. So machten sich die zwei alten Männer also wieder mit ihren elektrischen Rollstühlen auf in den Park und flanierten über alte Zeiten. Auch wenn die aufregenden Tage als Musiker lange vorbei gewesen waren, im Herzen waren sie noch immer echte Rockstars mit Akkorden im Blut. Und daran würde sich bis zu ihrem Tode auch niemals etwas ändern. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)