Requiem von Cilzia (Night of the Hunter) ================================================================================ Masquerade ---------- Das monotone Rauschen des Regens war längst in Stille übergegangen in der Schneeflocken lautlos durch die Still schwebten und miteinander zu tanzen schienen. Es war eine kalte letzte Nacht in jenem Jahr. Die unschuldigen weißen Flocken versprachen wieder einmal die tristen grauen Gassen von London zu verhüllen und alle Trauer und alles Leid zu überdecken. Doch jeder wusste dass es nur ein vorübergehendes auslöschen war, kein ungeschehen machen, denn das ging genauso wenig wie die Toten zu den Lebenden zurückkommen würden. Denn es kam nicht selten vor, dass man leblose Körper aus den Straßen schaffen musste. Gestalten mit kalt gefrorenen, bleichen Gesichtern, auf denen der Schmerz und Leid in Ewigkeit verweilen würden. Und wieder einmal war der Kontrast kaum deutlicher zu sehen, als zur Weihnachtszeit. Es war der Kontrast zwischen arm und reich… den Armen Bettlern die sich zur Weihnachtszeit ein wenig Güte und ein bisschen Erbarmen in Form einer kleinen Spende von den wohlhabenden Adeligen erhofften, während diese gerade um den Jahreswechsel herum unablässig auf Bällen tanzten und mit ihrem Wohlstand und dem guten Ansehen wetteiferten. Der Glockenschlag von Big Ben riss mich aus meinen Gedanken. Es war fünf Uhr. Die Dämmerung hatte sich längst über die Stadt gelegt und der schneeweiße Himmel hatte sich in eine eintönige gräuliche Masse verwandelt, die über der Stadt schwebte. Es war Zeit sich umzuziehen, denn zum Jahreswechsel war es üblich auf den Silvesterbällen den letzten Tanz des Jahres zu bestreiten. Man sollte annehmen, dass ich längst alt genug wäre selbst zu entscheiden welche Veranstaltung ich besuchte. Doch heute war wieder einer dieser Tage an denen ich mich nicht gegen meine werte Frau Mutter durchsetzen konnte, die der Ansicht war, dass ein solcher Ball eine vorzügliche Situation war seine zukünftige Frau kennen zu lernen. Da war es doch praktisch, dass alle an diesem Abend Masken tragen würden, sodass das Gesicht des Gegenüber unkenntlich war. Den großen Schrecken verschob man also auf das erste Treffen. Wunderbar. Allein diese Tatsache veranlasste mich dazu den Abend zu verabscheuen bevor er richtig begonnen hatte. Kaum eine Stunde später saß ich auf der Rückbank einer Kutsche, die uns aus London hinausbringen würde, auf direktem Wege zu dem Anwesen einer wohlhabenden Familie die dem Landadel angehörte. Das rhythmische Geräusch der Hufe, die auf dem Straßenpflaster auftrafen, stimmte mich traurig im Anbetracht der Tatsache, dass es mittlerweile so viele Versuche mit Dampfmaschinen gab, das sie bald auch die guten alten Pferdekutschen aus dem Stadtbild vertreiben würden. Es war eine Zeit des Umbruchs, eine Zeit der Ungewissheit, und gerade der Jahreswechsel rief dies umso deutlicher in das Gedächtnis der Menschen. Ich bekam kaum mit, das die Kutsche anhielt und die Nachtluft draußen von dem erregten Murmeln vieler Stimmen erfüllt war, bis die Tür geöffnet wurde. Zusammen mit einem Schwall Schneeflocken kamen mir auch das Kichern von Frauen vermischt mit einem Schwall von höflichen Begrüßungsfloskeln entgegen, dem ich mich anschließen würde, so wie es von mir erwartet wurde. Ein Bediensteter öffnete die Tür zu dem prächtigen Anwesen, das mit Leichtigkeit hunderte Adelige beherbergen könnte. Etliche Minuten später, in denen ich meinen Mantel abgelegt, der bereits jetzt leicht angetrunkenen Gastgeberin das Gastgeschenk übergeben, unzählige Handküsse verteilt und mindestens ebenso viele Handschläge erhalten hatte – alles miteinander schnell vergessene Begrüßungsfloskeln - trat ich in den Festsaal. Die Wärme der Kaminfeuer, die Musik einiger Musiker und das Geräusch von aneinander klirrenden Gläsern schlugen mir entgegen. Ich schloss mich der Vielzahl von belanglosen Gesprächen an, wobei es bei den meisten reichte in den wenigen kurzen Sprechpausen die meine gegenüber einlegten zu lächeln oder angeregt zu nicken