Schattenwelt von lupa ================================================================================ Kapitel 1: Der katastrophale erste Tag -------------------------------------- Die ersten Strahlen der Sonne schienen durch das Fenster, erhellten den kleinen Raum und beleuchteten ein Meer aus Topfpflanzen. Bis sie zu dem relativ nah, seitlich an der Wand stehenden Bett vorgedrungen waren, in dem sich Lilly wiederwillig noch einmal umdrehte. Warum musste nur so früh am Morgen schon die Sonne scheinen? Es war doch Winter, der Beste beweis war der frisch gefallene Schnee auf dem Fensterbrett, der durch einen starken Windstoß ins Zimmer hinein und bis an ihre Füße getragen wurde. Am liebsten hätte sie das Problem irgendwie gelöst, aber die Bettdecke war an der Stelle eh durchnässt und eisig, sodass aufstehen und das Fenster schließen nicht der Mühe wert war. Langsam begann leben die Straßen der fremden Stadt zu erfüllen. Motoren wurden gestartet, dass allmorgendliche Hubkonzert startete und genervte Menschen die in eisiger Kälte ihre Fortbewegungsmittel freischippen mussten begannen sich gegenseitig an zu schreien. Wie zur Hölle sollte man bei so einem Radau nur schlafen? Hatte sich denn die ganze Welt gegen sie verschworen? Der unglaubliche Lärm war einer der Gründe gewesen wegen dem sie ihre Eltern förmlich angefleht hatte nicht um zu ziehen, aber sie hatten es wie immer ignoriert. In der Gegend wo das Haus ihrer Großmutter stand war es immer ruhig gewesen, was vielleicht daran lag das die nächste Stadt Kilometer weit entfernt war. Außerdem hatte Lilly dort nicht zur Schule gehen müssen, sondern war zu Hause unterrichtet worden. Unwillig kämpfte sie sich aus ihrer Decke, schwang langsam die Füße über die Bettkante und schlurfte lustlos in Richtung ihres Schreibtisches, der in einer Zimmerecke stand. Auf dem hölzernen Stuhl fand sie die bereits am Abend zuvor bereitgelegten Kleidungsstücke, ihre neue Schuluniform. Der schwere schwarze Stoff glänzte matt im kalten winterlichen Sonnenlicht, während die silbernen Stickereien die eindeutig Drachen darstellten, welche sich um einen Kristall schlangen hervorstachen. Welche Schule die etwas von sich hielt nahm schon einen Drachen als Wappentier? Wenn es wenigsten ein kleiner unauffälliger gewesen wäre, aber das Bild des silbernen Riesen bedeckte den kompletten Rücken der eher als Mantel zu bezeichnenden Jacke. Noch dazu kamen kleinere Stickereien auf dem dicken Pullover und der komisch geformten Hose. Ein leises Seufzen entfuhr Lilly. Sie hasste den ganzen Stress, das ganze Schminken und Verkleiden am frühen Morgen, das würde wieder Stunden dauern. All das wäre nicht notwendig gewesen, wenn sie nicht in einer neuen Stadt wären und sie nicht an diese Schule hätte gehen müssen. Das Badezimmer war klein und nur schlecht beleuchtet, denn die einzige Lichtquelle war das winzige Fenster das zum verschneiten Innenhof des Häuserblocks führte. Über Nacht hatten sich Eisflocken auf der Scheibe abgesetzt, was es unmöglich machte weiter als ein paar Zentimeter zu sehen, doch das störte Lilly nicht sonderlich. Müde schlurfte sie in Richtung des Spiegels und betrachtete das unmotivierte Gesicht das ihr entgegen blickte. Die Worte ihrer Mutter vom Abend zuvor klangen noch in den großen flauschigen Katzenohren nach. „Das ist eine anständige Schule, also mach gefälligst irgendwas damit du nicht mehr aussiehst wie ein missglücktes genetisches Experiment!“ „Manchmal beliebt sie zu scherzen…dabei ist sie doch sonst so unlustig“, seufzte Lilly während sie weiter ihr Spiegelbild betrachtete, „Gut gegen das bisschen Fell im Gesicht kann ich was machen, aber wie denkt sie soll ich bitte die Ohren und den Schwanz verstecken?“ Ein kalter Luftzug wehte durch das an gekippte Fenster hinein und ließ die Tür eines der Kosmetikschränkchen laut aufheulen. Das Fell in Lillys Nacken sträubte sich bei dem Geräusch unwillkürlich, ihr Katzenschwanz erstarrte mitten in der Bewegung und wurde noch bauschiger. „Ich hasse dieses Haus! Sogar noch mehr als diese Stadt…“, nach einem kurzen Schütteln um den Schreck los zu werden, griff sie vorsichtig nach einem der Schminktöpfchen ihrer älteren Schwester. Langsam löste sich der schwarze Deckel und ein unangenehmer Geruch begann sich im gesamten Raum aus zu breiten, „Ich hasse es…warum muss das Zeug nur so bestialisch stinken? Wie kann man sich damit nur freiwillig einreiben?“, angeekelt stupste sie die Masse mit dem kleinen Finger an um wenigstens die Konsistenz zu überprüfen, „Iiiieh…na super…das fühlt sich ja an wie Babybrei…das Zeug wollte ich schon immer im Gesicht haben, aber unbedingt, mein größter Traum geht in Erfüllung.“ Ungehalten blickte sie wieder in den Spiegel und trug die hautfarbene Paste vorsichtig auf den zwei krallenförmigen Stellen unterhalb ihrer Wangenknochen auf, an denen sie Fell hatte. Was nicht wirklich einfach war, da sich die kurzen feinen Haare entschieden wehrten unter dem nassen Brei begraben zu werden. Als der Kampf endlich gewonnen war, ließ sich die junge Katzenchimäre angestrengt auf den Wannenrand fallen und wagte erneut einen Blick in ihr Spiegelbild, während ihre empfindliche Nase begann gegen den Geruch des Make-ups zu rebellieren. Sie sah immer noch nicht wacher aus als zuvor, ganz im Gegenteil, ihre kuschligen kastanienbraunen Öhrchen, die weiße Spitzen hatten hingen kraftlos an der Seite ihres Kopfes hinunter, so als wüssten sie, dass sie die nächsten auf der Liste waren. „Also wo ist schon wieder der Kamm?“, Schublade um Schublade musste der ungeduldigen Suche standhalten bis endlich alles gefunden war. Mit hastigen Bewegungen, kämmte Lilly ihre langen, gewellten, leicht lockigen kastanienbraunen Haare nach hinten und fixierte ihre Ohren mit einigen Haarspangen innerhalb der Frisur. „Na hoffentlich kann ich sie genug kontrollieren, um sie den ganzen Tag still zu halten, sonst tut das ganz schön weh. So noch die Wollmütze aufsetzen und man sieht sie nicht mehr.“ Fast hätte sie sich schon weiter angezogen, doch in dem Moment als sie sich nach der Uniform, die sie achtlos auf den Boden geworfen hatte, bückte stupste ihr langer Schwanz, der ebenfalls eine weiße Spitze hatte sacht gegen ihre Schulter. „Huh? Was ist denn? Willst du etwas?