Requiem von Cilzia (Night of the Hunter) ================================================================================ Under Your Fate --------------- Ich hatte geahnt, dass etwas mit mir geschehen war. Diese Erkenntnis dann jedoch bestätigt zu bekommen war eine ganz andere Sache. Es dauerte eine Weile bis ich akzeptieren konnte was geschehen war. Stunden, Tage, Wochen… ich hatte aufgehört zu zählen. Zeit war unwichtig geworden, im Angesicht der Ewigkeit, die sich vor mir erstreckte. Ich war nicht lebendig, ich war nicht tot. Ich konnte nicht leben, aber ich konnte auch nicht sterben. Ich konnte existieren, und vermutlich konnte ich auch nicht existieren, aber als Tod konnte man das nicht mehr bezeichnen, denn in gewisser Weise war ich gestorben. Die meisten Organe waren tot, arbeiteten nicht mehr und brauchten es nicht mehr. Wofür brauchte man ein schlagendes Herz, wenn es kein Blut gibt, und kein Blut entstehen kann? Das mein Körper für seine Existenz dennoch Blut brauchte machte mir meine Kehle ständig deutlich. Mein ganzes Sein war eine seltsame Erkenntnis. Erleichtert wurde mir das ganze durch meine neue Stärke. Es war berauschend meine erneuerten, unbeschreiblich klaren Sinne immer wieder auszuprobieren und auszutesten. Es war erschreckend wie abgestimmt und perfekt sie für die Jagd ausgelegt waren. Ich war ein Jäger, ein Jäger in Dunkelheit, ein Jäger der Nacht, denn das Tageslicht blieb mir verwehrt. Es war nicht unbedingt Maria die mich von dem Licht fernhielt, sondern vielmehr ein Ereignis kurz nach der Ankunft in Cambridge. Es war Nachmittag. Indirektes Licht malte rote Streifen an die Decke und die Wände neben dem Stoff, der die Fenster verhüllte und den Raum verdunkelte. Ich hatte… geruht. Von Schlafen war keine Rede mehr. Nicht das ich mir manchmal gewünscht hätte das der sanfte Schleier des Schlafs meine niemals ruhenden Gedanken zumindest ein paar Stunden verstummen lassen würde, mein Körper verlangte einfach nicht mehr nach Schlaf, nach Ruhe oder nach Regeneration. Vermutlich gab es das gar nicht mehr. Mein Körper war quasi zeitlich erstarrt. Es gab kein Wachstum mehr, nicht einmal meine Fingernägel oder Haare wurden länger. Dass ich dadurch auch der Rasur entging war kein großer Verlust. An jenem Nachmittag war ich hinaus in den Flur des Hauses gegangen, in dem wir uns eingenistet hatten. Wie genau Maria an dieses Haus gelangt war blieb unklar, ich hatte den Verdacht, dass es mit Blut zu tun hatte. Ich fragte und dachte nicht darüber nach, denn schon allein der Gedanke an den köstlichen roten Lebenssaft ließ den Schmerz in meiner Kehle und das damit verbundene Verlangen wieder auflodern. Im Hausflur stand eine große Pendeluhr. Das sie genau ging hatte mir dank meines neuen Gehörsinns nicht entgehen können – sie schlug im Einklang mit den Kirchenglocken zu jeder vollen Stunde. Ein kurzer Blick auf das große Ziffernblatt verkündete, dass es kurz nach halb vier Nachmittags war. Nicht mehr lange und die Umgebung würde in Dunkelheit gehüllt sein – ein eindeutiger Vorteil des Winters. Ich wollte mir gar nicht vorstellen wie quälend lang die Nacht im Sommer auf sich warten lassen würde. In meine Gedanken und Erinnerungen zurück an warme Sommertage vertieft bemerkte ich nicht, dass meine Hand von der Abendsonne beschienen wurde, die durch das Fenster fiel, welches in die Haustür eingelassen war. Ich bemerkte es erst als meine Haut seltsam spannte. Die Haut hatte eine leichte gereizte Röte angenommen. Es erinnerte mich an leichten Sonnenbrand, nur das er nicht durch stundenlange Sonneneinstrahlung entstanden war, sondern innerhalb weniger Minuten. War meine Haut so empfindlich geworden? Es grauste mir vor der Vorstellung wie meine Haut aussehen würde, wenn meine Haut einem hellen Sonnentag ausgesetzt würde. Dieses Erlebnis lehrte mich geduldig auf die nächtliche Jagd zu warten. Als Vampir war das Leben in einer Stadt anders, auch wenn es sich nur um eine Kleinstadt handelte und nicht annähernd an die Ausmaße von London heranreichte. „Wir sollten uns unauffällig verhalten“ predigte mir Maria jeden Tag an dem wir auf die Jagd gingen. Solang wir uns in diesem Haus aufhielten und keinen Aufruhr verursachten dürften wir keine Probleme bekommen, dem war ich mir sicher. Maria erzählte mir jedoch, dass