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Forget your running...

von

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//Textauszüge aus dem Song 'Infra Red' von Placebo//
 


 

~Someone call the ambulance/there's gonna be an accident~
 

Regen prasselte auf die Straßen Tokyos.

Ken hastete Richtung zuhause. Warum musste es an seinem Geburtstag eigentlich so schütten?

Er schüttelte den Kopf. Die Anderen warteten schon auf ihn. Und er kam zu spät.
 

Plötzlich zuckte ein weißer Blitz durch seinen Verstand.

"Scheiße, verdammte!", fluchte er laut.
 

Nicht jetzt, nicht heute...
 

Ein leises, fieses Lachen hallte in seinem Kopf wider.
 

//Kenken... was für eine Überraschung...//
 

~I will be the one to make you Crawl /so I came down to wish you an unhappy Birthday ~
 

Ken drehte sich nicht um und blieb nicht stehen. Es konnte nicht sein...

Er rannte fast. Er kam nicht weit. Jemand versperrte ihm den Weg.

Ken wollte nicht aufsehen. Er wusste, wer da stand. Sein Verstand schaltete ab und er begann zu glauben, wenn er nur nicht hinsah, würde der schreckliche Verdacht nie Realität.
 

//Vergiss es. Du weißt, dass ich hier bin//
 

"Red doch normal mit mir, zum Teufel! Ich stehe direkt vor dir!", schrie er den Telepathen plötzlich an.

Schuldig lachte böse.

"Wie schön. Du hast mich also nicht vergessen."

Ken funkelte ihn an.

"Wie könnte ich? Du hast schließlich alles dafür getan, dass ich dich nicht vergessen kann!"

"Nicht zuviel des Lobes, Ken...", schnurrte der Deutsche. "Weißt du, was ich wirklich gemein von dir finde?"

"Was?"

"Dass ich nicht zu deiner kleinen Party eingeladen bin. Deine Freunde wären sicher überrascht. Und ich könnte mich mal in Ruhe mit ihnen über das Eine oder Andere unterhalten..."

"Halt dein Schandmaul, Schuldig!", fauchte Ken. Er versuchte, an Schuldig vorbei zu kommen, doch dieser streckte den Arm aus und hielt ihn zurück.

Er beugte sich vor, so dass sein Gesicht ganz nah an Kens war.

"Ich hab dir was dazu gesagt, Ken. Ich lasse mich nicht aufs Abstellgleis schieben, wenn du kalte Füße kriegst. Weil du nicht damit leben könntest, wenn deine Freunde über dein wahres Ich informiert wären..."
 

~I´m coming up on Infrared/ forget your running/I will find you~
 

"W-was hast du vor?" Kens Herz raste vor Angst.

Schuldig lachte wieder.

"Es gibt genau zwei Wege, mein Hübscher... Entweder, du feierst deinen Geburtstag mit mir und zwar mit mir allein, oder..."

Er packte Ken im Nacken und drehte in unsanft um, so dass der Weiß jetzt auf die dicht befahrene Straße blickte.

"...oder es wird einen ganz tragischen Unfall geben."
 

Ken hing wehrlos im Griff des Älteren und wand sich.

Er hatte das nicht gewollt. Als er Schuldig gesagt hatte, dass sie diese Sache, die zwischen ihnen lief, besser beendeten, hätte er nie damit gerechnet, dass der Deutsche so reagierte.

Schuldig hatte kein bisschen Verständnis gezeigt. Er hatte ihn erst ausgelacht, dann verhöhnt und zum Schluss beleidigt.

Dann war Ruhe gewesen. Nur eine Drohung war zwischen ihnen geblieben. Schuldigs Drohung, ihn zu finden, ihn zurückzuholen.
 

Ken verfluchte sich dafür, dass er das nicht ernst genommen hatte.
 

"Schuldig... du kannst doch nicht..."

Der Deutsche unterbrach ihn, seine Stimme zitterte vor Wut.

"Ich kann so einiges, Ken. Du wirst noch sehen, wozu ich in der Lage bin... die Entscheidung liegt bei dir..."
 

Ken wusste, würde Schuldig ihn auf die Straße stoßen, würde er das nicht überleben. Bevor ihn einer der Autofahrer sah, wäre er schon längst unter den Rädern.

Keine Chance...
 

~someone call the Ambulance/there´s gonna be an Accident~

Ken saß niedergeschlagen neben Schuldig im Auto.

Der Regen prasselte gegen die Scheiben.

