Happy von Umi (Eine Kaibabrüder-Oneshot-Sammlung) ================================================================================ Kapitel 1: A Toy Story (Dark - Mokubas p.o.v.) ---------------------------------------------- Nii-samas neues Spielzeug. Ich mag es nicht. Es ist mir unheimlich. Eigentlich ist es nur ein Experiment. Vielleicht auch ein ziemlich übler Scherz. Mir kommt es jedenfalls wie einer vor. Warum kann er es nicht im Labor lassen? Oder wenigstens im Büro? Warum muss er es mit nach Hause bringen? Warum muss es immer bei ihm sein? Warum sieht er es so oft an? Warum nimmt er es sogar mit in sein Zimmer? Warum... Warum macht er sich damit über mich lustig? Wahrscheinlich merkt er nicht, dass ich dieses Spielzeug nicht hier haben will. Ich traue mich einfach nicht, es ihm zu sagen. Vor allem, weil er so gern damit spielt. Es sieht lebendig aus, aber das ist es nicht. Ganz sicher nicht. Nii-sama quält es so gerne. Das würde er doch nie mit einem echten Menschen machen. Nie. Er spielt nur. Tut keinem was. Ganz sicher. Wirklich! Es fängt schon am Morgen an. Beim Frühstück. Dann bedient es uns. Es ist so programmiert. Wenn Nii-sama oder ich ihm etwas sagen, dann tut es das. Es ist nicht lebendig. Es gehorcht, weil es so programmiert ist. Nii-sama hat seinen Spaß. Seine Augen funkeln immer so. Immer dann, wenn das Spielzeug auf ihn hört. Es ist nur ein Spielzeug. Es ist nicht echt. Wenn ich aus der Schule komme, ist es meistens daheim. Alleine. In ihm ist gespeichert, wann ich zurück bin. Es macht mir jedes Mal die Tür auf. Nimmt mir die Jacke ab. Hat schon Mittagessen gekocht. Den Tisch gedeckt. Es ist nur ein Spielzeug. Nur ein Computer auf zwei Beinen. Ein Gag. Nii-sama kommt meistens erst spät am Abend. Ich bin dann schon lange auf meinem Zimmer. Habe auf ihn gewartet. Oft kommt er noch zu mir um mir Gute Nacht zu sagen. Zum Glück ohne das Spielzeug. Ich will es nicht in meinem Zimmer. Vorgestern ist Nii-sama nicht gekommen. Gestern auch nicht. Heute morgen hat er gesagt, dass es schon fast Mitternacht war, als er wieder daheim war. Ich weiß nicht, ob er die Wahrheit sagt. Heute war ich eher zuhause als sonst. Ich habe die Tür alleine aufgeschlossen. Alleine meine Jacke aufgehängt. Kein Spielzeug. Das Essen stand noch auf dem Herd. Draußen hat es geregnet. Ich war alleine. Es war nicht da. Also habe ich es gesucht. Und gehofft, dass es nicht kaputt gegangen ist. Sonst wäre Nii-sama vielleicht traurig. Er mag es schließlich. Auf dem Balkon in Nii-samas Zimmer habe ich es gefunden. Es war ganz nass. Am meisten hasse ich, dass es so aussieht wie Nii-sama. Nur die Haare sind etwas heller. Die Augen auch. Schimmern wie Metall. Wahrscheinlich sind sie auch aus Metall. Es hat mich nicht gehört. Saß weiter auf dem Balkongeländer und hat nach oben in den Himmel geschaut. Warum hat es das gemacht? Ist das seine Aufgabe, wenn niemand da ist? Hat Nii-sama es dazu programmiert? Vielleicht war es wirklich kaputt... Also habe ich die Balkontür aufgemacht. Es hat den Kopf gesenkt und mich angesehen. Durch den Regen auf seinem Gesicht saß es aus, als würde es weinen. Aber ein Cyborg - oder was es auch ist - kann doch nicht weinen. Nein, das war der Regen. Ganz sicher. Oder? "Sie sind schon zurück, Sir?" Ich habe genickt. Da