The one I love von -HyukJae- (YeMin) ================================================================================ Kapitel 1: han -------------- Ich sitze im Zug. Ratternd rollt er über die Schienen. Rüttelt mich sanft. Schnell fliegt die Landschaft an mir vorbei. Die Bäume. Die Sträucher. Die Dörfer. Die Äcker. Die Wiesen. Die Menschen. Die Zeit. Ruhig sitze ich da. Sehe alles und registriere doch nichts. Meine Gedanken sind nur bei ihr. Meiner Großmutter. Wie oft bin ich auf dem Weg zu ihr so im Zug gesessen. Voller Vorfreude konnte ich es kaum erwarten endlich in Anseong anzukommen. Jedes Jahr in den Ferien habe ich sie besucht. Jedes Jahr hab ich mich auf diese Zeit gefreut. Jedes Jahr durfte ich sie sehen. Doch jetzt wird es meine letzte Reise in ihr kleines Dorf werden. Eine letzte Reise um ihr Auf Wiedersehen zu sagen. Ein letzte Reise um Abschied zu nehmen. Auch wenn ich sie sonst das ganze Jahr nicht gesehen habe, war da doch immer der Gedanke an sie. Und jetzt? Ich vermisse sie. Das Wissen nie mehr ihr Lachen zu sehen. Das Wissen nie mehr ihr Ratschläge zu Rate ziehen zu können. Das Wissen nie mehr dieses Gefühl der Geborgenheit erfahren zu können, das alles frisst mich auf. Lässt mein Inneres leer zurück und macht sich davon. Wieder sehe ich aus dem Fenster. Die Zeit fliegt vorbei, viel zu schnell ist sie auch für sie vorbei gegangen. Viel zu schnell lässt sie mich allein zurück. Allein im großen Seoul. Einer Stadt voller Leben in der niemand Zeit hat. Nicht für sich, nicht für andere. Einer Stadt, die Tag und Nacht am Leben ist. Die keinen Stillstand kennt, die nie leer und einsam ist. Einsam sind nur die Menschen. Menschen wie ich, die vom Land kommen, denen es schwer fällt sich zu integrieren, denen es schwer fällt auf Anhieb Kontakte zu knüpfen, denen es schwer fällt dem Rausch und der Hektik zu folgen. Menschen, die die Ruhe mögen. Der Zug hält an. Osan lese ich auf einem der Schilder. Bald ist meine Reise zu Ende. Menschen die zusteigen suchen einen Platz. Es herrscht Unruhe, doch ich bemerke das alles nicht. Viel zu sehr hänge ich meinen eigenen Gedanken nach. Starre aus dem Fenster. Spüre die Schwere in meinem Herzen. „Entschuldigung..?“ Warum nur durfte ich sie nicht noch einmal sehen. Ein letztes Mal ihre Wärme spüren. Ein letztes Mal ihr Lachen sehen. Ein letztes Mal ihre Stimme hören. „Entschuldigung..!“, ich werde aus meinen Gedanken gerissen. Drehe den Kopf und blicke in das Gesicht eines Jungen. Er lächelt mich freundlich an. „Na endlich. Ist der Platz hier noch frei?“, fragt er mich. Ich nickte. Wende meinen Kopf wieder gen Fenster. Kümmere mich nicht weiter um ihn. Laut verstaut er sein Gepäck oben auf der Gepäckablage. Dann lässt er sich schwer ausatmend neben mir auf den Sitz fallen. Der Zug fährt an. Rüttelnd setzt er seine Fahrt fort. Beschleunigt und bringt mich weiter Richtung Anseong. „Ich bin Sungmin.“, plappert der Junge neben mir. Ich gehe nicht darauf ein. Möchte mich nicht unterhalten. „Und du?“, hakt er nach. Ich schweige. „Wo fährst du hin?“, warum kann er nicht einfach still sein? Nichts sagen? „Ich bin auf dem Weg nach Anseong.“ Ich wende mich ihm zu. Anseong. Er strahlt mich an. Legt den Kopf leicht schief. „Du also auch. Was machst du dort?“ ich wende mich wieder ab. Der Gedanke daran lässt mein Herz schwer werden. „Ich werde dort Ferien machen. Meine Tante lebt in Anseong und da ich sie so selten sehe, habe ich beschlossen sie zu besuchen.“ Ich spüre, dass er mich ansieht. Ich spüre, dass er mit mir reden möchte, sich mit mir unterhalten möchte. „Von wo kommst du? Hast du schon eine lange Reise hinter dir? Du wirkst müde.“ Wie ist noch sein Name? Sungmin? Warum merkt er nicht, dass ich das nicht möchte? Ich möchte das nicht. „Mhh…du möchtest also nicht mit mir reden. Schon ok. Ich wollte dich nicht stören.“ Endlich. Ich schaue weiter aus dem Fenster. Die Landschaft rast an uns vorbei. Ich spüre wie ich immer unruhiger werde je näher wir an das Dorf kommen. Ich rutsche hin und her. Weiß nicht wie ich sitzen soll. Versuche mich zu beruhigen, doch ich kann meine Emotionen nicht beherrschen. Nicht kontrollieren. Meine Augen füllen sich langsam mit Tränen. Die Gedanken an die….die….die Beerdigung. Die Gedanken an sie, das alles überkommt mich mit einem Schlag. Als mein Onkel mich anrief um mir mitzuteilen was passiert ist, habe ich nicht geweint. Keine einzige Träne habe ich vergossen. Doch jetzt… Ich blinzle, versuche sie zurück zu halten. Blinzle erneut. Hebe meine Hand vor den Mund um ein Schluchzen zu unterdrücken, doch zu spät. Ich schließe meine Augen und die Tränen wandern langsam über meine Wangen. „Hey…hey….alles ok?“ Eine Hand auf meinen Schultern. Eine besorgte Stimme. Diese Wärme. Großmutter ? Ich sehe auf. Mein Blick verschleiert durch das Nass. „Großmutter….? Großmutter…“ das Schluchzen schüttelt meinen Körper. Ich lehne mich an, wie ich es immer getan habe wenn ich Sorgen hatte. Ich lehne mich an und werde einfach nur im Arm gehalten. Ich fühle mich wohl. Die Wärme. Die Nähe. Die Geborgenheit. Wie sehr ich sie vermisst habe. „Großmutter…“, meine Stimme bricht weg und es bleibt nichts als ein heiseres Hauchen. „…bitte lass mich nicht allein.“ Kapitel 2: du ------------- Langsam beruhige ich mich wieder. Das Schluchzen lässt nach. Die Tränen versiegen. Mein Kopf ist leer. Leer von Gedanken. Leer von Sorgen. Leer. Wie beruhigend es ist im Arm gehalten zu werden. Wie beruhigend es ist Nähe zu spüren. Wie beruhigend es ist wenn keine Fragen gestellt werden. Großmutter. Moment. Etwas stimmt nicht. Was ist anders? Ich kann es nicht greifen. Plötzlich realisiere ich. Großmutter ist tot. Ich fahre zu ihrer Beerdigung. Ich sitze im Zug unterwegs nach Anseong. Erschrocken entziehe ich mich den Armen. Erschrocken blicke ich in das Gesicht eines Jungen. Sungmin. Erschrocken schlage ich mir die Hände vors Gesicht. Ich möchte im Erdboden versinken. Gibt es etwas Peinlicheres als das? Nein. Was habe ich getan? Wie konnte ich mich so gehen lassen? Was wird er von mir denken? Erst reagiere ich nicht auf seine Fragen. Gehe nicht auf das Gespräch ein, das er versucht zu beginnen. Und dann werfe ich mich weinend in seine Arme. Ich schäme mich. Schäme mich so unendlich. Ich drehe mich weg. Versuche seinen Blicken zu entkommen, was natürlich unmöglich ist aufgrund des Ortes, an dem wir uns befinden. Unruhig nestle ich an meinem Rucksack, gebe vor etwas zu suchen. Ich muss mich beschäftigen. Ich muss mich ablenken. Sungmin ist still. Anders als zu Beginn sagt er kein Wort. Bemerkt er, dass ich nicht darüber reden möchte? Bemerkt er, dass es mir peinlich ist? Bemerkt er meine Nervosität? Ich bin dankbar. Dankbar, dass es nicht versucht mich auszufragen. Ich traue mich nicht in sein Gesicht zu sehen. Nachzusehen was er wirklich denkt. Nachzusehen ob mich ansieht, wie er mich ansieht. „Was ist passiert?“, vernehme ich plötzlich seine Stimme. Nein, nein, nein. Langsam kehren die Gedanken an meine Großmutter zurück. Langsam kehren die Gefühle zurück, die ich so sehr versucht habe zu unterdrücken und letztlich doch gescheitert bin. Langsam kehren die Tränen zurück. Langsam schüttle ich meinen Kopf. Ich möchte nicht mit ihm darüber reden. Ich möchte nicht einem Fremden mein Herz ausschütten. Warum kann er nicht einfach still sein? Sich seinen Teil denken. Wir werden uns vermutlich nicht wieder sehen. Warum kümmert es ihn was mit mir ist? „Rede mit mir. Was ist passiert?“, fragt Sungmin weiter. Kummer in seiner Stimme. Besorgnis. Plötzlich hält der Zug. Ich sehe auf. Anseong. Schnell nehme ich mein Gepäck, drängle mich an dem anderen durch, der verwirrt auf das Schild sieht. Anseong. Er muss hier ebenfalls aussteigen. Fluchtartig haste ich durch das Zugabteil auf die Tür zu. Immer die Schritte im Ohr, die mich zu verfolgen scheinen. „Warte auf mich“, höre ich ihn rufen. Dann hastige Entschuldigungen weil er andere Leute mit seinem Gepäck angerempelt hat und immer diese Schritte. Endlich an der Tür angekommen, verlasse ich den Zug. Verschwende jedoch keine Zeit und gehe weiter. Ich muss hier weg. Hinter mir höre ich leises fluchen als auch Sungmin endlich aus dem Zug aussteigt. „Hey… jetzt warte doch. Ich weiß nicht einmal deinen Namen. Warte.“ Ich versuche ihn zu ignorieren, doch das dauernde Rufen lässt mir keine Wahl. „Es geht dich nichts an. Weder wie ich heiße noch was passiert ist. Was kümmert es dich? Hat dir schon einmal jemand gesagt, dass du aufdringlich bist? Lass mich in Ruhe. Geh deinen eigenen Weg aber lass mich meinen gehen. Es kann dir egal sein, verdammt. Merkst du denn gar nichts? Ich möchte nicht darüber reden und schon gar nicht mit einem Fremden wie dir!“ Mit diesen Worten laufe ich los. Immer schneller, bis ich renne. Das einzige was ich höre mein eigener schneller Atem, der durch die Anstrengung eher ein Keuchen ist. Zurück bleibt ein geschockter Sungmin. Ein Sungmin der nie damit gerechnet hätte das zu hören, was der andere ihm an den Kopf geworfen hatte. Das Gepäck zu beiden Seiten auf den Boden fallen gelassen denkt er darüber nach. Aufdringlich? Nein, das hatte ihm noch keiner gesagt. Doch was war dem anderen widerfahren? Es ließ ihm einfach keine Ruhe. Kapitel 3: se ------------- -1 Jahr später – Ich sitze im Zug während die Landschaft an mir vorbeifliegt. Schnell und ohne dass ich wirklich etwas erkennen kann. Ich sehe trotzdem aus dem Fenster. 1 Jahr ist es nun her seit ich auf dem gleichen Weg war, seit ich wie jetzt im Zug nach Anseong sitze. Ich weiß, dass ich damals unglücklich, verzweifelt und traurig war. Jetzt haben sich diese Gefühle etwas gelegt, Noch immer bin ich traurig, doch die Verzweiflung über den Tod meiner Großmutter ist nicht mehr so groß. Ich habe gelernt damit umzugehen, klar zu kommen. Und so sitze ich hier auf dem Weg in das Dorf um zum Todestag bei ihr zu sein. Ich höre Musik während ich meinen Gedanken nachhänge und bemerke nicht, dass sich jemand zu mir setzt. Gebannt sehe ich aus dem Fenster. Erst als der Schaffner erscheint und nach dem Fahrausweis verlangt, nehme ich die Person wahr. Ich sehe den Jungen an, der freundlich lächelnd zurück sieht. Ich nicke zur Begrüßung, er tut es mir gleich. Wieso nur kommt mir sein Gesicht so bekannt vor? Mir scheint als hätte ich ihn schon einmal gesehen. Aber das ist unmöglich. Außer meinen Verwandten kenn ich in dieser Gegend niemanden. Vermutlich spielt mir mein Gedächtnis einen Streich. Ich sehe wieder aus dem Fenster. Höre weiter Musik. Aber es lässt mir keine Ruhe. Woher nur kenne ich diesen Jungen? Als ich Blicke auf mir spüre, wende ich mich erneut um. Er sieht mich an. Beobachtet mich. Ich runzle die Stirn, nehme die Ohrstöpsle aus den Ohren. „Was?“, frage ich forscher als beabsichtigt. „Nichts“, erwidert er und wendet den Blick ab. Verwirrt schaue ich ihn an. „Und warum starrst du mich die ganze Zeit an?“, hake ich nach. Er dreht sich zu mir um. „Weil ich nicht glauben kann, dass du es bist.“ Jetzt bin ich wirklich irritiert „Was?“ „Weil ich nicht glauben kann, dass du es bist.“ „Ja, ich habe dich verstanden, ich meine wieso?“ „Weißt du nicht mehr? Letztes Jahr? Genau in so einem Zug?“ Stirnrunzelnd betrachte ich den anderen. Letztes Jahr… im Zug nach Anseong… war ich wirklich so neben mir, dass ich mich nicht mehr daran erinnere? „Ich bin Sungmin. Damals habe ich mich dir vorgestellt, doch du hast mir deinen Namen nicht gesagt. Du hast geweint, doch ich weiß nicht warum und schließlich hast du mir an den Kopf geworfen ich sei aufdringlich bevor du davon gelaufen bist. Wobei, gerannt trifft es besser.“, fügte er nach kurzem Überlegen hinzu. Plötzlich weiß ich wieder. Erstaunt reiße ich meine Augen auf. Sungmin. Der Junge, der sich in Osan zu mir gesetzt hatte. Der mich dauernd nach allem Möglichen gefragt hat obwohl mir nicht nach reden zu Mute war. Der mich im Arm gehalten hatte, als mich meine Gefühle überrannt haben. Den ich dachte, nie wieder zu sehen. „Du bist das.“, stelle ich unnötiger Weise fest. „Wie hast du mich erkannt?“, möchte ich wissen. Er lacht. „So schnell vergisst man dich nicht. Vor allem nicht wenn du so freundlich zu deinen Mitmenschen bist. Darf ich denn jetzt wissen wie du heißt?