Ken warf einen Seitenblick auf Schuldig, der nur grinste.
 

„Wohin fahren wir?“, fragte er nach einer Weile. Schuldig sah ihn kurz an.

„Zu einem wunderbaren kleinen Plätzchen, wo wir ganz ungestört sein werden...“

Ken knurrte vor sich hin. Das konnte alles heißen.
 

Nach einer halben Stunde hielt Schuldig und stieg aus.

Ken folgte ihm und sah sich um.

„Ein Hotel?“

Der Deutsche lächelte nur.

„Ich hasse dich, Schuldig...“

„Ich weiß. Und soll ich dir was sagen?“ Er funkelte den Weiß an. „Es ist mir egal.“

Er ging vor. Ken sah sich um. Wenn er fliehen wollte, war jetzt seine letzte Chance.

„Denk nicht mal dran!“, erklang Schuldigs Stimme.

Verdammter Telepath...
 

Sie betraten das Hotel.

Im Aufzug herrschte Schweigen zwischen ihnen.

Ken war übel. Übel vor Angst.
 

Als sie im Zimmer waren, bemerkte Ken eine Tasche, die auf einem der Sessel stand.

Schuldig schien schon vorher hier gewesen zu sein. Das bewies nur erneut, die Durchtriebenheit des Schwarz.

Er hatte das hier genau geplant.
 

„Bist du hier eingezogen, oder was?“

Ein bösartiges Lachen kam aus Schuldigs Richtung.

„Ja. Für eine Weile...“

„Wieso?“

„Damit ich mich ganz in Ruhe um dich kümmern kann...“

„Und was sagt dein Boss dazu?“

„Der ist froh, wenn ich meine Spiellaune woanders auslasse als zuhause...“

„Genauso krank wie du, hm?“

Schuldig packte ihn am Handgelenk.

„Werd mal nicht frech, Kleiner!“, fauchte er.

Ken versuchte, sich zu befreien, doch Schuldig ließ ihn nicht los.

„Komm her jetzt. Ich hab ein paar Geschenke für dich.“
 

Unwillig folgte Ken.

„Geschenke?“

„Ja, ist doch schließlich dein Geburtstag.“

Ken wollte es gar nicht wissen.

Schuldig nahm die Tasche vom Sessel und setzte sich.

Er hielt Ken ein Paket hin.

„Pack es aus und zieh es an. Dann kommst du zurück.“
 

Ken ging ins Bad und öffnete das Paket.

Als er die Sachen in der Hand hielt, schimpfte er leise.

Er seufzte und zog sich aus.

Einige Momente zögerte er noch, dann zog er Schuldigs „Geschenk“ an.

Chaps mit hautengen Lederpants drunter, dazu ein T-Shirt, das ihm gerade bis zum Bauchnabel reichte. Er sah aus wie ein verdammter Stricher...

Aber wahrscheinlich war es genau das, was Schuldig bezwecken wollte.
 

Er kehrte zu dem Deutschen zurück und sah ihn an.

Schuldig nickte.

„Steht dir fantastisch. Und jetzt...“, er drückte einen Knopf auf einer Fernbedienung und „Closer“ von den Nine Inch Nails erklang.

„Strip für mich, mein Hübscher!“

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Ken lag bewegungslos auf dem Sofa.

Schuldig war aufgestanden und betrachtete ihn.

Der Japaner stöhnte auf, sein Gesicht verzog sich, als er versuchte, aufzustehen.

„Was denn, Kenken? Kannst du nicht aufstehen?“

„Lass mich doch... du weißt ganz genau, warum... tu nicht so...“

Schuldig kam zu ihm, zog ihn hoch und schlug ihm wieder auf den Hintern.

Ken schrie auf.

„Hör auf! Hör doch endlich auf damit!“

„Nein.“

„Schuldig, bitte!“

„Nein. Ich bin noch nicht fertig mit dir.“

Ken konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten.

Schluchzend ließ er sich wieder auf die Couch sinken.

„Was denn? Tut es dir schon leid, dass du mich abserviert hast?“

Ken sah auf. Durch den Schleier aus Tränen sah er das verhasste Grinsen.

„Nein. Es tut mir nicht leid. Kein bisschen. Du bist ein kranker Mistkerl.“
 

Schweigen.

Der Deutsche wandte sich ab, sah aus dem Fenster.

Dann blickte er wieder auf Ken herunter.