ist es aufgestanden. "Gehen Sie besser hinein. Ihr Bruder wird nicht wollen, dass Sie sich erkälten." Wir sind in die Küche gegangen. Dort gab es heißen Kakao und später Mittagessen. Es isst nicht. Ich habe es jedenfalls noch nie essen sehen. Jetzt sitze ich in meinem Zimmer und warte, dass Nii-sama kommt. Es ist schon fast 1 Uhr. Er arbeitet viel zuviel. Die Haustür ist zu hören. Aber es kommt niemand zu mir. Leise schleiche ich mich zur Treppe. Hocke mich hin und beobachte. Nii-sama ist da. Er sieht seinem Spielzeug zu, wie es seine Jacke an die Garderobe hängt. Sein Blick ist seltsam... Ein kurzes Fingerschnipsen. Das Spielzeug erstarrt kurz. Dann dreht es sich um und geht zu ihm. Nii-sama zieht langsam sein Hemd aus. Packt das Spielzeug und presst es gegen die Wand. Meine Hände krallen sich immer fester an das Treppengeländer. In meinem Kopf beginnt sich alles zu drehen. Ich habe dieses Grinsen lange nicht mehr gesehen. Ich dachte, ich muss es nie wieder sehen... Nii-sama lacht leise, dann küsst er das Spielzeug. Auf den Mund. Es wehrt sich nicht. Natürlich nicht. Es ist ja nicht echt. Es wurde programmiert zu gehorchen. Aber man küsst doch nur Menschen auf den Mund, die man mag. Eine Maschine kann man doch nicht mögen. Man kann doch keine Maschine küssen! Mir wird irgendwie übel. Ich stehe auf und schleiche mich zurück in mein Bett. Schaue nur noch ein letztes Mal zurück. Das Spielzeug schließt die unechten Augen. Wieder sind seine Wangen nass. Aber diesmal regnet es nicht. - ENDE - Kapitel 2: Spring Time (ein wenig Humor/Gen) -------------------------------------------- Seit der andere Yugi verschwunden war, war bereits über ein halbes Jahr vergangen... Abwesend sah Kaiba aus dem Fenster. Strahlender Sonnenschein, Vogelgezwitscher... und an einigen Kirschbäumen waren sogar bereits die ersten, zart rosanen Tupfer auszumachen. Kurzum: es war Frühling. Die Lieblingszeit des jungen Firmenchefs - sehr zu seinem Leidwesen, wohlgemerkt. Er hasste diese beinahe schon gute Laune, die jedes Mal Besitz von ihm ergriff, sobald der kalte, graue Winter endlich vorüber war. Sie passte einfach nicht zu einem milliardenschweren, ungeselligen Typen, von dem man eigentlich alles andere als eine Vorliebe für eine so freundliche, helle und leichte Jahreszeit erwartete. Aber andererseits... Lautlos seufzend kabelte Kaiba seinen Laptop ab, schnappte sich seinen Mantel und verließ das Büro in Richtung Park. Um diese Uhrzeit müsste er dort relativ ungestört arbeiten können... Es war mehr als nur anstrengend, einen seriösen, ernsten Gesichtsausdruck zu bewahren, wenn einem die Sonnenstrahlen in der Nase kitzelten und einen von innen heraus zu wärmen schienen. Am Morgen hatte Mokuba sich bereits über ihn lustig gemacht, wie jedes Jahr um diese Zeit. "Na, Nii-sama, wieder schlechte Laune wegen deiner guten Laune?" Und wie jedes Jahr wusste der Ältere auf diese Frage keine Antwort. Sollte er nun seine schlechte Laune abstreiten, oder doch besser die gute? Wie zu erwarten war der Park beinahe menschenleer. Nur hier und da hechelten ein paar dieser seltsamen Jogger entlang oder krückten ein paar ältere Damen mit ihren viel zu dicken Kläffern herum. Nach einem kurzen Spaziergang ließ Kaiba sich auf einer Bank nieder, legte den Laptop