“, fragte sie irritiert. Als Antwort wickelte sich das pelzige Körperteil eng um ihre Taille, „Ach so…stimmt dich hätte ich fast vergessen. Macht aber nichts, der Pullover ist ja weit genug bleib einfach so und halt den Tag über still.“ Ein leichtes nervöses Zucken erfasste kurz ihren buschigen Schwanz, bevor er in eine Art Starre verfiel. Erneut kam ein leises Seufzen über ihre Lippen, „Ich wünschte die Ohren wären nur halb so kooperativ.“ Der Schnee lag Knöchelhoch in den ungeräumten, kleinen Seitenstraßen die sich zwischen den großen Häuserblocks bildeten und bedeckte die glatte Eisschicht die den Boden überzog. Nur hier und da waren mal ein paar Zentimeter Gras oder freie Fläche zu sehen wo genervte Anwohner versucht hatten ihre Autos frei zu bekommen, ohne Erfolg. Geschickt sprang Lilly von der letzten Treppenstufe hinaus ins Freie und landete elegant ohne allzu tief einzusinken. „Hm…immerhin ist es klar, dann muss man nicht mit noch mehr Schnee rechnen“, tatsächlich war der Morgen erstaunlich wolkenlos. Der Himmel zeigte sich in seiner blauesten Pracht, die durch den hellen Kontrast der im schneidenden Wind aufgewirbelten Flocken, noch stärker hervorgehoben wurde und einige Äste der nahen Nadelbäume ließen ein lebendiges Grün unter der dicken weißen Last erkennen. Vielleicht war der Tag doch gar nicht so schlecht wie er begonnen hatte und so unangenehm kalt der Wind auch war er vertrieb wenigstens den Gestank des Make-ups. Ruhig machte sich Lilly auf den Weg zur U-Bahn, während sie in ihrer Umhängetasche kramte bis sie ihren mp3-player gefunden hatte. Erstaunlicherweise passten die großen Kopfhörer perfekt über die Wollmütze, sodass schon nach wenigen Sekunden die Geräusche der Stadt zu verschwimmen begannen und anstelle des nerv tötenden Grollens der Motoren, rattern der Bahnen und Geschimpfes aller anwesenden Menschen, die beruhigenden Klänge von HIM traten. Langsam fing sie an sich zu entspannen, ihre Schritte wurden weiter beschwingter, bis sie endlich an der Treppe ankam die hinunter zur Bahn führte. Als Lilly die Menschenmassen sah, die sich dicht an dicht vom Bahnsteig bis zur obersten, matschigen Treppenstufe drängten, verging ihre gute Laune schlagartig wieder. Sie hasste Menschenmengen und Gedränge. Wenn all die Leute sich hier schon dicht an dicht schmiegten wie würde es erst in der Bahn sein, ob sie nicht vielleicht doch besser laufen sollte? Aber die Schule war so weit entfernt, sie würde nie im Leben pünktlich ankommen. Mit einem resignierten Seufzen stellte sich das getarnte Kätzchen vorsichtig am Ende der Masse an, penibel darauf bedacht sich von Niemandem anfassen oder anrempeln zu lassen. Allerdings wurde der Gang immer enger und damit der Raum für die Masse immer kleiner, sodass sie innerhalb kürzester Zeit in der Menge eingequetscht und mitgeschliffen wurde. Wer bewegte sich da eigentlich überhaupt noch? Als Lilly sich umsah wurde es ihr klar, die Hinteren drückten immer weiter nach, strömten hinein und quetschten die die weiter vorne waren, vorwärts. Langsam wurde es problematisch, vor ihr in der Schlange stand ein Riese, an dem sie nicht vorbei kam und der ihr mit seinem atemberaubenden Gestank, nach wochenlang nicht gewaschen und zu viel Alkohol getrunken, die Luft aus den Lungen presste. Panik stieg in ihr auf, sie konnte nicht mehr atmen, ihre empfindliche Nase rebellierte. Es wurde dunkel, ob wohl die Lampen plötzlich ausgefallen waren? Aber warum stank es dann nicht mehr? Warum roch sie, fühlte sie nichts mehr und warum drehte sich alles? Dunkel und kalt…so kalt… Die Sekunden dehnten sich zu Stunden aus und tief in der Dunkelheit irgendwo außerhalb ihrer Reichweite war da eine Stimme, leise, sanft…sie rief…oder sang sie? Irgendetwas…nur was? Langsam begann Lilly sich in der zähen Dunkelheit zu orientieren, begann sich auf die Stimme zu zubewegen…zu fallen…es wurde deutlicher…der Gesang. So etwas hatten ihre Ohren noch nie vernommen, was war das? Kam es von ihren Kopfhörern? Fing sie jetzt an vollkommen durch zu drehen? Vorsichtig versuchte sie ihre Ohren auszurichten, versuchte sich zu konzentrieren, nein solche Musik hatte sie nicht auf ihrem Mp3-player…langsam öffnete sie die Augen, bemühte sich zumindest. Doch da war ein Wiederstand, es fühlte sich an als wären ihre Lieder fest zu geklebt. Langsam Stück für Stück arbeitete Lilly sich vor und erschrak. Wo zur Hölle war sie? Eisige Dunkelheit, tiefe schneidende Schwärze soweit das Auge sehen konnte umgab sie, eine zuckende lebendige Schwärze war es, bedrohlich und kalt. Am liebsten hätte sie vor Angst geschrien oder wild um sich geschlagen, doch sie konnte sich nicht rühren, ihr Körper war noch fester gebunden als ihre Augen. Da war wieder diese Stimme, diese leise trostspendende Melodie, sie verbarg, hüllte Lilly ein und beschützte sie. Vorsichtig versuchte sie sich erneut zu bewegen, sich zu drehen, näher heran zu kommen, doch es gelang ihr nicht. Nur kurz schaffte sie es den Kopf zu drehen. Für ein paar Augenblicke blieb bei dem Anblick sogar ihr Herz stehen. Die Schwärze hatte sich formiert, überall scharfe Klauen und groteske kratzende Hände die nach ihr griffen, tausende gefletschte Mäuler aus Schatten, die näher und näher kamen. Die Kälte die sie im Griff hatte lockerte sich keinen Millimeter, sie kam nicht vom Fleck, aber sie musste sonst würden die Dinger sie bekommen, sie musste weg so schnell sie konnte. Denken, hätte sie doch nur nachdenken können, einen Plan den brauchte sie, doch es war unmöglich sich zu konzentrieren, ihr Herz schlug so laut, es raste in ihrer Brust, als hätte eine böse Macht es fest im Griff. All ihre verbleibende Kraft aufwendend schaffte Lilly es im letzten Moment sich mit einer schnellen, ruckartigen Bewegung sich los zu reißen, der Starre zu entfliehen. Das Maul das am nächsten war schnappte zu und streifte die weiße Spitze ihres Schwanzes, Schmerzen durchzuckten ihren Körper und plötzlich schien es nach oben zu gehen, einem seltsamen Licht entgegen. Noch einen letzten Blick warf sie zurück, wobei sich ihre Nackenhaare aufstellten, dem Grauen entkommen, dachte sie zumindest. Plötzlich wie aus dem nichts löste sich etwas aus der Dunkelheit, raste ein riesiger Wolf auf sie zu, mit weit aufgerissenem Maul und gebleckten Zähnen knurrend, eine Klaue zum Hieb bereit. Das war das Ende, dem konnte sie nicht entkommen. Mit einem lauten Schrei schrak sie aus ihrer Ohnmacht hoch, vollkommen verschwitzt und am ganzen Körper zitternd. Es war immer noch stock dunkel, nur gelegentlich flackerte das neongrüne Licht der Lampen auf, wie Blitze im tiefsten Unwetter, und ließ die Umrisse einiger Personen erscheinen. Die Räder der U-Bahn ratterten rhythmisch vor sich hin, während Lillys Augen sich langsam an die Finsternis gewöhnten. Ihr Herz raste, drückte unablässig gegen die Innenseite ihrer Brust, als wolle es heraus springen, ihre Hände klebten förmlich an den Sitzen. Wie war sie in die U-Bahn gekommen und warum drehte sich alles so? „Ich denke wir sollten sie in ein Krankenhaus bringen…das sieht gar nicht gut aus“, flüsterte eine leise weibliche Stimme in ihrer Nähe. „Wieso? Nur weil sie aussieht als müsste sie sich gleich übergeben? Das wird schon wieder…und wenn nicht kann man ihr im Krankenhaus auch nicht mehr helfen.