New York Night von Luinaldawen ================================================================================ Kapitel 1: New York Night ------------------------- Er war sich nicht ganz sicher, ob diese Nacht wirklich so erfolgreich gewesen war, wie es auf den ersten Blick schien. Auf der Haben-Seite stand immerhin eindeutig und ganz fett, dass er, Izzy und Jace es irgendwie geschafft hatten, am Leben zu bleiben. Vor allem bei Jace war dieser Umstand ein unglaubliches Wunder. Clary sollte es sich abgewöhnen, zu den unmöglichsten Zeiten anzurufen und zu sagen, dass sie es nicht schaffen würde in der nächsten Zeit nach New York zu kommen, das sorgte bei Jace für eine Weltuntergangsstimmung, die nicht nur ihn selbst sondern alle in seinem Umfeld in Lebensgefahr brachte. Und der Job war auch so schon gefährlich genug, mehr war wirklich nicht nötig, danke. Des weiteren auf der Haben-Seite: Drei tote – so tot es eben möglich war – Raum-Dämonen und zwei Forsaken. Das führte zur Soll-Seite: Eben diese beiden Forsaken (und ein Kumpel der entkommen war) hatten Alec und die beiden anderen dermaßen auf dem falschen Fuß erwischt, dass es wirklich ein Wunder war, dass sie lebend aus dem baufälligen Haus gekommen waren. Außerdem war sein Bogen kaputt (mal wieder), seine Klamotten ruiniert (was seine Mutter und Magnus sicherlich mehr stören würde als ihn selbst) und selbst Izzy sah man das Massaker ausnahmsweise einmal an. Eigentlich war Jace der Einzige, der noch gute Laune hatte, was dafür gesorgt hatte, dass Alec nicht direkt mit den beiden zurück zum Institut gegangen war. Er hätte Jaces dummen Sprüche jetzt beim besten Willen nicht ertragen können. Erst musste er sich wieder ein wenig beruhigen, das Adrenalin diverser Nahtodmomente wieder aus seinem Körper bekommen. Und dafür gab es bei ihm zwei narrensichere Methoden: Erstere fiel leider weg, weil Magnus keine Zeit hatte. Wie so oft in letzter Zeit. Alec kannte den Grund und der sorgte nicht gerade dafür, dass er ruhiger wurde, wenn er an seinen Freund dachte. Blieb also nur zweiteres: Ziellos durch das nächtliche (oder frühmorgendliche, es kam immer auf die Perspektive an) New York zu streifen. Langsam näherte er sich der Treppe einer U-Bahn-Station, wo er die ersten Leute sah, die zur Arbeit mussten. Neben den letzten Nachtschwärmern, mehr oder weniger betrunken, schlichen sie müde die Treppen nach unten oder nach oben und verschwanden aus seinem Blickfeld. Selbst wenn er sich nicht mit einer Rune getarnt hätte, hätten sie dem dunkel gekleideten wohl ziemlich zerrissen und blutig aussehendem Jungen kaum Aufmerksamkeit geschenkt. In New York interessierte sich kaum jemand für den anderen. Jeder war sich selbst der nächste, vor allem zu dieser Uhrzeit. Niemand wollte mit den Angelegenheiten anderer behelligt werden, sondern war in Gedanken bei seinem Bett, egal ob man es gerade verlassen hatte oder auf dem Weg dorthin war. Alec mochte das. Es war ruhig. Die Leute waren nicht in der Stimmung, rumzupöbeln und selbst die meisten Downworlder waren vergleichsweise angenehm. Ohne einen besonderen Grund folgte er zwei schlaftrunkenen Frauen nach unten in die erleuchtete Halle der recht großen U-Bahn-Station, wo er das erstbeste Gleis ansteuerte. Eine Fee musterte ihn kurz und grinste spitzzahnig als sie bemerkte, dass er sie entdeckt hatte. Dann redete sie weiter auf einen betrunkenen (oder zugedröhnten) Jugendlichen ein. Alec ignorierte sie. Was auch immer da los war, es ging ihn nichts an und soweit er es einschätzen konnte hatte die Fee selbst nichts mit dem Zustand des Jungen zu tun. Eine Bahn fuhr ein. Ohne darauf zu achten, wo sie hinfuhr, stieg er ein. Die beiden Frauen, die nun jeweils einen Pappbecher Automatenkaffee in der Hand hielt und genüsslich daran schnupperten, folgten ihm und gingen nur ganz knapp an ihm vorbei als er kurz stehen blieb um die drei Vampire, die nahe der Tür saßen zu mustern. Als sie ihn sahen, steckten sie kurz tuschelnd die Köpfe zusammen und sprangen dann schnell nach draußen, bevor die Türen sich wieder schlossen. Die Vampire von New York waren nervös in letzter Zeit. Weil Camille zurückgekommen war. Und niemand genau wusste, warum. Gerüchte, ja die gab es zu Hauf. Die meisten drehten sich um Simon. Den Daylighter. Alec kümmerte es nicht. Ihm wäre es lieber gewesen, sie wäre in Idris geblieben oder wo auch immer sie sich in der letzten Zeit herumgetrieben hatte, schließlich war sie einmal mit Magnus zusammengewesen. Mit einem leichten Ruck fuhr die Bahn an und die beleuchtete Halle wich der Dunkelheit eines Tunnels. Alec setzte sich auf den erstbesten der vielen freien Plätze und sah hinaus. Sein Gesicht spiegelte sich fahl in der Fensterscheibe. Er betrachtete es mit mäßigem Interesse. Magnus fand, dass er gut aussah... im Moment