auf seinen Schoß und klappte ihn auf. Automatisch fuhr das Gerät hoch und schon blinkte eins der Symbole in der Taskleiste auf: ein kleines, gelbliches Kästchen. Der Braunhaarige klickte es an und ein ICQ-Fenster öffnete sich. GEWD (11:43): bist du zum mittagessen daheim oder isst du im büro? Kaiba schmunzelte und antwortete. BEWD (11:44): Weder noch GEWD (11:44): ach, wieder von deinen frühlingsgefühlen geplagt? XP BEWD (11:44): ... GEWD (11:45): eingeschnappt? ôo BEWD (11:45): Nein GEWD (11:45): wo bist du grad? GEWD (11:46): niiiii-samaaa~, antworte! BEWD (11:47): ... BEWD (11:47): im Park GEWD (11:48): ...was natürlich nix mit dem tollen wetter und der schönen jahreszeit zu tun hat, schon klar XDD BEWD (11:48): ¬_¬ GEWD (11:48): XD BEWD (11:49): Mach dich nur lustig... Wo bist du eigentlich gerade? GEWD (11:49): afk (mom) Seufzend fuhr Kaiba sich durch die Haare, lehnte sich zurück und schaute in den Baumwipfel über sich. Ein leises Geräusch - ein "a-o!" - ließ seinen Blick wieder auf den Bildschirm wandern. GEWD (11:55): hier hast du was zur beschäftigung ^^: was ist das? es ist mal warm und mal kalt, mal weich und mal hart. es kann einen zum lachen bringen oder zum weinen oder zum schreien oder zum toben. es sind schon leute daran gestorben aber trotzdem machen es viele fast regelmäßig. manche machen es nie und werden verbittert und einsam. viele hören damit auf, wenn sie älter werden. aber trotzdem mögen die meisten es eigentlich, trauen sich nur nicht das vor anderen zuzugeben. es gibt viele, die es aber gar nicht stört, es vor anderen zu tun. es kann einen einengen und es kann einen befreien. na? was ist das? GEWD (11:56): wieder afk ^__^V Verwirrt runzelte Kaiba die Stirn. Wo hatte sein Bruder denn dieses schräge Rätsel aufgegabelt? Was konnte tödlich sein, einen aber verbittern lassen, wenn man es nie tat? Was war warm, kalt, hart und weich? Und was konnte so viele Gefühle auf einmal auslösen? Ein Eiswagen kam vorbei. Ohne es bewusst geplant zu haben, ertappte Kaiba sich plötzlich dabei, ein Eis am Stiel zu kaufen, bevor er sich anschließend seiner gerade beginnenden Online-Konferenz zuwandte. "Jounouchi, bleib hier!" Schritte näherten sich und ein Schatten legte sich über den jungen Firmenchef, der darauf mit einem leisen Murren reagierte. "Geh beiseite, du stehst mir im Licht." Da der Schuldige selbst keinerlei Anstalten machte, sich zu rühren, schob sein bester Freund ihn ein Stück beiseite und lächelte ihren Klassenkameraden entschuldigend an. "Hallo Kaiba-kun. Genießt du auch das schöne Wetter?" "Hm." Stille. Dann wieder ein leises Brummen. "Stier mein Eis nicht so an, bonkotsu." "Du isst Süßes?" Keine Reaktion. "Kaiba?" Nichts. "Kaibaaaa?" "WAS?! Ich versuche hier zu arbeiten!" Wie gewohnt reagierte der Blonde mit einer geballten Faust und wildem Gezeter. "Das ist kein Grund, mich gleich blöd anzumachen!" "Stimmt, dafür braucht man keinen Grund." "Duuuuuu...." >a-o!