“ Er lässt wohl nie locker. „Yesung. Ich bin Yesung.“ Lächelnd nickt mein Gegenüber. „Was machst du hier?“, will er wissen. „Neugierig bist du immer noch.“ „Und wenn schon?!“ Ich sehe aus dem Fenster. Soll ich dem Fremden wirklich von meinem Vorhaben erzählen? Ich schaue ihn wieder an. „Was machst du hier?“, frage ich statt einer Antwort. „Meine Tante in Anseong besuchen.“, sagt er knapp, sein Blick auffordernd. „Mmhh…“, erneut blicke ich aus dem Fenster. Als ich nichts weiter sage, seufzt Sungmin laut. „Du redest nicht gerne, bist wohl einer von der stillen Sorte, was?“ „Nein, ich rede nur JETZT nicht gerne.“ „Ach, und was war das vor einem Jahr?“, seine Augenbraue wandert in die Höhe. „Da hab ich auch nur DORT nicht gerne geredet.“ „Klar. Natürlich. Das erscheint mir logisch“, seine Stimme trotzt nur so vor Sarkasmus. Jetzt bin ich es, der seufzt. „Wir sind da“, stelle ich erleichtert fest, als ich das Schild sehe. Ich beginne meine Sachen zusammen zu packen während Sungmin mich ansieht. Ich versuche ihn zu ignorieren. Als der Zug vollständig zum Stillstand gekommen ist, eile ich von ihm gefolgt zur Tür und verlasse den Wagon. „Sieht man sich?“, fragt der andere. Überrascht drehe ich mich um. „Warum sollten wir?“ Schulterzuckend meint der andere, „vielleicht redest du dann lieber. Ich würde dich gerne kennen lernen.“ Dieser Kerl kann einem echt auf den Keks gehen, denke ich während ich meine Sachen nehme und wortlos davon gehe. ____ Am nächsten Morgen besuche ich Großmutters Grab. Ich stehe davor und versuche die Tränen zu unterdrücken, die meine Augen zu füllen drohen. Erst jetzt wird mir bewusst wie sehr ich sie doch vermisse. Wie tief die Trauer über den Verlust doch noch ist. Wie blind ich meinen eigenen Gefühlen gegenüber bin. Ich habe gedacht darüber hinweg zu sein. Nein. Das bin ich nicht. Noch immer sehe ich sie vor meinen Augen. Noch immer kann ich den sanften Klang ihre Stimme hören, wenn ich die Augen schließe und sie mir versuche vor zu stellen. Noch immer kann ich ihre Wärme spüren. Gedankenverloren und den Tränen nahe stehe ich da als mir jemand auf die Schulter tippt. Schnell wische ich mir mit dem Ärmel meines Pullis über die Augen und drehe mich langsam um. Doch was ich sehe, verschlägt mir fast die Sprache. Sungmin. Was macht er hier? „Hallo“, sagt er knapp. „Hallo“, erwidere ich leise mit gesenktem Kopf. Schweigen. Die Stille wird unerträglich, aber ich weiß nicht was ich sagen soll. Also tue ich das, was ich am besten kann, weglaufen. Ich dränge mich an ihm vorbei als er mich am Handgelenk fest hält. „Das ist der Grund, nicht wahr?“ Dann höre ich wie er sich auf dem Kiesweg umdreht und plötzlich finde ich mich in seinen Armen wieder. Fest umschließt er mich, bettet seinen Kopf auf meine Schulter während sich meine Tränen ihren Weg bahnen. Sein Hemd durchnässen. Zuflucht suchend verberge ich mein Gesicht an seiner Brust. Er sagt nicht, schweigt. Wie vor einem Jahr hält er mich während ich in seinen Armen weine. Wie sehr ich mir wünschte, dass für immer jemand bei mir wäre, der mich einfach nur hält. Kapitel 4: ne ------------- -2Tage später- Heute Abend bin ich zur Party meines Cousins eingeladen. Eigentlich möchte ich nicht hingehen, doch mein Onkel und meine Tante meinen, dass das eine gute Ablenkung für mich wäre. Also habe ich mich dazu durchgerungen meinem Cousin den Gefallen zu tun. Da ich nicht damit gerechnet habe, habe ich nicht unbedingt die passenden Kleider eingepackt und so werde ich nun ganz einfach in schwarzen Jeans und einem rot-weißen Shirt dort auftauchen. Etwas blamabel ist das schon, wo ich jetzt in Seoul lebe, aber ändern lässt sich daran jetzt nichts mehr. Als ich abends auf dem Weg zum Haus meines Cousins bin, fällt mir auf wie klein Anseong ist. Ich muss vom einen Ende des Dorfes zum anderen gehen und doch bin ich nur 30 Minuten unterwegs. Geht man in Seoul 30 Minuten zu Fuß, bekommt man nur einen Bruchteil der Stadt zu sehen, einen winzig kleinen noch dazu. Auf der einen Seite gefällt mir das Dorfleben. Man kennt jeden, weiß seinen Namen und seine Vergangenheit. Aber das Stadtleben hat mich schon immer gereizt. Die Anonymität und die Hektik haben etwas furchtbar anziehendes an sich, was mich immer wieder fesselt. Als ich endlich an meinem Ziel ankomme, scheint die Party schon in vollem Gange. Überall rund um das Haus befinden sich Gäste. Aus dem Gebäude selbst dröhnt laute Musik und Gerede. Gut, dass mein Cousin etwas abseits wohnt, so dass die Nachbarn so weit entfernt sind, dass sie von all dem nicht viel mit bekommen. Ich läute an der Tür und warte. Keiner öffnet. Ich drücke erneut den Knopf und warte wieder. Endlich öffnet sich die Tür und vor mir steht mein grinsender Cousin „Yesung“, begrüßt er mich indem er mir den Arm um die Schulter legt und mich mit sich ins Haus zieht. „Ich dachte schon du hast es dir doch anders überlegt.“, fährt er fort während er mich an all den fremden Gesichtern vorbei ins Wohnzimmer manövriert, wo ich neben ihm auf dem Sofa Platz nehme. Neugierig sehe ich mich um. Die Möbel waren alle beiseitegeschoben, so dass eine einigermaßen ansehnliche Tanzfläche entstanden ist. Das Sofa, die Sessel und einige Stühle, die an der Wand stehen, bieten Sitz- und Ausruhmöglichkeiten. Vor dem Sofa steht ein Couchtisch, man könnte meinen das ist der VIP Bereich. Über die Tatsache grinsend, dass ich wohl nun zu den VIPs gehöre, lasse ich meinen Blick weiter schweifen. Vor der großen Glasschiebetür zur Terrasse wurde das DJ-Pult aufgebaut, hinter dem ein Junge meines Alters steht, der von seinem Handwerk etwas zu verstehen scheint. Gleich daneben steht eine Tischreihe mit einer beachtlichen Anzahl an Flaschen und Getränken. Auf der Tanzfläche selbst befinden sich fast ausschließlich Mädchen, die ihre Körper zum Rhythmus der Musik bewegen. Der Abend und der Alkoholkonsum sind wohl noch nicht genug fortgeschritten um dort auch Jungs zu finden. Schließlich konzentriere ich mich wieder auf meinen Cousin, der ebenfalls ein Mädchen an seiner Seite hat. Besitzergreifend liegt sein Arm um ihre Schulter. Dann bemerke ich seinen Blick. „Sag mal ist das das, was man in der Hauptstadt zu einer Party trägt?“, fragt er ungläubig. Kopfschüttelnd erwidere ich. „Nein. Ich habe nur nicht damit gerechnet hier auf eine Party zu gehen. Also habe ich nichts Passendes in den Koffer gepackt. Ich hoffe ich habe jetzt die Kleiderordnung nicht verletzt und du wirfst mich raus?!“ Grinsend sieht mich mein Gegenüber an „Wie könnte ich meinen Lieblingscousin aus dem Haus werfen?“ Gerade als ich antworten will, läutet es erneut an der Tür. Ein weiterer Gast scheint angetroffen zu sein. Mein Cousin entschuldigt sich und geht um zu öffnen. Neugierig lasse ich meinen Blick schweifen. Alles mir fremde Gesichter. Außer meinen Verwandten kenn ich niemanden. Als mein Cousin nach 10 Minuten nicht wieder zurückkehrt, werde ich etwas nervös. Ich komme mir leicht fehl am Platz vor wie ich da so allein auf dem Sofa sitze und das Geschehen um mich herum beobachte, immer Ausschau haltend nach dem einen bekannten Menschen hier. Nach weiteren 10 Minuten gehe ich zur „Theke“ um mir etwas zu trinken zu holen. Ein Blick über das Angebot ließ erraten, dass dieser Abend für einige kein gutes Ende nehmen würde. Nach einigem Suchen habe ich dann doch eine Flasche Wasser unter dem Tisch gefunden. Mit ihr in der Hand mache ich mich auf den Weg zurück zum Sofa. „Wieso habe ich mich zu diesem Partybesuch überreden lassen?“, frage ich mich als ich einen Schluck vom Wasser nehme. Als plötzlich ein weiteres bekanntes Gesicht vor mir auftaucht, spucke ich ihm die Flüssigkeit fast entgegen. Hustend senke ich die Fasche vom Mund während sich Sungmin neben mich fallen lässt und mir auf den Rücken klopft. Ich beruhige mich und starre ihn entgeistert an. Was macht er hier? Hat man denn nirgends seine Ruhe vor ihm? „Na? Alles wieder ok?“, fragt er besorgt. Ich nicke, wende den Kopf ab und bete darum, dass mein Cousin um die Ecke kommt und mich mit sich nimmt. Fort von Sungmin. Fort von seinen durchbohrenden Blicken. Fort von seinen ständigen Fragen. Doch meine Gebete wurden nicht erhört. „Suchst du jemanden? Wen denn?“, möchte er neugierig wissen. „Was interessiert dich das?“, frage ich zurück. Sungmin zieht eine Schnute. „Man wird wohl noch fragen dürfen…“, meint er leise. Als ich das Gespräch nicht fortführe, beginnt er unruhig auf seinem Platz hin und her zu rutschen. Ich habe das Gefühl er versucht nichts zu sagen, obwohl ihm etwas auf der Seele brennt. Hat er bemerkt, dass ich das nicht mag? Ich sehe zu ihm. „Was ist?“, ich weiß, dass etwas ist. Er schüttelt den Kopf, möchte mir bedeuten, dass alles in Ordnung sei. Ich wende den Blick wieder ab. Verdammt wo bleibt nur mein Cousin. Hat er mich womöglich vergessen? Eine Horrorvorstellung. Der einzige, den ich sonst hier kenne ist Sungmin. Wobei, kann sagen, dass ich ihn kenne? Wir haben uns bisher gesehen. Flüchtig. Als der DJ eine neue Scheibe auflegt, beginnt Sungmin den Rhythmus mit zu trommeln und mit zu wippen. Meine Aufmerksamkeit wird wieder auf ihn gelenkt. Seine Augen finden die meinen und halten meinen Blick fest. Ich kann nicht wegsehen, so sehr ich es möchte, ich kann nicht wegsehen. Ein Grinsen macht sich auf seinen Lippen breit, ich kann förmlich sehen, wie ihm ein Gedanke kommt. „Tanzt du?“, kommt es aus seinem Mund. „Was?“, habe ich mich verhört? „Ich fragte ob du tanzt“, wiederholt er. Ich starre ihn an. Dann ein verlorenes Lächeln. „Schon, nur mit wem. Ich kenne keines der Mädchen hier. So oder so bin ich ein Fremder.“ Seine Augenbraue wandert nach oben. „Ich meinte auch mit mir“ Sein Grinsen wird breiter. „WAS?“, meine Stimme klingt fast schon schrill. Schnell senke ich die Lautstärke, hebe abwehrend die Hände. „Nein…nein, sicher nicht.“ Ist er nun völlig verrückt geworden? Langsam zweifle ich wirklich daran ob bei ihm noch alles normal ist. Sein Grinsen verschwindet langsam wieder, macht einem traurigen Lächeln Platz. „Schade...“, höre ich ihn nuscheln. Habe ich ihn nun zu sehr vor den Kopf gestoßen? Fast tut es mir Leid, allerdings nur bis seine leuchtenden Augen erneut die meinen finden. „ICH würde aber gerne mit DIR tanzen“, stellt er fest. Er fällt wohl immer mit der Tür ins Haus, was? Ich verdrehe meine Augen. „Es gehören aber immer zwei dazu. Und ICH will NICHT mit DIR tanzen.“ Sein Blick wird bittend. Bettelnd sieht mich von unten an, fast wie ein kleiner Welpe. „Verdammt…“, flüstere ich. Wie kann man so einem Blick widerstehen? „ Ok, ok….“, gebe ich seufzend nach. „ Aber nur einen Song. EINEN, verstanden?“, ich bin so ein Idiot. „Ist das peinlich…“, füge ich leise hinzu, doch nicht so leise, dass der andere es nicht hören kann. „Wieso peinlich? Was ist daran peinlich? Schau, die Mädchen tanzen auch alle zusammen“, sagt er während er seinen Blick über die Tanzfläche schweifen lässt. „Ja, aber das sind auch MÄDCHEN, und wie sind JUNGS. Siehst du auch irgendwo zwei Jungs tanzen? Nein!