es in den meisten Städten Englands Zirkel von Menschen gab, die um die Existenz von Vampiren wussten und es darauf anlegten sie aufzuspüren und zu … töten? Vernichten war wohl die passendere Beschreibung. Diese Information beschäftigte mich. Ich versuchte mir vorzustellen wie es würde einem Menschen gegenüber zu treten der wusste was ich war, der wusste wie sehr ich ihm überlegen war. Würde nicht jeder versuchen so schnell wie möglich zu verschwinden wenn er von der Anwesenheit von todbringenden Jägern wusste, die sich in unmittelbarer Nähe befanden? Ich versuchte mich zurück zu erinnern was ich über Vampire wusste bevor ich selbst zu einem wurde – ich hielt es für eine Erfindung um Menschen Angst einzureden. Eine fiktive Figur, eine Legende, ein Mythos, nichts weiter. Wer glaubte schon an blutsaugende Monster in menschlicher Gestalt, die Menschen aufsuchten um sie töten und ihr Blut zu trinken, die so viel schneller und stärker waren, die machen konnten was sie wollten, die… „Ist es nicht einfach uns aufzuspüren? Sie können doch einfach nach der Augenfarbe gehen“ Maria hatte mich einen Augenblick irritiert angesehen, ehe sie laut auflachte. „Du glaubst echt allen Erzählungen über unser Dasein, oder? Was kommt als nächstes? Das du einen großen Bogen um Knoblauch machst und dir einen Sarg stielst um ihn als Bett zu benutzen?“ sie kicherte amüsiert. „Meine Augenfarbe hat nichts mit Vampirismus zu tun. Ich wurde als Albina geboren, und hätte mich meine Mutter nicht versteckt, hätte man mich mit Sicherheit umgebracht. Schließlich schaut aus meinen Augen ein Höllendämon heraus, nicht wahr?“ Ihr Tonfall veränderte sich als sie über ihr menschliches Leben sprach. Sie klang belanglos, als bedeutete es ihr nichts, fast als würde sie sich darüber lustig machen. Als wäre ihr Menschsein reine Zeitverschwendung gewesen. Vermutlich war es kein angenehmes Leben gewesen. „Deine Augen sind noch immer von blau-grauer Farbe, “ Sagte sie und riss mich aus meinen Gedanken. „Etwas dunkler wenn der Blutdurst dich übermannt, aber das ist ganz normal.“ In den darauffolgenden Tagen hatte ich aus Langeweile das Haus durchforstet, aus Hoffnung irgendetwas Interessantes zu finden. Ich fand einen kleinen Handspiegel mit dem ich mich das erste Mal betrachten konnte seit ich zum Vampir geworden war. Ich zögerte einen Augenblick. Hatten Vampire überhaupt ein Spiegelbild, hieß es nicht immer die Untoten könnten sich nicht im Spiegel betrachten weil es sie gar nicht richtig gibt? Auch das stellte sich als Hirngespinst der Menschen heraus, denn Maria hatte Recht. Meine Augen waren dunkler als zuvor und meine Haut bleicher. Zu meiner Verwunderung war meine Haut makellos und unversehrt, es gab keine Verunreinigung mehr, keine Falten, keine Akne, keine dunklen Augenringe. Würde nicht eine gesunde Hautfarbe und das leichte pulsieren von Blut unter meiner Haut fehlen, hätte ich mich vermutlich als gutaussehend bezeichnen können. Ich beobachtete Maria und mir fiel auf, dass auch ihr Erscheinungsbild makelloser war als das anderer Frauen die sehr auf ihr Äußeres achteten. Zu makellos. Abgesehen von ihrem offensichtlichem „Anders-Sein“, ihrer angeborenen Pigmentschwäche, war sie hübsch und musste zweifellos auf alle unverheirateten Männer so begehrenswert wirken, wie sie in jener schicksalhaften Silvesternacht auf mich gewirkt hatte. Ich fragte mich, wieso sie allein gewesen war, nicht nur auf dem Ball, sondern generell schien sie wenig Umgang mit anderen zu haben. Anderen Vampiren waren wir nie begegnet, und mit Menschen machte sie meist kurzen Prozess. Ich fragte mich, warum sie gerade mich am Leben gelassen hatte, mich ausgewählt hatte so wie sie zu werden. Mit jeder Jagd auf der ich sie begleitet hatte – und das waren mittlerweile einige – war mir bewusster geworden, dass ich genauso gut als ihr Mitternachtssnack hätte enden können, denn mein Blut musste genauso unwiderstehlich gerochen haben, wie das meiner nächtlichen Opfer. Ich sprach sie nicht daraf an – es erschien mir unpassend und undankbar und ich musste mir eingestehen, dass ich froh war noch am Leben zu sein, obgleich es kein ‚Leben‘ mehr war. Maria sprach immer nur von unserem Dasein, was also hatten wir genau aufgegeben, um als blutsaugende Mörder weiter auf der Erde zu wandeln? „Können wir noch Schmerz empfinden?