< Jounouchi ließ die Faust sinken und sah sich verwirrt um. "Was war das?" "Das war mein ICQ" "Hä? Deine Eiskuh?" "Ich sagte Ai-Si-Kju..." "Yugi, was ist eine Ei-Sick-Juu?" Yugi lachte kurz und begann dann, seinen Kumpel aufzuklären. "Das ist ein Computerprogramm, mit dem man sich über das Internet mit jemandem unterhalten kann, ohne das man dafür in einen Chatroom oder E-Mails verschicken muss." Im Laufe der Erklärung wurde das Gesicht des Blonden immer länger und seine Augen immer größer. "Du kennst dich ja gut aus." Verlegen kratzte der Kleinere sich an der Wange. "Ich hab das auch, damit ich mich mit Rebecca unterhalten kann... du weißt schon, über DuelMonsters und so..." "Die Kleine aus Amerika?" "Genau die. Hey! Wenn Kaiba-kun auch ICQ hat, können wir ja Nummern austauschen, dann können wir uns auch unterhalten!" Begeistert von diesem Einfall wandte Yugi sich dahin, wo bis eben noch ein gewisser 18jähriger Multimilliardär gesessen hatte - der nun weg war. GEWD (12:16): reeeeeeee GEWD (12:18): nii-sama? BEWD (12:19): Re GEWD (12:19): und, schon eine lösung gefunden? BEWD (12:19): Nein... Bonkotsu und sein Herrchen haben mich abgelenkt GEWD (12:20): *lolz* und? noch immer im park? BEWD (12:20): beim Spielplatz GEWD (12:20): ... GEWD (12:20): *ROOOOOFL* BEWD (12:21): Was?! GEWD (12:21): ich stell mir gerade vor, wie du schaukelst XDDDD GEWD (12:22): nii-sama? BEWD (12:22): Hm? GEWD (12:22): schaukelst du??? BEWD (12:23): Nein! ... Die Bank ist von einer alten Frau besetzt, die Tauben füttert GEWD (12:23): *sich wegwirft* *dumm angeguggt wird* <.< ... >.> ... >.<' BEWD (12:24): Wo bist du denn? GEWD (12:24): wie weit bist du mit dem rätsel? BEWD (12:24): Ich hab dich was gefragt GEWD (12:25): *afk* ^^ "Argh!" Genervt kaute Kaiba auf dem Holzstiel (mehr war von seinem Eis nicht mehr übrig) herum und warf einen sturen Blick auf die Online-Konferenz, die er bei den ganzen Diskussionen komplett vergessen hatte. Sie war ohne ihn beendet worden. Also hatte er wieder Zeit, über das seltsame Rätsel nachzudenken und scrollte nach oben, um es noch einmal durchzulesen. Als auch das nichts brachte, murmelte er es leise vor sich hin. "Was ist das? Es ist mal warm und mal kalt, mal weich und mal hart. Es kann einen zum Lachen bringen oder zum Weinen oder zum Schreien oder zum Toben. Es sind schon Leute daran gestorben aber trotzdem machen es viele fast regelmäßig. Manche machen es nie und werden verbittert und einsam. Viele hören damit auf, wenn sie älter werden. Aber trotzdem mögen die meisten es eigentlich, trauen sich nur nicht das vor anderen zuzugeben. Es gibt viele, die es aber gar nicht stört, es vor anderen zu tun. Es kann einen einengen und es kann einen befreien... Was soll das nur sein?" Plötzlich schlangen sich von hinten zwei Arme um den jungen Firmenchef und ein Lachen erklang. "Ist das denn wirklich so schwer, Nii-sama?" Der Braunhaarige drehte sich zu Mokuba um und nickte. Zur Antwort wurde er noch fester gedrückt. "Ist doch eigentlich ganz logisch: eine Umarmung." "Eine Umarmung?" Grinsend ließ der Jüngere los und setzte sich zu ihm. "Sie kann angenehm weich und warm sein, aber auch unheimlich kalt und hart. Je nach Stimmung bringt sie einen zum Lachen, zum Weinen oder zum Toben. Wenn man jemanden am Hals umarmt, also richtig in den Schwitzkasten nimmt, kann er ersticken und sterben. Wer niemals umarmt wird, wir einsam und verbittert. Und mich stört es nicht, wenn man mich in der Öffentlichkeit mal kurz umarmt, aber du magst so was ja nicht so dolle." Ein kleines Schmunzeln breitete sich auf den Lippen des Größeren aus und er fuhr seinem