“ Bei diesen Worten zuckte Lilly etwas zusammen. Ihr Magen fühlte sich so seltsam taub an und ihr Schwanz schmerzte höllisch, das Bild der wabernden dunklen Monster die sie verletzt hatten tauchte ein paar Sekunden lang in ihr auf und löste einen erneuten Zitteranfall aus. „Reizend Gordon wirklich…“, langsam stand eine große Person von der gegenüberliegenden Sitzreihe auf und ging zaghaft zu dem schwachen Kätzchen, dass seinen Kopf gegen die tiefdunkle Scheibe gelegt hatte, um einem erneuten Schwindelanfall entgegen zu wirken, hinüber, „He alles in Ordnung? Tut ihnen irgendwas weh? Kann ich helfen?“, fragte der Mann beruhigend. Etwas ängstlich linste Lilly aus dem Augenwinkel zu dem Fremden hinüber, sie war nicht gut darin mit Leuten zu sprechen die sie nicht kannte, besonders wenn es so merkwürdige Leute waren. Irgendwie verschwanden plötzlich alle Worte aus ihrem Kopf, sie war nicht einmal mehr in der Lage einen zusammenhängenden Satz zu denken, es war als hätte sie ein Blitz getroffen. Da war es wieder dieses Gefühl, das Gefühl plötzlich in einer Prüfung zu sein auf die man sich nicht vorbereitet hatte und bei der einem nicht einmal die Fragen verständlich waren, aber sofort eine Antwort verlangt wurde. Erneut trat Schweiß auf ihre Stirn…was sollte sie nur sagen? Wie es am besten formulieren? Sie wollte die Fremden ja auch nicht kränken. Ein paar Mal öffnete sich ihr Mund, schien zu einer Erwiderung anzusetzen, schloss sich aber nach einer Weile unverrichteter Dinge wieder. Auf sich selbst sauer biss sich Lilly auf die Unterlippe. Schon wieder, warum musste es immer so laufen, wenn sie Leute nicht kannte…warum konnte sie nicht einfach mal irgendetwas sagen, wütend krallten sich ihre Hände in das harte Material der Sitze. „Ah da ist jemand schüchtern…aber das müssen sie doch gar nicht sein“, ein herzliches Lächeln breitete sich auf den sonst so harten und gegerbten Zügen des mittelalten Mannes aus, wodurch die längliche Narbe auf seiner linken Wange noch hervorgehoben wurde. Trotz der netten Geste bekam Lilly kein Wort über die Lippen. Wie zur Salzsäule erstarrt saß sie auf dem U-Bahn Sitz, festgekrallt und vor Anspannung leicht zitternd. Ein leises Seufzen schlich sich über die Lippen des Besorgten, „Ich sehe schon wir haben es hier mit einem Härtefall zu tun…Gordon…zieh Leine, du bist so unsympathisch da kann sie ja nur Angst haben! Cassy…tust du mir den Gefallen und holst eine Tasse Milch…das beruhigt sicher die Nerven“, grummelnd verließ der kleinere schwarzhaarige Mann das Abteil, während die hübsche Frau noch eine Weile mit besorgtem Gesichtsausdruck und den großen haselnussbraunen Augen auf das Mädchen gerichtet stehen blieb. Als Beide verschwunden waren setzte sich der Fremde ruhig neben das Kätzchen auf die Bank, richtete seinen Blick etwas in die Ferne und begann einfach drauf los zu reden, „Sie brauchen wirklich nicht schüchtern zu sein. Ich nehme an sie sind Lilly Gardner?“ Große Katzenaugen schauten ihn irritiert, fragend aus der Dunkelheit an, aber noch immer war kein Wort zu hören. „Werte ich das einfach mal als ja…ich meine war auch nicht wirklich schwer heraus zu finden. Die Schuluniform ist ziemlich einzigartig und da ich Lehrer bin, kenne ich die meisten Schüler. Sie aber habe ich noch nie gesehen, daraus schließe ich, dass sie eine neue Schülerin sind und da nur meine Klasse Zuwachs bekommt und dieser Lilly Gardner heißt…nun man muss kein Genie sein. Mein Name ist übrigens Darkwood…genau genommen Daemon Darkwood, aber kommen sie nicht auf die Idee das Dämon auszusprechen!“, lächelnd schaute er auf das stumme Mädchen das wie ein ausgestopftes Kuscheltier neben ihm saß und hielt ihr fröhlich eine Hand zur Begrüßung hin. Sie konnte immer noch nicht sprechen, wie versteinert starrte sie hilflos auf die ihr angebotene Hand. Lillys Herz raste, fast noch schneller als zuvor…zwei, drei, vier, fünf Schläge pro aufblinkenden grünen Lichtstrahl. Wie sehr hätte sie sich gewünscht ihren Schwanz oder die Öhrchen bewegen zu können. In solchen Situationen verfielen sie immer in regelmäßige, beruhigende Zuckungen. Es dauerte eine Ewigkeit…2000 oder 3000 Herzschläge bis sie vorsichtig die Hand ausstrecken konnte. Sachte und langsam bewegte diese sich auf ihr Ziel zu, bis sie fast die Fingerspitzen des Gegenübers berührte, doch im letzten Moment öffnete sich urplötzlich die Abteiltür, mit einem lauten Quietschen, dass die nervöse Katze fast zu Tode erschreckte und in die Ausgangsposition zurück fliehen ließ. „Herrje ein wirklich schwerer Fall! Gut das du da bist Cassy…ah und die Milch sehr schön.“ Sachte Schritt für Schritt näherte sich die elegante Frau, die im selben Alter wie Daemon zu sein schien. „Oh Entschuldigung! Ich wollte dich nicht erschrecken…hier trink das, dann geht es dir sicher besser…“, rücksichtsvoll blieb sie in einigem Abstand zu dem jungen Mädchen stehen und streckte ihr die Milchtasse entgegen. Lillys Nase hatte angefangen vor Vorfreude leicht zu vibrieren so stark und schnell sog sie die Luft ein um möglichst viel des wundervollen Geruchs abzufangen, bevor er unnötig verdünnt wurde. Ein nervöses Zucken fuhr durch ihren Körper, alle Muskeln spannten sich an. Wie gerne hätte sie einfach nach der Tasse gegriffen, es gab schließlich nichts was sie mehr liebte als Milch, aber konnte sie diesen Fremden wirklich vertrauen? Waren das wirklich zukünftige Lehrer? Selbst wenn sie waren was sie vorgaben, war es dann in Ordnung das Getränk einfach so an zu nehmen? Fiel sie ihnen damit nicht vielleicht irgendwie zur Last? Unsicher sank der Kopf des Kätzchens etwas zum mit Schnee und Matsch bedeckten Boden, bis ihr Blick nachdenklich auf den schwarzen wie gebunden aussehenden Stoffstiefeln ruhen blieb. „Hör mal es ist wirklich in Ordnung wenn du das trinkst…das ist nur Milch. Hab keine Angst, wir tun dir nichts!