Ikiteru ★ Escape von Black_Melody (Flucht) ================================================================================ Kapitel 1: Amháin ----------------- Keuchend lief der Blonde durch den Wald. Laut hörte er die Stimmen seiner Entführer hinter sich. Wochen hatte er nur auf eine Fluchtmöglichkeit gewartet und jetzt würde er sich sicherlich nicht so schnell wieder einfangen lassen. Vor allen Dingen würden sie ihm nur noch mehr Schmerzen zufügen, als sie es schon getan hatten. Erschrocken stolperte er weiter, als eine Kugel in einen Baum keine zwei Schritte neben ihm einschlug. Seine Kondition war am Ende, dieser Wald war ihm völlig unbekannt und sein Knöchel, mit dem er vorhin umgeknickt war, begann zu schmerzen. Lange würde er nicht mehr durchhalten. Schlitternd kam er zum Stehen. Eine Schlucht. Mist! Aber nur ein kleines Stück weiter war da unten eine Straße. Direkt neben ihm traf eine Kugel auf die Felsen. Kurz entschlossen schloß er die Augen und ließ sich den Hang hinunterrollen. Unten rappelte er sich sofort wieder auf und rannte zwischen die schützenden Bäume, wo er einen Moment stehenblieb. Bis zur Straße konnte es nicht mehr weit sein. Vorsichtig sah er zu dem Hang auf. Dort standen seine Verfolger und berieten sich. Schnell drehte er sich um und rannte weiter. Erst als er auf die Straße lief, fühlte er sich halbwegs sicher und sackte erschöpft zusammen. Das Auto, das ihn fast angefahren hätte, bemerkte er erst, als die Stoßstange seinen Arm berührte. Der Fahrer hatte also rechtzeitig bremsen können. Zischend atmend sah er zurück in das Waldstück, aus dem er gekommen war. Seine Verfolger standen hinter ein paar Sträuchern und sahen ihn an, bevor sie umkehrten. Sanft wurde er an den Schultern gepackt und sah verwirrt den anderen Blonden an. Dieser musterte ihn besorgt. "Geht's dir gut? Kannst du aufstehen?" Erschöpft nickte er seinem Gegenüber zu und versuchte, sich sicher hinzustellen. Sein rechter Fuß knickte weg und der andere fing ihn gerade noch rechtzeitig auf. Erst jetzt fiel ihm auf, dass der andere größer war, als er selbst. "Was mach ich denn jetzt?", murmelte der Fremde und sah sich um. "Krankenhaus? Polizei?" "Nein!", keuchte der Kleinere. "Dann nicht ins Krankenhaus und nicht zur Polizei. Hierlassen kommt auch nicht in Frage. Dann eben erstmal mit zu mir." Leicht verfrachtete er den Kleineren auf den Beifahrersitz und setzte sich hinter das Steuer. Nachdenklich betrachtete er den anderen. Er zitterte noch immer und saß mit geschlossenen Augen da. Seine Haare waren durcheinander, seine Arme und sein Hals, soweit das T-Shirt den Blick darauf freigab, von blauen Flecken, Blutergüssen und Schrammen übersäht. Irgendetwas Furchtbares musste ihm passiert sein. Trotzdem war er auf eine eigene Weise hübsch. "Wie heißt du?", fragte er den Kleineren ruhig. "Ayame", murmelte dieser. "Und du?" "Kouki." Schweigend fuhren sie die Landstraße entlang. Ayames Atmung wurde langsam ruhiger. Er war entkommen, nach fast vier Wochen der Schmerzen und Demütigungen war ihm die Flucht gelungen. Und dieser Kouki wirkte halbwegs vertrauenswürdig, zumindest sah er nicht wie ein Schläger oder Vergewaltiger aus. Ayame schluckte, als die Erinnerungen auf ihn einstürmten. "Wir sind da", sprach Kouki ihn leise an. Langsam schlug er die Augen auf und sah sich um. Ein Vorort einer Großstadt. Ein Vorort von Tokio? Sie standen vor einem kleinen Haus mir Vorgarten. Kouki war in der Zwischenzeit ausgestiegen und half ihm aus dem Auto. Er trug den Kleineren fast zur Tür und half ihm in das Wohnzimmer. Erst jetzt bemerkte er, dass dieser keine Schuhe trug. Schnell ging er in den Flur, zog Schuhe und Jacke aus und setzte sich neben den Kleineren aufs Sofa. "Möchtest du etwas essen oder trinken? Oder duschen?" Der andere schüttelte einfach nur den Kopf. "Okay... Verrätst du mir, wie alt du bist." "22, und du?" "27. Was ist mit dir passiert?", fragte er besorgt weiter. Ayame schluckte. Es war klar gewesen, dass er nachfragen würde. "Bitte... Zwing mich nicht darüber zu reden..." Eine Träne lief über seine Wange. Sanft strich Kouki diese Weg und nahm den Jüngeren in den Arm. "Ich werde dich nicht dazu zwingen... Es wäre nur schön, wenn du mit mir darüber reden würdest." Nachdenklich strich er über Ayames Arm. "Was hältst du davon, wenn ich dich jetzt in die Wanne stecke und dir danach einen Stützverband verpasse?" Schwach nickte der Jüngere. Nach so vielen Wochen ohne Dusche oder Bad musste er ziemlich verwahrlost aussehen und sein Knöchel tat mittlerweile wirklich höllisch weh. Langsam rappelte er sich auf und ließ sich von Kouki ins Bad helfen. "Halt dich