Bruder durch die schwarze Mähne. "Hast du dir das Rätsel selbst ausgedacht?" "Jap!" Stolzes Nicken. "Respekt." Kaiba stand auf. "Und jetzt nimm deinen Laptop, bevor ihn noch jemand klaut. Dann gehen wir essen, in Ordnung?" "Jaaaa!" "Wohin soll es gehen?" Mokuba überlegte kurz. "Hm... ich kenn da eine Gaststätte am Stadtrand, wo man draußen sitzen kann, die haben ganz leckere Sachen und als Nachtisch ein riesiges Schokoladeneis mit viel Soße und noch mehr Sahne!" Der Ältere nickte kurz verstehend, reichte seinem Bruder das Notebook und klemmte sich das eigene ebenfalls unter den Arm. Dann machten beide sich auf den Weg zurück zum KC-Hauptgebäude, in dessen Tiefgarage das rote Cabrio stand, in dem der Schwarzhaarige sich so gern herumkutschieren ließ. - ENDE - _____________________________________ A/N: *lmao* Man merkt schon, dass die Fic vor der Erscheinung des iPhones geschrieben wurde. Kein Mensch schleppt heute noch einen Laptop herum, wenn es sich vermeiden lässt... Ich bin so alt ;_;' Kapitel 3: Happy (Dark/Drama - Setos p.o.v.) -------------------------------------------- "Es wird der Stress sein... hat er das öfter?" Zögern. "Nein..." Rascheln. "Dann ist er wirklich nur überarbeitet. Machen Sie sich keine Sorgen, junger Mann, Ihr Bruder wird sich bald erholen." Schritte. Die Tür fällt ins Schloss. Das Bett knarrt leise, als du dich über mich beugst. Deine kühle Hand auf meiner Stirn. Ein leiser Seufzer. "Nii-sama, was soll das?" Warum dieser vorwurfsvolle Ton? Was kann ich dafür? Jeder Mensch wird mal krank. Darf ich das nicht? Kann ich etwas dafür, dass sowas vorkommt? Heute? Am Tag deiner Abreise? Die letzten beiden Male habe ich dir gesagt, dass du keine Rücksicht nehmen sollst. Aber du bist trotzdem geblieben. Du meintest, dass du erst beruhigt fliegen kannst, wenn es mir besser geht. Wenn das so ist, dann kannst du eben nicht gehen. Dann musst du eben hier bleiben. So schlimm ist das nicht. Die letzten Jahre ging es ja auch. Oder nicht? War es denn so furchtbar? Erträgst du mich gar nicht mehr? Wieder dieses Seufzen. Du ziehst deine Hand zurück, kletterst zu mir ins Bett. Wie damals, als du noch ein Kind warst. Leidest du, kleiner Bruder? Ich kann wirklich nichts dafür. Sie kommt von alleine. Die Hitze. Du sagst mir, dass du im Ausland studieren willst. Gute Idee. Reis herum. Lern was. Schau dir die Welt an. Und am Morgen wolltest du dich verabschieden. Mich umarmen. Ich wollte ja nicht, aber du hast es einfach gemacht. Es ist deine Schuld, dass meine Beine nicht mehr wollten. Du hast alles um mich herum schwarz werden lassen. Ich hab noch deine Arme gemerkt, noch kurz dein trauriges Lächeln gesehen. "Ich komm ja wieder, Nii-sama." Aber wann? Alles begann sich noch stärker zu drehen, als es das sowieso schon tat. "Nii-sama?" Hast noch versucht mich zu stützen... Aber erfolglos, plötzlich hab ich dich nicht mehr gespürt. Nur noch die Hitze in meinem Gesicht. Nach ein paar Tagen ging es wieder. Wir redeten nicht darüber. Dann hast du mir beim Abendessen den Termin deines Flugs gesagt. So endgültig. Als gäbe es kein Zurück. Keine Alternative. Das selbe Spiel von vorn. Nur diesmal hats mich schon nach dem Frühstück umgeworfen. Ohne deine Arme. Deine Wärme. Schon war der Flug wieder unwichtig. Cancelled. Ich war