“ „Ich glaube nicht das du da weit kommen wirst Cassy…da ist jemand richtig schüchtern…das toppt ja sogar dich früher“, ein fröhliches Lachen folgte seinen Worten. „Schlimmer als ich? Hm…“, vorsichtig setzte sich die relativ große Frau vor Lilly auf den Boden, sodass diese ihrem Blick nicht länger ausweichen konnte und lächelte sie unter der Masse an durcheinandergehenden schulterlangen roten Haaren liebevoll an, während sie die Tasse auf den Platz neben dem Kätzchen abstellte. „Ich heiße Cassandra Hathaway und wenn du auf die Blackwood Oberschule gehst, werden wir uns wahrscheinlich noch häufiger sehen, also besser du gewöhnst dich jetzt schon an mich, schließlich kannst du nicht immer zur Salzsäule erstarren wenn du mir auf dem Gang begegnest…“ Durch den Augenkontakt noch mehr verunsichert, griff Lilly vorsichtig nach der Tasse und nahm sie fest in beide Hände um sich daran fest zu halten. Nervös wanderten ihre Augen zwischen den beiden wartend dreinblickenden Personen hin und her, während das flackernde Licht der Lampen immer wieder erstarb und das Abteil in Dunkelheit zurück ließ. Was genau sollte sie jetzt tun? Trinken? Sich bedanken? Am liebsten wäre sie auf der Stelle aus der fahrenden Bahn gesprungen…sie wollte einfach nur weg, sich verkriechen. Irgendwohin wo ihr niemand Beachtung schenkte, wo sie nicht so fixierend angestarrt wurde. Ängstlich wanderte ihr Blick ziellos umher, bis er an dem cremigen weißen Inhalt der Tasse hängen blieb. Die Milch roch unheimlich verführerisch und es wurde von Sekunde zu Sekunde schwerer sich zurück zu halten. Irgendwann konnte sie einfach nicht mehr anders, langsam, vorsichtig, wachsam die beiden Personen aus den Augenwinkeln beobachtend näherte sie sich der Tasse. „Da..nk.e“, flüsterte Lilly schnell, kaum hörbar und zum Ende immer leiser werdend, bevor sie nervös anfing die Milch zu schlabbern. Spätestens jetzt hatte ihre Verkleidung ausgedient. Belustigt sahen die beiden Lehrer dem Kätzchen zu, wie es immer wieder die Zunge vorsichtig in der weißen Flüssigkeit versenkte, um sie dann, an den Reißzähnen vorbei, in den Mund zu befördern. Eine heilsame Stille erfüllte das dunkle Abteil. Es war warm, trocken an diesem Ort, fast wie vor einem Kamin. Die Milch in ihrem Mund begann immer schwerer zu werden genauso wie ihre Augenlieder. Immer träger wurden ihre Bewegungen…warum war sie nur so müde? So unsagbar müde…langsam begann die Welt vor ihren Augen zu verschwimmen…alles war so unscharf, so…seltsam. Mit einem Schlag war das neongrüne Licht wieder da und tauchte die Umgebung in ein groteskes Farbenspiel. Ihr Kopf brannte vor Schmerzen, irgendwas war nicht in Ordnung. Hilfesuchend drehte sie sich zu Cassandra um und zuckte vor Schreck zusammen, bevor sie ängstlich ein Stück weg rutschte…was war das dort? Was war das für ein riesiger bedrohlicher Schatten hinter der Frau? Irgendein Ding mit Klauen…scharfen Klauen…es…griff nach Lilly, als wolle es das Kätzchen fressen. Die gleichen Schatten…es waren die gleichen Schatten die in ihrem Traum nach ihr gegriffen hatten. Die Frau schien irgendwas zu sagen und streckte ihre Hand nach Lilly aus, doch dabei kam auch der Schatten näher. Das Herz des Mädchens raste wie wahnsinnig, sie konnte nichts hören, nichts sagen…immer stärker wurde der Schmerz in ihrem Kopf, breitete sich auf ihren Körper aus. Panisch presste sie die Hände auf die versteckten Ohren, dabei viel die Milchtasse zu Boden und zerbarst in tausend Stücke. Das Kätzchen schloss ängstlich die Augen und fauchte hilflos…hinter ihr war auch eines dieser Dinger…eng um den komischen Mann geschlungen…sie konnte es spüren…irgendwie. Wo war sie da nur reingeraten, was waren das für Monster? Warnend stellten sich ihre Nackenhaare auf, da war etwas…es lauerte in der Dunkelheit, etwas das gefährlicher war als die Bestien in ihrer Nähe. Da war wieder diese Kälte…genau die gleiche Kälte wie zuvor, sie kroch durch das Abteil immer näher auf Lilly zu. Woher kam das nur? Ängstlich fing sie an sich zu schütteln, kämpfte gegen den Schmerz und die Panik an. Langsam wurden ihre Ohren besser, da…hinter der U-Bahn von da kam es…kalt…ein Prasseln, noch leise aber immer deutlicher werdend. Was war das nur? Zu leise…sie konnte einfach keine Form ausmachen. Kurz öffneten sich ihre Augen und ihr verschleierter Blick traf die Milchpfütze. Sie bebte…kleine Kreise von Erschütterungen bildeten sich. Wurden sie verfolgt? Aber was war denn schnell genug mit einer Bahn mit zu halten? Ein leises Wimmern schlich sich aus ihrem Mund…es tat so weh, ihr Kopf schien zu bersten, die Öhrchen waren von einem hohen schmerzhaften Ton betäubt und ihre Augen brannten wie Feuer. Warum konnte sie nicht einfach ohnmächtig werden? Irritiert beobachtete Daemon das fauchende Kätzchen, was war da nur geschehen? Sie hatte sich doch gerade erst entspannt und nun verkrampfte sich ihr Körper noch schlimmer als zuvor. Suchend wanderte sein Blick durch das leere Abteil und dann zu Cassandra, die genauso ahnungslos schien wie er. Sanft versuchte sie auf das panische Mädchen einzureden, jedoch ohne Erfolg…was erschreckte sie nur so? Seine Augen schlossen sich und er begann tief und regelmäßig zu atmen. Langsam befreite sich sein Geist und die Schatten gaben ihm ihre Geheimnisse preis. „Das Mädchen kann uns sehen…zumindest beginnt sie…“, flüsterte ihm eine leise Stimme ins Ohr. „Was? Das ist nicht möglich…das kann nicht sein! Du weißt genauso gut wie ich, dass jeder neue Schüler auf das Potential überprüft wird und bei ihr gab es keinerlei Anzeichen…zumindest stand es so in der Akte, Kisho.