„Ich bin krank? Soll ich lieber Farfarello herholen? Weißt du, ich könnte ihn mal auf dich loslassen.

Er ist echt heftig drauf, vor allem, wenn man ihm ein paar Aphrodisiaka verabreicht. Das wäre mal ein Spaß.“

Geschockt starrte Ken ihn an.

„Das würdest du nicht...“

„Und wie ich das würde, Ken. Ich kenne da keine Grenzen. Und es gab Momente, in denen du das sehr genossen hast, du erinnerst dich vielleicht.“

Bilder schossen an Kens innerem Auge vorbei.

Er, gefesselt, auf den Knien vor Schuldig. Bettelnd. Flehend.

Und was für Ausdrücke er benutzt hatte... er fühlte sich schmutzig und schlecht, als er daran dachte.

Was er zugelassen hatte.

Er sah, wie Schuldig mit der Gerte in der Hand dastand. Wie er, Ken, der anständige, immer freundliche junge Mann aus dem Blumenladen, jeden Schlag genoss, der seine Haut mit roten Striemen zeichnete.
 

Ihm wurde übel.

„Dir ist nicht klar, warum ich so wütend bin, oder? Es ist nicht einmal, dass du Schluss gemacht hast. Nein, es geht um deine Gründe. Du kannst nicht dazu stehen, dass du so bist wie du bist, dass diese Spiele dir gefallen, die andere als pervers bezeichnen würden.

Du willst nicht zugeben, dass es dich anmacht, wenn ich dich auf die Knie zwinge und dich demütige. Dass du es geil findest, runter gemacht zu werden, vor mir zu kriechen, damit ich dich erhöre.“

„So bin ich nicht! Ich wollte das so nie! Du... du hast...“

Plötzlich war der Deutsche direkt vor ihm. Sein Blick bohrte sich in seine Augen.

„Ich habe was? Dich dazu gemacht? Nein, Ken. Ich habe nur eine Seite an dir geweckt, die du versteckt gehalten hast.

Alles, was falsch war, war deine Angst. Obwohl ich dich schon irgendwie verstehen kann.

Wie würde Yohji wohl reagieren? Oder noch besser, Aya. Seinen Blick würde ich zu gern sehen... von Omi wollen wir mal gar nicht anfangen.“
 

Ken hielt sich die Ohren zu, dabei wusste er, dass es sinnlos war. Wenn er so nicht zuhörte, würde diese gemeine Stimme in seinem Kopf hallen, ihn an all die Lügen erinnern, die er seinen Freunden aufgetischt hatte, um seine Beziehung zu Schuldig geheim zu halten.

„Was ist, Ken? Soll ich ihnen ein paar Infos zukommen lassen? Sollen sie erfahren, wie krank ihr lieber, etwas naiver Ken in Wirklichkeit ist?“

„Nein! Bitte, Schuldig! Tu das nicht!“

Schuldig spielte mit Kens Handy.

„Das ist der Unterschied, Kenken. Meine Leute wissen, wie krank ich bin. Wir sind alle irgendwo ein bisschen krank im Kopf. Aber glaub mir, es geht manchmal nicht anders.

Farfarello... man kann ihn verstehen, oder nicht? Grausam, wenn alles, woran man geglaubt hat, alles was einem Hoffnung gegeben hat, mit einem Schlag zerstört wird.

Nagi... der immer nur ein Monster war, immer ein Aussenseiter.

Crawford.... kannst du dir vorstellen, wie es ist, die Zukunft zu sehen? Es ist nicht immer schön, was man da sieht.“
 

Ken sah zu Boden. So hatte er Schuldig noch nie reden hören.

„Und es ist manchmal der reinste Horror, wenn man diese Stimmen hört. Wenn man die eigenen Gedanken nicht von den anderen unterscheiden kann. Es macht einen irre...“

Nachdenklich sah er auf das Display des Handys.

„Eszett. Rosenkreuz. Mord. Davon will ich gar nicht erst anfangen.“

Er ging ein paar Schritte, warf das Handy auf einen Sessel und drehte Ken den Rücken zu.

Narben auf heller Haut.

„Verschobene Wirbel. Die zwischen meinen Schulterblättern werden immer so bleiben.“

Ken starrte auf Schuldigs Rücken.

