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Time after Time - Der Kanon zweier Herzen

The-Bella-und-Edward-All-Human-Story geht weiter!
von

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Prolog

Hallo ihr Lieben !!

Es geht weiter !!! Zwar vorerst erst mit dem Prolog (kurz und knackig aber dennoch aufschlussreich denke ich ^^) und Kapitel 1 folgt erst nach dem 06.06. (weil ich da meine Abschlussarbeit an der Uni abgebe), aber ich freue mich trotzdem riesig, dass das schreiben, posten, reviewn weiter geht ^^). ^^
 

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Musiktipp: Hana Pestle (gecovert von Breaking Benjamin) - I will not bow http://www.youtube.com/watch?v=UhyTEZ8oH6E (wg. acoustic version nicht sooo eine gute quali, aber ich mags total ^^^^^)
 

Wichtig: http://imageshack.us/m/854/15/todesanzeige.jpg
 

Prolog

Edward
 

Ich seufzte und legte das nächste Buch weg.

„Das wird ewig brauchen, bis die Studenten das verstehen, wenn ich mich an die anderen Unterrichtsreihen zu Kompositionen erinnere“, sagte ich matt und sah zu dem Professor auf. „Dabei ist es so einfach… ein Kanon wiederholt sich immer, es kehrt alles wieder, ohne Ende. Außer man unterbricht es gewaltsam von außen…“, murmelte ich und widmete mich dann wieder den Ausarbeitungen.
 

***

Kalt rieb sich die Wand an meinem nur dünn benetzten Rücken. Ich versuchte, so stumm ich konnte, zu schluchzen und das Zittern in meinem Oberkörper zu unterdrücken. Immer wieder atmete ich tief. Die eine Hand das schon ein wenig zerknitterte Dokument haltend. Sie fühlte sich verkrampft an, denn sie kämpfte gegen mich. Gegen meinen Willen das Blatt zu zerfetzen.

Ich legte die Stirn auf den Knien ab, fühlte mich erschöpft, ermattet. Entfernt nahm ich Surren von vielen Stimmen war und mied sie in Gedanken, obgleich ich sie doch hörte.

Für all das, wofür ich so sehr eingestanden hatte, mich bemüht hatte… und meine Mutter… Versagen.

Es musste paranoid auf andere wirken und vermutlich hätte ich unter anderen Umständen nicht hier weinend gehockt, doch jetzt gerade fühlte sich alles falsch an – verkehrt.

„Bella?“, erhob jemand die Stimme am Ende des Flures. Sie hallte zu mir herüber. Ich rieb mir kurz über die Augen und schaute zeitlupenartig hoch. Natürlich kannte ich die Stimme – selbst nach so langer Zeit noch – und hätte den Blick nicht wagen müssen.

„M-Mr. Cullen…“, brachte ich stockend hervor und hustete kurz. Ich sah wie er mit gerunzelter Stirn zu mir herüber kam, während ich mich nicht rührte und nur die verweinten Augen aufriss. Ich musterte ihn, während die Erinnerung an damals in mir pochte, und sah, wie er ruhig zu mir schritt, sanfte Gesichtzüge entblößte und kurz seinen Kragen richtete.

„W-Was machen Sie in Deutschland?“, fragte ich mit kleinen Atempausen. „Und- und was- was- was machen sie vor allem hier?“

„Das Gleiche frage ich dich“, sagte er mit gewohnt ruhiger Stimme, hockte sich zu mir nieder und blitzte mir mit seinen hellen Augen entgegen.

Ein Name, ein ganz bestimmter Namen, pochte in mir, doch gewann nicht die Oberhand. Ich hatte gerade innerlich viel zu viel zu tun, als mich – auch wenn es sehr naheliegend war – zu erinnern. Das war gut, sehr gut, verpackt.

„Warum hockst du hier in dem Nebentrakt?“, fragte Mr. Cullen weiter, während ich schwieg und herabblickte. „Drüben feiern doch alle…“

Ich sah zur Seite und schluckte. Das immer zerknitterter werdende Papier fest in der Hand. Ein Stück Papier…

Mr. Cullen lächelte milde und setzte sich an die Wand des schmalen Flures gegenüber. „Nun ja, dann beantworte ich mal deine Frage, vielleicht beantwortest du mir dann deine“, sagte er freundlich und stellte die Aktentasche sorgsam neben sich. „Ich bin das kommende Semester mit der Auslandsvertretung für unsere Stipendien an der Reihe und mein Büro ist dort in dem Gebäudeteil.“ Er deutete hinter sich. „Mein Kollege war so freundlich, mir diese Aufgabe abzutreten“, seufze er und lächelte mich dann an. „Ich hasse diese langen Flüge… es werden zwar nur zwei oder drei Flüge in der ganzen Zeit werden, aber… nein, das ist nicht so meins, obwohl es interessant ist, mit deutschen Talenten zu reden“, plauderte er locker, die Finger ineinander verschränkt.

Ich starrte vor mir auf mein Zeugnis und spürte wie sich das Beben in meiner Brust legte.

„Warum freust du dich nicht über deine Ehrungen und sitzt stattdessen hier im Dunklen?“, fragte er leise und mit einem Hauch Besorgnis.

Ich schlucke einmal mit trockenem Hals und sah auf, ehe ich die Tränen von meinen Wangen streifte. „Über was soll ich mich denn freuen?“, wisperte ich.

„Deine Auszeichnungen für deine Abschlussarbeit?“, gab er sanft zurück.

„Mr. Cullen- ich…“ Ich atme tief und blickte zur Seite.

„Ja, bitte?“ Sein hartnäckiges Fragen rief Erinnerungen hervor, die in mir sofort – wie ein Feuer unter einer Glasglocke – erloschen.

Ich beugte mich vor und reichte ihm den Zettel. Er strich ihn kurz glatt und seine Augen flogen darüber, während ich meine angespannte Hand langsam wieder spürte.

„Ein herausragendes Zeugnis“, fand er und hob anerkennend die Augenbrauen. „Herzlichen Glückwünsch, Bella, ich bin begeistert“, lobte er mit breitem Lächeln.

„Etwas Entscheidendes fehlt“, fispelte ich und fixierte ihn.

Mr. Cullen runzelte die Stirn.

„Hinter dem Komma“, wurde meine Stimme schlagartig kaum hörbar.

Er atme tief und legte das Blatt zwischen uns auf den Boden. „Deshalb geht es dir so schlecht, dass du weinen musst?“ Ein klein wenig klang der Vorwurf heraus, doch er kaschierte es sehr gut.

Ich schüttelte, gleichzeitig Schultern zuckend den Kopf. „Nein… nicht nur deswegen.“ Einen Moment schwiegen wir. Ich wusste, dass er erwartete, dass ich redete. Anders, er wusste, dass ich es als Einladung verstehen würde. Mr. Cullen stand kurzerhand auf und setze sich neben mich, blickte mich von der Seite an, während ich herab sah.

Kurz durchatmend zog ich dann die Knie zu mir heran und begann leise: „Ich habe mich gehen lassen… seit- seit- seit damals… in- in Amerika.“ Ich fasste mich kurz. „Ich konnte einfach nicht diszipliniert genug lernen und habe mir damit alles kaputt gemacht-“

„Entschuldige, Bella, aber das klingt alles sehr absurd angesichts deines Schnitts. Du redest, als wärst du fast durchgefallen“, unterbrach er mich behutsam.

„So ähnlich fühlt es sich an…“, gestand ich. „Meine Mutter wollte, dass ich stolz auf mich bin, dass ich heute einen schönen Tag habe und meine Ehrungen genieße… da wusste sie ja noch nicht, dass ich gar nicht alle Ehrungen bekommen-“

„Bella, Moment. Entschuldige vielmals, aber wovon redest du? Du bist von drei Kommissionen für deine Abschlussarbeit ausgezeichnet worden. Du machst dir Vorwürfe, weil du nicht den besten Notendurchschnitt hast?“ Sein Blick verriet seichtes Entsetzen.

Auf meiner Wangen klebten die getrockneten Tränen, während ich weiter sprach: „Ich wollte das erreichen. Alles, was möglich war. Nicht, weil es fanatisch ist, sondern weil ich meine Mutter nicht enttäuschen wollte. Sie hatte nie gewollt, dass ich mein Studium wegen ihrer Krankheit vernachlässigte.“

„Bella…“ Mr. Cullen kniete sich vor mich, rüttele kurz an meinen Schultern. „Bella, das ist alles nicht wahr. Das hast du nicht. Du hast exzellente Leistungen erreicht“, verdeutlichte er mit nachdrücklichem Ton. „Deine Mutter ist mit Sicherheit stolz auf dich.“

Ich schluckte hart. „Wäre…“

Mr. Cullen nickte ganz langsam. „Sie ist verstorben…“, sagte er mit einem halb fragenden, halb feststellenden Ton und strich einmal über meinen Oberarm.