“, erwidere ich. „Und wenn schon“, antwortet Sungmin schulterzuckend. Ihm macht das wohl nichts aus, stelle ich überrascht fest als er mich schon am Arm auf die Tanzfläche zieht. Stolpernd folge ich ihm. Komme vor ihm zum stehen. Wieder haften seine Augen an mir. Ich beginne mich unwohl zu fühlen. Seine Blicke haben etwas an sich was mich schaudern ließ. Etwas das mich zu durschauen droht. Etwas das mich wie eine Fensterscheibe erscheinen lässt durch die man ohne weiteres hindurchsehen konnte. Etwas das mich nervös werden lässt. Etwas von dem ich immer das Gefühl habe davor weglaufen zu müssen. Doch ich kann es nicht fassen, kann es nicht in Worte fassen, was genau es ist. Und so steht er nun vor mir, sieht mich an, während ich den Blick abwende. Erst als seine Hände meine Hüften berühren, kehren meine Augen zu ihm zurück. Weit aufgerissen in Unglaube. Was soll das werden? Plötzlich werde ich dem Song gewahr, der im Hintergrund läuft. ( http://www.youtube.com/watch?v=OqR7ByTQPII ) Etwas ängstlich sehe ich zu ihm auf. Ist das sein Ernst? Ist das wirklich sein Ernst. Langsam drückt er mich an der Hüfte, beginnt sich im Takt zu wiegen, zieht mich so mit sich. Vorsichtig hebe ich meine Arme, lege meine Hände auf seine Schulter. Lasse mich treiben, während mich die traurige Melodie mit sich trägt. Ganz von allein verkleinert sich die Distanz zwischen uns, die ich erfolglos aufrecht zu erhalten versuche. Mit jedem Takt, der gespielt wird, zieht es meinen Körper enger zu ihm, so lange bis ich meinen Kopf auf seine Schulter lege. Schon zuvor hielt er mich im Arm, doch das war etwas vollkommen anderes. Das hier war etwas vollkommen anderes. Ich spüre seine Nähe, seine Wärme. Ihn. Ich schließe meine Augen. Genieße dieses Gefühl der Geborgenheit. Langsam wiegen wir uns zur Musik. Ich vergesse alles was um mich herum passiert. Plötzlich bin ich nicht mehr auf der Party meines Cousins mit all den mir fremden Leuten. Plötzlich bin ich nicht mehr in Anseong. Plötzlich ist da nicht mehr dieses Unbehagen. Alles was ich spüre ist Wärme. Alles was ich spüre ist Sicherheit. Alles was ich spüre ist Geborgenheit. Dann stehen wir still. Wie lange schon? Flatternd öffne ich meine Augen. Hebe meinen Kopf und sehe in Sungmins Gesicht. Sungmins Gesicht. Plötzlich rast mein Herz. Was habe ich da eben getan? Was habe ich da eben gedacht? Was habe ich da eben gefühlt? Meine Brust wird eng, ich bekomme keine Luft. Es schnürt mir die Kehle zu. Ungeschickt taumle ich einige Schritte zurück. Schüttle ungläubig den Kopf. Ich beginne zu laufen. Ich beginne zu rennen. Und noch bevor ich weiß was ich eigentlich tue, habe ich das Haus verlassen. Doch ich laufe immer weiterwährend ich höre, wie er meinen Namen ruft. Kapitel 5: daseot ----------------- ~der nächste Morgen~ Langsam öffne ich meine Augen, werde durch die hellen Sonnenstrahlen geblendet. Stöhnend wälze ich mich auf die andere Seite um dem störenden Licht zu entkommen. Ich möchte noch nicht aufstehen. Am liebsten würde ich nie mehr aufstehen, einfach für immer hier im Bett bleiben. Nach dem, was gestern Abend passiert ist, möchte ich nie wieder nach draußen. Das Ganze ist zu peinlich. Nicht nur die Tatsache DASS und vor allem WIE ich mit Sungmin getanzt habe, sondern auch, dass ich auf diese Weise davon gelaufen bin. Allein der Gedanke daran erweckt in mir den Wunsch einfach im nächsten Loch verkriechen zu wollen. Noch nie ist mir etwas so Peinliches passiert. Ich ziehe mir die Decke über den Kopf, verstecke mich darunter. Nein, ich will das Bett nie wieder verlassen. Durch ein leises Klopfen an der Tür aufgeschreckt, strecke ich den Kopf unter der Decke hervor. „Yesung?“, meine Tante. „Ja?“, antworte ich. „Kommst du zum Frühstück?“, fragt sie. „Ja, gleich“ „Gut“ Widerwillig schwinge ich die Beine aus dem Bett. Träge erhebe ich mich und schleppe mich zum Bad. Als ich im Esszimmer ankomme, steht alles schon auf dem Tisch. Mein Onkel liest Zeitung während meine Tante erfolglos versucht ein Gespräch mit ihm zu starten. Als ich ihr gewahr werde, lenkt sie ihre Aufmerksamkeit jedoch auf mich. „Ah, Yesung, da bist du ja.“ Ich setzte mich, begrüße meinen Onkel, der die Zeitung zur Seite legt und mich fragt wie es auf der Party war. Ich seufze innerlich auf. Am liebsten würde ich diesen Abend vergessen. „Ganz ok“, antworte ich stattdessen. Was auch stimmte, bis Sungmin auftauchte. „Du bist früh zu Hause gewesen“, stellt er weiter fest. „Ja…ich…konnte mit jemandem mitfahren. Deshalb.“ Ich wollte meinen Onkel nicht anlügen, doch ich konnte ihm noch weniger die Wahrheit sagen „Ach so“, brummte er während wir alle in Ruhe frühstückten. „Ich bin kurz weg in der Bibliothek“, rufe ich meiner Tante in der Küche zu als ich das Haus verlasse. Ich habe mir vorgenommen den Rest des Tages zusammen mit einem guten Buch in meinem Zimmer zu verbringen. „Ist gut“, ruft sie zurück als die Tür schon ins Schloss fällt. __ In der Bibliothek angekommen, stöbere ich durch die Regale. Es ist vollkommen ruhig. Außer mir sind nicht viele Besucher hier, und selbst wenn, würde die streng wirkende Bibliothekarin für Ruhe sorgen. Die Auswahl ist riesig, wie ich feststelle. Eigentlich habe ich nur mit einer kleinen Anzahl an Büchern gerechnet, weshalb es mich noch mehr überrascht was alles zu finden ist. Nach nichts Speziellem Ausschau haltend, gehe ich in den Gänge zwischen den Regalen auf und ab. Bleibe hier und da stehen um mir einen Titel genauer anzusehen, doch irgendwie sagt mir nichts zu und so gehe ich weiter. Wieder nach einem Buch greifend dessen Titel ich viel versprechend fand, wurde ich durch eine andere Hand daran gehindert. Verwirrt blicke ich auf um zu sehen, wer wohl den gleichen Geschmack hat als ich. Doch was ich sehe gefällt mir ganz und gar nicht. Sungmin. Mit großen Augen starre ich den Jungen vor mir an. Alles was mir durch den Kopf geht, sind die Bilder von gestern Abend. Schnell ziehe ich meine Hand unter der seinen hervor und weiche einige Schritte zurück. Sungmin hingegen blickt mich fest an. Mein Gefühl sagt mir, dass ich wegsehen kann, doch tue ich das, ist ihm klar, dass ich mich schäme. Und das ist das Letzte was ich möchte. Schließlich ist die Sache auch so schon peinlich genug. Also stehen wir beide da und starren uns an. Dann bricht Sungmin das Schweigen. Natürlich. Er redet von Natur aus viel mehr als ich, kann einfach nicht still bleiben. „Du hier?“, ein Grinsen breitet sich auf seinen Lippen aus. „Natürlich, du liest sicher viel, das passt zu dir.“ Ich runzle die Stirn, woher will er das wissen? Er scheint meine Gedanken zu erraten. „Woher ich das weiß?“, lacht er, „nun, meist ist es so, dass schweigsame Menschen gerne lesen, schließlich ist das etwas wobei sie nicht reden müssen und allein sein können. Ich hab also recht.“, stellte er weiter fest. Schließlich sehe ich doch weg. Ich habe das Blickduell also doch verloren. „und wenn schon…“, nuschle ich, „kann dir egal sein.“ Wieso nur muss er mir dauernd begegnen? Wieso nur muss er mir immer auf die Pelle rücken? Wieso muss er mich immer ausfragen? „Ist es verboten mehr über dich erfahren zu wollen?“, höre ich ihn mit ernster Stimme sagen. „Ich weiß, dass es dir unangenehm ist. Denkst du ich spüre das nicht? Schon von Anfang an wolltest du nie mit mir reden. Egal was ich gefragt oder gesagt habe, nie bist du darauf eingegangen, immer hast du entweder eine Ausrede erfunden oder bist einfach davon gerannt. Meist habe ich das Gefühl dir auf die Nerven zu gehen. So ist es doch oder?“ Sungmin sieht mich traurig an. Was soll das? Warum sagt er mir so etwas? Ich bin verwirrt, weiß nicht, was ich davon halten soll. „Ich…ich…“, ich weiß nicht was ich sagen soll. Sungmins Nähe verwirrt mich einfach viel zu sehr. Immer habe ich das Bedürfnis weg zu rennen. Ich weiß nicht warum. Schließlich kennen wir uns nicht, oder kaum. Unbemerkt habe ich weitere Schritte von Sungmin weggemacht. Ich sehe zu Boden, kann ihm nicht in die Augen blicken. Dann spüre ich seine Hand um mein Handgelenk. Er hält mich fest, verhindert, dass ich mehr Distanz zwischen uns bringe. „Wieso?“, ist alles was er mich fragt, doch ich kann nicht antworten. Sungmin kommt auf mich zu, ich weiche zurück. Automatisch weiche ich vor ihm zurück bis ich an einer Wand stehe und es keine weitere Möglichkeit zu entkommen gibt. Sungmin steht vor mir. Ganz nah. Ich kann seinen Atem spüren, seinen Geruch wahrnehmen. Ich presse die Augen zu. Versuche alles zu ignorieren. Versuche ihn zu ignorieren. Schon wieder ist er mir so nahe. Viel zu nahe. Mein Herz schlägt heftig in meiner Brust, fast als wolle es herausspringen. Ich will weg ist alles was mein Kopf mir sagt. „Was machst du nur mit mir?“, höre ich Sungmin leise sagen. Erschrocken reiße ich die Augen auf. Sehe ihn an. Sehe sein trauriges Lächeln. Was soll das nun wieder heißen? Ich mache nichts mit ihm. Er tut mir etwas an. Er ist es doch, der mir dauernd über den Weg läuft, fast so als würde er mich verfolgen. Er ist es doch, der mich dauernd anspricht, mich mit Fragen bombardiert. Er ist es doch, der mich nicht in Ruhe lässt. Was also tue ICH ihm an? Die Frage ist, was tut ER mir an…! Sungmin hält mich fest, umklammert mein Handgelenk mit aller Kraft. Ich winde mich, versuche frei zu kommen, doch schaffe es nicht. „Lass los…verdammt LASS LOS!“, schreie ich, Tränen in meinen Augen. Ich möchte weg, weg von allem, weg von ihm. Ein lautes „Ssscchhh…“ ertönt. „Warum soll ich dich loslassen? Damit du wieder davon laufen kannst? Damit du dich mir nicht stellen musst? Damit du dir einreden kannst, dass das alles nicht wahr und nie passiert ist? Warum?“ Die Tränen beginnen sich ihren Weg aus meinen Augen zu bahnen. Verzweifelt versuche ich sie aufzuhalten. Ich möchte nicht vor Sungmin weinen, nicht aus so einem Grund. Nicht aus Verzweiflung. „LASS MICH LOS!“, fordere ich ohne auf seine Fragen einzugehen. „Nein, ich lasse dich nicht los, nicht bevor du mir eine Antwort gegeben hast.“ Ein weiteres „Ssscchhh..“ ist zu hören, dieses Mal etwas genervter. Als ich nicht antworte, sieht Sungmin mich wieder traurig an. „Wieso redest du nicht mit mir? Nicht wenn ich nett zu dir bin. Nicht wenn ich dich auffordere. Nicht einmal wenn ich dich dazu zwinge. Warum? Bin ich dir nicht genug wert? Nur weil ich ein einfaches Dorfkind bin und du in Seoul lebst? Wieso darf ich dich nicht näher kennen lernen? Aus was für einem Grund?“ Ich senke erneut den Blick. „Weil…weil mir im Moment alles zu viel ist. Ich bin hergekommen um zum Todestag meiner Großmutter an ihrem Grab sein zu können. Ich habe vor einem Jahr den wichtigsten Menschen meines Lebens verloren…denkst wirklich ich bin in der Lage so zu tun als wäre nichts gewesen? Denkst du ich bin in der Lage einfach weiter zu machen?“ „Du hast sehr an deiner Großmutter gehangen, das weiß ich. Aber das ist nun schon ein ganzes Jahr her. Und du bist noch immer unglücklich. Auch wenn der Schmerz tief sitzt, hast du ein Recht wieder Glück zu erfahren. Auch wenn es dir ungerecht erscheint, darfst du glücklich sein. Du hast einen wichtigen Menschen verloren, doch du wirst wieder jemanden finden. Jemanden, der dir genauso viel oder vielleicht auch mehr bedeutet. Du darfst dich nicht vor der Welt verstecken. Du musst leben. Deine Großmutter hatte auch ein Leben, sie wurde alt und hat es genutzt. Doch was ist mit dir? Du bist noch jung und was tust du mit deinem Leben? Du wirfst es weg indem du dich zu Hause verkriechst und unglücklich bist. Denkst du deine Großmutter hätte das gewollt? Denkst du sie hätte dich gerne so gesehen? Nein, das glaube ich nicht. Denn ich sehe dich auch nicht gerne unglücklich. Ich möchte, dass du lachst, dass du dich freust, dass du lebst. Ich möchte, dass ich ein wichtiger Mensch in deinem Leben werde. Aber du lässt es nicht zu. Du läufst vor mir davon. Du weichst mir aus. Du gehst mir sogar aus dem Weg.“ Sungmins Stimme wird immer leiser, doch ich verstehe jedes Wort. Ich verstehe jedes einzelne Wort und kann kaum glauben, was ich höre. „Yesung…“ Als Sungmin nicht weiter spricht sehe ich auf. Warum redet er nicht weiter, was ist los? Doch noch bevor ich den Kopf vollständig gehoben habe, werde ich unsanft gegen die Wand in meinem Rücken gepresst. Sungmin drückt seine Lippen fest auf die meinen. Meine Handgelenke noch immer umklammernd lehnt er sich gegen mich, verhindert so dass ich ausweichen kann. Doch ich war so erschrocken, dass ich nicht einmal daran dachte. Sungmin küsst mich. Sungmin küsst mich. SUNGMIN KÜSST MICH!! Diese Erkenntnis hallt in meinem Kopf unendlich wieder wie ein Echo in den Bergen. Es wird immer leiser, doch man hört es noch immer. Sungmin küsst mich. Langsam löst sich die Anspannung in meinem Körper. Sungmin küsst mich. Ich versuche kraftlos meine Hände zu befreien. Sungmin küsst mich. Ich möchte protestieren, doch alles was ich damit erreiche ist, dass er die Gelegenheit meines sich öffnenden Mundes nutzt. Sungmin küsst mich. Ich schließe die Augen und genieße es. Sungmin küsst mich. „WAS IST DENN HIER LOS?