Raban von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: Selacio ------------------ Fast drei Wochen war ihre Verlobung nun her, alles wurde für die Hochzeit vorbereitet, die in einer Woche statt finden würde. Raban war sehr erleichtert gewesen, als auch Soléys Vater, der beste aber auch mürrischste Schreiner der Stadt, seinem Heiratsantrag zugestimmt hatte. Er war gerade dabei den neuen Rum für seinen Vater im Hafen in Empfang zu nehmen, als ein Schiff anlegte. Es hatte geflickte Segel, die Besatzung sah räudig aus und etwas müde. Was allerdings als erstes ins Auge fiel war die Flagge des Schiffes. Sie war rot und trug keinen Schwalbenschwanz. Einer der Rumhändler sprach aus, was allen durch den Kopf schoss. "Jolie Rouge..." -schönes Rot, die Flagge der Freibeuter, Piraten. Nun mit einem leichten Unbehagen und mehr Eile wickelten sie das Geschäfft ab, während das Schiff anlegte. Bevor die ersten Leute der Besatzung von Bord gingen verschwand Raban schon mit den Fässer auf einem Eselskarren und je weiter er sich vom Hafen entfernte umso leichter wurde ihm ums Herz. Piraten waren die letzten mit denen man Umgang pflegen sollte. Am Abend war es wie immer, sein Vater schien die Männer der halben Stadt in seiner Schenke zu haben und dem entsprechend gab es schonmal Streit. Raban war dann derjenige der die Streithähne zum ausnüchtern freundlich nach draußen geleitete. Irgendwann, ungefähr zur elften Stunde tauchte ein Truppe Fremder auf, Leute, die offensichtlich von der See kamen. Das war nicht ungewöhnlich, viele Schiffsmänner bekam diese Schenke empfohlen, denn sie war eine der besten, aber die Stammgäste waren eine eingeschworene Gemeinde und hießen nur wenige Unbekannte herzlich willkommen. Angesichts dieser Fremden allerdings, die jetzt durch die Tür traten machte keiner Anstalten sich zu beschweren, was teilweise auch an den Schwertern, Säbeln und den Pistolen und Gewehren liegen konnte, die diese bei sich trugen. Es war nicht schwer für den Jungen zu erkenne, dass es sich um die frisch gelandeten Piraten handelte. Sein Vater begrüßte und bediente sie wie jeden anderen auch, die Stimmung allerdings entspannte sich nicht. Es wurde zwar weiter gesungen, geprahlt, gepokert und gesoffen, aber die Atmosphäre war anders. Irgendwann bemerkte Raban einen Streit der auszuarten drohte. Als die ersten Schläge ausgetauscht wurden ging er dazwischen. "Meine Herren, ich würde sie bitten sich zu beruhigen, oder nach draußen zu gehen." Es waren ein Pirat und Jossuf, ein Fischer, die sich stritten. Jossuf hielt die Klappe, er wusste, dass niemand dem Jungen gewachsen war, auch wenn dieser nicht sehr bedrohlich aussah. Der Pirat warf sich in die Brust "Was willst denn du halbes Hemd? Spielst du hier den Rausschmeißer? Überlass sowas lieber Stärkeren." Raban blieb gelassen, aber seine Miene war eisern. "Wenn sie vorhaben diese Auseinadersetzung weiter zu führen, dann werde ich sie persönlich rauswerfen, das ist mein voller Ernst." Der Pirat lachte und seine Kameraden fielen ein. "Aus dem Weg Babyfurz!" sagte der Mann und wollte den Jungen wegstoßen. Dieser warf den Piraten über die Schulter zu Boden. Der Pirat schüttelte verwundert den Kopf. "Was war'n das?" murmelte er und rappelte sich wieder auf. "Ich bitte sie erneut sich zu beruhigen." "Halts Maul!" Brüllte der Pirat und rappelte sich hoch, er holte aus und rannte auf Raban zu. Dieser tat nur einen Schritt zur Seite. Da der Junge sich so hingestellt hatte, dass die Bartür in seinem Rücken lag rannte der Mann genau dagegen. Die Tür schwang auf und mit einem unschönen Tritt in den Hintern beförderte Raban ihn hinaus