wieder wichtiger. Nur ich. Für zwei ganze Tage. Dann konnte ich auch schon wieder arbeiten. Wusste ja, dass du daheim auf mich wartest. Dass ich dich hab, wenn ich nach Hause komme. Bis es vergangenen Sonntag dann wieder hieß "Ich habe einen neuen Flug gebucht." Ich habe genickt "Gut." Dein argwöhnischer Blick... Eine kurze Umarmung, gute Nacht. Schon war ich wieder alleine. Unwichtig. Die ganze Woche über hast du organisiert. Neu gepackt. Telefoniert. Hast mich kaum beachtet. Schon geschlafen, wenn ich nach Hause kam. Wenn ich mir etwas zu essen nehmen wollte, aber nicht konnte. Wenn mir schlecht wurde. Ich habe nichts gegessen. Wasser und Kaffee, alles andere wollte nicht drin bleiben. Ich kann nichts dafür. Es ist nicht meine Schuld. Ich weiß schließlich, dass du mich besuchen kommst. Du kommst ja wieder. Du hast es mir versprochen. Genauso wie Vater damals, als er nur schnell etwas einkaufen wollte. Genauso wie Mutter damals, als sie ins Krankenhaus fuhr, um dich zur Welt zu bringen. Vater kam nicht mehr wieder. Mutter hast du auch nie kennen gelernt. Heute wolltest du mich verlassen. Nur für ein paar Monate. Bis zu den Semesterferien. Ich mache das nicht mit Absicht Ich bin schließlich stark. Ich wollte mich ja von dir verabschieden. Ich war fast unten. Erst auf der letzten Treppenstufe blieb mir plötzlich die Luft weg. Alles drehte sich. So wahnsinnig schnell... Schneller... Erst auf der letzten Treppenstufe hat mein Körper schlapp gemacht. Ist umgekippt. Heiß... Heißer... Kein erschrockenes "Nii-sama". Es standen auch keine Koffer im Flur. Dann war es wieder schwarz. Und jetzt liegst du neben mir. Hast deine Arme um das dürre Etwas geschlungen, das mal dein Bruder war. Fährst mir immer wieder durch die Haare. "Ich habe dich angelogen." Kurze Stille. "Mein Flug geht erst morgen. Ich wollte nur sehen, ob das der Grund ist." Du rückst näher, kuschelst dich an mich. "Du bist ein Idiot, Nii-sama. Ich komme doch wieder..." Ich drücke dich an mich. So fest ich kann. "Du bist wach? Drücke dich fester... Fester... Du stößt mich weg und verlässt mein Bett. Lehnst dich an die Tür und siehst mich verbittert an. Warum so enttäuscht? "Du bist krank." "Deshalb lieg ich doch hier..." Dein Blick wird kalt, nahezu eisig. "Das meine ich nicht." Du stößt dich von der Tür ab, kommst wieder zu mir. Schnippst mit dem Finger an meine Stirn. "Ich meine das. Da oben bist du krank und zwar gewaltig." Und wenn schon. War ich das nicht immer? Wusstest du das noch nicht? Es hat doch trotzdem alles funktioniert. Und es kann weiter funktionieren, wenn du hier bleibst. "Ich werde nächsten Monat 19, Nii-sama. Hast du gehört? 19." Und? "Ich bin erwachsen. Ich habe einen guten Abschluss und Harvard fleht förmlich auf Knien, dass ich dort studiere." Tut das nicht jede Uni auf diesem gottverdammten Planeten? "Ich werde alleine dort hingehen. Ich werde mir alleine eine Wohnung suchen, vielleicht zieh ich auch in eine WG mit Leuten, die ich erstmal gar nicht kenne." Du fährst dir durch die langen, wirren Haare, gehst unruhig auf und ab, ehe du dich wieder zu mir drehst. "Ich will auch dein blödes Geld nicht, ich werde mir einen Job suchen, ich werde vielleicht ein nettes Mädchen kennen lernen und sicher auch auf einige Parties gehen." Ich setze