“ Eine schrille Stimme lässt uns herum fahren. Die Bibliothekarin steht entsetzt vor uns. Ich blinzle. Mein Herz rast. Ich weiß nicht aus welchem Grund genau, doch es rast wie verrückt. Dann kehrt mein Verstand zurück … und ich laufe. Laufe so schnell ich kann. Was habe ich nur getan? Was habe ich da nur getan? Kapitel 6: yeoseot ------------------ Am folgenden Wochenende nehmen mich mein Onkel und meine Tante mit auf ein Konzert des örtlichen Chors. Eigentlich würde ich lieber zu Hause bleiben, doch dort würden mich wieder all die Fragen und Gedanken überfallen und so gehe ich mit. Vielleicht lässt mich das für wenige Stunden an etwas anderes denken als an Sungmin. Doch als das Konzert beginnt, traue ich meinen Augen nicht. Sungmin betritt die Bühne. Er lächelt freundlich dem Publikum entgegen und setzt sich ans Piano während der Chor ebenfalls den Saal betritt. Ungläubig schüttle ich den Kopf. Nein, das ist undmöglich. Ist er denn überall? Warum muss ich ihm dauernd begegnen? Am liebsten würde ich aufstehen und gehen, doch was sollen Onkel und Tante von mir denken? Und so nehme ich mir vor nach dem Konzert sofort nach Hause zu gehen. Nach einer kurzen Rede des Vorstandes und der Eröffnung beginnt der erste Auftritt. Sungmin spielt ein kurzes Vorspiel des ersten Liedes. Seine Finger gleiten dabei federleicht und fehlerlos über die Tasten, dann setzt der Gesang ein. Ein wunderschönes Lied. Auch die weiteren Lieder sind toll, wobei mich Sungmins Spiel in seinen Bann zieht. Jede einzelne Note enthält so viel Gefühl, dass es mich tief berührt. Nie hätte ich es für möglich gehalten, doch ich bewundere ihn dafür. Als das Konzert nach 2 Stunden zu Ende ist, finde ich mich auf dem Weg hinter die Bühne wieder. Hatte ich nicht sofort nach Hause gehen wollen? Sungmin sieht mich überrascht an als ich ihm gegenüber stehe. „Yesung?“ Verlegen nicke ich. Was will ich eigentlich sagen? Mein Blick huscht von links nach rechts. Einige der Sänger sind ebenfalls hier und reden noch. „Ich“, beginne ich, „fand das Konzert toll. Ich mochte dein Klavierspiel.“ Sungmin starrt mich regelrecht an. Blinzelt und starrt wieder. Habe ich etwas Falsches gesagt? Plötzlich werde ich unruhig. „ähm…das ist auch schon alles was ich sagen wollte.“ Schnell wende ich mich ab und gehe weg. „Yesung, warte.“ Ich komme nicht weit bis Sungmin mir nachruft und mich am Arm zurück hält. Mitten im Schritt halte ich inne, doch im Nächsten Moment werde ich weiter gezogen. Stolpernd folge ich dem Jungen, der meinen Arm fest umklammert hält. Erst als eine Tür hinter uns ins Schloss fällt und wir uns in einer Garderobe gegenüber stehen, wendet Sungmin sich mir zu. Meinen Arm lässt er dabei jedoch nicht los. Er sieht mich an und wie immer macht mich seine Anwesenheit unsicher, fast schon nervös. Alles in mir schreit, dass ich laufen soll, dass ich weg soll. Aber ich bleibe. Erwidere seinen Blick und rege keinen Muskel. „Du bist zu mir gekommen“, bricht Sungmin die Stille. Ich nicke, runzle die Stirn. Was ist daran ungewöhnlich? „Das erste Mal, dass du zu mir kommst. Immer läufst du vor mir weg. Immer suchst du das Weite.“ Ich sehe ihn an. Sage nichts. Auf Sungmins Gesicht breitet sich ein Lächeln aus. „Weißt du wie glücklich mich das macht? Heißt das…was ich gesagt habe…neulich in der Bibliothek. Heißt das du hast darüber nachgedacht?“ Ich sehe Sungmins hoffnungsvollen Blick. Noch immer hält er meinen Arm fest und ich kann spüren wie er mich fester drückt. Ich stehe einfach nur da und sehe ihn an. Darüber nachgedacht, frage ich mich. Ich habe daran gedacht, aber nicht darüber nachgedacht. Ich habe mich gefragt was ich da getan habe, wie es dazu kommen konnte, wie ich ihm am besten aus dem Weg gehe. Doch warum er das getan hat, darüber hab ich nicht nachgedacht. Nein. Warum muss er nur immer wissen was ich denke und tue. Hat er nicht selbst eben gesagt, dass das einzige was ich tue ist vor ihm weg zu laufen. Und genau das habe ich getan. Ich bin weg gelaufen ich wollte ihn nicht sehen. Ich wollte ihm nicht begegnen. Doch vor was laufe ich davon? Sungmin ist ein lieber Kerl. Er versucht mich aufzumuntern. Er hat mir beigestanden als es mir schlecht ging, als wir uns noch nicht einmal kannten. Damals im Zug vor einem Jahr. Er hat mich in den Arm genommen als ich am Grab meiner Großmutter in Tränen ausgebrochen bin. Schweigend hat er mich einfach nur gehalten und mir so Trost gespendet. Er möchte bei mir sein, er möchte mich kennen lernen, doch ich laufe nur davon. Immer renne ich weg. Wovor? Habe ich Angst er könnte etwas entdecken was ihm nicht gefällt? Warum lasse ich ihn nicht an mich heran kommen? Ich weiß es selbst nicht. Ich weiß es einfach nicht. Ich senke den Blick, schüttle den Kopf. Sungmin lässt meinen Arm los. Ich kann förmlich spüren wie enttäuscht er ist. „Warum nicht?“, fragt er. Ich zucke mit den Schultern. „Warum kannst du mir nicht einmal eine Chance geben? Warum stößt du mich von dir als wäre ich eine üble Krankheit? Ich verstehe dich nicht. Das alles hier hat nichts mehr mit deiner Großmutter zu tun. Das alles bist einzig und allein du! Du hast Angst. Du läufst weg. Du isolierst dich.“ Eine kurze Pause entsteht. „Yesung. Ist es weil es bisher niemanden außer deiner Großmutter gab, der sich um dich kümmerte? Der sich um dich sorgte? Der dich liebte?“ Ich schlucke schwer. Atme einige Male tief ein und aus. Langsam wende ich mich von Sungmin ab. „Nein. Yesung. Lauf nicht wieder davon. Geh nicht.“ Er hält mich wie vorhin am Arm zurück. „Dieses Mal lasse ich dich nicht gehen. Ich lasse dich nicht gehen, hörst du? Nie mehr.“ Und mit diesen Worten umarmt er mich fest. Drückt mich an sich und bettet seinen Kopf auf meine Schulter. „Yesung, lauf nicht davon. Lauf nicht vor mir weg. Ich ertrage das nicht länger. Bitte…“ Ich höre Sungmins Sehnsucht, spüre seine Hoffnung und gleichzeitig meine eigenen Tränen in den Augen. Vorsichtig hebe ich meine Arme und lege sie auf seinen Rücken. „Sungmin“, hauche ich leise, meine Tränen unterdrückend, „ich möchte nicht davon laufen. Ich möchte es nicht, aber ich kann einfach nicht anders. Halt mich fest…lass mich nicht los…lass nicht zu, dass ich vor dir davon laufe.“ Ich möchte bei ihm bleiben. Ich weiß ich kann bei ihm bleiben. Ich weiß er nimmt mich so wie ich bin. Ich weiß er versteht mich. Ich weiß, dass er weiß was in mir vorgeht. Ich weiß ich möchte nie mehr davonlaufen. _ -_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_- Am nächsten Morgen schlage ich die Augen auf. Sehe zur Decke. In meinem Kopf tausende Bilder. Ich weiß sie sind wahr, doch ich kann es nicht glauben. Sungmin…und ich. Ein kurzes Lächeln huscht über meine Lippen. Der Junge, der mich im Zug in seinen Armen gehalten hat, obwohl er mich nicht kannte. Der Junge, der mich am Grab meiner Großmutter im Arm gehalten hat, obwohl er mich noch immer nicht kannte. Der Junge, der mich nach einem ganzen Jahr aus den Leuten wieder gefunden hat. Der Junge, der einfach nicht von mir ablassen wollte, egal wie oft ich vor ihm geflohen bin. Und jetzt? Ein weiteres Lächeln breitet sich aus und ich lege mich auf die Seite, sehe aus dem Fenster und beobachte die Wolken, die vorbei ziehen. Sungmin. Plötzlich wird mir ganz warm. Plötzlich wünsche ich mir, dass er hier bei mir ist. Und das obwohl ich immer von ihm weg gerannt bin. Plötzlich wünsche ich mir, dass ich ihn wie gestern in den Armen halten kann. Ich schieße die Augen. Das Bild erscheint. Sungmin und ich stehen in der Garderobe und schlingen fest die Arme umeinander. Ich spüre seine Wärme, seinen Körper an meinem. Ich rieche seinen Duft, ich fühle… „Yesung…Kommst du frühstücken?“, ertönt plötzlich die Stimme meiner Tante. Ich öffne die Augen. Das Bild ist verschwunden, ebenso wie das angenehme Gefühl. „Ja, gleich“, antworte ich und stehe auf. _ -_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_- Mittags sitze ich in meinem Zimmer und weiß nichts mit mir anzufangen. Ich würde gerne Sungmin sehen, doch ich weiß weder wo er wohnt, noch seine Handy- oder Telefonnummer. Meine Tante kennt seine verwandten nicht und so muss ich warten bis ich ihn zufällig treffe. Und sobald mir dieser Gedanke durch den Kopf geht, weiß ich was ich zu tun habe. Ich muss raus gehen. Wie soll er mich hier finden. Er kennt meine Adresse ebenso wenig wie ich seine. Ich gebe meiner Tante Bescheid und verlasse das Haus in Richtung Bibliothek. Ich weiß genau, dass ich dort nicht ein Buch finden oder gar lesen werde, doch vielleicht treffe ich ihn dort. Vielleicht, doch allein der Gedanke, dass die Möglichkeit besteht lässt mein Herz höher schlagen. Unkonzentriert wandere ich durch die Reihen auf der Suche nach nichts Bestimmtem. Ich sehe die Bücher, doch ich realisiere sie nicht, ich sehe die Buchstaben, doch kann die Titel nicht nennen. Ich gehe langsam in den Gängen auf und ab. Immer wieder in den gleichen ohne es zu bemerken. „Yesung…“, ertönt eine überraschte leise Stimme hinter mir. Ich wende mich um und da stehst du. Direkt vor mir. Ich sehe dich an. Ich möchte etwas sagen, doch meine Lippen verweigern mir den Dienst. „Was machst du hier?“, runzelst du die Stirn. Ich möchte antworten, doch ich kann nicht. „Wanderst hier auf und ab ohne ein Ziel vor Augen. Ich hab dich beobachtet. Wartest du auf jemanden? …….. Wartest du auf mich?“, höre ich die Hoffnung. Ich blinzle, doch mein Mund will sich einfach nicht öffnen. Ja, ich warte auf dich, ich kenne deine Nummer nicht und ich weiß nicht wo du wohnst. Letztes Mal haben wir uns hier getroffen, daher dachte ich ich versuche es noch einmal. Und hier bist du. Das möchte ich sagen, doch das Einzige was ich zu Stande bringe ist dich anzusehen. Sungmin weicht meinem Blick aus. Sieht zu Boden. „Ich bin jedenfalls hier weil ich gehofft habe, dich hier zu treffen.“ Mit großen Augen sieht er wieder auf. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals. „Du weißt doch noch was gestern war, nicht wahr?“, möchte er wissen. Ich nicke. Die einzige Reaktion meinerseits bisher. „Gut. Und du weißt auch was das bedeutet, nicht wahr?“ Weiß ich das? „Du weißt, dass das bedeutet, dass ich dich nicht mehr gehen lasse?“ Weiß ich das? „Du weißt, dass das bedeutet, dass … ich dich gern habe?“ Weiß… ich das? „Yesung…darf…ich dich berühren?“ Warum fragt er mich so etwas? Als ob ich darauf eine Antwort geben könnte. Mein Blick wendet sich von ihm ab, ich kann ihm nicht länger in die Augen sehen. Doch bevor ich einen Schritt zurück gehen kann, schließen sich Arme um mich, drücken mich fest gegen einen warmen Körper. Sungmin hält mich fest, verhindert, dass ich erneut davon laufe. „Ich lasse dich nicht gehen. Niemals mehr lass ich dich gehen.“, höre ich ihn leise in mein Ohr flüstern. Dann löst er sich von mir, und fast hätte ich die Arme nach ihm austreckt um die Berührung wieder herzustellen. Doch Sungmin hat etwas anderes vor, denn schon im nächsten Augenblick senkt er seine Lippen auf meine. Vorsichtig schiebt er mich rückwärts bis ich die Wand im Rücken spüre. Sanft drückt er mich dagegen während sich seine Lippen gegen die meinen drücken. Langsam wandern seine Hände dabei um mein Gesicht und ich spüre die Röte in meine Wangen steigen. Flatternd schließe ich die Augen, und lasse es geschehen. Genieße die angenehme Wärme und die Nähe. Genieße die Ruhe, die mich durchfließt und das sachte Gefühl von Geborgenheit, das mich durchflutet bis ein schrilles „Was ist denn hier los?“, der Bibliothekarin uns aufschrecken lässt. _ -_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_- Wieder zu Hause angekommen, lege ich mich auf mein Bett und versuche das Geschehene einzuordnen. Sungmin hat mich erneut geküsst. Er hat mich erneut daran gehindert davon zu laufen. Warum nur tut er das? Wir kennen uns kaum. Oder ist das nur eine Ausrede, die ich mir zurecht lege? Würde ich wollen, würden wir uns näher kennen lernen, doch sobald er vor mir steht, drängt mich alles dazu die Flucht zu ergreifen und dann ist er es wieder, der mich daran hindert. Ich wünschte ich könnte es abstellen, aber in dem Moment kann ich einfach nicht anders. Ich seufze. Ist alles aussichtslos? Ich möchte es nicht glauben. Ich möchte Sungmin kennen lernen. Ich möchte mehr über ihn erfahren. Ich möchte mehr von der Person wissen, die mich in- und auswendig zu kennen scheint. Die vorher sieht wann ich weglaufen möchte und mich schließlich auch daran hindert. Erneut entflieht ein Seufzer meiner Kehle. Was soll ich nur tun? _ -_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_- Ich wache auf. Liege in meinem Bett und starre an die Decke. Wann bin ich eingeschlafen? Ich habe es nicht bemerkt. Ich wende den Kopf und sehe auf den Wecker, der neben meinem Bett auf dem Nachttisch steht. 