an der Wand fest, ich helfe dir beim Ausziehen." Schweigend ließ Ayame es geschehen, bis er nur noch in Boxershorts dastand. Schockiert betrachtete Kouki den schlanken Körper vor ihm. Ja, Ayame war nicht nur hübsch sondern hatte auch eine sehr gute Figur. Nur war er wirklich misshandelt worden. Sein ganzer Körper war von Blutergüssen, Hämatomen und Schrammen überzogen. "Deine Shorts kannst du selber ausziehen, Wasser ist inzwischen eingelaufen, frische Sachen hole ich dir gleich. Hier kannst du dich bedienen." Rasch ging er in sein Schlafzimmer, holte eine Jogginghose, Boxershorts und ein T-Shirt und legte es dem Jüngeren hin. "Wenn etwas ist, kannst du mich rufen", sagte er noch und ging dann in die Küche, wo er Kaffee aufsetzte. Was war Ayame nur zugestoßen? Er wirkte irgendwie traumatisiert, und so, wie er aussah, hatte er viel Grausames erlebt. Innerlich stellte Kouki sich darauf ein, mindestens die nächsten zwei Wochen mit Ayame unter einem Dach zu leben. Hoffentlich würde er ihm bald das Erlebte anvertrauen. Seufzend setzte er sich mit einer Tasse Kaffee an den Küchentisch und dachte nach. Langsam ließ Ayame sich in das warme Wasser gleiten. Himmel, tat das seinen völlig verkrampften Muskeln gut. Entspannt schloss er die Augen und genoss das knisternde Geräusch des Badeschaums. Wie gut wäre es jetzt, sein Tagebuch hier zu haben. Auch wenn viele es als lächerlich bezeichneten, dass er Tagebuch schrieb, es tat gut, einfach alles von der Seele zu bekommen. Warum konnte er sich nicht einfach irgendjemand anderem anvertrauen? Seufzend kletterte er nach einer Weile aus der Wanne, trocknete sich ab und zog sich an. Schnell bürstete er sich noch die Haare und humpelte dann aus dem Bad. "Verdammt!", fluchte er leise vor sich hin, als er wieder wegknickte und sich nur dank der Wand auf den Beinen halten konnte. Erschrocken fuhr er zusammen, als sich zwei Arme um seinen Körper legten. "Ganz ruhig, Ayame, ich will dir nur helfen." Kouki war die Reaktion des Kleineren natürlich nicht entgangen. Vorsichtig hob er ihn hoch, trug ihn in die Küche und setzte ihn dort auf einem Stuhl ab. Schnell holte er einen Stützverband aus dem Bad und kniete sich vor dem Jüngeren hin. Zögernd tastete er dessen Knöchel ab. Mehrmals zuckte Ayame zusammen. Sanft verband Kouki ihn und richtete sich dann so weit auf, dass er Ayame direkt in die Augen sehen konnte. Nachdenklich betrachtete er den anderen. "Willst du mir nicht erzählen, was vorgefallen ist?, fragte er sanft nach. "Gib mir bitte Zeit", flüsterte Ayame. "Hast du Hunger oder Durst?" Der Kleinere schüttelte den Kopf. "Ich bin einfach nur müde." "In Ordnung." Vorsichtig hob Kouki den anderen hoch und trug ihn ins Schlafzimmer, wo er ihn aufs Bett legte. "Ich stelle dir gleich noch ein Glas Wasser hin. Mach's dir gemütlich." Als er mit dem Wasser zurückkam, schlief der Kleinere schon. Wie niedlich konnte ein Mensch denn sein? Seufzend setzte Kouki sich auf die Bettkannte und betrachtete den Schlafenden. Schwul hin oder her, Ayame würde jeder, der noch halb bei Verstand war, als hübsch betiteln. Und zumindest fast jeder würde Schwierigkeiten haben, der Versuchung, ihn zu küssen, zu widerstehen. In Gedanken rief Kouki sich selbst zur Ordnung. Man küsste einfach keine schlafenden, traumatisierten Männer. Schade aber auch. Leise ging er ins Wohnzimmer und schaltete den Fernseher ein, aber hätte ihn jemand gefragt, welcher Film lief, hätte er keine Antwort geben können. Seufzend schloss er die Augen und legte den Kopf in den Nacken. Ayame wirbelte sein Leben gewaltig durcheinander. Er hatte ihn doch erst vor nichteinmal vier Stunden gefunden. Ihm war klar, dass er auf dem Besten weg war, sich in den Jüngeren zu verlieben. Das durfte eigentlich nicht sein. Was wusste er denn schon über ihn? Viel zu wenig. Ein heiserer, kurzer Schrei ließ ihn zusammenzucken. Danach stürzte er ins Schlafzimmer. Zusammengekauert und zitternd saß Ayame im Bett, den Kopf auf die Knie gelegt und die Arme um seinen Körper geschlungen. Dre Ältere setzte sich neben ihn und berührte ihn nur ganz leicht an der Schulter. Schon diese leichte Berührung ließ ihn erschrocken zurückzucken. "Sht... Keine Angst." Zärtlich zog Kouki den Jüngeren in seine Arme. Dieser klammerte sich panisch an ihn. Eine Weile saßen sie einfach nur so da und das Zittern Ayames wurde immer weniger. "Kouki?", fragte er den Größeren nach einer Zeit. "Ja?" "Willst du wirklich wissen, was passiert ist?" "Ja. Und wenn es dir auch hilft, wenn du darüber redest, ist es das wert." Ayame schluckte, bevor er anfing zu erzählen... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)