„Vor neun Tagen“, sagte ich leise.

„Das tut mir sehr leid, Bella. Mein aufrichtiges Beileid“, sagte er einfühlsam.

„Ich weiß nicht mal, warum ich hier heule… ich wusste es doch die ganze Zeit…“ Ich merkte wie die Tränen in mir hochkamen und meine Stimme wieder heftig zu zittern begann. „Ich wusste es doch damals schon… damals bei Ihnen… b-beim A-abendessen“, schluchzte ich.

„Niemand ist auf einen Verlust emotional vorbereitet, auch du nicht, Bella“, sagte Mr. Cullen mit beruhigendem Ton. „Ich bin mir sicher, deine Mutter wäre nicht enttäuscht, wenn sie jetzt hier sein könnte. Glaub’ mir…“
 

Er ließ mich weinen. Ich weiß nicht, ob es eine, zehn oder hundert Minuten waren. Das einzige, was ich wahrnahm, war, dass mein Kopf immer mehr zu schmerzen begann.

„Was möchtest du jetzt mit deinem Abschluss machen?“, wollte Mr. Cullen nach einer gefühlten Ewigkeit wissen. „Wie stellst du dir deine Zukunft vor?“

Ich zuckte zunächst mit den Schultern und schüttelte dann den Kopf.

„Ich… ich weiß es nicht, ich habe keine Ahnung…“, sagte ich mit einem kleinen Schluchzer.

„Das ist etwas, was ich an dir noch nicht kenne“, lächelte er neben mir.

Ich schmunzelte ganz leicht an ihm für ein paar Sekunden.

„Hast du mal darüber nachgedacht, nach Amerika zurückzugehen?“, regte er ganz leise und vorsichtig an.

Ich blickte mit großen Augen auf. „Zurückgehen?!“ Ich hustete kurz. „M-Meine Mutter ist gerade tot und ich soll sofort nach Amerika gehen, jetzt, wo sie endlich nicht mehr lebt?!“, gab ich entrüstet, jedoch nur halb so laut, wie ich wollte von mir.

Mr. Cullen blieb einen Moment still und streichelte über meinen Oberarm. „Du flüchtest nicht, Bella, oder nutzt ihren Tod aus. Du siehst nur nach vorne und tust, was deine Mutter sich bestimmt auch für dich gewünscht hätte… Sie hätte gewollt, dass es dir gut geht und du glücklich bist, hab ich nicht recht?“ Seine Gesichtszüge wurden weicher, während ich ihn musternd ansah. „Ich kann mir vorstellen, dass deine Mutter eine sehr liebenswürdige Person war und nur dein Bestes wollte – weshalb sie dich auch damals nach Amerika schickte, richtig?“

„Ich k-kann sie nicht so verraten! Verstehen S-Sie das ni-hicht?!“, stotterte ich unter Tränen.

Er schüttelte den Kopf. „Du verrätst sie, wenn du hier bleibst, obwohl du es nicht möchtest…“

„Ich möchte doch!“, widersprach ich und atme heftig, um nicht zu sehr zu schluchzen. „Ich lebe gerne in Deutschland-“

„-aber du würdest auch gerne in Amerika forschen, wo du sehr viele Möglichkeiten hättest, oder?“, fiel er mir mit fester Stimme ins Wort. „Hör mal, Bella“, er hielt mich an den Schultern und blickte mir direkt ins Gesicht, „einem solchen Verlust, wie du ihn erlebt hast, und die ganzen Jahre, in denen du dich so bemerkenswert aufgeopfert hast, so was geht nicht spurlos an einem vorbei. Ich verstehen, dass das jetzt alles für dich viel ist. Aber du bist stark und du schaffst es nach vorne zu sehen…“

Ich fuhr mir durch das zerzauste Haar. „Das ist alles nicht so einfach, wie Sie sich das denken-“

Besonders weil… weil er da ist… Niemals würde ich gehen.

Er räusperte sich und sagte leise: „Bella, wenn es… wenn es um Geld geht-“

Ich schüttelte den Kopf. Die Hand an der Stirn. „Darum geht es nicht. Meine Mutter hat mir eine Kleinigkeit hinterlassen. Das ist es nicht… ich kann nicht sofort nach ihrem Tod hier verschwinden. Das geht nicht…“

Und ich kann ihn nicht wiedersehen. Diese beiden Gründe werden nicht geringer werden, nie.

„Wenn du eine Stelle antreten würdest, nur mal angenommen“, fügte er sofort hinzu und hob fast abwehrend die Hände, „dann würde diese erst zum Studienbeginn im September bzw. Oktober anfangen. Wir haben erst Ende Juli… du hättest noch genug Zeit hier. Du musst nichts überstürzen und auch keine Entscheidung jetzt sofort treffen, ich möchte nur, dass du weißt, dass es diese Option gibt und dass ich dich sehr schätze.“

Ich schloss die Augen, den Hinterkopf an die Wand gelehnt und versuchte an nichts zu denken. Die Wünsche und Bilder nicht in mir hochkommen zu lassen. Versucht ruhig atmend hörte ich wie Mr. Cullen sich erhob und als ich die Augen wieder öffnete, sah ich, dass er mit nach unten ausgestreckter Hand vor mir stand. Ich kam dem kurzerhand nach und ließ mich von ihm heraufziehen, nachdem ich den Wisch aufgehoben hatte.

Er langte in seine Innentasche des Jacketts und reichte mir eine Visitenkarte.

„Du kannst jederzeit anrufen“, sagte er, dass ich sogleich wusste, dass die Karte ihren Weg in den Müll finden würde.

„Ach und… Bella…“, sagte er noch, ehe er um die Ecke bog. „Edward lebt nicht mehr in Seattle. Er ist nach seinem Abschluss vor ein paar Wochen weggezogen.“

Ich riss die Augen auf und starrte ihn an. Er war- er ist- hallte es in mir und bei seinem Namen flackerten die Bilder in mir hoch

Mr. Cullen blickte herab und sagte noch, bevor er aus meinem Blickfeld verschwand: „Es tut mir leid, was wir damals von Edward und damit auch von dir verlangt haben. Es ging ihm danach sehr schlecht…“

Ich rührte mich nicht und vernahm nur noch seine Schritte hallend im dem leeren Flur. Die Karte sich in meine Hand einbrennend.

Mir auch… aber das alles ist zweieinhalb Jahre her…
 

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Hoffe eucht hat der Einstieg zur neuen FF gefallen ^^ Bin gespannt was ihr sagt ^^
 

Natürlich gibts auch wieder Musik als Motto.. dieses Mal nicht die Symphonie, sondern der Kanon ;)

A: Neutron Star Collision

huhu^^
 

so. bevor ich morgen für eine woche nach kreta fliege, schulde ich euch noch ein kapitel :)

ein ganz besonderes kapitel, was ich schon laaaange bei SM im kopf hatte ^^

ich bin total gespannt, was ich nach dem urlaub (oder während wenn ich die möglichkeit habe :)) hier für kommentare und meinungen vorfinde :)^^
 

allein schon bei der musik zu dem kap, krieg ich gänsehaut... ich hoffe, dass es euch so gehen wird beim lesen!
 

Musiktipp:

Muse - Neutron Star Collision - http://www.youtube.com/watch?v=tLnY0M2vqW4 (was auch sonst ;)^^)
 

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http://i52.tinypic.com/t8n1j8.jpg
 

Ich blickte auf mein Handy und erkannte eine amerikanische Vorwahl.

„Bella Swan?“, meldete ich mich.

„Hallo Bella, Mr. Cullen hier“, tat er gleiches und ich nickte innerlich. „Freut mich, dass das alles so reibungslos geklappt hat. Hast du die Unterlagen erhalten? Auch wegen der Wohnung? Ist das in Ordnung für dich? Bist du mit deinem Arbeitsfeld an der Uni zufrieden?“

Ich nickte, das Telefon am Ohr. „Ja, vielen Dank. Ich bin sehr gespannt auf die Stelle. Das ist ein super Einstieg“, sagte ich. „Und die Wohnung ist klasse, vielen Dank für ihre Hilfe. Ich denke, ich habe dann alles, was ich brauche.“

Ich konnte sein Lächeln förmlich durch den Telefonhörer sehen. „Das freut mich – und noch mehr, dass wir dich bald wieder hier an unserer Universität haben. Dann sag ich bis bald? Wir werden uns dort bestimmt mal sehen“, sagte er.

„Ja, genau“, stimmte ich zu. „Mr. Cullen?“, fragte ich dann und versuchte den Unterton nicht plötzlich zu ändern, obwohl es eigentlich ein ganz anderes Thema war.

„Es bleibt dabei, dass Sie Edward nichts sagen?“, wollte ich leise wissen.