“ Der kleine goldene Drache, der sich eng um den Körper seines Partners gewickelt hatte, schüttelte nur seufzend den Kopf und strich mit einer Klaue die langen Barthaare glatt, „Ach Daemon du weist genauso gut wie ich, dass sie die Leute nur auf den Hintergrund prüfen und wenn es in ihrer Familie keine Schattengänger gab oder zumindest nichts darüber bekannt ist, fallen sie aus dem Raster. Außerdem könnte es doch sein, dass sie die Fähigkeit gerade erst entwickelt…schließlich ist sie vorhin einfach so in unseren Kampf reingestolpert und wenn sie nicht eine von uns wäre, wie würde sie dann in diese Ebene kommen? Hm? Darauf haben wir natürlich keine Erklärung, was?“ „Ich hasse es wenn du das tust! Ich bin nicht dein Schüler also rede bitte vernünftig mit mir! Und wer weiß wie sie hergekommen ist…durch unsere Kämpfe entstehen manchmal Spalte…vielleicht stand sie nur zufällig am falschen Ort!“ „Du machst es dir zu leicht…es gibt keine Zufälle. Aber nehmen wir an sie wäre keine Schattengängerin…wie erklärst du dir dann das Faolan sie nicht einfach in Stücke gerissen hat? Er war ja vollkommen außer Kontrolle, da kann er normale Menschen nicht mehr von Dämonen unterscheiden und außerdem ist sie jetzt schon viel länger auf dieser Ebene als Menschen es überhaupt überstehen könnten…“ „Du weißt, dass das von Person zu Person unterschiedlich ist…sie war ja auch die meiste Zeit ohnmächtig und das mit Faolan ist kein Argument. Wer kann schon sagen was in ihn gefahren ist, vielleicht war er noch nicht ganz so rasend wie wir dachten…oder er hatte einen seiner seltenen klaren Momente.“ „Hm…denk was du willst aber du solltest sie im Auge behalten. Dieses Mädchen wäre sicherlich eine gute Ergänzung für das Team das dir unterstellt ist…sie hat noch vor mir gespürt das man uns verfolgt…“ Ein leises Surren begann seine Ohren zu erfüllen. Kisho hatte recht…da war etwas, wie hatte er es nur übersehen können, vielleicht wurde er zu alt um sich längere Zeit in der Ebene der Schatten auf zu halten. Die Abstumpfung schien bereits eingesetzt zu haben, aber wer hätte auch vermuten können, dass sie sich mittlerweile an U-Bahnen wagten? Unter der ganzen Stadt verlief ein riesiges Netzwerk aus Tunneln, dunkel und feucht war es dort, der perfekte Ort für die Dämonen, die sich von ihrem Wirt gelöst hatten. Dennoch…normalerweise hielten sie sich von den Verkehrsmitteln fern und besonders, wenn Schattengänger in ihnen waren, irgendetwas lag in der Luft. Die Gesetze die seit Jahrhunderten galten, schienen mehr und mehr außer Kraft gesetzt zu werden…und diese Wesen änderten plötzlich ihr Verhalten, ihre Gewohnheiten. Sie waren in letzter Zeit viel aktiver geworden, viel zu aktiv, da stimmte etwas nicht. Daemon erinnerte sich daran, das bei der nächsten Versammlung an zu sprechen, denn er war nicht der Einzige mit dem Gefühl und wenn er schon dabei war, sollte er auch dieses Mädchen…Lilly Gardner erwähnen…er glaubte zwar immer noch nicht daran, aber Kisho irrte sich nicht. Wer konnte schon wissen wie sich das entwickeln würde? Zumindest sollte jemand ein Auge auf sie haben. „He Daemon! Ich will dich ja nicht bei irgendetwas stören, aber könntest du bitte aufhören zu träumen und mir hier mal helfen?“ „Huh?“, unerwartet aus seinen Gedanken gerissen verlor er sofort die Konzentration und blickte Cassandra, die verzweifelt das ohnmächtige Kätzchen im Arm hielt perplex an, „Wobei? Oh…nein tut mir Leid wir haben gerade ganz andere Probleme. Du solltest möglichst schnell mit ihr aussteigen und dir einen anderen Weg zur Schule suchen…Gordon und ich klären das hier“ Der Körper der Frau versteifte sich merkbar und ein ernster Ausdruck trat auf ihr sonst so fröhliches und unbekümmertes Gesicht, „Hier? Aber sie greifen niemals Züge an…du musst dich irren!“ „Kisho und ich irren uns bei so etwas nicht! Sie lieber zu das du mit ihr verschwindest…es bleibt nicht mehr viel Zeit…und noch etwas Cassy…schick Khan weg, wenn sie erwacht.“ „Wieso…warte kann sie…?“, noch bevor der Satz komplett ihre Lippen verlassen hatte, begann der Boden zu erbeben. Felsbrocken lösten sich von der Tunneldecke und schlugen an verschiedenen Stellen des Zuges ein, lautes Quietschen war zu vernehmen und grünliche Funken sprühten am Fenster vorbei, scheinbar bremste die Bahn urplötzlich. Wie aus lauter Ferne waren Schreie zu vernehmen, eine Panik schien ausgebrochen, doch nirgendwo waren die entsprechenden Menschen zu sehen. Nur die Geräusche drangen, wie durch ein riesiges Kopfkissen gedämpft an die Ohren der Beiden. „Verschwinde jetzt!“, rief Daemon der Frau noch zu, bevor diese elegant in eine große Ansammlung von Dunkelheit, eine Schattenwolke sprang. „Na endlich…Gordon? Wo treibt der sich bloß schon wieder rum, nicht das er mir die ganzen Gegner noch vor der Nase wegschnappt.“ Einige goldene Schuppen spiegelten sich in dem Glas der U-Bahnscheiben, als sich Kisho etwas von ihm löste. Sein Blick war nun viel wacher als zuvor und deutlich interessierter, „Lasset die Spiele beginnen“, zischte er fröhlich hervor, während er in einer Klaue seine Pfeife vorbereitete und mit der anderen die viel zu langen Barthaare, genüsslich herumzwirbelte. Da war ein Geräusch…aber woher kam es? Tick…Tick…Tick…seltsam…immer im selben Rhythmus. Langsam begann die Dunkelheit um Lilly herum sich zu verziehen, ihr Körper gehorchte nach und nach wieder. War die Bedrohung vorbei? Waren sie in Sicherheit? Vorsichtig öffneten sich ihre müden Augen. Es war so hell und alles schien so komisch verschwommen. Das grelle Licht der Sonne wurde an der weißen Tapete reflektiert und durchflutete so den gesamten sterilen Raum, der voller Betten mit weißem Bezug war. Da standen doch Pflanzen oder? Etwas entfernt schimmerte es zumindest grünlich. Der Kopf des Kätzchens schmerzte immer noch wahnsinnig, diesmal aber eher aufgrund der rasenden Gedanken die alle gleichzeitig hindurch schossen, bei dem Versuch die Ereignisse des Morgens zu verarbeiten. Hatte sie sich das alles nur eingebildet oder war das wirklich passiert? Nein…das konnte einfach nicht real gewesen sein, dass war unmöglich…neongrüne Lichter gab es nicht in der U-Bahn und da waren auch keine Monster. Leicht angekratzt versuchte Lilly sich auf zu setzen. Komisch wo war sie nur? Die Betten…zumindest die Umrisse…irgendwie sah es nach Krankenhaus aus. Ihre empfindliche Nase begann zu rebellieren, als nicht weit entfernt eine kleine Dose mit Desinfektionsmittel geöffnet wurde. Dieser Gestank…dieser beißende Gestank, das musste ein Krankenhaus sein! Vorsichtig tasteten ihre Hände über