9.37 Uhr zeigt er. Ich schließe kurz die Augen und atme tief durch. Ich muss aufstehen. In der Küche angekommen, begrüßt mich meine Tante mit einem riesigen Frühstück. Ich frage sie wer das denn alles essen, dich anstatt zu antworten grinst sie mich nur an und verlässt die Küche. Ich schüttle den Kopf und setzte mich an den Tisch, gieße mir Kaffee ein und greife nach einem Brötchen, während sie wieder den Raum betritt. „Das schaffe ich doch niemals, warum hast du so viel vorbereitet?“ „Vielleicht weil du gar nicht allein frühstücken wirst?“, ertönt eine viel tiefere Stimme, als die meiner Tante. Erschrocken reiße ich den Kopf herum und starre direkt in Sungmins Gesicht. „Su…Sungmin.“, stottere ich, „Was machst du hier?“ Ungläubig blinzle ich. Ein Grinsen huscht über sein Gesicht und er zieht einen Stuhl vom Tisch auf den er sich fallen lässt. „Mit dir frühstücken.“, meint er während er sich ebenfalls eines der Brötchen aus dem Körbchen nimmt. „A..aber…“ „Was? Möchtest du nicht? Soll ich wieder gehen?“, Sungmin klingt verletzt. „Nein,… das nicht...“, antworte ich leise, senke den Blick auf das Brötchen vor mir. „Was dann?“, verlangt er zu wissen. „Nichts…“, flüstere ich, greife nach dem Messer und beginne zu essen. „Nein, nicht nichts. Was ist los? Ich dachte du freust dich… aber ich habe mich anscheinend geirrt.“ Eine kurze Pause entsteht. Ein trauriges Lächeln macht sich auf Sungmins Lippen breit. „Ist dir meine Anwesenheit so unangenehm?“ Ich sehe ihn aus großen Augen an. Schüttle dann den Kopf. Nein, das ist sie nicht. „Was dann?“, bohrt er weiter. Ich blicke wieder auf meinen Teller. „Ich.. muss zur Toilette.“ Ohne ihn noch einmal anzusehen stehe ich auf und flüchte aus der Küche. Im Badezimmer angekommen, schließe ich die Tür hinter mir und lasse mich dagegen fallen. Langsam geben meine Beine unter mir nach und ich rutsche am harten Holz nach unten. Mein Kopf fällt nach hinten und Tränen fließen über meine Wangen. Ich kann nicht ehrlich sein. Warum nur kann ich nicht ehrlich mit ihm sein? Nach gut zehn Minuten, in denen ich versucht habe mich wieder einigermaßen zu beruhigen, betrete ich vorsichtig die Küche. Sungmin sitzt noch immer auf seinem Stuhl, hat jedoch nichts weiter vom Essen angerührt. Mit laut schlagendem Herzen gehe ich einen Schritt um den anderen auf meinen Platz zu, setzte mich und nehme erneut das Messer in die Hand. Sungmin sagt nichts. Ich ebenfalls nicht. Was hätte ich auch sagen können. Natürlich ist es jetzt an mir die Stille zu brechen, doch ich habe nicht die leiseste Ahnung wie. Vorsichtig heben ich die eine Hälfte des Brötchens an die Lippen, beiße vorsichtig hinein und doch hört es sich furchtbar laut in meinen Ohren an. Nach weiteren zehn Minuten Schweigen erkenne ich aus dem Augenwinkel wie Sungmin mich ansieht. „Yesung…“, er sagt nichts weiter als meinen Namen und doch fühlt es sich so an als würde er mir Vorwürfe machen. Vorsichtig hebe ich den Kopf. „Du weißt ich möchte bei dir sein, du weißt ich hab dich gern. Aber wenn du es nicht zulässt hat das alles keinen Sinn. Wenn du mich nicht wissen lässt was dir unangenehm ist, kann ich nichts daran ändern. Ich möchte, dass du dich bei mir wohlfühlst, dass du dich aufgehoben fühlst. Doch wenn du mir nicht sagst was ich tun muss um diese Gefühle auszulösen…“ Sungmin vollendet seinen Satz nicht, sieht mich einfach nur an, hält meinen Blick fest, lässt nicht zu, dass ich mich wieder abwende. „Sag mir, was ich tun kann.“, sind seine Worte mit denen er aufsteht und das Haus verlässt. Als ich höre wie Tür hinter ihm ins Schloss fällt, stütze ich das Gesicht in meine Hände. Ich fühle wie meine Brust immer enger wird, als würde jemand versuche mir die Luft zum Atmen nehmen. Das Schlimmste ist daran jedoch, dass ich genau weiß, dass das nur meine eigene Angst ist. _ -_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_- Am Abend erhalte ich eine SMS. Ich wunder mich wer mir geschrieben hat und als ich sie öffne, blicke ich ungläubig auf den Display meines Handys. Sungmin. Neulich als wir uns das zweite Mal in der Bibliothek getroffen haben, tauschten wir unsere Nummern aus. Ich hätte jedoch nicht erwartet, dass er mir nachdem was am Morgen passiert ist schreiben würde. To: Yesung From: Sungmin Es tut mir Leid was heute Morgen passiert ist. Ich weiß ich hätte dich nicht so in die Enge treiben dürfen. Können wir uns treffen? Ich lese die Zeilen ein zweites und ein drittes Mal und doch steht da immer das gleiche. Uns treffen? Jetzt? Warum? Mein Herz beginnt wieder heftig zu schlagen. Was soll ich antworten? Möchte ich ihn denn treffen? Wenn ja, was soll ich ihm sagen? Dass es mir auch Leid tut, dass ich ein Idiot bin und nicht weiß warum ich so reagiert habe? Ich beginne zu tippen. To: Sungmin From: Yesung Um diese Zeit? Warum? Nach nur einer Minute erhalte ich seine Antwort. To: Yesung From: Sungmin Weil ich dich sehen möchte. Die Hitze, die ich plötzlich in meinen Wangen spüre, woher kommt sie? To: Sungmin From: Yesung: Ok Durch tiefes Durchatmen versuche ich mich zu beruhigen. To: Yesung From: Sungmin In 5 min im Park dann. Warte am Eingang auf dich. Ich blicke auf die Buchstaben vor mir. Sungmin möchte mich sehen. Nach all dem möchte er mich doch wieder sehen. Ich nehme meine Jacke vom Stuhl und laufe los. Ich laufe in Richtung Park, doch erst als ich ankommen, bemerke ich, dass ich gerannt bin. Atemlos komme ich vor Sungmin zum Stehen. Schnappe nach Luft während ich ihn ansehe, sein Lächeln betrachte und mich frage warum er mich nicht einfach aufgibt nach allem was ich ihm antue. Langsam streckt er die Hand nach meinem Gesicht aus, zieht sie jedoch wieder zurück. „Da bist du endlich.“, haucht er leise. Ich nicke. „Es tut mir Leid, was heute Morgen passiert ist“, wiederholt er die Worte seiner SMS. „Ich weiß, ich hätte dich nicht drängen dürfen, ich weiß es und doch habe ich es getan. Ich weiß du kannst dich nicht so einfach auf jemanden einlassen. Doch ich möchte so sehr bei dir sein, dass ich ungeduldig bin. Ich möchte, dass du dich mir öffnest, dass du mir von dir erzählst, mich verstehen lässt was genau in dir vorgeht. Ich möchte dich näher kennen lernen doch durch meine Ungeduld erreiche ich das genaue Gegenteil. Du verschließt dich, du rennst weg, entfernst dich von mir. Aber du bist gekommen.“, ein Lächeln. „Weißt du wie glücklich mich das macht? Es zeigt mir, dass ich vielleicht doch noch eine Chance habe. Eine Chance, die ich nutzen werde.“ Ich sehe Sungmin an. Höre seinen Worten zu. Er möchte mich näher kennen lernen? Und das wo er mich schon in und auswendig zu kennen scheint. Wo er doch schon versteht warum ich dauernd davon laufe. Ich möchte ihn umarmen, ihn fest an mich drücken und ihm sagen, dass ich ebenfalls glücklich darüber bin, dass er mich nach allem noch sehen möchte. Ich möchte ihn halten, seinen Herzschlag an meiner Brust spüren, seine Wärme in mir aufnehmen und seinen Duft einatmen. Doch alles was ich tue ist da zu stehen und ihn an zu sehen. Wie immer reagiert mein Körper nicht auf das was ich ihm sage. Erneut streckt Sungmin die Hand nach mir aus. „Darf ich?“, fragt er vorsichtig. Ich nicke kurz und er legt seine Hand an meine Wange. Ich schließe die Augen und lehne meinen Kopf dagegen. Sanft legt er seine Hand an meine andere Wange und zieht mich zu sich hinunter. Die Berührung unserer Lippen ist nur kurz aber trotzdem löst sie einen Sturm in mir aus. Doch bevor dieser mich mit sich reißen kann, löst sich Sungmin von mir. Ich öffne meine Augen und sehe ihn an. Möchte ihn fragen warum er den Kuss beendet, doch mein Mund öffnet sich nicht. Mit einem sanften Lächeln schaut er zurück bevor er sich von mir abwendet und davon geht. Ich blicke ihm nach bis die Dunkelheit seinen Körper verschlingt erst dann gehe auch ich. _ -_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_- In den folgenden Tagen ruft mich Sungmin oft an. Immer wieder treffen wir uns an den verschiedensten Orten. Wir tun nichts Besonderes und doch bringt er mich dazu Spaß zu haben, zu lachen und das Leben mit neuen Augen zu sehen. Ich genieße die Zeit mit ihm. Sehne mich danach. Jeder Tag an dem wir uns nicht sehen scheint mir grau und trostlos, selbst wenn draußen die Sonne scheint und die Vögel zwitschern. Ich beginne ihm zu vertrauen. Doch nicht nur das ändert sich. Immer öfter berühren wir uns. Immer wieder sucht er meine Hand und wir verschlingen unsere Finger ineinander. Immer wieder haucht er mir einen sanften Kuss auf die Lippen. Immer wieder umarmt er mich und zieht mich fest an sich. Und ich fühle mich wohl. Es ist mir nicht unangenehm. Nicht mehr unangenehm. Doch nach und nach lassen diese Zärtlichkeiten immer mehr nach. Ich frage mich woran es liegt, traue mich aber nicht zu fragen. Immer öfter macht er den ersten Schritt auf mich zu, legt eine Hand auf meine Wange und beugt sich vor um mich zu küssen, doch in letzter Sekunde hält er inne. Lächelt leicht während er auf meine Lippen sieht und zieht sich schließlich zurück. Möchte er mich nicht mehr küssen? Habe ich etwas falsch gemacht? Dann eines Tages erhalte ich eine SMS von Sungmin. Er schreibt ob wir uns am Bahnhof treffen können. Ich bin aufgeregt. Machen wir einen kleinen Ausflug? Fröhlich mache ich mich auf den Weg. Als ich am Bahnhofsgebäude ankomme, lasse ich suchend meinen Blick schweifen, bis ich Sungmin an einem der Gleise ausmache. Lächelnd gehe ich auf ihn zu. „Hey, da bist du ja.“ Doch was ich in seinem Gesicht sehe, ist alles andere als Freude. „Yesung…“, du siehst mich traurig an. Meine Brust wird eng. Was ist passiert? Du wendest den Blick ab. Etwas das du nie tust. Und mein Herz beginnt heftig zu schlagen. Was ist passiert? „Yesung…“ , warum sprichst du nicht weiter? „Ich werde nach Hause fahren.“ Ich sehe dich an. Erst jetzt bemerke ich den Koffer, der neben dir steht. Kann nichts sagen. Wie immer kann ich nichts sagen wo ich dich gerne fragen würde warum. „Mein...Vater ist letzte Nacht bei einem Autounfall … er ist ums Leben gekommen.“ Das Atmen fällt mir immer schwerer und auch dir fällt es schwer. Doch ich sehe keine Tränen. „Ich muss meiner Mutter helfen…die Beerdigung, … der Laden…“ Endlich siehst du mich an, doch was ich in deinen Augen sehe, gefällt mir nicht. Enttäuschung? Dann ein leichtes Lächeln auf deinen Lippen. „Weißt du was das heißt?“ Ich schaue zurück. Du wendest den Blick ab. Lachst für dich. „Sicher weißt du es, aber es ist dir egal…“ Meine Augen werden groß und ich starre Sungmin an. Es ist mir egal? ES IST MIR EGAL? Es ist mir alles andere als egal, dass du gehst. Weißt du nicht wie sehr ich dich brauche? Wie sehr ich dich mag? Wie sehr ich dich liebe? Warum tust du so als wäre es mir egal? Es ist mir nicht egal. Ich brauche dich doch! „Weißt du?“, fährst du fort, „Wie oft habe ich dir gesagt, dass ich dich mag. Mehr als das. Aber nie hast du eine Antwort darauf gegeben. Wie oft habe ich dich berührt? Aber nie hast du auch nur eine dieser Berührungen erwidert. Wie oft habe ich dich geküsst? Doch nie hast du einen dieser Küsse wirklich erwidert. Nie bist du von dir aus auf mich zugekommen. Nie hast du versucht mich an zu rufen. Nie hast du eines unserer Treffen arrangiert. Zu Beginn dachte ich, du kannst dich noch nicht darauf einlassen. Doch nach und nach kam der Gedanke, dass du das alles vielleicht gar nicht möchtest. Dass ich dir zu wider bin und du mir das nur nicht sagen kannst. Dass du meine Gefühle vielleicht gar nicht erwiderst. Daher wird dir das nicht so schwer fallen wie mir.“ Plötzlich spüre ich Tropfen, ich sehe auf. Regen. Dunkle schwarze Wolken haben sich über uns zusammengezogen. Ein kalter Wind beginnt zu wehen. Doch ich wende meine Aufmerksamkeit wieder Sungmin zu. Er sieht mich nicht an. „Ich denke wir sollten es hier beenden. Ich denke das ist das Beste für uns beide. Du musst dich nicht zu etwas zwingen was du nicht möchtest und ich … werde schon damit fertig.