The darkness inside you von Hinata3569 (Die Vergangenheit ruht nie) ================================================================================ Kapitel 2: Was bedeutet 'Heimat'? --------------------------------- Rakyaru war bereits wach, bevor die ersten Sonnenstrahlen seine Nase kitzelten. Im Tal war es noch relativ dunkel, aber man merkte bereits, dass hinter den hohen Steinwänden die Sonne aufging. Die nachtaktiven Pokémon legten sich langsam zur Ruhe, doch war das Tal noch immer erfüllt von den Lauten jener Lebewesen. In der Dunkelheit konnte sich das schwarze Arkani am Besten fortbewegen, da ihm sein Fell eine gute Tarnung schuf. So konnte er umherwandern, ohne diese Blicke, die nur Abscheu oder Neugierde in sich trugen, im Rücken zu spüren. Ohne wirkliches Ziel trottete Rakyaru durch das hohe Gras. Sein ganzes Leben lang hatte er bisher nie ein wirkliches Ziel gehabt und so schnell würde sich das nicht ändern, so dachte er zumindest. Je länger das Arkani umherlief, desto wacher wurde er, aber auch versank er immer mehr in seine Gedanken. Seit Allia plötzlich aufgetaucht war, um ihm zu helfen, die Magnayen zu verjagen, fragte er sich, ob es nicht besser wäre, wenn er nicht ginge. Das Tal zu verlassen, darüber hatte er schon öfters nachgedacht, aber bisher hatte er diese Idee immer wieder verworfen. Etwas tief in ihm schien ihn auch daran hindern zu wollen, seinen Geburtsort zu verlassen. Aber wenn er das Tal wirklich einmal verlassen würde, wo sollte er dann hin? Sein ganzes Leben hatte er hier verbracht und außerhalb kannte er kein einziges Pokémon. Auch wusste er nicht, was ihn dort draußen erwarten würde. Würden die Pokémon ihn genauso behandeln wie hier? Rakyaru war sich ziemlich sicher, das dem so war. Hier schien ihn doch jeder zu kennen und ihn verscheuchen zu wollen. Woran das lag? Die Antwort auf diese Frage, wieso dies so war, würde er hier nicht erhalten. Er seufzte. Egal, wie lange er noch überlegte, er kam nun endlich, seit einer Ewigkeit, zu einem Entschluss – er würde das Tal verlassen. Das Arkani wandte sich der Felswand zu, die ihm am nächsten war. Er blickte an ihr entlang bis zu dessen höchstem Punkt. Stillschweigend lief er los und sah sich immer wieder um. Wenn er schon das Tal verließ, wollte er nicht unbedingt wieder ein Rudel Magnayen im Nacken sitzen haben. Sein Weg führte ihn wieder durch denselben Wald, durch den er am vorherigen Tag noch gerannt war. Ab und zu hörte er noch ein Noctuh, das sich zum Schlaf bereit machte. Auf seinem Weg begegneten ihm viele Pokémon, die entweder bereits erwacht waren oder sich auf dem nach Weg nach Hause befanden. Wenn sie ihn erblickten, starrten sie ihm entweder nach oder flüchteten aus Angst, angegriffen zu werden. Ihm gefiel diese Aufmerksamkeit nicht. Es hing immer mit seinem Fell zusammen. Er schien nur geboren worden zu seien, um mit solch einer Fellfärbung durch das Leben zu gehen. Das einzige, was er wollte, war ein normales Leben zu führen. Aber in diesem Tal würde er das wohl nie können, deshalb verließ er diesen Ort. Den Ort seiner Geburt. Den Ort, an dem er nichts als Einsamkeit erfahren hatte. Leise knurrend wurde sein Gang schneller. Ich muss hier weg! Weg aus diesem Tal! Fort aus diesem Leben und fort von meiner „Familie“! Die Sonne hüllte das gesamte Tal in helles Licht und das Leben war erwacht. Flug-Pokémon segelten durch die Luft, eine Herde Ponita und Gallopa graste auf einer großen Wiese und einige junge Pokémon