Traum vom Glück von __Sleepwalker ================================================================================ Kapitel 1: Traum von Glück -------------------------- Das blaue Weite über dem Boden der kalten Welt ist in ein tristes Grau getränkt. Wege und Straßen sind puderweiß vom Schnee bedeckt und alles glitzert in der tiefstehenden Mittagssonne. Menschen ziehen mit riesigen Einkaufstaschen an dem großen Fenster des Cafés vorbei, an welchem das blonde Mädchen sitzt. Sie hat den Kopf in die Hand gelegt und schaut mit halb geschlossenen Augen den Menschen draußen nach. Sie kann nicht leugnen, dass sie den Winter, den Schnee und das ganze Drumherum sehr mag, aber in dieser großen Stadt kam ihr das alles so unwirklich vor. Die Menschen sind hektisch, wirken arrogant und überaus hochnäsig. Sie kennt dieses Aussehen zwar auch aus ihrer Heimat, aber hier kommt es ihr so extrem vor. Wieder einmal weiß sie warum Großstädte ein Graus in ihren Augen sind. Aber sie ist auch nur aus einem einzigen Grund hier und auf diesen wartet sie sehnsüchtig. Sie hatte den perfekten Plan geschmiedet, der bisher auch gut aufgegangen ist, aber sie konnte nicht so lange warten und nun sitzt sie schon fast zwei Stunden auf diesem Stuhl, obwohl sie genau weiß, dass er sicher nicht eher kommen würde. Wochenlang zerbrach sie sich den Kopf und nun war sie tatsächlich hier. Sieben Stunden Zugfahren und viermal Umsteigen hat sie hinter sich gebracht, um von Jeßnitz nach Bochum zu kommen. Ihr Gepäck besteht aus einer Tasche mit etwas Kleidung und Hygieneprodukte, ihrer Kamera und dem Laptop, der das wichtigste Equipment für ihren Plan ist. Der Plan ist einfach: Zugticket buchen, in den Zug steigen, nach Bochum fahren und mit dem Laptop darauf warten, dass er online kommen würde. Sie hatte einen ganzen Tag gebraucht, bis sie endlich mit ihm schreiben konnte. Natürlich versuchte sie sich nichts anmerken zu lassen, was ihr auch ganz gut gelang, immerhin musste sie ja herausfinden, was er so unternehmen würde. Er hat ihr dann verraten, dass er mit seiner Freundin einen gemütlichen Tag verbringen wollte und in ein bestimmtes Café wollte. Das Café in dem sie sich gerade befindet und aus dem Fenster heraus die Leute beobachtet. Sie schaut dauernd auf die Uhr, zur Tür und wieder aus dem Fenster und langsam war die Zeit ran, zu der er auftauchen sollte und die Sehnsucht, die Freude, aber vor allem die Nervosität und Angst breiten sich immer mehr aus. Für einen winzigen Augenblick fallen ihre Augen zu, sie ist müde und erschöpft, aber in diesem winzigen Augenblick sieht sie nicht das übliche Schwarz, das sich immer ausbreitet, sondern sein Gesicht. Dieses wunderschöne Lächeln, das er auf seinen Lippen tragen kann. Es ist ein altes Bild. Das eine, auf dem er diesen kleinen Geist so furchtbar verliebt anlächelt. Es ist eines ihrer Lieblingsbilder. Aber es ist eben das einzige, auf dem er solch ein bezauberndes Lächeln trägt. Das Lächeln, das ihre Mundwinkel ebenfalls in die Höhe treibt. Ihr kommt es vor, als hätte sie ihre Augen für Stunden geschlossen gehabt, doch es sind nur einige Sekunden und als sie die Augen wieder aufschlägt steht er plötzlich da. Er steht vor dem Fenster, den Blick starr auf sie gerichtet und man erkennt keinerlei Ausdruck auf seinem Gesicht. Sie sieht erst nur ihn, aber dann wird er gezogen und sie sieht das Mädchen an seiner Seite, das genervt an seiner Hand zieht. Sofort setzt sie sich aufrecht hin, als sie ihn durch die Tür hineinkommen sieht und hat den Blick fest auf ihn gerichtet. Seine Freundin rennt sofort Richtung Toilette und er steht nur da und starrt sie an. Jetzt strahlt er Unsicherheit aus. Er weiß nicht ob er zu ihr gehen soll oder nicht, aber nach einigem Zögern tut er es doch. Er setzt sich in Bewegung und kommt auf sie zu. Ein verunsichertes „Isa?!“ kommt über seine Lippen und seine Augen spiegeln Verwirrung wider. Benannte Isa nickt nur. Sie kann nichts sagen, sich kaum bewegen. Es fühlt sich an wie Angst, aber sie weiß, dass es eigentlich die unglaubliche Freude ist, dass er endlich vor ihr steht. „Hey…Robin…“, sie schluckt. „Magst du…dich vielleicht…setzen?