aufs Pflaster. Doch der Pirat gab sich nicht geschlagen, er stand erneut auf und wollte wieder hinein. Raban steiß ihn mit der Handfläche gegen die Stirn zurück. Dann drehte er sich zu seinem Vater und fragte "Darf ich?" Sein Vater lächelte verschmitzt "Aber treibs nicht zu weit, das gibt nur Ärger." Der Junge nickte und schloss quietschend die Bartür hinter sich. Im Schankraum herrschte erschrockene Stille, während man von draußen ein scheußliches Geräusch hörte, einen Schrei, dann tatsächliche, absolute Stille und schließlich das leichte Quietschen, als Raban den Schankraum wieder betrat. Nicht wenige gingen nachsehen, was passiert war, auch viele der Piraten. Ihr Kamerad lag auf dem Boden, er wirkte nicht, als habe er Verletzungen, aber er tat auch nichts außer atmen. Raban nickte seinem Vater zu und bedeutete diesem so, dass er nun gehen würde, er musste am nächsten Tag noch eine Menge machen. Als der Junge verschwunden war erhob sich im Schankraum wieder ein gewisser Geräuschpegel. Drei Piraten traten zu ihrem bewegungslosen Freund und einige der Seeräuber wandten sich an die Einheimischen. "Tschuldige, kannste mir sagen, was da grad ablief?" Der Einwohner grinste aus unerpfindlichen Gründen. "Das war Raban, er ist der Sohn des Wirtes. Er hat sich als er klein war viel im Hafen rumgetrieben, besonders bei den Asiaten, obwohl jeder hier ihm gesagt hat, er solle diese schrägen Vögel in Ruhe lassen. Tja, er hat ihre Sprachen gelernt und auch ihre Art zu kämpfen, das heißt allerdings nicht, dass er nicht auch wie ein waschechter Seemann kämpfen könnte. Er hat viel kämpfen gelernt, er schmeißt hier die Störenfriede raus seit er zwölf ist, jeder von und hat von dem Burschen schonmal die Hucke voll bekommen." Der Pirat schien nicht glauben zu wollen, was er da hörte. "Und was ist mit dem da, warum rührt der sich nicht, was hat der Kerl mit ihm angestellt?" "Das weiß keiner von uns, das ist eine Technik, von der keiner weiß, wie sie funktioniert. Der macht nur mal zack zack und du kannst deine Arme nicht mehr bewegen, oder bist plötzlich blind. Einmal hat er einen der anderen Jungen, einen frechen Burschen, an einer Stelle berührt und der Junge hat nur noch Blödsinn geredet. Ich mein nicht, dass seine Sätze keinen Sinn mehr ergaben, der Junge sagte Dinge wie "Sit qua mimaka...ja, das hat er am häufigsten gesagt... Dann hat Raban ihn nochmal berührt und alles war wieder ok. Ich hab das auch mal erlebt. Ich war total zu, hab versucht ihn weg zu treten, er hat meinen Fuß erwischt, irgendwo gedrückt und ich bin zusammen geklappt, einfach ohnmächtig geworden, schräg ne?" "Absolut..." Raban ging durch die Gassen, er wusste, wo es ihn hintrieb, zum Meer. Irgendwann kam er dort an, wo er hin gewollt hatte, an die Klippen. Sie ragten etwa hundert Meter vom Hafen entfernt auf und er liebte den Ort, dort konnte er in Ruhe über alles nachdenken. Und dort oben fühlte er sich dem Meer und dem Himmel am nächsten, nur an einen Ort fühlte er sich Himmel und Meer noch näher als auf diesen Klippen. Im Ausguck eines Schiffes, aber dort war er nicht allzu oft. Mit einem Seufzen setzte er sich auf die Felsen und genoss die Gischt, die gelegentlich bis zu ihm hinauf spritzte und sein Gesicht mit kühlen Fingern zu betasten schien. Als eine besonders hohe Gischt den Fels überspülte und ihn nasser machte, als er eingentlich vorgehabt hatte, saß plötzlich jemand neben ihm. "Ein schöner Platz zum vor sich hingrübeln." Raban zuckte zusammen und sah den Mann an. Dieser war vielleicht zwanzig und trug ein Hemd, eine Lederhose, hohe Stiefel und einen Gehrock, der zwar ein wenig alt aber