“ Ein trauriges Lächeln. Der unaufhörliche Regen, der uns beide immer mehr durchnässt und es mir schwer macht die Augen offen zu halten. Ich zwinge mich zu nichts. Niemals würde ich mich dazu zwingen müssen mit dir zusammen zu sein. Ich bin gern in deiner Nähe, brauche sie um zu atmen. Ich brauche DICH. Du warst es doch, der mich dazu brachte mich der Welt wieder etwas zu öffnen, der mich dazu brachte wieder etwas mehr Spaß am Leben zu haben. Du hast meinem Leben wieder einen Sinn gegeben. Du warst der Einzige, der mich nicht aufgegeben hatte und mir immer wieder neuen Mut zusprach. Weißt du denn nicht, dass ich deine Küsse, deine Berührungen vermisst habe? Dass ich mich gewundert habe warum du mich nicht mehr küsst? Nicht mehr berührst? Ich wollte dich fragen, aber ich hatte nicht den Mut. Was wenn du mich nicht mehr magst? Dass du denkst, dass das der Grund für meine Zurückhaltung ist, ist mir nicht in den Sinn gekommen. Doch du hast dir ein falsches Bild gemacht. Der wahre Grund ist einzig, dass ich dich nicht verletzen möchte. Ich habe Angst, dass wenn ich zu viel verlange, zu viel tue, du genervt von mir sein könntest und du von mir weg gehst. Aber trotz meiner Zurückhaltung möchtest du mich verlassen. Habe ich mich zu sehr zurück gezogen? Ich möchte dich nicht verlieren. Nicht auf diese Weise. Das alles hätte ich gerne gesagt. Doch mein Mund bleibt geschlossen. Ich sehe dich an. Du siehst gen Boden. Der Regen, der weiter vom dunklen Himmel fällt hat mittlerweile unsere Kleider durchnässt und wir beginnen zu frieren. Verlassen stehen wir am Bahnhof als der Zug einfährt. Eine kratzende Stimme ertönt durch den Lautsprecher. Mein Herz beginnt heftig zu schlagen. Ich muss etwas tun. Ich muss dich aufhalten, doch mein Körper reagiert nicht. Tränen steigen mir in die Augen, doch du siehst sie nicht denn sie vermischen sich mit den Regentropfen und verschwinden vollkommen darin. Der Zug kommt neben uns zum stehen. Die Türen öffnen sich. Du nimmst deinen Koffer, siehst mich ein letztes Mal an und lächelst traurig. „Leb wohl, Yesung.“ Und du drehst dich um und steigst in den Zug. Meine Gedanken rasen. Jede Faser meines Körpers schreit danach die Hand nach dir auszustrecken, doch kein Muskel regt sich. Die Türen schließen sich und ich weiß ich MUSS etwas tun. Der Zug fährt langsam an. Immer weiter entfernt er sich, während ich am Gleis zurück bleibe und ihm nachsehe. Ich habe dich verloren. Ich habe dich für immer verloren. Meine Liebe. Meine Beine geben unter mir nach und ich weine bitterlich. Und der Himmel tut es mit mir. http://www.youtube.com/watch?v=BUhEqSTikTw Kapitel 7: ilgop ---------------- -1 Jahr später – Ruckelnd holpert der Zug über die Schienen. Schnell bringt er den Weg hinter sich auf den er geschickt wurde. Und ich fahre mit ihm. Ich lehne mich in den Sitz und sehe aus dem Fenster. Sehe wie die Landschaft an mir vorbeihuscht. Sehe die vielen Bäume, Wiesen und Dörfer vorbeigleiten. Zu schnell um etwas davon wirklich wahrzunehmen aber zu langsam um dabei nicht nachzudenken. Ein Jahr ist es nun her seit ich das letzte Mal in Anseong war. Ein Jahr ist es nun her seit ich das letzte Mal meine Tante und meinen Onkel besucht habe. Ein Jahr ist es nun her seit Sungmin mich an diesem regnerischen Nachmittag verlassen hat. Sungmin. Sofort tauchen tausend Bilder vor meinen Augen auf, doch ich schüttle sie alle ab. Zu schmerzvoll ist der Gedanke an ihn. Selbst nach diesem einen Jahr habe ich es nicht geschafft ihn zu vergessen. Nein, ich darf nicht daran denken. Ich schließe kurz die Augen, verscheuche die Gedanken an ihn und was war. Atme tief durch und öffne sie schließlich wieder. Erneut blicke ich aus dem Fenster. Sungmin, ruft eine leise Stimme in meinem Herzen, doch mein Kopf ignoriert sie. Als ich nicht mehr allzu weit von Anseong entfernt bin, muss ich dringend zur Toilette. Nur ungern lasse ich mein Gepäck allein und unbeaufsichtigt zurück, doch es muss sein. Als ich erleichtert wieder zurückkomme, stelle ich fest, dass sich jemand zu mir in die 4-er Sitzgruppe gesetzt hat. „Guten Tag“, grüße ich freundlich, während ich mich etwas verbeuge und einen schnellen Blick über mein Gepäck werfe. Es ist noch alles da. „Hallo“, erwidert eine männliche Stimme. Ich lasse mich auf meinen Platz fallen und hebe den Blick. Und erstarre. Sungmin. Erschrocken reiße ich die Augen auf. Blinzle einige Male bevor ich mich zusammenreiße und ein leichtes Lächeln aufsetzte. Zu erst sagt keiner auch nur ein Wort. Was hätte ich auch sagen sollen? Zumal ich damit beschäftigt war mein rasendes Herz zu beruhigen. Habe ich nicht versucht ihn zu vergessen? Habe ich nicht versucht mit allen Mitteln aus meinem Herzen zu verbannen. Sungmin. Nachdem er mich dort im Regen zurück gelassen hat? Ich habe keine Ahnung wie ich wieder nach Hause gekommen bin. Alles was ich weiß, ist, dass ich eine Woche lang nicht ansprechbar war. Ich habe im Bett gelegen und weder gegessen noch getrunken. Alles was ich wollte war .. Sungmin. Doch ebenso wusste ich, dass ich es war der ihn hat gehen lassen, dass ich es war, der es nicht fertig brachte zu sagen was ich sagen wollte. Ich allein war Schuld, dass er fort war. Ich allein. Als ich nach dieser Woche nach Seoul zurück gefahren bin, habe ich versucht ihn auf dem Handy zu erreichen, doch er ging nie ran. Nie hat er einen meiner Anrufe angenommen, nie hat er eine meiner SMS beantwortet. Er wollte keinen Kontakt mehr. Und so habe auch ich nach zwei Wochen aufgegeben. Verzweifelt und verletzt habe ich versucht damit fertig zu werden den einzigen Menschen, der mir etwas bedeutete, gehen zu lassen. Traurig habe ich versucht weiter zu machen, mein Leben weiter zu leben wie bisher. Es fiel mir schwer, doch nach einiger Zeit ist es mir gelungen all meine Gefühle auszublenden und so zu tun als wäre alles in Ordnung. Doch jetzt wo er vor mir sitzt, schaffe ich das nicht. Ich kann nicht so tun als wäre nichts gewesen. Ich kann das alles nicht einfach ausblenden und alles ungeschehen machen. Ich kann es nicht. Sungmin ist der Einzige, der mich damals wieder auf die Beine gebracht hat. Er ist es, der es geschafft hat meinem Leben wieder einen Sinn zu geben. Er hat es geschafft, dass ich ein Licht am Ende des Tunnels sah. Er brachte mich dazu die Höhle, in der ich mich verkrochen hatte zu verlassen und dafür bin ich ihm unendlich dankbar. Doch war nicht nur Dankbarkeit, durch die ich mich zu ihm hingezogen fühlte. Nein. Es war viel mehr als nur das. Ein viel tiefer gehendes Gefühl. Freundschaft. Und schließlich Liebe. Umso schwerer fiel es mir ihn gehen zu lassen. Es fiel mir schwer, doch gleichzeitig war ich wie gelähmt, damals am Bahnsteig. Hätte ich nur gesagt, was ich sagen wollte. Hätte ich ihn zurück gehalten. Er wäre geblieben. Sicher wäre er geblieben. Ich weiß es nicht, doch jetzt ist es zu spät Mutmaßungen anzustellen. Und so sitze ich hier. Sungmin mir gegenüber. Und alles was ich tue ist ihn anzustarren. Erst als er sich etwas zur Seite lehnt, nehme ich die Person neben ihm wahr. Erst dann sehe ich, dass diese Person den Arm um ihn gelegt hat. Erst dann sehe ich wie liebevoll er sich an diese Person schmiegt. Mein Atem stockt. Ich muss einen erschrockenen Laut von mir gegeben haben, denn Sungmin sieht mich an während er sich wieder etwas aufrichtet. Er klärt seinen Hals durch ein leises Husten. „Das…das ist Kyuhyun. Mein….mein Freund. Kyuhyun ist mein jetziger Freund.“ Er sieht mich an, als würde er darauf warten, dass ich entweder in Tränen ausbrechen oder einen Wutanfall bekommen würde. Er sieht mich an, als würde er auf eines davon warten. Doch der Schmerz, den er durch diese Worte verursacht hat, lässt weder das eine noch das andere zu. Ich atme tief durch, versuche m ich zu beruhigen, versuche meine Stimme dazu zu bringen nicht zu zittern. „Ich verstehe“, ein leichtes aber erzwungenes Lächeln breitet sich auf meinem Gesicht aus. Sungmin scheint zu bemerken, dass es nicht echt ist, sein Blick nimmt einen fast schon entschuldigenden Ausdruck an. „Freut mich“, es zerreißt mir das Herz, „Ich bin Yesung“, stelle ich mich mit ausgestreckter Hand vor. Kyuhyun ergreift sie zögernd als er einen Seitenblick zu Sungmin wirft, als wolle er fragen was er tun solle. Ich schüttle Kyuhyuns Hand und versuche gleichzeitig die Tränen zurück zu halten. Glücklicherweise erreichen wir genau in diesem Moment Anseong und es wird Zeit auszusteigen. Schnell suche ich meine Sachen zusammen und flüchte mit einem genuschelten Abschiedsgruß aus dem Wagon. Als jemand hinter mir meinen Namen ruft. „Yesung….“ Langsam wende ich mich um. Sungmin hat sich von Kyuhyun gelöst und steht einige Schritte vor mir. Ich schaue fragend zu ihm auf. „Es tut mir Leid.“ Warum muss er einen, der am Boden liegt noch einmal treten? Weiß er nicht wie weh das tut? Ich beiße mir auf die Lippen um ein Schluchzen zu unterdrücken. „Ist..schon ok.“ Und wieder ein erzwungenes Lächeln. Ich drehe mich um und verlasse hastig den Zug. Wohlwissend dass es nicht ok ist. Nichts ist ok. Rein gar nichts. Kapitel 8: yeodeol ------------------ Die Party meines Cousins ist in vollem Gange als ich um kurz nach 22 Uhr dort ankomme. Er öffnet die Tür und begrüßt mich überschwänglich indem er mir seinen Arm um die Schulter legt und mich ins Haus zieht. Seine Parties sind immer ein Hit und man muss einfach dabei sein. Selbst ich, der aus dem weit entfernten Seoul kommt, bin jedes Jahr hier. Zwar kenne ich außer ihm niemanden doch es ist eine willkommene Abwechslung. Ok, ich kenne fast niemanden, korrigiere ich mich als ich Sungmin und Kyuhyun entdecke. Sofort zieht es mir den Magen zusammen und ich wende mich an meinen Cousin. „Woher kennst du denn Sungmin?“; frage ich ihn. „Was?“, dreht er verwirrt den Kopf zu mir. „Sungmin“, ich deute mit dem Kopf in dessen Richtung, „woher kennst du ihn?“ „Ach, du meinst Minnie … keine Ahnung. Ein Freund hat ihn mal mitgebracht und seither kommt er jedes Jahr.“ „Mmmhh…“, erwidere ich gedankenverloren. Als mein Cousin neue Ankömmlinge begrüßt, mache ich mich auf den Weg zur Bar um mir etwas zu trinken zu besorgen. Mit der Flasche in der Hand setze ich mich schließlich auf die Couch und beobachte die anderen Gäste. Wie schon im Jahr zuvor gibt es wieder eine Art Tanzfläche, auf der sich einige Mutige rhythmisch zur Musik bewegen. Nach einigen Songs legt der DJ schließlich etwas Ruhiges auf und ich mache unter den Tanzenden auch Sungmin und Kyuhyun aus. Plötzlich beginnt mein Herz wie verrückt in meiner Brust zu schlagen. Unweigerlich driften meine Gedanken zu letztem Jahr ab, als ich noch derjenige war, der eng mit Sungmin tanzte. Schmerzvoll wende ich dem Blick ab und bemerke somit nicht wie Kyuhyun in meine Richtung sieht. Ich versuche mich abzulenken indem ich nach meinem Cousin Ausschau halte. Doch statt ihm setzt sich jemand anderes zu mir auf die Couch. „Yesung?“ Verwundert darüber wer mich mit Namen anspricht drehe ich den Kopf in die Richtung aus der die Stimme kommt und blicke dabei geradewegs in Kyuhyuns Gesicht. Hat er nicht eben noch mit Sungmin getanzt, frage ich mich stirnrunzelnd. Erst dann stelle ich fest, dass schon wieder ein neuer Song gespielt wird. „Ich bin Kyuhyun, du erinnerst dich?“, fragt er unsicher. Ich nicke. „Ich weiß“ Die Aufmerksamkeit auf die plötzlich interessante Flasche in meiner Hand richtend, sehe ich weg. Auch Kyuhyun scheint sich nicht sonderlich wohl neben mir zu fühlen. Warum hat er sich dann zu mir gesetzt? „Ich habe gesehen wie du uns beobachtet hast.“, stellt er trocken fest. Etwas erschrocken hebe ich den Blick. „Was?“, frage ich wenig intelligent, denn ich habe genau verstanden was er gesagt hat. Auch Kyuhyun muss das gewusst haben, denn er fährt einfach fort. „Ich weiß auch wie du und Sungmin euch kennen gelernt habt.“ Meine Augen werden immer größer. Sungmin hat ihm von mir erzählt? „Ich weiß auch… was zwischen euch vorgefallen ist.