„Was.... was ist passiert?“

„Takatori ist passiert. Wegen diesem dämlichen Weib, in das sich euer Chibi verschossen hat.“

„Ich dachte... ich dachte Farfarello hätte...“

„Ja, er hat geschossen. Aber ich wurde verantwortlich gemacht. Es war meine Waffe. Und ich hätte ihn aufhalten müssen.“

„Aber.. aber...“

„Nichts aber. So läuft das eben. Was ist denn? Hast du jetzt Mitleid mit mir?“, fragte er leise, „Spar dir das. Ich brauch das nicht. Weißt du, eigentlich gehts mir prächtig.“

Er lachte leise. Es war ein freudloses Lachen.

„Geh duschen, Ken.“

Wie paralysiert tat Ken, was Schuldig befahl.

Seine Gedanken waren ein wirres Durcheinander.

Schuldigs Seelenstriptease hatte ihn völlig aus der Fassung gebracht...

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Ken öffnete langsam die Augen.

Im Zimmer war es stockdunkel. Kein Laut war zu hören.

Ken atmete tief ein und sah zur Seite.

Schuldig lag neben ihm, offenbar tief schlafend.

Doch da konnte man sich bei dem Deutschen nie ganz sicher sein.

Kens ganzer Körper schmerzte und er fühlte sich ausgelaugt.
 

Er wusste nicht einmal, wie spät es war.

Leise stand er auf. Sollte Schuldig aufwachen, konnte er ihm immer noch erzählen, dass er nur kurz ins Bad wollte.

Er schlich sich aus dem Zimmer. Schuldig drehte sich zwar auf die andere Seite, doch er schlief weiter.

Im angrenzenden Raum war es auch dunkel, doch ein wenig Licht fiel durch die nicht ganz geschlossenen Vorhänge hinein.

Auf dem Tisch lag Kens Handy.

Ken nahm es in die Hand.

Erst jetzt bemerkte er, wie er zitterte.
 

Der Text auf dem Display nahm nur langsam Form an, so dass der Weiß ihn entziffern konnte.
 

»21:47

Von: Yohji

Okay... ich nehm das jetzt einfach mal so hin und hoffe, dass du noch kommst. Mach keinen Blödsinn, Kenken!
 

Y.«
 

Das war wohl die Antwort auf die von Schuldig geschriebene Nachricht gewesen.

Das Handy blinkte.

/Eine neue Nachricht/

Ken öffnete die SMS.
 

»23:03

Von: Aya

So langsam mache ich mir wirklich Sorgen. Ken, wo zum Henker steckst du? Meld dich bitte!«
 

Ken zuckte zusammen und sah auf die Uhr.

Es war fast halb eins.

Aya war mit Sicherheit noch wach.

Wenn er sich Sorgen um jemanden machte, schlief er nicht, das wusste Ken.

Er warf einen verstohlenen Blick zur Tür, hinter der Schuldig schlief.

Er musste das Handy mit beiden Händen halten, so sehr zitterte er, als er Ayas Nummer wählte.
 

Nach dem zweiten Klingeln ging jemand dran.

„Ken? Ken bist du das?“

Aya klang aufgebracht.

„Aya, ja ich bin es. Keine Panik, ich lebe noch...“

„Ehrlich gesagt, habe ich in den vergangenen zwei Stunden daran gezweifelt, Ken. Geht es dir gut?“

„Mir geht es soweit gut, Aya. Aber ich will nach hause! Bitte, hol mich hier weg...“

Er schluchzte plötzlich auf.

„Ken? Was... ach, erklärs mir später, ich komm zu dir. Wo bist du?“

„Ich bin...“

Das Handy wurde ihm aus der Hand gerissen.

Ken zuckte zusammen und sah auf.

Mit böse funkelnden Augen stand Schuldig vor ihm.

Kopfschüttelnd schaltete er das Handy aus und schleuderte es in eine Ecke.
 

„Du bist irre geworden, oder, Ken?“

Die Stimme des Deutschen war kalt und schneidend wie Eis.

Ken antwortete nicht. Er konnte nicht.

„Du hast nicht ernsthaft geglaubt, dass ich das nicht mitbekomme, Ken...“

Sein Blick bohrte sich in Kens weit aufgerissene Augen.

„Was mache ich nur mit dir?“

Jetzt konnte Ken die Tränen nicht mehr zurückhalten.

Er war so kurz davor gewesen, zu entkommen.

„Lass mich doch einfach gehen...“

Freudlos lachte Schuldig auf.

„Vergiss es.“

Er zerrte den Japaner hinter sich her zurück ins Schlafzimmer.

Ken wehrte sich nicht mehr. Er wusste nicht, was nun auf ihm zukam, doch darüber nachzudenken würde ihn nur wahnsinnig machen.
 