„Natürlich, du hast mein Wort.“
 

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Ich atmete tief die angenehm warme, frische Luft ein und hielt das Gesicht einen Augenblick in die Sonne, ehe ich die Einkaufspassage weiter schritt. Bei mir trug ich eine Tasche mit ein paar Kleinteilen, die mir noch für meine neue Wohnung fehlten. Wirklich kam es mir noch nicht vor, dass ich zurück in Seattle war und übermorgen meine neue Stelle antrat.

Wie würde es wohl sein, an die alte Uni zurückzukehren? Nun jedoch als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der medizinischen Abteilung… allerdings musste ich mir keine Sorgen machen, jemand ganz bestimmten dort zu treffen. Er hatte genau wie ich vor ein paar Monaten das Studium abgeschlossen und war fort. Was würde er nun tun? Spielte er in den größten Konzertsälen der Welt? Vielleicht sogar… mein Lied?

Ich lächelte etwas, während ich in Erinnerung schwelgte. Es war ein komisches Gefühl wieder hier zu sein, aber noch viel merkwürdiger war es, so ohne Weiteres an Edward zu denken. Jetzt begann etwas Neues, etwas ganz Neues. Ein neuer Lebensabschnitt ohne Altlasten und der innere Stich, den ich noch sehr lange nach der Trennung empfunden hatte, konnte nicht mehr so treffen wie damals…
 

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Ich hatte keine Ahnung, wie ich aussah, aber ich wusste, wie ich mich fühlte und fürchtete, dass mein Äußeres ein Spiegel dessen war, dachte ich wirr durcheinander. Mir war übel. Mir war schwindelig. Mein Kopf pochte und meine Lunge rebellierte, da ich vom Weinen immer schneller atmen wollte, als ich konnte. Ich hatte noch nie so lange geweint. Und auch der Schlaf war weder hilfreich, noch erholsam. Ich hatte vom ihm geträumt. Er – klar und deutlich vor meinem inneren Auge.

Ich schleifte mein Handgepäck ein wenig über den Boden, während ich mit der Menge aus dem Flugzeug zu den Gepäckbändern lief.

Mit größter Anstrengung, die an meinen Kräften zerrte und meine Nerven hauchdünn werden ließ, presste ich alle aufkeimenden Bilder in mir herab, in Richtung Magen, wo sie schmerzhaft in mir lagen und sich scheinbar stapelten. Ich fühlte mich schwer, erdrückt.

Du siehst gleich deine Mum wieder! Du siehst gleich deine Mum wieder! Du siehst gleich deine Mum wieder!

Es half nicht.

Die Blicke von rechts und links kümmerten mich nicht. Nicht mal, wenn mich jemand ansprach, ob er mir helfen konnte. Starr dreinblicken wartete ich geschlagene Stunden, so kam es mir vor, auf meine Koffer.

Mit den Koffern in den Händen schlug ich einen anderen Weg ein und verließ nicht die Halle, sondern ging zunächst auf die Toilette, wo ich umständlich meine Kulturtasche heraus kramte, um mein Gesicht mit Make up zu pflastern. Vielleicht, so glimmte ein Hoffnungsschimmer in mir, nahm mir meine Mutter das Schauspiel ab.

Ich trug noch eine großzügige Schicht Puder auf, die mehr enthüllte, als verdeckte, und machte mich auf den Weg in Richtung Ausgang.

Deine Mum… deine Mum… sie braucht dich jetzt. Du siehst sie endlich wieder!, herrschte ich mich innerlich an und krampfte die Hände an den Koffer.

Die Tür öffnete automatisch vor mir und ich blickte mich zwischen den vielen wartenden Menschen um. REISS DICH ZUSAMMEN VERDAMMT!, schrie ich mich selbst in meinem Inneren an, sodass ich zusammenzuckte.

„Bella!!“, hörte ich die piepsige, mit Sicherheit schluchzende, Stimme meiner Mutter von irgendwoher. Suchend wandte ich mich zu allen Seiten.

Kaum hatte ich sie entdeckt, schloss sie mich in die Arme, sodass die Koffer mir zu Boden glitten. Ich setze schlagartig ein breites, erfreutes Lächeln auf.

„Ich habe dich so vermisst! Endlich bist du wieder da!“, wimmerte sie mir überglücklich ins Ohr. Phil schräg hinter ihr stehend mit einem Honigkuchenpferdgrinsen.

„Wie war’s in Amerika? Wie war das Studium? Wie geht es Charlie?“, plapperte sie an ihrem Gesicht herum wischend los. Sie hielt mich von sich weg und betrachtete mich strahlend vor Glück.

„Was ist passiert?“, machte sie plötzlich große Augen, als sie mich näher ansah. Hatte ich überlegt, dass sie mich nicht durchschaute? Dass sie mich nicht so gut kannte?

Okay, dann anders.

„Ich habe dich so vermisst“, blieb ich bei der Halbwahrheit und drückte sie fest an mich, ließ die Tränen kullern.

Ich vermisse dich, ich vermisse dich, E-

„Nein“, wimmerte ich an ihr und hielt sie ganz fest.

„Nein?“, sagte meine Mutter irritiert mit einem halben Lächeln.

„Doch, doch“, nickte ich, „ich habe dich so vermisst“, wiederholte ich trocken.

Meine Mutter sah etwas verwirrt drein, während Phil zu mir schritt und mir etwas den Arm tätschelte.

„Schön, dass du wieder da bist, Bella“, lächelte er. „Du hast bestimmt Hunger, oder? Und eine Menge zu erzählen?“, sagte er freundlich.

Ich nickte einfach nur.

„Oder schlafen? Bist du müde?“, ergänzte meine Mutter. „Wir nehmen deine Koffer-“ Phil nahm sogleich beide, ehe meine Mutter auf die Idee kommen konnte, diese zu tragen.

Sie hielt den Arm um mich und führte mich aus dem Flughafengebäude, während ich, Weinen und Schluchzen unterdrückend, herabsah und ihre Stirn runzelnden Blicke erntete. Ich konnte mich nicht erinnern, dass sie mich jemals so hatte weinen sehen. Ich hatte mich immer zusammengerissen. Doch jetzt gerade ging das nicht, egal wie sehr ich es wollte.

Sie umarmte mich und streichelte meinen Rücken, während Phil wenig später die Koffer einlud. Leise atmete sie tief durch und schaute in meine verweinten Augen.

„Edward?“, wisperte sie das verbotene Wort.

Ich erwiderte nichts. Schwieg. Sie nickte nur und ließ mich einsteigen.
 

Auf der Fahrt hatte ich nicht geweint. Nicht richtig. Geschluchzt, gezittert und mich mit dem Zuhören der Motorengeräuschen abgelenkt. Meine Mutter verwickelte Phil in Gespräche und berichtete nebenbei ein wenig, wie es ihnen so ergangen war. Ich nickte hin und wieder.

Wie grausam. Sie war wieder erkrankt und ich war endlich bei ihr und ich konnte weder Interesse zeigen, noch meine Zuneigung zu ihr…
 

„Bella…“, sagte meine Mutter flüsterleise, als sie in mein Zimmer kam und sich zu mir ans Bett setzte. „Sei bitte nicht so traurig…“

Ich sah blinzelnd, wie sie eine Kanne Tee und eine Tasse auf meinen Schreibtisch stellte und mir dann über den Rücken strich, während mein, sonst rotes, Kissen, stellenweise dunkelrot gefärbt war.

Ich schluckte weinend und sah sie an. Ich konnte einfach nichts sagen. Was sollte ich sagen?

„Du kannst zurück“, sagte sie sanft. „Du kannst ganz bestimmt noch ein Semester dort verbringen. Oder vielleicht länger?“

Ja. Ich konnte zurück. Aber ich durfte nicht. Er begann ein neues Leben mit einem Kind und ich musste meiner Mutter beistehen.

„Das lässt sich bestimmt einrichten, Schatz“, fuhr sie fort und streichelte mich weiter. „Ich komme hier klar. Mich erwarten sowieso erst mal nur Untersuchungen, Chemotherapien und so weiter. Nichts Spannendes“, lächelte sie matt.

Wo ich sie jetzt so betrachtete, wirkte ihr Gesicht karg und erschöpft. Ihre Hautfarbe war dem Gesunden, Strahlenden, gewichen und schien etwas gräulich.

„Du würdest ihn bestimmt schnell wiedersehen…“

Ich schloss kurz die Augen, um den Schmerz, allein schon bei der wagen Vorstellung, auszuhalten und dann in mir zu erdrücken. Ausgeschlossen.

Ich richtete mich auf meinem Bett auf und hockte mich hin. Atmete mehrere Züge tief und nahm von ihr die Tasse Tee entgegen.