“ Mein Herz beginnt heftig zu schlagen. Nein, das ist unmöglich! „Hast du eigentlich nur die leiseste Ahnung davon was du ihm angetan hast? Als ich ihn kennen lernte, war das drei Monate her und er war noch immer ein nervliches Wrack. Es dauerte noch einmal drei Monate bis er sich mir soweit öffnete um zu erzählen was genau gewesen ist. Und noch einmal vier Monate bis er endlich einigermaßen darüber hinweg war und wir zusammen fanden. Ich bin selbst darüber wie ruhig er war, als wir dich um Zug getroffen haben. Schließlich hat er dich seit diesem Jahr das erste Mal wieder gesehen.“ Ich schlucke schwer. Was habe ich nur getan indem ich ihn gehen ließ? Ich habe mich selbst und auch ihn verletzt. Wieso nur war ich so feige und ließ ihn gehen? Ich war ein Idiot, mehr noch, ein Vollidiot bin ich gewesen! „Und genau aus diesem Grund möchte ich, dass du ihn in Ruhe lässt. Es hat so lange gedauert bis er von dir losgekommen ist, bis ich ihn für mich gewinnen konnte. Ich möchte ihn nicht wieder verlieren. Du hattest deine Chance und hast die verspielt, jetzt bin ich an der Reihe. Ich will dir also raten dich von ihm fern zu halten. Was sonst geschieht, möchtest du besser nicht wissen.“ Kyuhyuns Blick wird immer finsterer je mehr er sagt. Ich kann regelrecht beobachten wie sich seine Gesichtszüge verhärten. Und ehrlich gesagt, macht mir das Angst. Er macht auf den ersten Blick einen sympathischen Eindruck, doch nun jagt es mir einen Schauer über den Rücken. „Nun, ich möchte dich nicht weiter aufhalten…“, sind seine Abschiedsworte und schon ist er wieder in der Menge verschwunden. Ich selbst sitze auf dem Sofa und starre vor mich hin während ich nicht weiß wie ich das eben einordnen soll. Muss man wirklich Angst vor ihm haben oder wollte er mich nur einschüchtern? Ich denke darüber nach, komme aber zu keiner Antwort. Doch als er gesagt hat, dass es lange gedauert hat bis Sungmin darüber hinweg war, hat sich ein kleiner Hoffnungsschimmer in mir geregt und im Hinterkopf kam mir die Idee ihn darauf an zu sprechen. Doch nach dieser Drohung und den eventuellen Folgen werde ich mir das überlegen. Sungmin. Warum muss das alles nur so kompliziert sein? Warum hast du dir jemand neues gesucht? Du hast gewusst wie ich bin, dass ich nie darüber rede was mich wirklich beschäftigt und was ich wirklich empfinde. Du hast gewusst, dass ich schwierig bin und Angst habe. Aber trotz allem hast du dich auf mich eingelassen. Hast um mich gekämpft. Bis zu einem gewissen Zeitpunkt. Und zwar genau diesem am Bahnhof, als du ohne weiteres in den Zug gestiegen bist. Du hast gesagt ich habe dir zu wenig zurück gegeben. Du hast gesagt ich würde nicht das Gleiche für dich empfinden wie du für mich. Aber das ist nicht wahr. Das, was ich für dich fühle, geht tiefer als alle Gefühle, die ich bisher empfand, selbst tiefer als die, die ich für meine Großmutter hatte. Du warst der Einzige, der ohne Worte immer sofort gewusst hat, was in mir vor sich ging. Du kanntest mich in und auswendig, und das von Anfang an. Ich möchte nicht, dass das alles so einfach zu Ende ist. Nicht ihne dass ich um dich gekämpft habe. Am nächsten Nachmittag mache ich mich auf den Weg zur Bücherei. Nicht um der Bücher Willen, sondern einfach um der Erinnerung wegen. Denn es war dort, wo wir uns das erste Mal geküsst haben. Das heißt Sungmin hat mich geküsst. Eigentlich ist das immer von ihm ausgegangen. Ich wusste einfach nie ob es nicht zu aufdringlich schien wenn ich die Initiative ergriff. Schließlich hatten wir nicht geklärt wie genau man die Beziehung bezeichnete, in der wir zueinander standen. Waren wir wirklich ein Paar? Ein letzter Blick auf die große Tür der Bücherei, verbunden mit tiefem Durchatmen und ich betrete schließlich das Gebäude. Ich liebe den Duft von alten Büchern und genau dieser ist es, der mich dort begrüßt. Als ich an der Bibliothekarin vorbei gehe, grüße ich sie freundlich und setze meine Weg fort. Wandere durch die Reihen ohne wirklich auf die Buchtitel zu achten bis ich dort ankomme, wo Sungmin und ich… „Sungmin…?!“, bringe ich mit zitternder Stimme über die Lippen. Kapitel 9: ahop --------------- Sungmin dreht sich zu mir um und als er sieht, dass ich es bin, der ihn angesprochen hat weiten sich seine Augen. Er hat wohl nicht damit gerechnet, mich hier zu treffen. Wobei ich mich frage ob er vielleicht den gleichen Gedanken hatte wie ich ursprünglich. Nämlich, dass ich dort sein möchte wo mehr oder weniger alles begonnen hat. Wo das begonnen hat, was mein Herz zum flattern brachte, wo das begonnen hat, was mir mehr Schmerzen zufügte als jeder Schlag, den ich bisher einstecken musste, wo WIR begonnen haben. „Sungmin…“, widerhole ich erneut, woraufhin er den Kopf abwendet. „Yesung…“, sagt er schließlich leise. Ein leichtes Lächeln breitet sich auf meinen Lippen aus. Wie sehr ich es ermisst habe wie er meinen Namen sagt. Ich kann nichts weiter tun als einfach nur da zu stehen und ihn anzusehen. Jedes noch so kleine Detail in mir aufsaugen um die Zeit zu überbrücken, die wir voneinander getrennt waren. Wie sehr ich mir wünsche die Zeit zurück drehen zu können, wie sehr ich mir wünsche wieder am Bahnhof stehen zu können und dieses Mal alles anders zu machen. Wie sehr ich mir wünsche einfach alles ändern zu können. Niemals würde ich ihn wieder gehen lassen. Ich würde meinen Mund auf machen egal wie viel Überwindung es mich kosten würde. Ich würde ihm sagen wie sehr ich ihn mag und dass ich nicht möchte, dass wir einfach so getrennte Wegen gehen. Ich würde ihm sagen, dass er der Einzige ist, der in mir eine Saite zum Klingen bringt, die nicht einmal meine Großmutter berührt hatte. Ich möchte ihm sagen, dass ich mich ohne ihn leer und unvollständig fühle, dass ich ohne ihn nicht ich bin. Ich möchte ihm sagen, dass nur er mein wahres Ich kennt und zum Vorschein bringt. Ich möchte ihm sagen, dass ich nie mehr ohne sein möchte. Ich möchte ihn in den Arm nehmen und einfach nur seine Wärme spüren. Warum ist das so schwer. Warum ist es so schwer auf jemanden zu zu gehen und genau das alles zu offenbaren. Aus Angst? Aus Angst verletzt zu werden? Doch kann ich noch mehr verletzt werden? Kann er mir noch mehr weh tun als er es schon getan hat indem er nicht einmal meine Anrufe beantwortet hat? In dem er nun jemand anderes gefunden hat und ich denjenigen sogar kennen lernen durfte? Indem er solche Hoffnungen in mir geweckt hat, nur um sie dann einfach so wieder zu zerstören? Kann er mir noch mehr weh tun? Als ich nichts weiter sagen und wir uns schweigend gegenüberstehen, wendet er den Kopf mir zu. Ich sehe, wie er tief Luft holt. Er wappnet sich gegen mich, stelle ich traurig fest. „Ähm… was..machst du hier?“, fragt er höflichkeitshalber. „Ich möchte mir ein Buch ausleihen.“, antworte ich mit dem nahe liegensten. „Mmhhh.. verstehe.“, nickt er. Plötzlich breitet sich ein Lächeln auf meinen Lippen aus. „Das ist wirklich merkwürdig, findest du nicht? Wie wir miteinander reden. Nach allem was wir hatten, reden wir miteinander als wären wir Fremde.“, ich kratze mich verlegen am Hinterkopf, „was ist nur aus der Vertrautheit geworden? Warum können wir nicht wie früher reden? Warum können wir nicht ÜBER früher reden?“ Sungmin sieht mich überrascht an. Vermutlich hat er nicht damit gerechnet, dass ich so etwas sagen werde. Wobei ich zugeben muss, selbst über mich überrascht zu sein. Doch bevor ich noch mehr darüber nachdenken und aufhören kann zu reden, spreche ich weiter. Versuche ich los zu werden, was mir auf dem Herzen liegt. Ich weiß, dass die Bibliothek nicht der passende Ort dafür ist. Und ich weiß auch, dass ich Sungmin damit völlig überrumple. Doch entgegen Kyuhyuns Drohungen möchte ich noch einmal sagen können was mich beschäftigt, was ich über diese Situation denke und wie ich fühle. Ich möchte ihn wissen lassen wie es mir damit geht und vielleicht … aber nur vielleicht, treffe ich sogar diesen kleinen Teil seines Herzens, der eventuell noch immer mir gehört. „Sungmin, warum bist du damals abgereist? Warum hast du mich am Bahnhof vor vollendete Tatsachen gestellt? Warum hast du nicht vorher mit mir darüber gesprochen?“ Mit all den Fragen, beginnt sich wieder dieser Käfig in mir zu öffnen, in den ich all die Gefühle und Gedanken von damals eingeschlossen hatte, der Käfig den ich tief in meinem Herzen vergraben hatte um wenigstens einigermaßen ein normales Leben führen zu können. Der Käfig, in den ich all die Trauer und die Sehnsucht nach Sungmin gepackt hatte. Ich sehe ihn tief atmen und seinen Kopf senken. Kann er mir nicht in die Augen sehen, während er mir antwortet? „Hatte ich nicht gesagt, dass mein Vater gestorben war und ich zurück musste um meiner Mutter zu helfen?“ Entgeistert sehe ich ihn an. Ist das seine Ausrede? Er weiß genau was ich meine und versucht mich mit einer Ausrede abzuspeisen. Ungläubig sehe ich zur Seite. Ok, vielleicht muss ich deutlicher werden. „Das hattest du gesagt, ja. Was ich meinte war uns, Sungmin. Was ich meinte war, warum hast du nicht auf meine Anrufe geantwortet, meine SMS?“ Ich sehe wie er zu zittern beginnt. Runzle die Stirn und frage mich warum. Als du leise zu antworten beginnst, muss ich genau hinhören um dich verstehen zu können. „Weißt du… ich…ich hatte das Gefühl dich zu bedrängen. Ich hatte das Gefühl, dass du auf mich eingegangen bist, weil ich es so wollte, weil ich dich so für mich beansprucht habe. Ich hatte das Gefühl du würdest das alles aus Höflichkeit tun. Weil du nicht „nein“ sagen konntest. Ich hatte das Gefühl, dass das, was ich empfand nicht erwidert wurde. Ich hatte das Gefühl dich dazu zu zwingen mit mir zusammen zu sein. Und das wollte ich nicht, ich wollte nicht mit dir zusammen sein und wissen, dass du das eigentlich nicht möchtest, also dachte ich, dass es wohl das Beste wäre dich gehen zu lassen. Und als mein Vater starb… nun…ich dachte vielleicht war das die Gelegenheit Abschied zu nehmen…“ Mein Herz schlägt heftig in meiner Brust. Er dachte wirklich ich wäre nur mit ihm zusammen gewesen weil ich nicht „nein“ sagen konnte? Weil er mich zwingen würde? Wie falsch er da lag. Wie komplett falsch er da lag. Nichts wollte ich mehr als in seiner Gegenwart sein. „Wieso hast du nichts gesagt? Wieso hast du nicht gefragt was ich wirklich wollte?“, frage ich ihn. Noch immer sieht er mich nicht an. „Vielleicht hatte ich Angst vor der Antwort? Dass es wirklich so war, wie ich fürchtete. So war ich es, der einen Schlussstrich zog.“ Plötzlich wird meine Brust eng. All das nur weil wir nicht miteinander geredet haben? All der Schmerz? Die Trauer? Die Sehnsucht? „Sungmin… ich…“, langsam gehe ich auf ihn zu. Wie sehr ich mich danach sehne ihn in den Arm zu nehmen. Ich möchte ihn spüren, einfach nur festhalten. „Sungmin?“, höre ich plötzlich eine Stimme nach ihm rufen. Ich halte in meiner Bewegung inne, erstarre förmlich, als Kyuhyun um die Ecke kommt und uns mit großen Augen ansieht. Doch es dauert nur eine Sekunde, bis sich sein Blick in Wut wandelt. Wut gegen mich. Ein Schauer läuft mir über den Rücken als ich seinen Blick auf mir spüre und ich weiß, dass er das nicht hinnehmen wird. Auch Sungmin sieht auf. Schaut von Kyuhyun zu mir und wieder zurück. Bemerkt dabei ebenfalls die böse Aura und runzelt verwundert die Stirn. Als Kyuhyun Sungmins Blick gewahr wird, wendet er sich ihm zu. „Gehen wir.“ Es ist keine Frage. Es ist eine Aufforderung und ich weiß, dass ich möglicherweise die einzige Chance mit Sungmin reden zu können verpasst habe. Wir werden nie mehr die Möglichkeit haben allein zu sein, denn Kyuhyun wird nun immer an seiner Seite sein. Er wird mir das Leben schwer machen. Er wird Sungmin mit allem verteidigen was ihm zur Verfügung steht. Doch ich werde nicht tatenlos zusehen. Nein, nicht nachdem Sungmin in mir diesen kleinen Hoffnungsschimmer geweckt hat. Denn er hat nicht gesagt, dass er gegangen ist, weil er mich nicht mehr mochte, sondern weil er das Gefühl hatte mich zu etwas zu zwingen. Heißt das nicht, dass er noch immer Gefühle für mich hegt? Ich tue es jedenfalls. Kapitel 10: yeol ---------------- Ich kann es nicht glauben, Sungmin sitzt mir gegenüber. Er sitzt mir in der Küche meines Onkels gegenüber. Zwar starrt er seit er sich gesetzt hat nur auf die Tischplatte, doch das ändert nichts daran, dass er von sich aus zu mir gekommen ist. Möchte er vielleicht auch mit mir reden? Möchte er nachdem ich in der Bibliothek versucht habe das Gespräch mit ihm zu suchen auch mit mir reden? Möchte er nun in Ruhe mit mir sprechen, nachdem wir von Kyuhyun unterbrochen wurden? „Sungmin… was möchtest du denn hier?