~ ~ ~
 

Aya starrte sein Handy an.

„Einfach aufgelegt?“

Das konnte nicht sein.

Ken war nicht allein. Und wer auch immer bei ihm war, wollte um jeden Preis verhindern, dass sie erfuhren, wo Ken war.

Yohji kam gähnend aus seinem Zimmer.

Als er Ayas Blick bemerkte, kam er zu ihm.

„Was ist los? Hat Ken sich gemeldet?“

Aya nickte.

„Aber erleichtert bin ich deswegen nicht. Ganz im Gegenteil...“

Er erzählte Yohji von dem Gespräch.

Yohji schüttelte den Kopf.

„Aya, das klingt, als wäre er in ziemlichen Schwierigkeiten. Wir müssen ihn finden.“

„Ich weiß. Aber wo sollen wir anfangen?“

„Ich wecke Omi. Wenn jemand eine Lösung für so ein Problem kennt, dann er.“

Es war fast drei Uhr morgens.

Omi saß vor seinem Computer und fluchte leise vor sich hin.

Aya kam zu ihm und stellte eine Tasse Tee vor ihm ab.

„Und? Kommst du voran?“, fragte er.

„Kens handy ist aus. Ich versuche, zurückzuverfolgen, von wo der letzte Anruf getätigt wurde. Das wird allerdings eine kleine Weile dauern...“

Aya legte ihm eine Hand auf die Schulter.

„Du schaffst das, Omi. Ich vertraue ganz auf deine Fähigkeiten.“

Omi nickte, atmete tief durch und machte sich wieder an die Arbeit.

Er wandte den Kopf und sah Aya an.

„Du solltest schlafen gehen. Siehst total kaputt aus.“

„Wie denn, Omi? Ich kann nicht schlafen, wenn ich nicht weiß, was mit Ken los ist!“

Er ging ins Wohnzimmer, wo Yohji saß und sein Handy anstarrte.

Seine coole Playboy Fassade war völlig von ihm abgefallen. Sorgenfalten zeichneten die Stirn des Blonden.

Aya ließ sich neben ihn aufs Sofa fallen.

„Und? Hat Omi was rausgefunden?“, fragte er leise.

„Noch nicht, aber er kommt voran. Wir wissen bestimmt bald, wo Ken ist.“

Yohji starrte aus dem Fenster in den Nachthimmel, der hier in Tokyo nie ganz dunkel war.

„Wenn er noch am Leben ist...“

Aya sah ihn ärgerlich an.

„So solltest du nicht denken. Er lebt mit Sicherheit noch!“

Die Wahrheit war, dass Aya sich da gar nicht so sicher war, wie er tat.

Das alles roch zu sehr nach einer Entführung.

Was, wenn Ken Schwarz in die Hände gefallen war? Dann wäre er mit Sicherheit mittlerweile tot.

Es war nicht unwahrscheinlich, dass der durchgeknallte Ire ihn aufgeschlitzt, ausgeblutet und auf einem Pfahl aufgespießt hatte, als kleine Überraschung für Weiß...

Er schüttelte den Kopf. An so etwas sollte er gar nicht erst denken.

Er versuchte sich einzureden, dass alles in Ordnung war.

Doch grausame Bilder von einem toten, gefolterten Ken verfolgten ihn.

Er lehnte sich zurück und versuchte sich zu beruhigen.
 

~ ~ ~ ~ ~ ~
 

Ken wusste nicht mehr, wo er war. Er wusste nicht einmal, ob er noch lebte.

Doch der Schmerz machte ihm klar, dass er noch am Leben sein musste.

Seine Augen waren verbunden und er war in einer höchst unbequemen Position gefesselt.

Er hörte Schuldigs Schritte. Doch es war ihm unmöglich zu sagen, wo der Deutsche sich befand.

Schuldig schritt langsam um ihn herum.

„Ich sollte dich umbringen, Ken. Du machst mir nur Schereien.“

„Nein... bitte...“

„Maul halten!“

„Schuldig...“

„Was?“

„Es...“

„Was?“

„Es... tut mir... leid...“

„Was tut dir leid?“

„Dass ich dich verletzt habe.“

„Zu spät, Ken.“

Etwas Kaltes wurde gegen Kens Schläfe gedrückt.

„Nein!“
 


 

~ ~ ~ ~ ~ ~
 

„Ich hab ihn!“

Omi sprang auf und rannte zu Aya und Yohji.