“, fügt sie leise und schüchtern hinzu. Er nickt, bewegt sich aber nicht. Er steht da wie versteinert. „Komm…setz dich zu mir.“ Sie fasst langsam mehr Mut, ein kleines Grinsen will sich auf ihren Lippen bilden. Sie findet diesen Anblick einfach nur so kostbar. Er setzt sich langsam und es scheint als würde sich ein Lächeln auf seinem Gesicht verzeichnen wollen und während es langsam wächst, wünscht sie sich immer mehr die Zeit anhalten zu können. Sie will ihn in Zeitlupe sehen. Will dass dieser Moment niemals vergeht. Sie will einfach nicht, dass das jemals aufhört. Nun würde sie ihn ewig so ansehen wollen. Einfach nur dasitzen und betrachten. Plötzlich wird alles um sie herum in schwarz getaucht, sie sieht nur noch sich und Robin. Es erscheint ihr alles wie ein Traum, es kommt ihr vor, als würden sie sich immer weiter voneinander entfernen, obwohl sie sich doch gerade noch gegenüber saßen. Es kann doch nicht sein, dass alles nur ein Traum war und weil sie das nicht glaubt, reibt sie sich kurz die Augen und schüttelt den Kopf. Schon sitzt sie ihm wieder gegenüber. Für einen Moment hatte sie wirklich Angst, dass das alles nur ein Traum ist und aus dieser Angst bildet sich eine Neue. Die Angst, dass er vielleicht gleich wieder geht, wenn seine Freundin wieder kam. Sie muss sich beeilen, das ist ihr bewusst. „Du siehst gut aus…“, weicht es ihr unsicher von den Lippen. „Danke…du auch…“, setzt Robin an. Seine Stimme bringt so viele Gefühle mit sich. Es ist für Isa fast unmöglich sie alle zu deuten. „Ich meine…du siehst…toll aus…“, verbessert der junge Punk sich selbst und nun breitet sich wieder ein Lächeln auf seinen Lippen aus. Er ist glücklich, das kann man ihm ansehen. „Ich habe leider nicht viel Zeit…beziehungsweise hast du sie wohl wegen Ani nicht.“ Isa atmet tief durch. „Ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll. Ich wollte über so viel mit dir reden und nun scheint mir das alles schier unmöglich.“ Ihre Angst verwandelt sich in Adrenalin und sie redet schnell, weil sie wiederrum befürchtet ihm nicht alles mitteilen oder fragen zu können. Robin wendet kurz den Blick ab, sieht suchend durch den Raum und entdeckt seine Freundin in einer kleinen Traube von hysterischen Mädchen, mit denen sie sich ausgelassen unterhält. Das war es dann mit seinem gemütlichen Tag, aber dann wird ihm wieder was bewusst. Er dreht sich zu Isa und lächelt. „Wir haben alle Zeit der Welt. Ani scheint mich gerade nicht zu vermissen.“ Isa hört in ihren Ohren einen lauten Knall. Den Knall des Felsbrockens, der ihr gerade von ihren Schultern und ihrem Herz gefallen ist. Sie atmet tief durch und denkt kurz angestrengt nach. „Was ist los“ Robin legt den Kopf leicht schief und sieht Isa fragend an. Sie schüttelt nur ihren eigenen Kopf und setzt sich aufrecht hin. „Ich bin unsicher…“, entgegnet sie ihm und lächelt schwach. „Da bist du nicht die einzige…“, erwidert Robin fast lachend. Damit hat er ihr wieder ein Stückchen Angst genommen und sie fragt sich, wie er das nur immer wieder schafft. „Worüber möchtest du denn mit mir reden?“ Isa sieht ihn unschlüssig an, nicht sicher was sie zuerst fragen soll. „Über Dinge, bei denen ich mir gedacht habe, dass sie über das Internet nicht zu besprechen sind. Ich weiß nur leider nicht, wo ich anfangen soll.“ „Fang am Anfang an.“, gibt er ihr grinsend zurück und sie hasste ihn ein kleine Stück dafür. Er konnte sich nicht vorstellen was es für eine Überwindung war hier her zu kommen und sie hasst solche Sätze. Es war noch nie leicht am Anfang von allem anzufangen. Aber sie weiß, dass er recht hat. „Ich komm mir blöd vor, aber egal. Was ich dich schon ewig mal fragen wollte…hast du…hast du einen Traum vom Glück? Wie stellst du dir das perfekte Glück vor?“ Robin sieht sie etwas verdutzt an und versinkt dann in eine Gedankenwelt. Er denkt angestrengt darüber nach, was er ihr erzählen könnte, aber das dauert Isa zu lange. Sie hat das Gefühl, er wolle es ihr nicht sagen. Deswegen fängt sie an: „Gut, ich erzähl dir meinen Traum vom Glück. Ich habe diesen Traum schon ewig. Schon seit wir uns kennen. Ich wollte immer wissen, wie es sich anfühlt vor dir zu stehen und dich anzusehen. Wollte wissen ob du mich anschreist, weinst, weggehst oder einfach gar nichts sagst. Ich wollte schon immer wissen wie es ist dich zu berühren, dir einfach nur in deine Augen zu sehen und zu wissen, dass es endlich wahr geworden ist.