die dicke weiße Decke, bis sie endlich das Ende gefunden hatten. Irgendwas stimmte mit ihren Augen nicht…es war als ob sie versuchte durch ein Milchglasfenster zu blicken. Plötzlich schoss ihr ein Gedanke durch den Kopf…ein Krankenhaus…was war wenn sie ihr die Mütze abgenommen hatten…oder ihren Körper untersucht? Panik überflutete sie, ließ ihre natürlichen Fluchtinstinkte erwachen. Ihre Beine hatten angefangen sich zu bewegen, noch bevor Lilly nachdenken konnte, die sterile Decke flog in hohem Bogen fort, schien etwas von dem kleinen Tisch, der als metallischer Schatten neben dem Bett stand mit sich zu reißen, jedenfalls ertönte ein lautes Splittergeräusch. Doch das interessierte die ängstliche Katze nicht, längst stand sie auf den Beinen und kämpfte sich an etwas, dass wie eine Trennwand aussah vorwärts. Vollkommen orientierungslos und halb blind setzte sie einen Fuß vor den anderen, nicht wissend wohin sie überhaupt ging, ihre Hand musste nun für sie sehen. Langsam tastete sie sich vorwärts…die Trennwand war kalt, wahrscheinlich aus irgendeiner Art Plastik gemacht…kalt…immer noch kalt. Ob das Ding überhaupt ein Ende hatte? Vielleicht war es ja auch die Wand…aber dann müsste doch irgendwann mal eine Tür kommen oder? Plötzlich stieß Lilly gegen etwas, dass wohl vor ihr gestanden haben musste…es war warm…und seltsam weich…waren das Haare, nein es schien mehr wie …Fell? Ein Tier…aber was machte das denn in einem Krankenhaus? Forschend stupste sie ein wenig hier und da, streichelte es etwas…irgendwie roch das Ding nach Hund, aber ihr kam es so groß vor. Tatsächlich ragte das Wesen noch etwa einen Kopf über sie hinaus, soweit ihre Augen es festzustellen vermochten. Vielleicht war es ja ausgestopft…eine Trophäe oder so…das würde auch den fremden Geruch plausibler machen. Vorsichtig tastend drehte sich Lilly etwas und legte ihren Kopf seitlich gegen das unbekannte Objekt, sodass ihre Ohren nah genug waren. Do-domm Do-domm, hm konnte das jenes Geräusch sein das sie geweckt hatte? Nein, dafür war es zu tief und hatte den falschen Takt…seltsam…das zottige, lange Fell fühlte sich so warm und kuschlig an. Wie aus dem nichts erklang plötzlich ein lautes Räuspern, gefolgt von einer ziemlich genervt klingenden Stimme: „Ich nehme an du bist hier nicht die neue Pflegerin, infolgedessen…nimm die Hände da weg!“ Für ein paar Sekunden schien ihr Herz stehen zu bleiben, während ein eisiger Windstoß, durch das geöffnete Fenster wehte. Das war gar kein Tier? Lillys Kopf konnte diese Information nicht so recht verarbeiten. Minuten lang stand sie wie angewurzelt da…ihr Puls raste, die Wangen begannen zu glühen. Aber…aber das konnte nicht sein, normale Menschen hatten doch kein Fell. „Ah, Faolan wie ich sehe hast du Ms. Gardner bereits kennengelernt, wärst du dann so nett sie herumzuführen? Schließlich geht ihr in die selbe Klasse“, bemerkte eine vertraute Stimme. Daemon lehnte ruhig am Türrahmen der Krankenstation und sah sich belustigt die Situation an. Wer hätte gedacht, dass das schüchterne kleine Mädchen so schnell einen Draht zu dem harschen unterkühlten jungen Mann finden würde? Wenn auch etwas unfreiwillig, schließlich hatte Cassandra ihr die Augen verbunden, damit sie etwas Ruhe fand. „Für solchen Kinderkram habe ich keine Zeit! Such dir einen anderen Babysitter…ich muss trainieren!“ „Ach Junge“, ein lautes, resigniertes Seufzen kam über die Lippen des älteren Mannes, „Es gibt mehr im Leben als kämpfen…das verstehst du vielleicht irgendwann mal, wenn du etwas älter und reifer bist.“ Ein lautes, geknurrtes: „Wenn du meinst“, folgte auf der Stelle. Plötzlich bewegte sich das flauschige Ding an dem Lilly ihre Hände hatte. Darauf war sie nicht vorbereitet, immer noch orientierungslos und halb in einer Schockstarre befindlich wäre das Kätzchen beinahe umgefallen. Zu ihrem Glück war Daemon bereits an ihrer Seite und hakte sie unter, während die Zimmertür mit einem lauten Knall zugeschlagen wurde. „Herrje was ist dem denn über die Leber gelaufen? Der ist ja noch schlechter drauf als sonst…“ Desorientiert ließ Lilly den Kopf hängen. Ob sie daran schuld war? Niemand mochte es einfach so betatscht zu werden…aber er hätte ja früher was sagen können. Na hoffentlich verdarb ihm das jetzt nicht den ganzen Tag. Vielleicht hätte sie sich entschuldigen sollen, aber wie denn…sie fühlte ja regelrecht wie ihr Körper versteinert war. „Oh nehmen sie sich das nicht so zu Herzen…so ist Faolan eben. Er braucht erst einmal Zeit um mit Leuten die er nicht kennt warm zu werden…wobei er bei vielen selbst dann noch so reagiert. Der kommt schon wieder runter. Viel wichtiger ist jetzt, dass sie den Verband loswerden…sonst stolpern sie noch und brechen sich irgendwas.“ Verband? Das erklärte zumindest warum sie nicht ordentlich sehen konnte…nein…tat es nicht! Wenn sie einen Verband um hatte wieso sah sie dann überhaupt etwas? Das konnte doch gar nicht sein oder? Langsam gingen sie die endlos scheinenden, sonnendurchfluteten Flure entlang, während Daemon fröhlich auf das Kätzchen ein plapperte. Was hatte er da gerade gesagt? Irgendwas über Schule und einzigartig…ja musste ja eine ganz besondere Schule sein. Schließlich hatte der Unterricht noch nicht einmal begonnen und trotzdem hatte sie an dem Morgen nichts als Ärger gehabt. Außerdem schienen diese Kopfschmerzen nicht mehr auf zu hören, wie sollte sie sich da denn konzentrieren? Mit jedem Schritt knarzte das Paket unüberhörbar laut unter dem Gewicht des älteren Mannes, außer wenn er auf eine morsche Diele trat. Knarz…knarz…knarz…Bombenexplosion…dann wieder knarz! Wenn es nicht ihre Tarnung vernichtet und ihre Schüchternheit sie nicht schon vor Minuten der Fähigkeit zu Sprechen beraubt hätte, wäre sie wahrscheinlich ausgerastet. War es denn zu viel verlangt zu lernen wie man ohne Geräusche zu machen ging? Ihre Samtpfoten schafften das doch auch! Gut, Daemons Quadratlatschen waren vielleicht nicht wirklich geeignet zum Schleichen, aber dann hatte er ja immer noch die Möglichkeit fliegen zu lernen. Gang um Gang quälte sie sich an den holzvertäfelten Wänden und großen Fenstern entlang. In regelmäßigen Abständen durchbrach mal eine Tür die immer gleiche Umgebung. Dieser Ort musste ja ein riesiges Labyrinth sein, Flur für Flur sah exakt gleich aus, der einzige Unterschied waren die Abzweigungen mal zwei, drei, vier, manchmal nur eine und das alles ohne Beschriftungen, wie kamen die Schüler da nur zu recht? Unwillig trottete das Kätzchen neben dem immer noch begeistert referierendem Lehrer her, vielleicht sollte sie sich doch durch ringen und ihm zu hören, könnte ja sein das er was nützliches erzählte. „…schon sagte. Es…sicher gefallen;…großartiger Innenhof…Mensa…Bibliothek…bla bla bla..