„Ich hab ihn gefunden!“

Aya atmete erleichtert auf.

„Wo ist er?“

Omi hielt ihm einen Zettel hin, auf dem der Name eines Hotels stand.

Yohji warf einen Blick darauf.

„Kenn ich, ich weiß wo es ist.“

Aya nickte.

„Dann machen wir uns auf den Weg. Macht euch fertig.“

Omi und Yohji eilten davon.

Aya blieb noch einige Momente sitzen.

„Bitte, Ken, sei noch am Leben. Bitte...“, flüsterte er.

Sie fuhren in rasantem Tempo zu dem Hotel, von dem aus Kens letzte SMS gesendet wurde.

Aya ging schnurstracks zur Rezeption.

„Ist gegen sieben Uhr ein junger Mann hier hergekommen?“ Er schob ein Bild von Ken zu ihr herüber.

Die Rezeptionistin blickte ihn an. Ihre fein gezupften Augenbrauen hoben sich.

„Darüber darf ich Ihnen darüber keine Auskunft geben...“

Ayas Augen verengten sich.

„Keine Auskunft? Hören Sie mal, es geht um Leben und Tod!“

Herablassend schnaubte sie durch die Nase.

„Dann rufen Sie die Polizei...“

Yohji schüttelte den Kopf. So würde das nichts werden... er kam näher, fasste er Aya an der Schulter und zog ihn zurück.

Er beugte sich ein wenig zu ihr.

„Junge Dame... es tut uns ehrlich leid, dass wir Ihnen Umstände machen und Sie hier in Schwierigkeiten bringen. Aber wir machen uns wirklich Gedanken um einen Freund. Und sein Handy wurde als letztes hier geortet. Bitte, wir wollen nur wissen, ob er noch hier ist...“

Die junge Frau sah ein wenig betroffen aus.

Omi grinste in sich hinein. So sehr einem Yohjis Weibergeschichten auf den Nerv gehen konnten, manchmal war sein Charme definitiv von Nutzen.

„Naja... aber Sie sagen keinem, dass ich Ihnen die Information gegeben habe!“

Yohji berührte wie zufällig ihre Hand, schenkte ihr einen vertrauensvollen Blick.

„Keine Sorge, wir behalten das für uns.“

Auch sie beugte sich vor, senkte die Stimme.

„Sie sind um halb sieben hier angekommen und haben das Hotel nicht mehr verlassen. Ich habe sie reinkommen sehen, als meine Schicht anfing und sie sind mir sofort aufgefallen. Einer war Europäer oder so... auffällige Haare so orangerot.“

Aya schluckte.

„Schuldig...“, murmelte er.

Omi nickte nur.

Die Dame sagte Yohji noch die Zimmernummer.

Er dankte ihr, lächelte ihr nochmal zu und winkte dann den anderen.
 

Gemeinsam fuhren sie hoch. Vor der Zimmertür blieben sie stehen.

„So... jetzt müssen wir uns genau überlegen, wie wir vorgehen... wir können nicht einfach reinplatzen...“

Eine kühle Stimme unterbrach ihn.

„Macht euch mal keine Gedanken. Ab hier übernehmen wir.“

Aya wirbelte herum.

Brad Crawford höchstpersönlich stand auf dem Korridor. Hinter den Brillengläsern funkelten die Augen des Amerikaners.

Neben ihm stand Nagi, fixierte Weiß mit seinem unheimlichen Blick und schräg dahinter Farfarello wie ein lauerndes Tier.

„Hast du beschlossen, deinen Schoßhund zurück zu pfeifen, Crawford?“

Oracle lachte nur freudlos.

„Mein Schoßhund... du bist gut. Nein, das nicht, aber es wird Zeit, dass er heimkommt. Er hat auch noch Verpflichtungen.“

Mit diesen Worten öffnete er einfach die Tür.

Aya sah die anderen an. Sie folgten den Dreien von Schwarz ins Zimmer.
 

Es war düster in dem Zimmer.

Auf dem Boden lagen Kens Klamotten. Und daneben sein Handy.

Aya hob es auf.

Plötzlich ertönte ein Mark erschütternder Schrei aus dem Nebenzimmer.

Yohji wollte losrennen, doch Crawford hielt ihn zurück.

„Misch dich da nicht ein. Sonst knallt er dich ab.“, meinte er nur nüchtern und ging.

Er klopfte an die Tür, ging in den Raum und kam wenig später mit einem knurrenden Schuldig zurück.