“ Ohne etwas zu sagen legt Robin seine Hand auf die ihre. Einfach nur, damit sie weiß, wie es ist ihn zu berühren und zu wissen, dass er wirklich da ist. „Ich hab schon so ewig von einem Moment wie diesem geträumt und wusste, dass ich unendlich glücklich sein würde, egal wie viel Angst ich auch hätte und es stimmt. Man kann mein Glück gerade nicht in Worte fassen, es mit keinem anderen Gefühl vergleichen oder in Metaphern packen oder sonst irgendwas. Denn es ist ein unglaubliches Gefühl, dass ich gerade verspüre. Das führt mich auch gleich zu meiner zweiten Frage. Deinem schönsten Augenblick. Meiner ist der jetzige. Es ist der perfekte Augenblick und ich würde ihn am liebsten einfrieren. Ich habe so lange auf diesen Moment gewartet und ich weiß, dass er bald vorbei sein wird und eigentlich will ich das nicht. Ich will ihn festhalten, für immer, doch leider geht das nicht.“ Isa redet unaufhörlich und Robin sitzt einfach nur da und hört ihr zu. Sie gibt ihm nicht die leiseste Chance auch etwas zu sagen, aber das ist ihm im Moment eigentlich egal. Er hört ihr gerne zu. Sie sieht so süß aus, wie sie redet und redet und dabei so verträumt aussieht, mit kleinen Tränen in den Augen, die frei sein wollen. Für ihn ist das der schönste Augenblick und der perfekte Traum vom Glück. „Ich bin nicht traurig oder so darüber wie es in den letzten Jahren gelaufen ist. Jetzt wo ich hier bin, weiß ich, dass ich stolz auf mich sein kann. Ich bin stolz auf mich, dass ich es geschafft habe, eine Freundschaft so lange aufrecht halten zu können, ohne dass sie durch solche Aktionen kaputt gehen könnte. Ich bin glücklich darüber wie’s verlaufen ist und würde die Zeit nicht zurückdrehen wollen um irgendwas anders zu machen, was in den letzten fünf Jahren geschehen ist. Ich bin froh über jeden einzelnen Tag, denn ohne sie wären wir heute nicht hier. Dabei frage ich mich auch, wie du es aushalten konntest. Die letzten fünf Jahre waren nicht gerade einfache Jahre, aber du hast immer weiter gemacht. Woher hast du die Kraft genommen immer weiter nach vorne zu gehen, aufrecht in die Zukunft zu sehen? Wie konntest du immer zu mir halten? Ich hab dir oft Unrecht getan und du bist trotzdem immer geblieben. Selbst nach unserer gescheiterten Beziehung. Ich war drauf und dran alles wegzuschmeißen, ich war so wütend und traurig und kaputt. Du warst der einzige, der mir wirklich Kraft gegeben hatte, ich war nie so glücklich wie damals und doch wollte ich aufgeben. Ich kann nur froh darüber sein, dass ich gemerkt habe, wie sehr ich dich brauche. Aber mir hat so oft die Kraft gefehlt weiter zu machen. Alle waren gegen mich. Du warst der einzige, der für mich da war. Trotzdem wäre ich oft gerne wie ein Löwe gewesen. Ein Löwe so wie du. Immer kämpfen, niemals aufgeben. Woher nimmst du nur diese Kraft?“ Nun sieht Isa ihn eindringlich an. Sie erwartet eine Antwort und Robin will sie ihr geben. „Das ist ganz einfach…du…“, doch er kommt nicht dazu ihr die Antwort zu geben, denn Ani ruft nach ihm. Isa schreckt auf, sieht in ihre Richtung. Ani kommt auf die beiden zu. Ihr bewusst, dass sie gehen muss. Sie schnappt sich eine Serviette und einen Stift und schreibt schnell etwas darauf. Es ist lang, kaum leserlich, aber ihr ist es gerade egal. Sie schiebt die Serviette zu Robin und steht auf. „Ich muss gehen. Mach’s gut…“, und bevor Robin noch irgendwas sagen kann ist Isa weg und Ani nimmt ihren Platz ein. „Wer war das? Und wieso ist sie so schnell verschwunden?“ Robin sieht seine Freundin und schüttelt den Kopf. „Nur eine alte Bekannte.“ Ohne weiter darauf einzugehen, nimmt er die Serviette und liest, was Isa drauf geschrieben hat. „Ich bin Unter deiner Flagge. Deine Liebe ist mein Schild. Unter deiner Flagge Deinen Namen trägt der Wind. Unter deiner Flagge Deine Liebe ist mein Wort, Unter deiner Flagge Trägst du mich zu jedem Ort. Ohne dich wäre ich nicht… Ich liebe dich…“ Und er lächelt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)