„Mum, ich will nicht zurück. Mir geht es gut. Klar heule ich jetzt etwas, aber morgen sieht das alles schon ganz anders aus. Man muss eben Abschied nehmen“, sagte ich tonlos und hob die Mundwinkel leicht – so gut es ging.

Besorgt sah sie mich an und verließ dann nachdenklich mein Zimmer, damit ich weiter mein Kissen nässen konnte…
 

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Ich wischte die klägliche Erinnerung an meine Ankunft damals zur Seite und steuerte spontan einen Coffee-Shop an. Am besten kaufe ich danach noch ein paar Lebensmittel ein und mache mich dann weiter ans Einräumen zu Hause, überlegte ich und stellte mich an die Schlange an. Und ich muss noch nach Badezimmermöbel schauen und eine Kommode oder ein weiterer Schrank im Schlafzimmer wäre auch nicht schlecht, schrieb ich innerlich eine To-Do-Liste und studierte die an der Wand hängende Karte, während um mich herum viele Stimmen surrten.

„Einen Cappucino zum mitnehmen“, bestellte ich, als ich an der Reihe war und einer weiter hinter mir in der Schlange wurde bereits aufgerufen wurde. Ganz schön schnell… dachte ich mir, als ich sah wie die Angestellten rotierten.

„Einen Kaffee zum mitnehmen und- einen Moment…“

Die Stimme glitt mir durch Mark und Bein. Ich spürte wie mir meine Gesichtszüge entglitten und sich etwas sehr Hartes, Schweres auf mein Inneres legte.

Reflexartig blickte ich zur Seite, wo jemand hervortrat und ein kleines Kind an die Scheibe vor den Sandwiches und süßen Snacks gehalten wurde. Es patschte mit den kleinen Händen vor die Scheibe. Die blauen Augen strahlten den Leckereien entgegen.

„Welchen Muffin möchtest du? Den hier? Oder den mit Schokolade oben drauf?“

Vorsichtig, als wüsste ich es nicht sowieso schon, wandte ich den Kopf weiter nach links, etwas zu dem Mann herauf. Mein Herz verweigerte längst seinen Dienst.

„Da“, sagte der Kleine und trommelte mit der Hand auf der Scheibe vor den Schokomuffins herum.

„Okay, dann nehmen wir noch so einen Muffin und eine Kakao noch bitte“, sagte er aufblickend und nahm nun meinen Blick wahr.

Zeitlupenartig stellte er sich wieder auf, den Jungen auf seinen Arm hebend, und fing meinen Blick auf. Ich glaubte, genauso auszusehen. Seine Augen weiteten sich etwas und er öffnete den Mund einen Spalt. Ein Hauch verblasste seine Gesichtsfarbe.

„Bella…“, formten seine Lippen und seine Augen glitten über mein Gesicht, so wie ich es ihm gleichtat. Ich fixierte die warmen, grün schmelzenden Augen.

„Ihr Cappucino, Miss“, wies mich der Barista hin. Ich riss mich gedanklich kurz von ihm los und kramte in meinem Portmonee.

„Hast du einen Moment?“, sprach Edward mich von der Seite an. Perplex und fürchterlich durcheinander nickte ich etwas.

„Doch zum hier trinken bitte“, reagierte Edward und deutete auf meinen Cappucino und seinen Kaffee. „Das geht alles auf mich.“

Ich rückte instinktiv zur Seite und versuchte angestrengt Funktionen wie atmen und stehen aufrecht zu halten – und nebenbei das Denken wieder anzukurbeln. Er stand hier, hier vor mir. Hätte ich den Arm ausgestreckt, hätte ich ihn berührt…

Mit jedem Blick, dem ich seinem Antlitz schenkte, kamen mehr und mehr Bilder und Erinnerungen in mir hoch… Gefühle…

Er setzte das Kind ab und nahm das Tablett, ehe er sich zu mir drehte. Wieder vergingen vielleicht zwei Sekunden, die wie Stunden zu kriechen schienen, in denen wir uns ansahen.

„Setzen wir uns… dort drüben hin?“, fragte er ein wenig zurückhaltend, während ich immer noch keinen Ton herausbrachte. Zumindest nicht daran glaubte. Ich nickte wieder bloß und ging vor zu den vier schmalen Sesseln um einen Beistelltisch herum, wo Edward das Tablett abstellte.

„Bei Papa auch sitzen“, sagte der kleine Junge, sobald wir uns gegenüber gesetzt hatten und er auf seinen Schoß gekrabbelt war.

„Collin, du kannst doch auch auf dem anderen Sessel sitzen“, sagte Edward ruhig und hob ihn rüber, reichte ihm den Muffin, was ihn sofort beschäftigte.

Ich rührte mich nicht und beobachtete nur. Sein Sohn… Collin… Ich betrachtete den kleinen Kerl mit den rosigen Bäckchen, den vollen Lippen, dem dunkelblondem feinen Haar und blauen Kulleraugen, wie er nach wenigen Bissen Gesicht und Hände schon komplett mit Schokolade vollgekleistert hatte.

„Und… wie geht’s dir?“, erklang ein sanftes Glockenspiel, was mich den Blick von Collin abwenden und zu Edward aufsehen ließ. Mein Magen versuchte sich an doppelten Salti.

„Gut“, sagte ich mit Verzögerung und verschlang seine Blicke. Mein Herz raste in meiner Brust, während ich wie paralysiert da saß.

„Und… was machst du hier?“, fragte er leise weiter, nippte an seinem Kaffee.

Ich holte tief Luft. Das konnte alles nicht real sein… „Na ja, ich-“

„Papa essen“, unterbrach Collin mich und hielt den Muffin mit ausgestrecktem Arm zu Edward hoch. „Sokolade“, kicherte der Kleine.

„Ja, ich weiß“, sagte Edward mit einem kurzen Lächeln, etwas abgelenkt, „der ist lecker, ne? Warte, trink auch mal was, sonst schimpft Mama“, sagte Edward leiserwerdend, was mich innerlich noch mehr aufwühlte. Wie Tanya Edward angeschrien hatte damals… wie sie zusammengebrochen war… Wie war es jetzt? Wie war das Verhältnis jetzt? Und wie… aber- wieso war er überhaupt hier?

Edward langte nach der Tasse Kakao, dass er Collin vorsichtig zum Mund führte und ihn trinken ließ.

„Entschuldige, du wolltest was sagen?“, sagte Edward dann zu mir und fixierte mich wieder.

„Ich… na ja ich… dein Vater hat mir einen Job in der medizinischen Fakultät beschafft und ich bin Anfang der Woche hergezogen“, erzählte ich. Meine Stimme klang merkwürdig. Sie hörte sich nicht wie meine an. Sie hallte auch komisch…

„Na ja, die Wohnung hat er mir auch besorgt“, gestand ich ein. Das hörte sich in meine Ohren zu sehr nach Vitamin B an, dachte ich innerlich seufzend.

„Mein Vater?“, schaute er mich verdutzt an. „Das… das wusste ich nicht…“ sagte er nachdenklich. Auch seine Stimme klang anders. Zitternd, wenn gleich vollkommen ruhig seiner Fassade glich. Pochte sein Herz genauso aufgeregt wie meines? Er trank einen Schluck. Ich machte es ihm rasch gleich und nahm direkt mehrere Schlücke vor Nervosität – was der Kaffee vermutlich nicht bessern würde.

Edward schaut mich lange an. Sein Blick durchbohrte mich förmlich und ich konnte in seinen Augen sehen, wie rasch seine Gedanken liefen.

„Ich kann nicht glauben, dass du jetzt hier vor mir sitzt…“, wisperte er und betrachtete mich wie eine faszinierende Sehenswürdigkeit.

„Ich… auch nicht“, erwiderte ich nickend und schwieg dann, wie er auch. Mein Blick schweifte zu Collin, der fröhlich vor sich hin schmatzte und das Sofa und sich voll krümelte. Ich schmunzelte automatisch und sah dann wieder hoch zu Edward, der es gesehen hatte.

„Wie geht es ihm… und Tanya? Wie ist es euch ergangen?“, wollte ich wissen. Die Gespräche mit ihm über Tanya und die Schwangerschaft, wie er gelitten hatte, kamen in mir hoch. Und das damals war ja nur der Anfang gewesen…

„Eine lange Geschichte“, sagte er und lächelte etwas. „Du kennst ja nur den Anfang“, fügte er ebenfalls leise hinzu und ich merkte den leichten Knick in seiner Stimme.

Ich nickte und stellte die leere Tasse auf das Tablett, wo Edwards bereits verweilte. Krampfig? Nein… das Gespräch war doch nicht krampfig, kam es mir in den Sinn und ich musste kurz lachend aufschnauben. Edward grinste ebenfalls und widmete sich dann Collin. Er nahm ihm den Muffin ab, eher das, was davon noch übrig war, und gab ihm wieder etwas von dem Kakao.