„Du kommst jetzt wieder mit nach Hause, Schuldig! Genug gespielt!“

Schuldig fluchte zwar, ging aber doch mit.

Er sah Aya an.

„Er is da drin. Aber ich bin noch nicht fertig mit ihm, sag ihm das!“

Crawford sah ihn streng an.

„Komm jetzt!“, schnauzte er Schuldig an.
 

Die Tür fiel ins Schloss und es war still im Raum.

Aya eilte in das Nebenzimmer. Ken lag auf dem Bett, den Kopf im Kissen vergraben und weinte.

Aya setzte sich zu ihm.

„Ken... hey... was ist hier los? Was ist passiert?“

Ken sah auf, schüttelte nur den Kopf und fiel Aya um den Hals.

„Bring mich nach hause, bitte... einfach nach hause...“

Yohji und Omi sahen eine Weile betroffen zu, wie Aya Ken im Arm hielt.

Als der Rothaarige sich schließlich erhob und Ken seine Sachen reichte, seufzte Yohji vernehmlich. "Ist... es vorbei?", fragte Ken, die Stimme kaum mehr als ein heiseres Flüstern.

"Es ist vorbei. Er ist weg."

Ken zitterte noch immer, als er aufstand. Aya stützte ihn ein wenig.

Auch wenn es Ken offenbar unangenehm war, sich so geschwächt zu zeigen. Er brauchte jetzt seine Freunde.

Gemeinsam schafften sie ihn in Ayas Wagen und fuhren heim. Kaum waren sie über die Türschwelle getreten, schlug Ken den direkten Weg zum Bad ein.

Yohji sah Aya an.

"Lass ihn. Er wird Zeit brauchen. Falls er überhaupt jemals die Kraft findet, über all das zu reden.", murmelte Aya nur und ging in die Küche, wo er sich an die Arbeitsfläche lehnte und nachdenklich aus dem Fenster sah.

In den Amethystaugen lag der sehnliche Wunsch, Schuldig dafür bezahlen zu lassen. Doch das würde nicht so einfach werden.

Dennoch, insgeheim schwor Aya sich, die Gelegenheit zu nutzen, wenn sie kam.

Yohji kam zu ihm. Ihre Blicke trafen sich in stillem Einverständnis. Gleichzeitig sahen sie zu Omi, dessen Gesicht eine grimmig entschlossene Miene zeigte.
 

Im Hause Schwarz herrschte eisiges Schweigen. Farfarello beobachtete Crawford und Schuldig, die sich über den Esstisch hinweg anstarrten.

Seine Empathensinne spürten die Spannung, die unausgesprochenen Gefühle, kalte Wut.

Schuldig wirkte trotzig. Seine Augen ließen keine Sekunde von denen des Amerikaners ab und er hatte die Unterlippe leicht vorgeschoben.

In diesem Zustand hatte es keinen Sinn, mit ihm reden zu wollen.

In Schuldigs Augen hatte er nichts falsch gemacht. Weiß waren ihre Feinde und auf die musste man keine Rücksicht nehmen.

Dass Crawfords durchorganisierter Zeitplan gehörig durcheinander geraten war durch die kleine Aktion mit Ken, interessierte den Deutschen reichlich wenig.
 

Nach einer Weile hatte er genug davon, Crawfor danzugaffen und stand auf, um in seinem Zimmer zu verschwinden. Wie ein bockiger Teenager, der wusste, dass er Mist gebaut hatte und dennoch auf stur schaltete.

Farfarello machte die Anspannung im Haus nervös und reizte seine zerstörte Psyche.

Er spielte mit einem Steakmesser, dass jemand unachtsam hatte herumliegen lassen. Seine Finger strichen immer wieder über die gezackte Klinge.

Undeutliches Murmeln unterbrach die drückende Stille. Crawford warf ihm einen Blick zu. Farfarello bemerkte ihn gar nicht.

Nagi schwieg und starrte nur auf seine Hände, vermied jeden Blickkontakt. Egal zu wem.

Crawford erhob sich nun auch.

"Farfarello, du bleibst heute zuhause.", meinte er im Hinausgehen. Der Ire schnaubte nur leise. Das war ihm einerlei.
 

Crawford ging durch den dunklen Flur. Vor Schuldigs Tür blieb er stehen.

"Bleib ja draußen!", ertönte Schuldigs Stimme von drinnen. Crawfords Augenbrauen zogen sich zusammen. Jetzt wurde er eine Spur zu frech.