“ Für einen Moment stoppte Lilly und blickte Daemon erschrocken an, hatte er da gerade wirklich gesagt was sie gehört hatte? „Oh? Sie hören mir ja doch noch zu“, auf seinem Gesicht erschien ein fröhliches Grinsen, „ Nun ich wollte sie nur kurz testen, also lassen sie uns weiter machen mit der Führung! Wir enden dann im Klassenzimmer, wo ich ihnen ihre neuen Mitschüler vorstelle.“ Ein einziger klarer Gedanke schoss durch den vernebelten, schmerzenden Kopf des Kätzchens, den Namen musste man doch Dämon aussprechen und sie war definitiv in der Hölle gelandet. Lilly war so wütend, so unendlich sauer, am liebsten hätte sie sich selbst geschlagen. Ihr war nur eine Sekunde lang durch den Kopf geschossen, dass es doch jetzt nicht mehr schlimmer kommen konnte und natürlich vom Regen in die Traufe. Da stand sie nun, vor der großen schwarzen Tafel, mitten in dem riesigen kalkweißen Klassenraum, der mit unzähligen Bänken und Tischen vollgestellt war. Dreißig Paar neugierige, wissenshungrige Augen ruhten auf ihr, schienen sie mit ihren schneidenden Blicken zu durchlöchern. Panik kam in dem kleinen Kätzchen auf, am liebsten wäre sie gerannt weit, sehr weit weg. Ob es irgendeine Chance gab das der Boden in nächster Zeit nachgab oder das plötzlich ein Feuer ausbrach, so dass sie sich wegschleichen konnte? Oh Gott, hoffentlich hielten ihre Körperteile still, wenn irgendwer rausbekam wie sie wirklich aussah…Erinnerungen an ihre Kindheit kamen wieder hoch, besonders an ihre Kindergartenzeit. Vor Angst, Anspannung und Nervosität begann Lillys ganzer Körper zu zittern, warum hatte sie nur hier her kommen müssen? Und warum mussten die sie alle so anstarren…warum konnten sie nicht einfach so sein wie dieser Junge im Krankenzimmer, vollkommen desinteressiert? „Also beginnen wir mit dem heutigen Unterricht. Frau Drubin hätten sie die Freundlichkeit bitte erst ein zu schlafen, wenn ich ausgeredet habe?“ Das einzige Mädchen, das das Kätzchen nicht angestarrt hatte hob müde den schweren Kopf vom Tisch hoch, schüttelte die beiden kurzen, geflochtenen Zöpfe aus und gähnte provokativ bevor es antwortete: „Würde ich ja gern, aber wenn sie erst einmal angefangen haben zu reden, hören sie doch vor morgen früh nicht mehr auf und solange kann ich einfach nicht warten.“ „Sie werden jetzt auf der Stelle hellwach und hören mir zu verstanden! Ansonsten kriegen sie Hausaufgaben bis sie umfallen.“ „Na ja das würde voraussetzen, dass ich die mache…“ „Gott…warum verdammt nochmal habe ich nichts Vernünftiges gelernt? Lehrer…wie bin ich nur auf die Schnapsidee gekommen?“ Eine kalte, irgendwie bekannt klingende Stimme meldete sich aus Richtung des Fensters, doch Lilly die eine erneute Welle des Unwohlseins überkam wagte es nicht hin zu sehen. Natürlich Daemon hatte ja gesagt Er würde auch in ihre Klasse gehen. „Können wir endlich zum Wesentlichen kommen? Ich habe nicht endlos Zeit!“ Herrje, wo war sie da nur reingeraten? Das schien keine Schule sondern eher eine Irrenanstalt zu sein. „Nun jedenfalls ist das ihre neue Mitschülerin, Lilly Gardner. Setzen sie sich doch bitte neben Ms. Drubin und wenn sie mir einen Gefallen tun wollen, hauen sie ihr eine, falls sie wieder versuchen sollte ein Nickerchen in meinem Unterricht zu machen! Als Lehrer darf ich sowas ja leider nicht.“ Eilig schlängelte sich das Kätzchen durch die Reihen, ihren Blick fest auf die Zehenspitzen gerichtet. Meter für Meter näherte sie sich dem leeren Holzstuhl, doch gerade als sie ihn erreicht hatte und sich unauffällig setzen wollte, zog das Mädchen auf dem Platz daneben ihn weg und blickte ihr abschätzend entgegen. „Jetzt hör mal zu Neue…ich weiß ja nicht wo du herkommst, aber es gibt Regeln an dieser Schule, die du besser beachtest. Eine davon ist wer es wagt mich zu schlagen, der findet einen Weg durch den Boden auf die andere Seite der Erde ohne zu graben…verstanden? Du wirst dich also gleich entscheiden müssen auf welcher Seite du hier stehst…wirst du lieber ein Schoßtierchen der Lehrer oder möchtest du ein normales Leben führen?“ Völlig verdattert schaute Lilly auf den freien Stuhl. Was sollte sie denn jetzt nur sagen? „Ach herrje, lassen sie gefälligst das arme schüchterne Mädchen in Frieden Ms. Drubin! Geben sie ihr ihren Stuhl und wenn sie schon so ein Mitteilungsbedürfnis haben, erklären sie Ms. Gardner gleich warum unsere Schule so etwas Besonderes ist.“ „Oh Gott…das haben sie ihr doch mit Sicherheit schon zehnmal erklärt, aber gut. Die Blackwood-Schule zeichnet sich dadurch aus, dass es die erste Lehreinrichtung ist, bei der Oberstufe und Studium zusammen in einem durchgängigen Klassenverband stattfinden…mit anderen Worten: Wir dürfen bis zu fünf Jahre mehr zur Schule gehen und das mit den selben Leuten, die wir schon seit der 7. Ertragen müssen…Juhu! Und als ob das noch nicht schön genug wäre studieren wir noch nicht einmal direkt ein Fach, sondern so ziemlich alle Naturwissenschaftlichen Fächer und Sprachen nebenbei und dann auch noch bei ein und demselben Lehrer…nur bei der körperlichen Ertüchtigung sehen wir mal eine andere Visage.“ „Sehr schön…auch wenn das beim nächsten Mal bitte ohne Genörgel kommt!“ „Ja ja…dann gute Nacht“, mit einem lauten Knall schlug ihr Kopf auf den Klassenzimmertisch. Minuten lang erfüllte Totenstille den Raum, bis ein leises Schnarchen ertönte. Vorsichtig griff Lilly nach dem Stuhl, zog ihn weit hinüber und setzte sich schüchtern etwas entfernt von dem komischen Mädchen, dass ihr Angst machte, hin. „So dann wollen wir mal…ähm Ms. Gardner wollen sie nicht die Mütze absetzen?“ „Nein…also, dass geht nicht…mir ist immer so schnell kalt.“ „Ach so…in Ordnung.