Ich saß einfach da und beobachtete alles. Wie er sich bewegte, was er sagte. Er holte ein Tuch aus seiner schwarzen Umhängetasche und wischte Collin den Mund sauber.

„Mama will Sokolade“, forderte der Kleine und streckte die Hand zu dem Krümelhaufen auf dem Tablett aus.

„Nein, nein, Mama hat zu Hause auch etwas zu Essen“, sagte Edward und nahm ihn auf seinen Schoß. „Das nehmen wir nicht mit.“

„Aber Mama auch“, widersprach Collin und streckte sich wieder zu dem Muffin.

„Die Mama hat alles zu Hause“, wiederholte Edward sachte, stand auf und nahm ihn hoch. Edward sah zu mir herab. „Möchtest du noch ein Stück mit uns gehen? Oder… hast du Termine?“ Er lächelte schief. Ich ergötze mich an diesem Lächeln den Bruchteil einer Sekunde – er schien nicht vergessen zu haben, dass ich damals immer zu tun hatte – und stand dann auf. „Nein, ich habe Zeit. Ich brauchte nur noch ein paar Sachen für die Wohnung und nachher muss ich noch einkaufen“, sagte ich und brachte das Tablett weg, während ich Edwards Blick in meinem Nacken brennen spürte.

„Ich geh noch kurz zur Toilette“, deutete ich ihm an und verschwand rasch.

Oh Gott.

Ich wusch mir die Hände und starrte in den Spiegel, zupfte, einfach, um irgendetwas zu tun, an meinen Haaren herum. Er… Edward- oh Gott- hier- mit dem Kleinen- wie groß er war- und Tanya- und damals-, rannten meine Gedanken an meinem Verstehen vorbei.

Ich verließ das Klo und ging durch den Laden in Richtung Ausgang, da ich Edward und Collin draußen sah. Langsam schritt ich auf die beiden zu und beobachtete sie etwas. Edward hatte sich zu Collin gehockt und hielt ihn leicht an den Armen.

„Collin, du brauchst nicht so zu schreien. Die Mama hat auch Schokolade zu Hause und bei der Wärme schmilzt die Schokolade.“ Er sah ihn eindringlich an, der Kleine setzte eine Art Schmollmund auf und warf sich dann in Edwards Arme, sodass dieser ihn umarmte, hochnahm und ich nun rasch zu ihnen ging.

„Wir können“, sagte ich kurz lächelnd zu Edward.

„Wo musst du denn hin?“, erwiderte er die Frage, während Collin über seine Schulter schaute.

„Ich muss die Passage noch weiter runter, zur Bahn“, sagte ich.

„Dann kommen wir bis dahin noch mit“, erwiderte er, ließ Collin wieder runter und machte sich auf den Weg, während der Kurze neben ihm her tapste und ein bisschen mit seinem Schatten zu spielen schien.

Wir liefen ein paar Meter still nebeneinander her, bis Edward fragte: „Darf ich mich erkundigen, wie es deiner Mutter mittlerweile geht?“

Ich schaute kurz zur Seite zu ihm und dann wieder gerade aus, um mich kurz zu sammeln. „Sie ist gestorben. Vor gut zwei Monaten“, antwortete ich tonlos.

„Oh“, sagte er sichtlich verlegen, doch die Entrüstung war ihm gleichermaßen ins Gesicht geschrieben. Er dachte vermutlich schöne Nachrichten zu hören – aber dann wäre ich nicht hier und wir hätten uns hier nicht getroffen.

„Das tut wirklich sehr leid“, sagte er in aufrichtigem Ton und blickte mich von der Seite an. Er verlangsamte die Schritte ein wenig, ließ Collin etwas um seine Beine tanzen.

„Es war damals schon absehbar, nur eben der genaue Zeitpunkt nicht“, sagte ich lediglich.

Ich spürte seinen mitleidvollen Blick auf meiner Wange, bevor er sich wieder nach Collin umsah.

„Na ja, ich muss jetzt hier runter“, murmelte ich, blieb vor den Treppen zur U-Bahn-Station stehen und sah herab auf meine Einkaufstaschen.

„Ja…“, sagte Edward langgezogen und stand vor mir, Collin an der Hand haltend, der mit den Treppen sympathisierte.

Mutig blickte ich auf und ließ mich bereitwillig von dem grünen Magnet in den Bann ziehen. Seine Gesichtszüge waren immer noch so weich und sein Gesichtsausdruck immer noch so warm und innig wie damals. Die leichten Fältchen unterhalb der Augen waren jedoch ein klein wenig tiefer geprägt, als meine Erinnerung es verlauten ließ. War es ihm nicht so gut ergangen? Oder kam mir das alles nur vor, weil ich es vermutete? Weil ich es mir auf eine Art wünschte?

„Hören wir noch mal voneinander? Sehen wir uns noch mal?“, fragte er. Es wirkte etwas drängelnd, obgleich er sich um Geduld bemühte.

„Ja.“ Mehr kam aus mir in diesem Moment nicht raus. Zu viel kreiste in meinem Kopf wirr herum.

„An der Uni? Oder… also ähm… wo wohnst-“

„An der Uni?“, unterbrach ich ihn wiederholend und starrte ihn an. Welche Uni… fragte ich mich innerlich, obwohl es mir klar war.

Er sah mich etwas verwirrt an. „Äh ja… ich arbeite dort ja bei der Konzertvorbereitung mit und unterrichte auch die Erstsemester. Hat dir mein Vater das nicht gesagt?“ Ich konnte nicht antworten, da Edward in diesem Moment Collin schnappte, der an seiner Hand zerrte, und über die Schulter hob, sodass er ihn ansehen konnte. „So mein Freund, jetzt lässt du mich mit Bella noch ein paar Worte wechseln und dann fahren wir auf den Spielplatz“, sagte er lachend, während sein Sohn zappelte.

Ich grinste etwas und erwiderte dann: „Nein, das wusste ich nicht. Ich dachte du spielst dir jetzt in den größten Hallen Amerikas die Finger wund.“

Er lachte und ich genoss es, wenngleich die Anspannung überall in mir zu spüren war. „Nein, also ich spiele auch bei Konzerten mit, aber nur ab und zu an Wochenenden“, sagte er mit freudigem Gesichtsausdruck. „Also… ich- ich gebe dir mal meine Handynummer? Oder…“, ließ er es in der Schwebe. Einen Hauch genoss ich seine Unsicherheit – ganz am Rande der vielen anderen Empfindungen, die sich in mir überlagerten.

„Vielleicht…hm na ja… wir sehen uns bestimmt in der Uni oder? In der Mittagspause oder so“, wiederholte ich ihn nun auch nervöser werdend.

„Ja, ja bestimmt… also ganz sicher sogar…“, nickte er Collin bei Laune haltend.

„Ich muss jetzt“, murmelte ich herab zu der Unterführung deutend.

„Ja“, nickte er, „ich… ich hab mich sehr gefreut, dich wieder zu sehen“, sagte er leise.

„Ich mich auch“, stimmte ich ihm zu, während wir einander fragend, was jetzt kam und wie wir uns verabschiedeten, anblickten. Mein Magen überschlug sich, die Stille war unangenehm drückend.

„Bis bald“, fasste sich Edward ein Herz und streckte die Hand zu mir aus. Nach kurzer Irritation nahm ich sie und schüttelte sie – die andere Hand ballte ich im Rücken und unterdrückte ein Keuchen. Diese Wärme… seine weiche Hand… Seine Finger glitten kurz über meine Handinnenfläche. Ich atme flüsterleise ein und wir nahmen unsere Hände voneinander.

„Bis bald“, formten meine Lippen kurz und ich tapste die Treppenstufen herab. Man sieht sich immer zweimal im Leben…, kam es mir spontan innerlich in den Sinn. Ich blickte nicht zurück, sondern nach vorn.
 

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Bin supi gespannt auf euer urteil ^^

bis ganz bald ihr lieben !!!
 

und nicht den DH-Award vergessen ;)

B: Neu

Musiktipp:

Adele – Turning Tables http://www.youtube.com/watch?v=0EJZ7q7iee8&feature=related

ich liebe das lied!!! (auch wenn das jetzt die ruhigere version ist...)

das wird vermutlich noch zu soooo vielen kaps passen, dass ich es noch mal iwo posten muss :blush: ^^
 

http://i54.tinypic.com/2435gs7.jpg

von der lieben dawni ^^
 

(kleine vorwarnuing: es gibt ein paar POV- und Zeitsprünge... ich denke es wird aber verständlich wenn man weiter liest ^^)
 

Mir war flau im Magen. Nicht übel, aber…

Ich atmete zum wiederholten Male tief durch, während die Bahn mich nach dem Einkauf nach Hause brachte.