“, die Ungewissheit treibt mich in den Wahnsinn. Keine Reaktion. Auch ich schweige, möchte ihn zu nichts drängen. Ich möchte nicht, dass dieses Gespräch im Streit endet und wir uns wieder trennen ohne dass wir, dass ich, sagen konnte was mir auf dem Herzen liegt. Schließlich höre ich ihn tief einatmen und sehe auf. Sungmin wühlt in seiner Tasche, sucht nach etwas. Stirnrunzelnd schaue ich ihm zu bis er einen Umschlag hervor zieht. Ich wundere mich noch mehr. Ein Umschlag? Wozu? Ich sehe auf, ihm direkt in die Augen. Doch was ich dort sehe, lässt mich zurückschrecken. Sungmin wirkt traurig. Er hält mir den Umschlag entgegen. Unsicher greife ich danach und nehme ihn an mich. Noch immer sehe ich ihn an, doch er wendet den Blick zur Seite. Kann er mir nun nicht einmal mehr in die Augen blicken? Ich spüre den Schmerz in meiner Brust, öffne aber trotz allem den Umschlag. Ein cremefarbenes Papier steckt darin. Vorsichtig nehme ich es heraus. Ich weiß nicht was das zu bedeuten hat. Wozu sollte er mir einen Brief schreiben? Kann er nicht einfach sagen was los ist? Mit rasendem Herzen klappe ich das Papier auf. „Einladung. Hiermit bist du herzlich zu unserer Hochzeit eingeladen. Wir würden uns riesig freuen wenn du uns bei diesem besonderen Schritt begleiten würdest. Mittwoch um 14 Uhr in der Kirche. Sungmin & Kyuhyun“ Ich blinzle. Lese den Text ein zweites und drittes Mal, doch die Zeilen wollen sich nicht ändern. Keines der Wörter will verschwinden. Keines der Wörter will eine andere Bedeutung haben. Keines. Meine Hände beginnen zu zittern und das lassen das Papier fallen. Ich sehe auf. Mein Blick auf Sungmin. Der Schmerz in meiner Brust spiegelt sich in meinen Augen wieder. Der Schmerz in meiner Brust, der immer unerträglicher wird. Der mir das Atmen schwer macht. Der mir die Tränen in die Augen treibt. Der mich erstarren lässt. Der mir all meine Kraft nimmt. Sungmin wird heiraten. Nächsten Mittwoch. Das kann nicht sein. Langsam schüttle ich meinen Kopf. „Nein….nein…nein……“, sage ich immer wieder leise vor mich hin. „Sag, dass das nicht wahr ist.“ Verzweifelt versuche ich die Tränen zurück zu halten. Das soll es nun gewesen sein? Das Schicksal meint es also nicht gut mit mir. Soll das in der Bibliothek meine letzte und einzige Chance gewesen sein? Nein, das kann nicht sein. Das DARF nicht sein! Sungmin hebt vorsichtig seinen Blick. Sieht mich noch immer traurig an. „Es tut mir Leid…“, flüstert er leise vor sich hin, doch ich kann ihn trotzdem hören. „Es tut dir Leid?“, frage ich, „was heißt es tut dir Leid?“ Er senkt den Kopf. „Alles.“, sagt er schließlich. Ich lache ungläubig. „Wenn es dir Leid tut, warum änderst du nichts daran?“ Sungmin ist der Einzige, der an der Situation etwas ändern kann. Er kann „nein“ zu Kyuhyun und „ja“ zu mir sagen. Wieder sieht er zu mir auf. „Ich .. habe Kyuhyun mein „Ja“ gegeben. Ich werde ihn heiraten. Nächsten Mittwoch.“ „Du hast ihm dein „Ja“ gegeben, aber liebst du ihn auch?“, frage ich hoffnungsvoll. Sungmin antwortet nicht sofort. Ich schweige ebenfalls. „Er war in der schwersten Zeit meines Lebens bei mir und hat mich unterstützt. Er nimmt mich so wie ich bin. Er konnte die harte Schale, die ich um mich herum errichtet hatte, knacken. Er kann mich glücklich machen.“ Jedes Wort stößt wie ein Messer in meine Brust. „Du warst allein, weil du mich nicht an dich ran gelassen hast. Du bist einfach davon gelaufen als dein Vater gestorben war. Du hast nicht auf meine Anrufe geantwortet. Du hast mich aus deinem Leben verbannt. Und… habe ich dich nicht auch so angenommen wie du warst? Kann ich dich nicht auch glücklich machen? Konnte ich dich nicht auch zum Lachen bringen? In der kurzen Zeit die wir zusammen hatten, warst du da unglücklich?“ Es tut weh, es tut so verdammt weh, dass er so von einem anderen spricht. Sungmin blickt weiter auf seine Hände im Schoß. „Ich….“ „Sungmin...“, unterbreche ich ihn, „diese Einladung… du glaubst doch nicht wirklich, dass ich komme. Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich mit ansehe wie er dich mir weg nimmt. Das glaubst du dich nicht wirklich. Wieso bist du gekommen? Du wolltest mir doch nicht nur diese Einladung geben, oder? Was ist der wahre Grund?“ Schweigen. Höre ich ein leises Schluchzen? Sungmins Körper schüttelt sich leicht. Weint er? Nein, das wollte ich nicht. Doch das Schluchzen wird immer unkontrollierter. Immer lauter. Hilflos sitze ich auf meinem Stuhl. Was soll ich tun? Dann blickt er auf. Sieht mich aus seinen verweinten Augen an. Ich blicke zurück. „Sungmin…“, sage ich leise seinen Namen. Er streckt die Hände nach mir aus. „Yesung…“, und ich höre die Sehnsucht. Nur in diesem einen Wort, meinem Namen höre ich die Sehnsucht. „Yesung“, wiederholt er vorsichtig. Und plötzlich weiß ich was ich zu tun habe. Ich erhebe mich und gehe um den Tisch herum. Langsam schließe ich meine Arme um seinen bebenden Körper. Drücke ihn leicht gegen meine Brust. Spüre wie das Schluchzen seinen Körper schüttelt. Meine Augen fallen zu. Ich nehme seinen Duft in mir auf. Das Gefühl ihn unter meinen Fingern zu spüren, das Gefühl ihn eng im Arm halten zu können. Das Gefühl ihm wieder nahe zu sein. Und plötzlich wird mir bewusst, dass ich es bin, der ihn nun hält. Dass ich es bin und nicht Kyuhyun, von dem er eben noch sagte, dass er ihn glücklich machen würde. Und ich weiß, dass ich alles daran setzen werde, dass ich auch in Zukunft derjenige bin, der ihn halten und trösten kann. Ich werde alles daran setzen, dass Sungmin endlich erkennt, dass Kyuhyun ihn nicht glücklich machen kann. Niemals. Denn ich bin alles was er braucht. Kapitel 11: yeolhan ------------------- Als Sungmin geht, sehe ich ihm durch das Fenster neben der Tür nach. Fast schon fluchtartig hat er sich aus meinen Armen befreit und das Weite gesucht. Ich bin etwas erstaunt gewesen, da er es war, der meine Nähe gesucht hat. Aber nichts desto trotz habe ich das Gefühl ihm wieder etwas näher gekommen zu sein, auch wenn es nicht sehr viel ist, so ist es doch ein Schritt in die richtige Richtung. Ich wünschte er wäre noch geblieben und wir hätten noch reden können, doch er ließ sich nicht aufhalten. Und so stehe ich nun wieder da und sehe ihm nach. Wie schon damals als er mit dem Zug nach Hause gefahren ist. Dies wird doch nicht wieder ein Abschied für ein Jahr werden? Während ich meinen Gedanken nachhänge entdecke ich plötzlich wie sich jemand mit großen Schritten Sungmin nähert. Erst auf den zweiten Blick erkenne ich Kyuhyun. Sofort zieht sich mir die Brust zusammen. Muss er gleich wieder auftauchen? Mit Schrecken sehe ich wie er Sungmin brutal am Arm packt, ihn anschreit. Ich kann nicht hören was er sagt, aber er scheint mehr als nur aufgebracht. Sungmin hingegen wird immer kleiner, sein Blick wandert zu Boden und am liebsten wäre er wohl weggerannt. Was hat das zu bedeuten? Und wieder schreit Kyuhyun ihn an, holt mit der Hand aus und schlägt Sungmin auf die Wange. Die freie Hand des Kleineren wandert an die schmerzende Stelle, während er sich immer weiter von Kyuhyun zu entfernen versucht. Irgendetwas scheint da nicht in Ordnung zu sein. Und Kyuhyuns Drohung hin oder her, öffne ich die Tür und gehe mit festen Schritten auf die beiden zu. „Yah… was soll das?“, mit diesen Worten schubse ich Kyuhyun von Sungmin weg. Niemand, aber auch wirklich niemand schlägt Sungmin wie er es eben getan hat. In mir baut sich eine Wut auf, die ich kaum noch kontrollieren kann. Meine eigene Hand ballt sich zur Faust und nur mit Mühe kann ich mich beherrschen um nicht selbst zu zu schlagen. Als Kyuhyun mich jedoch böse und wutentbrannt ansieht, schrecke ich leicht zurück. Er kann wirklich furchteinflößen sein. Doch ich renne nicht weg. Ich kann das nicht durchgehen lassen. Sungmin hinter mir scheint in dem Moment gar nicht zu wissen was passiert und sieht nur von einem zum anderen. Einen verwirrten Blick in den Augen. Kyuhyun weiß jedoch sehr wohl was los ist und packt mich am Shirt. Fast hätte er mich hochgehoben und meine Füße wären in der Luft gebaumelt, aber nur fast. Immer größer baut er sich vor mir auf und sieht auf mich herunter. Seine Augenbrauen vor Wut zusammen gezogen. „Was willst du hier? Hat jemand gesagt du sollst dich einmischen?“, faucht er mich an. Ich halte seinem Blick stand. „Du hast geradewegs danach geschrien als du Sungmin geschlagen hast. Behandelt man so seinen Freund? Seinen Bald-Ehemann?“ Es fällt mir schwer das auszusprechen, doch noch ist es so. Nächsten Dienstag findet eine Hochzeit statt. Ein verächtliches Lachen seinerseits. „Du weißt doch nicht einmal um was es ging. Was also willst du? Mich belehren wie ich meinen Freund zu behandeln habe?“ Wieder ein Lachen. „Denk mal ein Jahr zurück, was war da? Du hast doch keine Ahnung, also lass mich gefälligst in Ruhe. Und ihn auch. Hatte ich doch nicht gewarnt? Sagte ich nicht bereits du sollst dich von ihm fern halten?“ „Nicht wenn du ihn schlägst. Egal was für ein Problem du hattest, es war mit Sicherheit keines weswegen er geschlagen werden muss. Niemals.“ „Weißt du was? Mit dir muss ich das nicht diskutieren…“ Mit diesen Worten packt er Sungmin grob am Handgelenk und schleppt ihn mit sich davon. Sungmin selbst wirft mir einen traurigen Blick zu als er an mir vorbei gezogen wird. War das womöglich nicht das erste Mal, dass so etwas passiert ist? Hat Kyuhyun Sungmin schon öfter weh getan? Nein, das will ich nicht glauben. Warum hätte Sungmin sonst in eine Heirat einwilligen sollen? Nein, das konnte nicht sein. Das nächste Mal sehe ich Sungmin als ich am Wochenende über den Rummel gehe. Das heißt ich sehe ich weniger, zuerst höre ich ihn. Und zwar laut schreien. Ich bin mir unsicher ob ich mich nicht verhöret habe, aber nein, das ist eindeutig seine Stimme. Meine Schritte beschleunigen sich in die Richtung aus der sein Schreien kommt. Und als ich um die nächste Ecke husche, sehe ich auch was der Grund dafür ist. Sungmin steht mit dem Rücken an eine Wand der vielen Stände. Vergeblich versucht er sich Kyuhyun zu wehren, der ihn bedrängt, ihn zu küssen versucht und seine Hände über Sungmins Körper wandern lässt. Die Eindeutigkeit über Sungmins Gegenwehr ist nicht zu übersehen. Er tut das nicht um mit Kyuhyun zu spielen. Um ihn weiter anzutreiben. Er tut es weil er das wirklich nicht möchte. Er wehrt sich, weil er die aufgedrängten Berührungen nicht will. Seine Tränen nur ein weiterer Beweis dafür. Ohne weiter darüber nachzudenken renne ich auf die beiden zu. Stoße Kyuhyun von Sungmin weg und wende mich sofort diesem zu. „Sungmin… Sungmin…alles ok?“, frage ich unsicher. Ein lautes Schluchzen ist seinerseits zu hören. Seine Stimme verweigert ihm den Dienst. „Sungmin…“, hauche ich leise seinen Namen, während ich ihn fest halte, meine Arme um ihn schlinge und zärtlich über seinen Hinterkopf streiche. Sungmins Finger krallen sich in meinen Rücken, doch das stört mich nicht weiter. Seine Tränen durchnässen mein Shirt, doch das interessiert mich nicht. „Du…“, höre ich dann von einem wütenden Kyuhyun hinter mir. Da ich mit dem Rücken zu ihm stehe, kann ich ihn nicht sehen, doch ich weiß auch so, dass er mich mit seinen Blicken auffrisst. „Du schon wieder…“, ein schweres Schnaufen ist zu hören. Dann werde ich brutal an der Schulter herum gerissen bevor seine Faust gewaltsam in meinem Bauch landet. Ich stöhne als mir die Luft aus den Lungen gepresst wird. Ich krümme mich vor Schmerz während meine Knie unter mir nachgeben und ich zu Boden sacke. Doch schon im nächsten Moment wird mein Kopf an den Haaren wieder hochgezogen. Mein Blick etwas verschwommen kann ich trotzdem Kyuhyun über mir ausmachen. Kyuhyun und die Faust, die im nächsten Moment auf mein Gesicht einschlägt. Ich höre Sungmin meinen Namen schreien. Ich möchte ihm antworten. Doch langsam senkt sich ein schwarzer Schleier über meine Augen. Ein Schleier der mich nicht mehr spüren lässt was mit mir geschieht. Etwas wofür ich dankbar bin. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)