spielten am Bach. Der Himmel war blau, kaum Wolken waren zu sehen. Eine angenehme Brise strich durch Rakyarus schwarzes Fell. Den Wald hatte er bereits hinter sich gelassen, nun musste er nur noch eine Wiese überqueren und dann trennte ihn nur noch der Aufstieg der Felswand von einem neuen Leben und der Suche nach einer richtigen Heimat. Auf einem kleinen Hügel, der immer näher kam, während er auf die Felswand zu lief, konnte er zwei Gestalten ausmachen. Unbewusst wurde er wieder schneller, bis er schließlich bemerkte, dass er rannte. Rakyaru ließ sich von seinen Pfoten führen und schloss die Augen. Fragen tauchten in seinen Gedanken auf. Wie sah die Welt hinter den Felswänden aus? Würde er dort auch wirklich eine Heimat finden? Einen Ort, an dem er akzeptiert wurde, wie er ist und wie er aussah? Zweifel an seinem Entschluss fraßen sich in ihn hinein. Energisch schüttelte er diese ab. Entschluss war Entschluss, er wollte es nicht noch einmal überdenken. Als er abrupt stoppte, öffnete er die Augen und vergaß seine Zweifel. Zwei Pokémon standen vor ihm. Zwei, die er hatte nie wieder sehen wollte. Der strenge Blick der beiden bohrte sich in ihn hinein, aber er wich nicht zurück. „Was wollt ihr?“, sprach er die beiden an. Blaze und Alina, seine Eltern standen vor ihm und versperrten ihm den Durchgang. Es fiel ihm schwer, ruhig zu bleiben, wo er doch am liebsten einfach an ihnen vorbeigehen oder angreifen wollte. Sie hatten ihn nur kurze Zeit nach seiner Geburt verstoßen, sodass er gezwungen war, schon sehr früh lernen zu müssen, allein zu überleben. „Wo willst du hin?“, fragte Alina in ruhigem Tonfall. „Ich werde das Tal verlassen“, antwortete Rakyaru ohne zu zögern. „Allia hatte mit ihrer Vermutung also Recht. Du wirst das Tal nicht verlassen!“, entgegnete Blaze. „Mir ist egal, was ihr sagt“, sagte das schwarze Arkani und schloss für einen kurzen Moment die Augen. „Du wirst tun, was wir dir sagen, wir sind deine Eltern!“, knurrte Alina, anscheinend hatte Rakyaru sie mit seiner Antwort erzürnt. „Eltern? Was sind ‚Eltern’? Ihr sagtet damals, ich würde mit der Zeit begreifen, was dieses Wort bedeutet… Das habe ich bis heute nicht“, erwiderte das Feuer-Pokémon. Ihm war bewusst, was er sagte. Er verletzte seine Eltern damit. „Das spielt hier keine Rolle! Du bleibst hier, in deiner Heimat! Du bist unser Sohn und wir lassen nicht zu, dass unsere Kinder ihrer Heimat den Rücken kehren!“, sagte Blaze und trat näher auf Rakyaru zu. Sohn. Blaze hatte ihn als seinen Sohn bezeichnet. Früher, als junges Fukano, hatte er sich dies so sehr gewünscht. Es hätte ihn so sehr gefreut, dass er vergessen hätte, dass sie ihn verstoßen hatten und würde ihnen vergeben. Seinen Groll gegenüber ihnen hätte er vergessen und sein Leben als Außenseiter wäre ihm egal gewesen. Aber das war vor langer Zeit. Nun war er ausgewachsen, er hatte sich verändert. „Ich bin schon seit meiner Geburt nicht mehr euer Sohn. Ihr habt nicht das Recht, mich als solchen zu bezeichnen, dafür ist es inzwischen zu spät“, antwortete Rakyaru darauf. Ohne weiter auf sie zu achten, lief Rakyaru an Blaze und Alina vorbei. Nach diesen Worten, die sie unbewusst verletzt hatten, sahen sie sich nicht mehr imstande das schwarze Arkani aufzuhalten. Das Gespräch mag nicht besonders lange gedauert haben und doch hatten sie die Veränderung ihres ersten Sohnes deutlich zu spüren bekommen. Zwar hatte Allia, ihre jüngste Tochter, sie vor seiner charakterlichen Veränderung gewarnt, aber sie hatten ihr nicht geglaubt. Und nun traf sie die Realität eiskalt. Das kleine schwarze Fukano, das immer heimlich mit seiner jüngeren Schwester gespielt hatte, war Vergangenheit. Ein von seinem Leben geprägtes Arkani, das in sich hinein zurückgezogen war, hatte diesem Platz gemacht. „Wir hätten uns dem Befehl damals widersetzen sollen, nicht wahr?