Er öffnete die Tür und trat ein. Schuldig lag bäuchlings auf dem Bett und hob den Kopf, um seinen Leader anzusehen.

"Sag mal, red ich polnisch?", murrte er.

"Es reicht, Schuldig."

"Lass mich doch einfach in Ruhe!", fauchte der Deutsche, jetzt deutlisch ungehalten. "Ich bin doch wieder hier und es ist nichts weiter passiert, oder?"

Crawfords Augen blitzten kurz auf.

"Du kannst nicht ernsthaft davon ausgehen, dass du Mist baust, dich fadenscheinig entschuldigst und dann alles in Ordnung ist, Schuldig. Irgendwann musst du dich dem stellen, was du angestellt hast."

"Und was dann? Soll ich Reue zeigen und versprechen, es nie wieder zu tun? Mal ehrlich Crawford, wer von uns beiden ist denn noch in der Lage, sowas wie Reue oder Schuld zu empfinden?"

Er setzte sich auf. In seinen Augen lag betonte Gelassenheit, doch Crawford kannte ihn zu gut. In seinem Inneren brodelte es. Wie so oft. Und genauso oft tat er das, was in ihm tobte mit einem arroganten Grinsen ab.

Nur kam er bei dem Amerikaner nicht weit damit.

Schuldig verschränkte die Arme.

"Also? Hältst du mir jetzt 'ne Gardinenpredigt? Wenn ja, dann beeil dich, damit ich wieder meine Ruhe hab."

Einige Augenblicke herrschte Ruhe. Als Crawfords Augen sich verengten, wusste Schuldig, dass er zu weit gegangen war.

"Wofür zum Henker hältst du dich eigentlich?", fuhr Oracle ihn an, "Denkst du, du kannst hier tun und lassen, was dir passt? Meinst du, du bist der Größte? Das bist du nicht, Schuldig! Du bist nichts weiter als ein erbärmlicher Versager, der sich hinter der Fassade des gefährlichen Killers versteckt. Ein genialer Telepath, der leider die dumme Angewohnheit hat, alles als ein lustiges kleines Spiel zu betrachten. Aber eins sag ich dir, Schuldig: Was du mit deinem Leben machst ist mir furchtbar egal. Aber hör auf, den Rest des Teams in Gefahr zu bringen!"

Schuldig zuckte ein wenig zusammen. Crawfords Maske war gefallen. Und was dahinter lag, gefiel ihm nicht.

Wie ein in die Ecke gedrängtes Tier, beging er den nächsten Fehler und versuchte die Flucht nach vorn.

"Ach ja? Ist das so, Brad?", schnauzte er zurück, "Glaubst du, du bist auch nur einen Deut besser als ich? Hältst dich ja auch für den allergeilsten. Immer alles unter Kontrolle haben, immer alles fein nach Plan. Weißt du, was ich glaube? Ich glaube, du kommst nicht damit klar, dass ich nicht dein braves Schoßhündchen bin, dass ich keinen Bock habe, dir in den Arsch zu kriechen. Und dass ich nichtmal für dich berechenbar bin. Tja, Pech gehabt, Mr. Crawford. Aber ich hab eben keinen Bock, immer so zu funktionieren, wie dir das passt!"

Plötzlich stand Crawford direkt vor ihm. Seine Hand schnellte vor und packte ihn fest am Handgelenk. Er zerrte Schuldig hoch.

Sein Gesicht war nun von ungezügelter Wut gezeichnet. Wie zwei Duellanten standen sie sich gegenüber, kurz vor dem Ausbruch. Und wohin der führen würde, stand noch ungeklärt zwischen ihnen...



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Kommentare zu dieser Fanfic (1)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Battosai
2012-02-20T11:16:33+00:00 20.02.2012 12:16
Spannend spannend :D
Einerseit sind die Caraktere ziemlich gut getroffen. Von Schuldig dessen Psycho ziemlich angeknackst scheint vor dem wirklich jeder Angst hätte (Brad ausgenommen) Darum verstehe ich Kens Angst und finde diese berechtigt. Sowie die Weißmitglieder die vor Sorge alles tuen würden, um Ken zu helfen.
Ich bin gespannt wie es weiter gehen wird. Ob es folgen haben wird und was Weiß Plant gegen Schwarz.
Und was Brad mit Schuldig anstellen wird. Mal schauen.
Hoffe auf eine baltige Fortsetzung.
LG Batto


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