würde aber wohl selbst der High Warlock of Brooklyn Probleme haben, das ehrlich zu wiederholen. Alecs Wange war immer noch blutverkrustet, obwohl eine Iratze sich bereits um die zugehörige Wunde gekümmert hatte. Auch sein Haar war von genug Blut verklebt um seine Mutter kurzzeitig in Panik zu versetzen. Alec wusste nicht einmal, ob es seins war oder das eines Forsaken der ihn hatte lynchen wollen. Kein Wunder, dass sie Vampire ausgestiegen waren. Kein Downworlder hielt sich gerne in der Nähe eines Shadowhunters auf, der so aussah. Die bedeuteten in der Regel mehr Ärger als es wert war. Er schnitt seinem Spiegelbild eine Grimasse und hörte kaum hin, als die nächste Station ausgerufen wurde. Die beiden Frauen wurden langsam munterer und eine begann sich über die unmöglichen Arbeitszeiten zu beschweren. Alec hatte dafür nicht einmal ein müdes Lächeln übrig. Die hatten keine Ahnung, wie beschissene Arbeitszeiten wirklich aussahen. Falls man als Dämonenjäger überhaupt von solchen sprechen konnte. Es gab nicht mal bezahlten Urlaub und dabei hatte er im Moment das Gefühl, er hätte genau den dringend nötig. Müde lehnte er den Kopf zurück und sah dabei zu, wie die Bahn in die nächste Station einfuhr. Hier stieg nur ein junger Mann ein, setzte sich ein Stück von Alec entfernt hin und war praktisch sofort wieder eingeschlafen. Ja, New York wachte langsam auf. Und träumte weiter von der schönen, sicheren, heilen Welt. Alec wusste, dass diese Welt nicht existierte. Dass sie wohl nie existiert hatte. Plötzlich wollte er hier raus. Er wollte nach draußen und die halbwegs frische Luft der Stadt atmen, die kühle Winterluft auf seiner Haut spüren. Als die nächste Station angesagt wurde, diesmal hörte er hin und stellte fest, dass er beinahe in Brooklyn gelandet war, stand er auf und verließ die Bahn, kaum dass die Tür sich geöffnet hatte. Ein Penner saß vor sich hinmurmelnd an die schmutzige Wand gelehnt und sah aus von Alkohol trüben Augen zu ihm auf. Eine Sekunde lang fragte Alec sich, ob der Mann sich später noch an den Jungen erinnern würde, der müde und blutig an ihm vorbeigegangen war und den sonst niemand hatte sehen können. Falls er ihn nicht direkt für einen Traum hielt. Mit schweren Beinen ging er die Treppe hoch und erschauerte, als ihn oben direkt ein kalter Windstoß kam. Jetzt, wo er wieder ruhig war, spürte er die verdammte Kälte. Vor Sonnenaufgang kam es ihm immer am Schlimmsten vor. Kurz orientierte er sich und zögerte. Sollte er auf gut Glück bei Magnus vorbeischauen? Er wusste, er sollte ihn endlich auf Camille ansprechen, aber sie war eindeutig nicht Magnus' Lieblingsthema. Seufzend drehte er sich wieder um. Er sollte wirklich wieder nach Hause fahren. Prüfend warf er einen Blick auf sein Handy. Vier verpasste Anrufe. Zweimal Izzy, einmal Jace und... natürlich. Seine Mutter. Er wollte eigentlich gar nicht wissen, was er zu hören bekommen würde, wenn er nach Hause kam. Sein Handy klingelte. Magnus. Vielleicht... würde er doch nicht nach Hause fahren. Kaum hatte er den Anruf angenommen schnurrte ihm die Stimme seines Freundes entgegen: „Kannst du mir mal erklären, warum du umdrehst?!“ „W-was?“ „Hör mal Darling, wenn dein liebreizender Bruder mich anruft und fragt, wo zur Hölle du bleibst, glaubst du nicht, dass ich da mal schaue, wo du dich herumtreibst?“ Verdammter Warlock. Alec wusste nicht, was er antworten sollte. Das war zum Glück auch nicht nötig. „Ich hatte ja gehofft, dass du zu mir kommst aber dass du jetzt wieder umdrehst, kann ich nun wirklich nicht akzeptieren.“ „Ich... ich dachte, du hättest keine Zeit.“ „Hab ich auch nicht. Aber die Pflicht kann ruhig mal ein wenig auf mich warten.“ Das klang nah. Etwas zu nah für Alec Geschmack. Er wollte gerade herumwirbeln, als ihm das Handy aus der Hand genommen wurde und Magnus ihn festhielt. „Ich schiebe es auf die lange Nacht, dass du so wenig auf der Hut bist. Ich könnte sonstwer sein“, hörte er die weiche Stimme dicht an seinem Ohr. „Bist du aber nicht.“ „Sei froh.“ Magnus ließ ihn los und er konnte sich endlich umdrehen. Die katzenartigen Augen musterten ihn eingehend und ihm schien nicht zu gefallen, was er sah. Alec konnte er nachvollziehen. „So lasse ich dich nicht nach Hause.“ Er klang jetzt ernster und schien nach bisher übersehenen Verletzungen zu suchen. Alec war sich sicher, dass da noch einige Kratzer und blaue Flecken waren aber er hatte das Gefühl, die würden auch nicht mehr lange bleiben. „Komm mich, ich kümmere mich darum. Und dann... machen wir uns einen freien Tag, wie klingt das?“ Als ob Alec bei diesem Lächeln nein sagen könnte. Und als Magnus ihn dann noch federleicht küsste... war ihm doppelt egal, dass irgendjemand ihn ganz sicher ermorden würde, wenn er endlich nach Hause kam. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)