“, fragte Blaze seine Gefährtin, während sie Rakyaru nachsahen. Den Kopf leicht gesenkt antwortete das weibliche Arkani: „Vielleicht. Aber was wäre dann passiert? Wir müssen wohl akzeptieren, dass er nun so ist. Aber mir fällt es sehr schwer, Blaze…“ „Mir ebenso. Ich frage mich, ob er eines Tages zurückkehren kann“, entgegnete er. „Das ist zu unwahrscheinlich, das weißt du genauso gut wie ich. Wer einmal dieses Tal verlässt, wird es nur unter einer Bedingung wieder finden können, aber diese zu erfüllen… Dies erscheint mir unmöglich“, sagte Alina. „Wir können nur für ihn hoffen. Hoffen, dass er das findet, was er sucht. Aber was sollen wir Allia sagen?“, gab Blaze ihr recht. „Die Wahrheit. Sie ist inzwischen alt genug, wir dürfen sie nicht ewig wie ein kleines Fukano behandeln“, antwortete Allias Mutter. Rakyaru fand sich vor der Felswand wieder. An ihr hochblickend stellte er fest, dass sie deutlich höher war, als wie es aus der Ferne aussah. Mit den Augen suchte er sich einen Pfad, dem er folgen oder Felsvorsprünge auf die er springen konnte. Wie er bemerkte, würde es kein leichter Aufstieg werden, der vielleicht auch tödlich enden könnte. Viele Wege endeten abrupt, die meisten Felsvorsprünge waren entweder zu klein oder zu dünn und könnten so sein Gewicht nicht halten. Seufzend wanderte sein Blick wieder auf den Boden und er trottete auf die Felswand zu. Dort angekommen, setzte er eine Pfote auf das Gestein, blickte noch einmal zurück, um sicherzugehen, dass ihm niemand, vor allem seine Eltern, folgte. Zufrieden damit, dass niemand ihn beobachtete oder in seiner Nähe war, machte sich Rakyaru auf den Aufstieg. Er wusste, dass er vorsichtig sein musste, sonst endete seine ursprüngliche Absicht in einem Fall ohne Erwachen, wenn er auf dem Boden aufschlug. Dieser Gedanke löste zwar ein mulmiges Gefühl in ihm aus, aber er wollte das Tal verlassen und einen anderen Weg, als über die Felswände zu klettern gab es nicht. Während er sich bemühte, nicht hinunterzusehen, obwohl er noch nicht sonderlich weit oben war, erinnerte er sich an etwas aus seiner Kindheit, zu dessen Zeit er noch versuchte, wieder zu seiner Familie zurückzukehren, was aber immer gescheitert war. Sich im hohen Gras versteckt haltend folgte Rakyaru Alina, Blaze und seinen jüngeren Geschwistern heimlich. Inzwischen war er ein Stück gewachsen und kam alleine zu Recht, aber er wollte nicht allein sein. Er wollte gemeinsam mit seinen Geschwistern spielen und akzeptiert werden. Seine Familie war unterwegs zu den Grenzen des Tales, den hohen Felswänden, die nur die Flug-Pokémon bisher überwunden hatten. Allerdings nisteten sie dort nicht, denn wenn die jungen Pokémon aus dem Nest fielen und die Eltern nicht in der Nähe waren, dann endete der Sturz immer mit dem Tod. Bisher hatte er noch nicht begriffen, was ‚Tod’ bedeutete, aber Rakyaru war sicher, dass damit nichts Schönes gemeint war. Als seine Familie abrupt anhielt und sich niederließ, beeilte sich das junge Fukano näher heranzuschleichen, aber immer noch weit genug entfernt, dass man ihn nicht bemerkte. Er spitzte die Ohren, denn wie er bemerkte, begannen seine Eltern den jüngeren Feuer-Pokémon etwas zu erzählen. Die sonst eher unruhigen Pokémon wurden still und lauschten stillschweigend den älteren. „So, nun sind wir da. Das sind Kalun, auch bekannt als ‚Die unüberwindbaren Mauern’. Der Name mag nach nichts besonderem klingen, aber ihr dürft diese Wände nicht unterschätzen!