mich auf. Es dreht sich noch immer alles. "Warum willst du arbeiten? Du hast genug Geld. Wir haben genug Geld." Warum wirkst du so... verzweifelt? "Du kapierst das einfach nicht. Und dabei dachte ich, dass ausgerechnet du das verstehen müsstest, nach all den langen Reden, die du mir und damals auch anderen gehalten hast." Wieder gleiten deine langen Finger durch die schwarze Mähne. Ich erinnere mich noch daran, als deine Hand so winzig war, dass sie in meiner komplett verschwand, wenn ich sie nahm. Wie zierlich und klein du warst als Kind... Ich musste dich immer beschützen. "Verdammt noch mal, Nii-sama, hörst du mir überhaupt zu?" Und nun liegen deine großen, schlanken Hände auf meinen Schultern, rütteln mich leicht. Dein Gesicht ist direkt vor meinem. Deine großen, traurigen Augen... Wieder schlinge ich meine Arme um dich, ziehe dich an mich. Lege meinen Kopf auf deine Schulter. Erst willst du mich wegstoßen, dann erwiderst du die Umarmung aber. Fährst mir durch die Haare, lehnst dich an mich. Schließlich beginnst du leise zu schluchzen. Ich lege meine Hand an deine Wange und streiche die Tränen weg. "Warum weinst du, Mokuba?" Ich würde doch alles für dich tun. Ich will dich nicht immer zum weinen bringen, ich will dich lachen sehen. Du lehnst deine Stirn an meine und siehst mich traurig lächelnd an. Ich komme mir vor wie ein Kind... Erst recht, als du mir einen weichen Kuss auf die Stirn gibst und über die Wange streichst. Deine Stimme ist nicht mehr als ein tränenersticktes Flüstern. "Lass mich gehen, Nii-sama..." Nein. Dann funktioniert alles nicht mehr. Dann funktioniere ich nicht mehr. Du lässt dich wieder in meine Umarmung sinken. Ich kann deinen warmen Atem an meinem Nacken spüren... "Lass mich frei... bitte..." Ich nicke. Du lächelst. Dann lege ich mich wieder hin. Schlafe wieder ein, in dem Wissen, dass du neben mir liegst. Dass du noch nicht weg bist. Du würdest nie gehen, ohne dich zu verabschieden... All I want in life is to be happy. It seems funny to me. How fucked things can be. Everytime I get ahead. I feel more dead... Das Erste, was ich sehe, sind die Sonnenstrahlen, die sich zwischen die schweren Vorhänge hindurchzwängen. Die andere Hälfte des Bettes ist leer. Bis auf einen zerknitterten Zettel. Gomen nasai, Nii-sama. Ich verspreche dir, dass ich dich besuchen werde. - Mokuba Das Papier gleitet aus meiner Hand. Ich stehe auf, trete ans Fenster und ziehe die Vorhänge auf. Mein Blick fällt auf den Vogelkäfig, der neben mir steht. Du hattest mich überredet, ihn zu kaufen. Warum weiß ich nicht mehr. Wenn du jetzt frei bist, kann er ja auch gehen, oder nicht? Ich öffne die Balkontür. Der ganze Raum wird förmlich vom Licht durchflutet. Vorsichtig nehme ich den kleinen Vogel aus seinem Käfig. Er ist ganz still, rührt sich nicht. Ich trete nach draußen und werfe ihn in die Luft. Er will nicht fliegen, versucht es nicht einmal. Wie ein Stein fällt er nach unten und klatscht auf die Terrasse. Ich schaue ihm nach. Er bewegt sich noch immer nicht. Seit ein paar Tagen war er schon so still... Ich hätte ihn in seinem Käfig lassen sollen. Ich glaube, dort war er glücklich. - ENDE - _________________________________________________ Songtext: "Happy" by Korn Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)