Er war hier. Nein, anders, Schwachsinn. Er war natürlich hier, er lebte hier, aber er war gerade hier gewesen, vor mir. Ich hatte ihn berührt.

Ich stand auf, als meine Haltestelle durchgesagt wurde und stieg aus.

Edward und wegziehen?? Wie konnte ich Mr. Cullen das geglaubt haben? Edward würde nicht alleine wegziehen. Und er würde nicht mit seinem Kind von Tanya wegziehen. Aber- hatte ich nicht eigentlich gedacht, dass er mit Tanya wieder zusammen wäre und alle gemeinsam fortgezogen waren?

Bella, beruhig dich, verdammt noch mal.

Ich lief ein paar Meter.

Warum hatte Mr. Cullen das gesagt? Ich konnte mir keinen Reim darauf bilden. Warum? Was versprach er sich davon? Oder war es doch wahr gewesen und nun nur nicht mehr aktuell? Aber dann hätte Edward mir das doch gesagt… oder? Wollte er einfach, dass ich kam, um in der Uni zu arbeiten?

Ich schloss die Haustür auf und stiefelte die wenigen Treppen zu meiner Wohnung hoch. In meinem Kopf hüpften die Fragezeichen auf und ab.

Kaum war ich wenige Minuten dort drinnen und hatte mich ein wenig gesammelt, klingelte es an meiner Tür. Ich ahnte es schon und musste etwas schmunzeln, wenn auch gerade alles durcheinander in mir war.

„Hey Bella…“, sagte Haily, meine quirlige Nachbarin, die mit einem etwas beschämten Ausdruck vor mir stand.

Ich grinste und es fühlte sich schmerzhaft an. „Hi, was brauchst du?“, fragte ich direkt aus Erfahrung nach. Ich wohnte zwar erst wenige Tage hier, aber dass Haily nur die Hälfte eines Rezepts einkaufte, weil sie entweder die Hälfte vergaß oder nicht daran gedacht hatte, es sich aufzuschreiben, hatte ich schon mitbekommen.

„Zucker…?“ Sie neigte den Kopf peinlich berührt zur Seite, hielt einen leeren Behälter hoch und lachte dann. „Mein Freund hat Montag Geburtstag und ich muss noch so viel vorbereiten und ich schaffe es heute nicht mehr einzukaufen und so viel Zucker für den Teig hab ich nicht mehr-“

„Kein Problem“, lächelte ich. „Wie viel brauchst du denn?“

Erleichtert strahlte sie mich an und kam rein zu mir, füllte sich etwas Zucker ab und dankte mir noch mindestens zehnmal.

Ich schloss die Tür wieder hinter ihr und setze mich erstmal auf die Couch im Wohnzimmer, weil ich mich merkwürdig und fast wackelig auf den Beinen fühlte. Ich spürte wie mir die Tränen in die Augen schossen und blinzelte automatisch rascher. Was war los hier? Was war los mit mir? Ich könnte lachen, weinen, traurig und glücklich sein zugleich. Mein Herz schlug schneller, mein Herz hielt nicht mehr an. Mein Magen verkrampft, mein Magen machte Überschläge. Gänsehaut, Kribbeln. Ich atmete mehrere Züge tief, legte mich nach hinten auf die Couch und versuchte jegliche Gedanken kurz auszublenden. Übermorgen war mein erster Arbeitstag.
 

***
 

Edward
 

Fort. Einfach fort. Einfach so, als wäre sie nie da gewesen und ich musste damit leben.

Ich stand mehrere Minuten noch da, wo sie mich verabschiedet hatte und starrte auf den Fleck, wo ich sie das letzte Mal gesehen hatte, bevor ich mechanisch aus dem Flughafengebäude zu meinem Auto ging.

Warum tat sie mir das an? Warum tat uns das Leben dies an? Das wunderbarste Geschöpf verließ mich. Die Hölle trat mir entgegen.

Ich stellte mich ans Auto und stemmte die Hände gegen den Rahmen des Beifahrersitzes. So wirklich wusste ich nicht wie ich hierher gekommen war. Meine Füße taten ihren Dienst ohne meine Hilfe.

Hätte ich die Beherrschung verloren, hätte ich gegen die Tür getreten oder gegen das Fenster geboxt oder geschrien. Doch nichts dergleichen drang nach außen, sondern immer mehr nach innen.

Meine Augen weiteten sich etwas, während ich herab ins Auto sah. Ich öffnete es und setzte mich kurz auf den Sitz, nachdem ich etwas am Boden entdeckt hatte. Ich griff danach und erkannte den Ring, den ich Bella zum wiederholtem Male geschenkt hatte.

Wütend oder traurig sein, enttäuscht, hilflos… das kannte ich. Aber selten im Leben hatte ich mich so elend gefühlt wie jetzt. So elend, dass mir dieser Ring einen so herben Stich versetzte, dass meine Augen brannten und sich Tränen sammelten. Ich ballte die Hand zur Faust und schlug auf das Armaturenbrett. Das durfte nicht wahr sein…

Keine Erinnerungen… hallte ihre bezaubernde Stimme unendliche Male in mir.

Zitternd rieb ich mir kurz die Augen, um dann den Sitz zu wechseln und erst einmal ziellos umherzufahren. Der Gedanke, dass es das gewesen war, wollte sich nicht in mir breit machen – oder er wollte es und ich ließ es nicht zu.
 

Alice sah mich mit leicht hochgezogenen Augenbrauen an, als ich, zu Hause angekommen, sofort die Treppen hoch nahm und ihr im obigen Wohnzimmer über den Weg lief.

„Edward“, sagte sie mitleidvoll. „Kann ich irgend-“

Ich winkte ab und schritt stur weiter, schloss meine Zimmertür hinter mir. Den Ring fest in der Faust.
 

Kaum saß ich wenige Minuten, obwohl es mir nur so vorkam und bereits zwei Stunden vergangen waren, betrat meine Mutter das Zimmer und setzte sich aufs Bett, während ich, mit einigem Abstand von ihr, am mittigen Tisch verweilte.

Sie atmete noch mal ein und sagte ruhig: „So habe ich dich noch nie gesehen…“

Ich zuckte mit den Schultern.

„Möchtest du darüber reden?“

Ich sah zur Seite.

„Ich weiß, dein Vater und ich waren wegen der Umstände gegen diese Beziehung und vielleicht bin ich nicht der richtige Ansprechpartner…“

Ich rührte mich nicht.

„Vielleicht… vielleicht willst du ja erzählen?“

Ich spürte ihren eindringlichen Blick von der Seite.

„Wie es dir geht…“

Ich schwieg.

„Oder etwas essen?“

Ich schüttelte den Kopf.

„Sie war ein sehr nettes Mädchen, das weiß-“

„Du hast doch keine Ahnung!“, raunte ich eiskalt dazwischen, sodass meine Mutter ein wenig zusammenzuckte. Mein Blick galt dann wieder dem Boden.

Sie wartet einen Moment und atmete tief. Ich tat es ihr mehrmals gleich.

„Möchtest du einfach zu uns runterkommen? Etwas Ablenkung? Gesellschaft?“, fragte sie dann vorsichtig nach, was mich explodieren ließ.

„Und heile Familie spielen?! Ist Tanya etwa da?!“, schrie ich beinahe. „Sollen wir über das Baby reden? Kinderschuhe und Spielzeug?!“, pfiff ich sie lauthals an.

Meine Mutter sagte nichts und zeigte auch keine Regungen, wie ich vernahm, als ich sie kurz seitlich ansah.

Wenig später nickte sie dann nur und verließ das Zimmer. Mir tat es nicht Leid. Nicht wirklich, nicht in diesem Moment.

Ich schloss die Augen und atmete tief.

Hätte sie noch „das Leben geht weiter“ gesagt, hätte ich vermutlich für keinen Gegenstand in diesem Zimmer garantieren können – außer für den Ring und die Noten von Bellas Lied.
 

„Uff“, ächzte Tanya und ließ sich mit der runden Kugel vor ihr auf die Couch sinken. Ich tat es ihr gleich. Meine Mutter kam mit einem Tablett Wasser mit Zitrone und Gläsern zu uns und tischte auf.

„Meine Eltern kommen erst später, sie haben noch einen Termin“, sagte Tanya zu meiner Mutter, während mein Vater die Treppen herunterkam und sich zu uns gesellte.

„Und Tanya… wie geht es dir und dem Baby?“, fragte mein Vater sofort mit einem sanften Lächeln.

„Ganz okay… so langsam wird es bei der Wärme sehr anstrengend“, sagte sie. Ich beobachtete von der Seite ihren runden Bauch mit gemischten Gefühlen.

„Du hast es ja bald geschafft“, sagte er lächelnd. „Ich bin nächste Woche in Deutschland für ein paar Tage und danach ist es ja bald soweit.“ Sein Blick schwenkte zu mir, dann wieder zu Tanya. „Und ihr macht auch nächste Woche den Geburtsvorbereitungskurs?“

Wir nickten beide.