auch sehr elegant wirkte, in hellem grün, mit goldgewirkten Rankenmustern darauf. An seiner Hüfte prangte ein Schwert. "Wer bist du?" Fragte Raban und spürte, wie er instinktiv ein wenig vor dem jungen Mann zurück wich. Er war größer als Raban und wirkte auch nicht so jungenhaft, sonder wie ein ganzer Mann. Seine Schultern waren etwas breiter, er hatte mehr Muskeln und auch sein Gesicht schien nicht so fein geschnitten. Trotzdem hatte er elegante Gesichtszüge. In der Dunkelheit wirkten seine Augen schwarz, seine Haut war sonnengebräunt, seine Lippen voll und sinnlich, er hatte hohe Wangenknochen und in beiden Ohren Ringe. "Ich bin Selacio und du?" Der Junge sah den Mann erneut an, schätzte ab, was er von diesem Kerl halten sollte. "Raban..." Der Mann lächelte, auf eine unheilvolle Art. "Schön dich kennen zu lernen...Raban..." "Was wollen sie?" "Ich?" der Mann hatte mit so einer offenen Fragen scheinbar nicht gerechnet. "Nein, der andere seltsame Typ, der neben mir sitzt." Selacio lächelte und räusperte sich. "Nun, ich habe dich kämpfen gesehen und dachte, dass du wahrscheinlich ein interessanter Mensch bist. Weißt du, wir kommen nicht besonders oft ans Land und ich versuche dann immer interessante Menschen kennen zu lernen, weil es schön ist wenn man Dinge erzählt bekommt." Raban runzelte die Stirn. "Und du bist der Meinung, ich wäre die richtige Person um sich etwas erzählen zu lassen?" Der Andere zuckte mit den Schultern. "Selbstverständlich nur, wenn du nichts dagegen hast." Raban grinste abfällig. "Ich erzähl dir meine Lebensgeschichte, Selacio. Ich bin hier geboren und aufgewachsen, als ich sieben war ist meine Mutter an einer Krankheit gestorben. Seit dem habe ich mich oft hier unten rumgetrieben. Am interessantesten fand ich immer diese fremdartigen Menschen aus dem Morgendland. Ich habe es geschafft ihr Vertrauen zu verdienen und sie haben mich dafür in Teile ihres Wissens eingeweiht. Damit konnte ich meinem Vater eine große Hilfe sein. Das wars schon, das war mein ganzes Leben, ich bin fertig, sehr spannend oder?" Selacio lächelte. "In der Tat, ein interessanter Ansatzpunkt, aber das sind nicht die Geschichten, die ich mir gerne anhöre." Raban verdrehte die Augen und sah in die Bucht in der sich die Lichter der Stadt spiegelten. "Dann frag mich irgendwas, ich habe nichts zu verbergen." Selacio lachte kurz. "Du bist ein ruhiger Typ nicht wahr Raban, du gibst lieber nach anstatt Ärger zu machen, zumindest, wenn du dir nicht sicher bist, dass du gewinnen wirst." Raban nickte grimmig. "Ärger und Streit suchen sich nur solche, die nichts dazu lernen und solche, die immer dazu lernen. Ich denke, ich gehöre zu keiner dieser Seite." Das nahm Selacio so hin, er hatte offenbar kein Interesse über so etwas zu debattieren. "Gut, ich frage mich zum Beispiel, wo du die Narben an deinen Handgelenk her hast." Raban sah kurz zu den weißen Einkerbungen an seinem rechten Handgelenk. "Da hat mich ein Hund gebissen..." "Wieso hat der Hund dich gebissen?" Raban seufzte. "Solèy und Ich waren acht und wir hatten furchtbaren Hunger, aber ihre Mutter war einkaufen und unsere Väter haben vom Essen zubereiten keine Ahnung. An den Vorrat durften wir nicht. Also bin ich über die Mauer zum Nachbarn weil ich von den dicken reifen Pflaumen wusste, die da wuchsen. Leider lief nicht alles wie geplant. Ich hab keine Pflaumen bekommen, aber dafür hat mich der Hund unseres Nachbarn darüber belehrt wie weh es tut gebissen zu werden. Damit wäre diese Geschichte auch erzählt..." Selacio grinste und fragte erneut etwas, so ging es weiter. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)