“, begann Blaze zu erklären. „Wieso nicht?“, fragte die jüngste der Anwesenden, Rakyarus Spielgefährtin Allia. „Pokémon, die wie wir nicht fliegen können, werden niemals diese Felswände überwinden können, dafür ist der Aufstieg viel zu gefährlich“, antwortete Alina ihr sachlich und warf einen kurzen Blick auf die Felswand. Verstehend nickte Allia. „Es gibt auch eine Geschichte zu diesen Felswänden. Allerdings ist eher eine Legende, an die nur die wenigsten glauben und ihr seid noch zu jung, um sie zu hören“, fuhr Blaze fort. „Aber in jeder Legende steckt ein wahrer Kern, diesen allerdings zu finden, gestaltet sich als äußerst schwierig in solch einer Welt, wie diese. Hier geschehen oft unerklärliche Dinge.“ Murren erklang, als es hieß, dass sie noch zu jung seien. Der älteste der Geschwister sagte: „Wir sind nicht mehr so jung, wie bei unserer Geburt, Papa.“ „Du magst Recht haben, aber trotzdem seid ihr noch immer jung. Diese Legende könnt ihr eines Tages von uns erzählt bekommen, aber nicht jetzt“, entgegnete Alina lächelnd. Allia stupste dem älteren Fukano mit der Schnauze in die Seite und forderte ihn auf, still zu sein. Mit einem vorwurfsvollen Blick auf seine Schwester schloss er das Maul, das geöffnet war, um zu widersprechen. „Wir raten euch also ab, dieses Tal jemals verlassen zu wollen. Der einzige Weg ist über die Kalun. Es haben schon viele Pokémon versucht, sie empor zu klettern, aber bisher hat es niemand überlebt.“ Die Fukanos schluckten hörbar. Unbeirrt fuhr Blaze fort: „Wenn ihr es dennoch schafft, so heißt es in einer weiteren Geschichte, so werdet ihr niemals zurückfinden.“ „Warum sollten wir nicht wieder unsere Heimat finden können?“, wieder stellte Alina eine Frage. „Das wissen selbst wir nicht. Einst sollen es unsere Vorfahren gewusst haben, aber dieses Wissen ging im Laufe der Zeit verloren, Alina“, antwortete wieder Allia. Diese Erinnerung spuckte ihm mehrere Stunden durch den Kopf. Kalun, die Wände, die ihn in diesem Tal gefangen hielten. Die Sonne stand bereits hoch, es war Mittag geworden. Das Leben im Tal war im vollen Gange, während er um Atem ringend den Aufstieg der Kalun versuchte. Die Luft war dünner geworden und er hatte, wie er bemerkte schon zwei Drittel erklommen. Für einen Vierbeiner wie ihn, war es sicherlich eine ordentliche Leistung, solche Höhen zu erklimmen. Alles in ihm schmerzte bereits, seine restlichen Kräfte würden nicht mehr lange reichen. Er hatte sich überschätzt und die Kletterei unterschätzt, ein Fehler, den nur Dumme machten. Ich muss es schaffen… Mein Leben hängt davon ab… Wie, als ob dieser Gedanke der Schlüssel gewesen wäre, durchströmte ihn plötzlich neue Energie. Allerdings fühlte sie sich anders an, als die, die er sonst immer spürte. Sein Blick verschleierte sich unbewusst und wie in Trance sprang er auf einen großen Felsvorsprung. Sein Körper agierte wie von allein, während er in eine Art Dämmerzustand versank. Er wusste, dass diese Trance gefährlich war, seine Instinkte warnten ihn vor dieser Kraft, aber er konnte das alles nicht verhindern. Dann wurde alles schwarz Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)