„Schön“, sagte meine Mutter und nippte am Glas, nachdem sie sich ebenso gesetzt hatte. Sie atmete tief und sah uns an. „Habt ihr miteinander gesprochen? Wegen einer Wohnung?“, wollte sie wissen.

„Ja, haben wir“, nickte ich, als Tanya schwieg und einen Schluck trank. „Ich werde nicht mit ihr zusammenziehen und Tanya möchte dann im Gegenzug nicht in einer Wohnung mit dem Baby alleine wohnen“, erklärte ich.

Mein Magen meldete sich, als ich an das Gespräch in der letzten Woche dachte. Tanya hatte unheimlich geweint, weil ich nicht mit ihr zusammenziehen möchte und hat rumgeschrien, ich würde mich nicht für sie und das Kind interessieren… wobei es eigentlich nur um sie ging. Sie tat alles, um mich zurückzugewinnen. Dass es nichts zu gewinnen gab, weil Liebe kein Glücksspiel war und das zwischen uns vorbei war, hatte sie bis heute nicht verstanden und ich legte keinen Wert darauf, es ihr so kurz vor der Geburt, noch mal deutlich zu machen.

„Also bleibt Tanya zu Hause wohnen und du auch“, fasste mein Vater zusammen und sah dann zu Tanya. „Und wo lebt das Baby dann?“

Tanya atmete tief ein. „Nachdem… nachdem Edward mir das gesagt hat…“, sie sah mich kurz mit traurigen Augen an, ich verkniff mir ein Seufzen, „haben wir begonnen aus meinem Zimmer ein Gästezimmer und einen Anbau für mich und das Kind zu machen“, sagte sie merklich geknickt. „Es wird noch ein bisschen Zeit brauchen, aber wir schaffen das vor der Geburt.“

Wir nickten ihr alle beipflichtend zu, ehe wir weitere Details besprachen und Tanyas Eltern hinzukamen.
 

Ein weiterer Tag, den ich verfluchte, bevor er überhaupt angefangen hatte. In zwei Tagen war der Geburtstermin und heute stand mal wieder ein Pflichttreffen von Tanya und mir an. Wir gingen essen und einkaufen. Tanya war mit ihren Gefühlen sehr zwiespältig, wie ich in den letzten Monaten herausgefunden hatte. Sie freute sich einerseits riesig, strahlte mich an, wenn sie Babyschühchen kaufte und präsentierte stolz ihren Bauch, wenn das Kleine sich in ihr bewegte und sie stupste. Andererseits bekam sie immer wieder spontan Heulattacken, wenn ein Lätzchen zu wenig da war, wenn sie wegen den Tritten keine Ruhe fand oder auch das letzte T-Shirt, das ihr gefiel, nicht mehr passte. Ganz zu schweigen von dem Gewimmer beim Schuhe anziehen.

Ich wusste selten, was ich sagen oder tun sollte, um es nicht noch schlimmer zu machen. Über Strampler konnte ich mich nicht so freuen wie sie und trösten, wenn sie weinte wegen einer zu engen Jeans, konnte ich auch nicht…
 

Nachdem die Einkaufstüten im Auto deponiert waren, überredete sie mich noch, einen Spaziergang zu machen. Es war recht warm für Ende Juli und wir gingen durch den nahegelegenen Park.

„Und du bist mit Collin wirklich einverstanden?“, fragte sie mich und blickte mich von der Seite an.

„Ja“, nickte ich zum zwanzigsten Mal auf diese Frage. Sie liebte das Thema scheinbar. „Ich habe ja gesagt, du darfst den Namen aussuchen und er gefällt mir auch.“ Ich zwang mir ein Lächeln ab.

Sie schaute breit lächelnd nach vorn auf die sonnenbeschienene Blumenwiese. Ich spürte wie sie ihre Hand zu meiner schob und sie umschloss. Eiskalt lief es mir den Rücken runter, doch ich ließ es zu – weil ich wusste, dass so kleine Gesten, die nichts mit einer echten Beziehung zwischen Tanya und mir zu tun hatten – zumindest von meiner Seite –, den Frieden erhielten und von unseren Eltern, und auch Tanya, gewünscht waren.

Sie genoss es sichtlich und sah zu mir hoch. „Bist du auch aufgeregt wegen der Geburt?“, wollte sie wissen.

„Natürlich“, sagte ich wahrheitsgemäß, „das ist immer etwas besonderes, wenn ein neues Leben auf die Welt kommt“, sagte ich. Doch mulmig war mir schon. Zwar hatte ihr wachsender Bauch alles in den letzten Wochen immer realer gemacht, auch der Vorbereitungskurs, die Kindersachen, das fertige Zimmer bei Tanya und die Babyecke bei mir im Zimmer, doch mit der Geburt wurde aus Vorbereitung Realität.

Sie lächelte. „Lass uns einen Moment setzen bitte.“ Sie zog mich sanft an der Hand auf die nahegelegene Bank und schaute herab auf ihren Bauch, den sie kreisend streichelte. Ich fasste ebenso streichend über ihren Bauch. Es war einfach faszinierend, wenn man das kleine Wesen dort drin spüren konnte.

„Ich hoffe der Kleine bekommt deine schönen Augen“, sagte sie zärtlich mit Blick auf ihren Bauch. „Vielleicht meine Haarfarbe, obwohl deine auch sehr hübsch ist…“, fispelte sie vor sie her und sah zu mir hoch. Mit ihren klaren blauen Augen fixierte sie mich, musterte mein Gesicht von oben bis unten. „Oder deine Lippen…“, murmelte sie und strich mit den Fingern über diese. Perplex schaute ich herab zu ihr.

„Du wirst ein guter Vater sein“, sagte sie leise und blickte mich intensiv an. Ich nahm, nachdem ich mich wieder gesammelt hatte, ihre Hand von meinen Lippen und hielt sie in meiner.

„Wir sollten zurückgehen“, sagte ich leise, so sanft ich konnte. Ich kannte ihre kläglichen Versuche bereits, aber ich behielt die Fassung.

Sie atmete ein und sah niedergeschlagen herab. „Du…“ Sie rang nach Worten und bewegte die Lippen. „Das mit u-“

„Tanya?“, unterbrach ich sie etwas eilig. Sie schaute prompt erwartungsvoll hoch.

„Du… du…“, murmelte ich und deutete herab. Tanya folgte meinem Blick. „Deine Fruchtblase ist geplatzt“, nuschelte ich und schluckte hart. Ich fürchtete wir waren darauf beide lange vorbereitet worden, aber scheinbar konnte man sich nicht so viel vorbereiten, dass es einen nicht überraschte und erstmal alles im Leben erschütterte.

Ich half ihr an der Hand hoch und hielt sie auch in meiner fest. Ein Heulkrampf wäre nun alles andere als förderlich gewesen.

„O-okay, ich- lass uns los- nein“, unterbrach sie sich selbst. „Unsere Eltern! Hat dein Vater Dienst? Ich muss meine Mutter anrufen!“, redete sie mit zitterndem Unterton. „Ich kümmere mich darum und rufe sie am Auto sofort an“, sagte ich beruhigend, aber mindestens genauso nervös. „Komm“, murmelte ich und zog sie mit mir. Tanya watschelte an meiner Hand zum Auto.

„Steig’ ein, ich regele das“, sagte ich schnell, warf ihr zwei Handtücher aus dem Kofferraum hin und machte ihr die Tür auf. Ich lehnte mich ans Auto und nahm mein Handy aus der Hosentasche. Einen nach dem anderen rief ich routiniert an und ratterte denselben Text herunter. Mehr brachte ich nicht über die Lippen. Mein Vater sicherte mir zu, uns vor dem Krankenhaus zu treffen und allen schon Bescheid zu sagen.

„Edward“, sagte Tanya hastig, als ich einstieg und losfuhr. Sie starrte mich von der Seite an. „Aber- aber- jetzt schon? Ich- oh Gott, das geht doch jetzt nicht… ich meine, ich weiß es sind zwei Tage und das ist alles andere als bedenklich, aber… und wenn das jetzt noch gar nicht richtig losgeht, sondern wieder nur Übungswehen? Aber gibt’s die noch so kurz vor dem eigentlichen Termin?“, plapperte sie durcheinander, wechselte den Blick rasch hin und her.

„Tanya, beruhig’ dich“, sagte ich, obgleich ich es selbst nicht war. „Mein Vater wird das mit den Ärzten dort alles gleich besprechen und alles wird gut…“ Glaubte ich mir eigentlich selber? Ich war total nervös.

„Aber- aber-“, murmelt sie kurzatmig. „Ich- meine Tasche ist zu Hause und ich bin jetzt gar nicht vorbereitet…“, ratterte sie die Wörter runter.