und erinnerte mich wie ungern ich dieses Theater mitspielte. Und gerade an diesem Abend kam es mir mehr denn jäh wie ein riesengroßes inszeniertes Theater vor, mit tausenden von maskierten Schauspielern die, obwohl sie alle daraus hervortreten wollten, sich nur in die Masse von bunten Farben geschmückt mit glänzenden Edelsteinen und schmuckfedern einreihten. Als helle Glocke ertönte, setzte sich die Menschenmassen zu ihren Tischen in Bewegung und ließen sich zum dinieren nieder. Ich hingegen war dankbar von dem scheinbar nie enden wollenden Strohm aus Worten, die an diesem Abend ausgetauscht wurden zumindest eine Zeit lang zu entkommen. Mir war unschlüssig wieso man gerade einen Maskenball plant, wenn ein so gangreiches Menü aufgetischt wurde. Fast taten mir die Damen leid, an deren Masken prunkvolle Details oder lange Schmuckfedern befestigt waren, in denen sie sich nicht selten beim Essen verfingen. Diese Gefühlsregung verflog ein paar Minuten später, als die Teller des letzen Gangs abgeräumt wurden und sich die jungen Damen erhoben und sich in Richtung Tanzfläche bewegten. Sie bleiben an deren Rand in kichernden Rudeln stehen, die es fast unmöglich machten eine einzelne von ihnen zum Tanz aufzufordern, wie es sich für einen jungen Mann eigentlich gehören würde. Ich nahm ein Getränk von einem der Diener entgegen, die am Rande der Tanzfläche umher schritten und den feinen Herrschaften jeden Wunsch erfüllten, der über ihre Lippen kam. Einen Augenblick später drehte ich mich um, und hielt mitten in der Bewegung inne als ich sie erblickte. Augenblicklich fragte ich mich wie sie mir erst jetzt hatte auffallen können. Ihr weißes Kleid, ihre weiße Haut und das weiße Haar, bei dem ich mich sofort fragte ob es nur eine Perücke- ein Teil ihrer Maskierung sei, hoben sie deutlich von allen anderen Gästen ab. Ich wünschte mir sie würde sich umdrehen, sodass ich auch nur für einen Augenblick in ihr Gesicht blicken könnte, und als hätte sie meine Gedanken gelesen drehte sie sich zur Tanzfläche herum. „Sir?“ eine schüchterne, weibliche Stimme riss mich aus meiner Enttäuschung darüber, dass ich vergessen hatte, dass auch sie eine Maske trug, eine Maske aus roter Spitze die die Farbe ihrer vollen, roten Lippen fast perfekt wiederspiegelte. „Sir…“ wiederholte die Dienerin, die daraufhin fragte ob sie mein Leeres Glas mitnehmen dürfte, das ich noch immer in meiner Hand hielt. „Oh… ja sicher“ Ich reichte ihr das Glas, und nur für einen kurzen Augenblick schenkte ich ihr meine Aufmerksamkeit, nur um mich wieder der Tanzfläche zu zuwenden um festzustellen das die mysteriöse weiße junge Frau von einem anderen Mann zum Tanz aufgefordert worden war. Ich ergriff meine Chance als das Lied sich dem Ende neigte und löste ihn ab. Ein Lächeln umspielte die Züge der Fremden, als die Musik erklang und ich sie in eleganten Tanzschritten über den edlen Marmorboden führte. Etwas an ihr war anders. Und obgleich sich ein Schauder meinen hinunter Rücken stahl, fühlte ich mich von ihr angezogen wie von keiner anderen Frau auf diesem Ball. Ein weiteres Mal verfluchte ich die Masken auf diesem Ball, allzu gern hätte ich ihre Augen erblickt, nur um sicher zu gehen das das Lächeln ihrer Lippen auch ihre Augen erreicht hatte, um sicher zu gehen dass ich sie wieder erkennen würde, wenn ich ihr wieder begegnen sollte. Als die Musik ausklang bedankte sie sich für den Tanz und der klare, fast scharfe Unterton ihrer hellen Stimme jagte erneut einen Schauer meinen Rücken hinunter. Das Lächeln wurde breiter als sie mich auf der Tanzfläche stehen ließ um diese zu verlassen, nicht ohne noch einmal zu mir zurück zu blicken als sie sich eines der Gläser von einem der Tabletts zu nehmen. Sie verschwand zwischen anderen Gästen. Ich blieb in der Gewissheit zurück, dass an dieser Frau etwas anders war, das über ihre herausstechende Erscheinung hinausging, und ich schauderte als mir bewusst wurde, dass ich nicht eher zur Ruhe kommen würde, ehe ich wusste was es war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)