Sternschnuppen von Ur (Gazille x Levi) ================================================================================ Kapitel 1: Gewitter ------------------- Eigentlich mochte Gazille Gewitter. Früher, wenn es draußen gewittert hatte, waren er und Metalicana immer dort gewesen, wo man die Blitze am besten beobachten konnte. Diese Vorliebe für Blitze hatte allerdings ein wenig nachgelassen, nachdem diese unglückliche Geschichte mit Luxus geschehen war, bei der er einiges an Elektrizität hatte schlucken müssen. Ganz zu schweigen davon, dass dieser Armleuchter Levi hatte brutzeln wollen! Wenn er ehrlich zu sich selbst war, dann durfte er sich darüber nicht beklagen, immerhin hatte er selbst Levi auch schon verprügelt… aber diese Tatsache verdrängte er so gut es ging. Heute konnte er sich nicht einmal ansatzweise vorstellen, wie es sich anfühlen sollte, Levi nicht beschützen zu wollen. Sie war winzig. Zerbrechlich. Sollte er jemals dazu kommen, sie zu umarmen, dann würde sie garantiert zerbrechen wie ein Glaskörper. Nicht, dass er nicht ab und an darüber nachdachte, dass es… nett wäre, sie hier und dort zu umarmen. Aber die Befürchtung, er könnte ihr dabei wehtun, war doch zu groß. Er hatte ihr schließlich schon genug wehgetan. Peinlich genug, dass er sich überhaupt solche sentimentalen Gedanken über verweichlichte Dinge wie Umarmungen machte. Das musste niemand wissen. Er wollte es ja nicht einmal selbst wissen, dass er Levi gern… im Arm halten würde. Lag sicher alles nur an seinem übermäßig ausgeprägten Beschützerinstinkt ihr gegenüber. Es traf sich, dass Levi ihn an einem regnerischen Tag darum bat, in ihrem Zimmer beim Umräumen zu helfen, da sie selbst ihren riesigen Bücherschrank keinen Zentimeter von der Stelle bewegen konnte. »Ich würd Jet und Droy fragen, aber die sind grade auf einer Mission, auf die ich nicht mitgehen wollte… also… wenn es keine Umstände macht…« Sie sah ziemlich verlegen aus, während sie von unten zu ihm heraufschaute. Sie war so winzig, das gehörte verboten. Und ziemlich hübsch war sie auch… »Kein Problem«, unterbrach er ihr peinlich berührtes Gestammel. Im nächsten Moment fiel ihm auf, dass er ihr Zimmer sehen würde, wenn er ihr beim Umräumen half. Irgendwie stimmte ihn das ein wenig unbehaglich. Er hatte bisher noch kein Zimmer irgendeines Gildenmitgliedes gesehen. Nicht, dass er das wollen würde. Levi bildete die Ausnahme. Er hoffte stumm, dass er nichts kaputt machte. »Das ist wirklich nett«, sagte Levi erleichtert, als er ihr durch den Regen folgte. Sie hatte ihm angeboten, ihn mit unter ihren Schirm zu lassen, doch er hatte abgelehnt. Wenn sie ihren Arm ganz in die Höhe streckte, dann hätte er vielleicht mit unter den kunterbunten Schirm gepasst. Aber er war schließlich nicht aus Zucker. Levi hingegen schon eher. Levis Zimmer stellte sich als beinahe so winzig wie dessen Bewohnerin heraus. Den meisten Platz nahmen ein riesiger Bücherschrank und ein Schreibtisch ein. Das Bett sah nicht so aus, als würde einer der beiden Versagern jemals mit darin liegen. Diese Erkenntnis stimmte ihn ausgesprochen gut gelaunt. Wenn er Wind davon bekam, dass einer dieser Idioten ihr zu nahe rückte, dann würde er ihnen die Hälse brechen müssen. Während Levi einiges an Kleinkram aus ihren Schreibtischschubladen räumte, um einen großen Müllsack damit zu befüllen, schob Gazille den riesigen und gefühlt tonnenschweren Schrank von der Wand weg. »Der Tisch soll da rüber und das Bett wollte ich gern hier unters Fenster und dann den Schrank da drüben–« Levi brach ab und zuckte zusammen, als es draußen laut donnerte. Sie sah plötzlich aus wie ein verschrecktes Kaninchen. »Alles ok?«, fragte er verwirrt, beide Arme um den Bücherschrank gelegt. Es sah sicher so aus, als würde er ihn umarmen. Nun ja. Der Schrank zerbrach wenigstens nicht, wenn man ihn in den Arm nahm. »Äh… ja. Sicher. Ich… mag nur Gewitter nicht besonders«, gab Levi zu und blickte nervös zum Fenster hinüber. Gazille hob seine Augenbrauen, dann machte er sich wieder daran, den Schrank quer durch das kleine Zimmer zu ziehen. Levi ging hinüber zum Bett und bückte sich, um es an den gewünschten Platz zu rücken, doch beim nächsten Donnerschlag zuckte sie erneut zusammen, gab ein leises Wimmern von sich und setzte sich stattdessen auf das Bett, das sie eben noch hatte verschieben wollen. Der Blitz, der kurz auf den Donner folgte, brachte Levi dazu, die Augen zusammen zu kneifen. Gazille zögerte einen Augenblick und ließ den Schrank schließlich los. Er stapfte zu ihr hinüber, setzte sich neben ihr aufs Bett und verschränkte die Arme vor der Brust. Was sagte man zu so einem winzigen Geschöpf, wenn es Angst vor etwas hatte? »Gewitter tun dir nichts«, meinte er schließlich. Er war eben noch nie besonders einfühlsam gewesen. Wozu auch? »Ich weiß«, kam es kläglich von Levi. Gazille wusste nicht, ob er es sich nicht vielleicht einbildete, aber es sah beinahe so aus, als würde sie zittern. Er räusperte sich. Vielleicht sollte er noch irgendetwas sagen? Etwas Beruhigendes am besten. Aber ihm fiel beim besten Willen nichts ein. Worte wurden allerdings im nächsten Augenblick überflüssig, als es so laut donnerte, als wäre das Gewitter nun direkt über ihnen und ein Blitz durchs Zimmer zuckte, der alles für einen Sekundenbruchteil erhellte. Levi gab einen erstickten Schrei von sich und im nächsten Augenblick hing sie halb auf seinem Schoß, um sich an Gazille festzuklammern. Er starrte stur geradeaus, während ihr Fliegengewicht ihn erneut darauf aufmerksam machte, wie dünn Levi war. Es kostete ihn einiges an Überwindung, aber dann schaffte er es tatsächlich seine Arme zu heben und sie um Levis schmale Schultern zu legen. Bildete er sich das ein, oder schmiegte sie sich wirklich ein wenig an ihn? Sie war jedenfalls noch nicht zerbrochen, stellte er ein wenig nervös fest. Ihre Haare rochen nach Apfel. Es donnerte erneut. Gazille warf einen Blick zum Fenster und schaute dann hinunter auf Levis Gesicht, das sich an seiner Halsbeuge vergraben hatte. Vielleicht war Levi doch nicht so zerbrechlich. Ja, vielleicht war er doch nicht so mies im Umarmen, wie er gedacht hatte. Und vielleicht könnte er doch wieder anfangen, Gewitter zu mögen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)