“ Ohne ihr Zeit zu geben sich einzugewöhnen oder nach zu denken, fuhr Daemon mit dem letzten Thema fort. Wiederholung fortgeschrittener Integration von thermodynamischen Gleichungen. Schien so als würde es ein langer, mühsamer Tag werden und das nach dem Morgen, klasse konnte es eigentlich noch schlimmer kommen? Stunde um Stunde verging der Tag, langsam, kriechend…doch irgendwann ertönte das letzte befreiende Klingeln. Während alle wie wild ihre Sachen zusammen kramten und durch die Tür preschten blieb Lilly noch etwas im Schein der untergehenden Sonne sitzen. Sie hatte es nicht eilig nach Hause zu kommen, der Zettel, der am Morgen auf dem Küchentisch gelegen hatte kam wieder in ihr Gedächtnis. Sind shoppen in der Stadt, kommen erst heut Abend heim. Kauf dir was zu essen. Na zumindest hatte ihre Mutter etwas Geld da gelassen, jetzt musste sie nur noch irgendwo einen Imbiss finden. Aber wo in dieser riesigen Stadt sollte sie anfangen zu suchen? Schließlich wurde es mittlerweile dunkel obwohl es erst sechzehn Uhr war und sie lief nicht gerne allein herum, schon gar nicht nach dem was in der U-Bahn geschehen war. „Alles in Ordnung?“, fragte eine ruhige Stimme. Unruhig schaute Lilly hinauf und erblickte ihren Lehrer, „Sie sollten jetzt gehen…der Unterricht ist für heute beendet. Wissen sie denn überhaupt wie sie wieder nach Hause kommen? Sie sind doch noch neu hier oder? Wenn sie möchten kann ich Cassy bitten sie zu bringen, die hat eh grad nichts zu tun.“ Schüchtern schaute sie wieder auf den Tisch und das Heft mit ihren Mitschriften, schüttelte nervös den Kopf, stopfte schnell alles in ihre Tasche und eilte aus dem Klassenraum ohne eine Antwort zu Stande zu bekommen. „Herrje das kann ja was werden…und ihr zwei“, sein Blick wanderte durch den Raum in die hinterste Ecke am Fenster, in der Faolan entspannt saß zusammen mit der immer noch im Halbschlaf befindlichen Maya, „Habt Aufgaben wenn ich mich recht erinnere…Maya geh auf Patrouille…schließ dich am besten Cassys Team an, ohne Red könnt ihr eh nichts ausrichten und ich muss auf eine Versammlung. Faolan du gehst dem schüchternen Kätzchen nach. Ich will, dass jemand sie gut im Auge behält, nach dem was heute Morgen passiert ist.“ „Kätzchen?“, Maya schaute irritiert von einem zum Anderen, hatte sie irgendwas Wichtiges verpennt? „Ich bin kein Kindermädchen“, kam sofort das wiederwillige Knurren, „Ms. Ich hau jedem eine rein und ich kommen schon allein klar! Also gib uns eine vernünftige Aufgabe!“ „Oaaaah du willst mit mir allein sein Fao Schätzchen?“, schnurrte Maya spielerisch um den widerspenstigen Jungen zu ärgern, „Und ich dachte immer du hättest kein Interesse an Mädchen…na das muss ich sofort als Großanzeige in der Schülerzeitung schalten!“ „Ach halt doch die…ich geh trainieren…wenn wieder eine ernste Mission ansteht melde dich Daemon, bis dahin!“ Sie konnte erst wieder einigermaßen klar denken, als die kalte, frostige Winterluft ihr feines Näschen umwehte. Da stand sie nun, in einer fremden Stadt, vollkommen orientierungslos im Licht der untergehenden Sonne. Ein leichtes rot spiegelte sich im dichten Schnee, der Knöchelhoch die Straßen blockierte. Ängstlich schaute Lilly sich um, während ein starker Wind aufkam, der durch ihre Sachen fegte und sie frierend zurück ließ. Mit einem leisen Surren setzten sich die Straßenlaternen in betrieb, tauchten die verschütteten Straßen in ihr orangenes Licht. Was sollte sie jetzt nur tun? Wo ging es bloß zur U-Bahn…irgendwelche kreuzenden Seitenstraßen die ihr von der Karte geläufig waren musste es doch geben…vielleicht irgendwelche Leute die man fragen konnte? Wem versuchte sie da was vor zu machen, selbst wenn Passanten da gewesen wären, sie hätte sie niemals ansprechen können…ob sie nach dem peinlichen Auftritt zurückgehen konnte und doch um Hilfe bitten? Daemon und Cassandra kannte sie wenigstens einigermaßen. Ängstlich und vor Kälte zitternd drehte sie sich auf dem Absatz um, gerade als eine Hand sanft nach ihrer Schulter griff. Als das nervöse Kätzchen den Druck am ihrem Körper spürte sprang es vor Schreck, glatt einen halben Meter in die Höhe und wich, sobald seine Pfötchen wieder auf dem Boden angekommen waren panisch zurück. „Oh, tut mir Leid! Ich wollte dich nicht erschrecken Daemon meinte nur ich solle mal nach dir sehen“, die nette Frau aus der Bahn am Morgen stand beruhigend strahlend vor ihr und Lilly fiel ein Stein vom Herzen, „Hast du dich etwa verirrt? Na das macht doch nichts…komm ich bringe dich heim. Die Adresse steht ja in der Schülerakte und ich kenne die Stadt gut.“ Nur zu gerne hätte die Kleine das Angebot angenommen, doch damit hätte sie der netten Frau so viele Umstände gemacht und das wollte sie nicht. Eine starke Brise verwehte ihre Jacke und verstrubelte den Teil ihrer Haare, die nicht unter der Wollmütze fest saßen. Die Beiden hatten schon so viel für sie getan, sie beruhigt, beschützt und ihr eine Milch gekauft…das ging wirklich nicht. Vorsichtig öffnete Lilly ein paar Mal den Mund, setzte zu einer Erwiderung an, zu der Bitte ihr den Weg zur U-Bahn zu beschreiben, aber noch immer kam kein Wort über die widerspenstigen Lippen, also schwieg sie. Schon wieder, warum ging es nur nicht? Die Frau war so nett gewesen, aber sie konnte nicht. Es war als würde ein Kloß gigantischen Ausmaßes in ihrem Hals stecken und ihr die Luft abschnüren. Mittlerweile war die Sonne hinter der letzten Häuserreihe verschwunden und der Wind nahm zu, wirbelte den schweren Schnee auf und durchnässte die Anwesenden leicht. Eine unangenehme Stille hatte sich gebildet. Es war eindeutig für Cassandra, dass das Kätzchen nicht antworten würde…kein Maunzer konnte über die fest zusammengebissenen Lippen dringen und doch wartete sie. Erinnerungen an den Morgen kehrten zurück, an die wunderbare warme Milch…sie war so lecker gewesen…genau genommen das Einzige was Lilly an dem Tag gegessen hatte, woran sie ihr Magen mit einem lauten Knurren ermahnte. Ihr war es so peinlich…so unsagbar peinlich…sie hatte grad die Gefühle einer netten Person verletzt und alles woran sie denken konnte war Essen. „Hi hi hi hi…da hat jemand Hunger nicht wahr? Na komm!“, liebevoll stellte sich Cassandra neben das Kätzchen, hakte einfach deren Arm unter bevor sie sich wehren oder in Ohnmacht fallen konnte und zog Lilly mit sich davon, „Ich zeige dir jetzt erst einmal wo die U-Bahn ist, dann mein Lieblingsrestaurant, keine Sorge es liegt auf dem Weg und dann liefere ich dich zu Hause ab und keine Wiederrede!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)