“ fragte ich eines Nachmittags. Maria saß in dem Schaukelstuhl vor dem verhangenen Fenster, ich kniete auf dem Teppich inmitten des Raumes – das herumschnüffeln im Haus war ich längst müde geworden. Die Besitzer dieses Hausen waren schlichtweg langweilig gewesen. „Hmmm“ ein nicht deutbares Summen kam aus der Richtung des Schaukelstuhls. „Ich meine, unsere Körper sind quasi in der Zeit eingefroren. Sie verändern sich nicht mehr, es gibt kein Wachstum… Wenn wir verletzt werden könnten, würden die Wunden verheilen? Können wir bluten? Schmerzen empfinden?“ Ich überhäufte sie unbeabsichtigt mit einem Schwall Fragen die mir schon eine Weile durch den Kopf gingen und irgendwann einfach gestellt werden mussten. Rasch sprang sie auf und baute sich vor mir auf, und für einen Augenblick befürchtete ich, ich hätte etwas Falsches gesagt oder sie mit so viel Neugierde verärgert. Mein Instinkt zwang mich in eine Abwehrhaltung. Ihre Mundwinkel zuckten zu einem Grinsen. „Bezweifelst du, dass ich dich verletzten könnte?“ Mein Körper gab mit einem sträubenden Schaudern eine grausige Antwort. Sie würde mich mit Leichtigkeit zerfetzen können, so viel erfahrener war sie. Sie musterte mich und ihre Haltung entspannte sich, auch ich versuchte mich ein wenig zu lockern. „Gib mir deine Hand“ sagte sie und streckte verlangend ihre eigene aus. Es klang mehr wie ein Befehl als wie eine Bitte. Nur zögernd gehorchte ich. Einen Moment später durchstieß etwas metallisches meine Haut, meine Handfläche und trat an der anderen Seite wieder hervor. „Was hast du getan“ knurrte ich. Gleißende Wut wallte in mir auf, unkontrolliert und überwältigend. So heftig das es mich selbst überraschte. Gelassen zog sie die Feuergabel aus meiner Hand und legte sie zurück auf den Ofen, als wäre sie nie zu etwas anderen gebraucht worden als das Schüren von Feuer. „Wir können durchaus verletzt werden“ Ihre Stimme war ruhig, ihre Augen jedoch lagen wachsam auf mir. „Diese Information hätte mir mündlich gereicht“ gab ich mit einem Knurren von mir. Meine Hand zitterte unentwegt. Es kostete mich einiges an Beherrschung nicht selbst das Metall zu nehmen und es ihr selbst ins Fleisch zu rammen – sie schien auf so etwas gefasst zu sein, denn sie ließ mich nicht aus den Augen und registrierte jede noch so kleine Bewegung. Als mein Blick erneut auf meine Hand fiel war schon so viel Blut aus der schmerzenden Wunde gequollen, dass es zwischen meinen Finger hindurch auf den Boden tropfte, zumindest wäre der Boden befleckt worden, wenn Marias Hand nicht vorgeschnellt wäre um das Blutrinnsal in ihrer Handfläche aufzufangen. Ich warf ihr einen feindseligen Blick zu. „Sieh genau hin“ Ihre Stimme war ein verführerisches Säuseln, das mich zögern ließ. Als ich meinen Blick schließlich doch von ihr abwandte und die Wunde genauer in Augenschein nahm, musste ich feststellen, dass sie sich bereits zu schließen begann. „Sollen wir das Ganze ein wenig beschleunigen?“ Ihre Augen bohrten sich in meine und ein zufriedenes Lächeln legte sich auf ihre Lippen. Sie verunsicherte mich. Ihre schneeweiße Hand hob sich zu meinem Gesicht, ihre Fingerkuppen strichen meine Wange und ich roch das Blut – mein Blut – das an ihrer Haut klebte. Sobald ich es gerochen hatte konnte ich mich nicht beherrschen, ich konnte nicht anders als das Blut von ihrer Haut abzulecken. Dad zufriedenes Lächeln ihrerseits wurde breiter, sie kam mir näher. Ich spürte ihre weichen Lippen auf meinen, liebkosend nahmen sie das letzten bisschen Blut auf, das noch an meinen Lippen klebte. „Sei mir nicht böse wegen deiner Hand. Sie wird bald wieder vollkommen sein“ flüsterte sie gegen meine Lippen, ehe sie sie erneut für sich einnahm. Wie sollte ich überhaupt noch verstimmt sein? Selbst wenn ich es versucht hätte, die impulsive Wut die ich noch kurz zuvor gespürt hatte war wie weggewischt. Sie seufzte leise als sie ihren Kopf ein wenig zurück neigte und ihren makellosen Hals präsentierte. Ihre Augen ruhten auf mir, sie neigte den Kopf ein wenig zur Seite. „Bediene dich“ bot sie sich an. „Blut beschleunigt die Heilung“ Ihre Hände vergruben sich sin meinem Haar und zogen mich weiter an sie heran, bis meine Lippen ihre Haut berührten…. 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