„Das regeln unsere Eltern alles, glaub mir“, nickte ich.

„Ich bin da jetzt gar nicht bereit dafür… das alles… jetzt schon… ich meine zwei Tage mehr ist auch nicht viel, aber trotzdem, rein gedanklich-“ Sie brach ab und keuchte auf, tastete an ihrem Bauch herum.

„Alles- alles gut?“, nuschelte ich und sah kurz rüber. Tanya lehnte sich zurück an den Sitz und atmete tief. Die Augen geschlossen.

„Ja… alles gut. Ich denke… es geht los…“, sagte sie tonlos.
 

Es gibt viele Momente im Leben, die man missen möchte. Auf die man verzichten kann, weil sie zu aufregend, zu traurig, zu schrecklich oder zu stressig sind. Und dann gibt solche, die einen überglücklich machen, die man gerne erleben möchte und dann gerade schneller verlaufen, wenn man es nicht will.

Was für ein Moment war das gerade?

Tanyas Kopf war rot und verschwitzt, die Haare wirr durcheinander, während die Hebamme um sie herum tänzelte und das Wehenmessgerät im Blick behielt. Carmen kümmerte sich um ein nasses Tuch, packte ihre Tasche aus und holte Tanya etwas zu trinken. Ich saß an ihrer Seite, hielt ihre Hand, mit welcher sie mir meine zerquetschte. Sie atmete tief und ließ sich dann etwas sinken.

„Geht’s?“, fragte ich sehr leise, um nicht taktlos zu sein.

Sie nickte matt. Ich erhob mich etwas und strich ihr die Haare aus dem Gesicht, streichelte ihre Wange. Nicht, dass ich mich bei ihr einschleimen wollte, aber gerade jetzt, war es gut, Carmen auf meiner Seite zu haben.

Tanya hielt sich wieder den Bauch und keuchte auf. Erlitt die nächste Wehe.

Carmen wartete kurz und reichte Tanya das Glas Wasser, welches Tanya in wenigen Zügen leerte.

„Ich gehe uns kurz auch etwas zu trinken holen“, sagte Carmen zu mir. „Kaffee? Oder-“

„Kaffee ist gut“, murmelte ich und behielt Tanya im Auge. Carmen verschwand.

„Allzu lang kann es nicht mehr dauern, Frau Denali“, zwitscherte die Hebamme, um uns herum wuselnd, ehe sie sich vor Tanya hockte.

„Hey, du schaffst das“, flüsterte ich ihr zu, um irgendetwas beizutragen. Und ich hoffte wirklich sehr, dass sie es ohne weitere Probleme schaffte.

Tanya krümmte sich und wandte sich unter den Schmerzen der Wehen, keuchte immer wieder laut. Ich tätschelte ihre Hand.

„Schaut mal, wenn ich da mitgebracht habe“, ertönte es, als Carmen mit Getränken ins Zimmer kam und meinen Vater im Schlepptau hatte.

„Darf ich Tanya?“, fragte er höflich zunächst in der Tür stehen bleibend.

Tanya nickte unter der Anstrengung, sodass mein Vater dann eintrat.

„Dr. Samuels wird gleich auch noch kommen. Wir haben ihn gerade gesehen“, murmelte mein Vater und musterte mich kurz. „Alles in Ordnung, Edward?“, fragte er stirnrunzelnd.

„Ja.“ Ich hustete kurz, weil ich einen trockenen Hals hatte. Warum blickte er mich so an? Sah ich irgendwie komisch aus?, fragte ich mich innerlich.

Mein Vater lächelte kurzerhand und hockte sich dann zu der Hebamme. „Wie sieht’s aus? Nicht mehr lange oder?“

„Gott sei Dank“, stöhnte Tanya.

„Nein“, sagte sie mit Blick auf den Wehenmesser. „Der Muttermund ist auch ausreichend geöffnet. Gleich kommt das Baby.“

Mir wurde schlecht.

Wieder öffnete sich die Tür und Dr. Samuels, der diensthabende Gynäkologe, trat ein, grüßte uns kurz alle. Mein Vater schritt zur Seite, um ihm neben Karin, der Hebamme, Platz zu machen.

„Noch ein paar Wehen“, kündigte er an und tastete Tanya unten ab.

Mir war richtig schlecht.

„Jetzt, noch mal, pressen“, wies der Arzt Tanya an. Carmen lief hibbelig von rechts nach links und stürzte dann zu ihrer Tochter, um ihr beizustehen. Mein Vater lächelte einfach nur erwartungsvoll.

Tanya fiepste auf und verzerrte heftig ihre ohnehin schon feuerroten Gesichtszüge. Meine Hand spürte ich nicht mehr. Und jetzt war mir übel.

„Ich sehe schon das Köpfchen, noch einmal!“, rief der Arzt.

Tanya keuchte laut auf.

Geschafft.

Dr. Samuels hob das schreiende Wesen hoch. Tanya ächzte.

„Mr. Cullen!“, sagte er in eiligem Ton. Erst nach wenigen, aber langen, Sekunden merkte ich, dass ich angesprochen war und schritt rasch zu ihm. Ich schnitt, mit der von Karin angereichten Schere, den Nabelschnur durch.

Ich dachte gerade an gar nichts. Zu viel strömte auf mich ein.

Der kleine Kerl wurde der Hebamme gereicht, die ihn in ein Tuch wickelte und Tanya dann in die Arme legte. Ich drehte den Kopf zu Tanya. Sie lächelte ein klein wenig und sah den kleinen laut schreienden Jungen an, der genauso rot glühte wie sie.

„Collin“, flüsterte sie dem Baby entgegen und strich über den verschmierten Kopf mit kaum Haar.

„Herzlichen Glückwunsch“, grinste mein Vater über beide Ohren und schüttelte mir die Hand. Ich schaute ihn verdattert an. „Dein Sohn“, sagte er lächelnd und schaute zu Tanya mit dem Baby, welcher er auch sofort nach Carmen gratulierte.

Ja…

Mein Sohn.

Tanya wischte sich überwältigt eine Träne aus dem Augenwinkel weg und atme nun tiefer. Fasziniert blickte sie den Kleinen an. Dann schaute sie mit einem Strahlen in den Augen zu mir auf und streckte die Hand zu mir aus. Ich hielt ihr meine hin. Sie nahm sie, zog mich zu sich und legte sie an Collins Gesichtshälfte, ihre auf meiner.

Unwillkürlich erhaschte mich ein Glücksgefühl, welches mich lächeln ließ. Mein Sohn…

Ich küsste Tanyas Stirn andächtig. Ihre Augen glänzten.
 

***
 

Mein Herz pochte mir bis zum Hals.

Die University of Seattle. Alles so vertraut und doch so weit weg. Es war so lange her… so vieles geisterte in meinem Kopf von damals herum, so viel Schönes, so vieles, was ich vergessen wollte.

Ich schritt die Flure entlang, meine Arbeitsunterlagen in der Hand haltend, und konzentrierte mich wieder auf die Gegenwart. Wie auf meiner Anweisung ausgewiesen, lief ich zum Dozententrakt, in dessen Keller die Laborräume waren. Dort sollte ich mich mit einem Mr. McLiver treffen. Die Uhr im Blick behaltend, begab ich mich zu dem Labor elf, nachdem ein geschäftig aussehender Herr meine Papiere überprüft hatte.

Ich klopfte kurz an der Labortür und drückte die Türklinke versuchsweise runter, als niemand mich hereinbat. Es war offen. Ich ging hinein und staunte nicht schlecht. Hier würde ich arbeiten? Ich schlich nahezu die Gänge mit riesigen Labortischen entlang und begutachtete die Geräte, strich kurz darüber, versuchte zu erahnen, was die Fremdaussehenden waren.

Ich zuckte automatisch zusammen, als die Tür sich öffnete und jemand herein lugte, mich dann ansah.

„Hi“, lächelte er und schlängelte sich durch die Tische zu mir und reichte mir die Hand. „Du siehst aus, als könnten wir Freunde werden… also dann bin ich direkt Mitch“, grinste er über beide Wangen und überfiel mich damit etwas. „Ansonsten Mitchel, aber für dich direkt Mitch.“ Er hob und senkte meine Hand zig Mal in seiner.

„Okay…“, begann ich total perplex. Wer war dieser komische Vogel? Mit den etwas fingerlangen braunen Haaren, die mittels Gel sanft nach außen fielen, aber auch wuschelig zu allen Seiten standen, und den ebenso dunklen Augen. „Dann bin ich Bella, ansonsten Isabella, aber für dich direkt Bella“, machte ich es ihm gleich, um irgendetwas zu sagen und starrte ihn einfach nur an. Ich hatte keine Ahnung, wer er war. Mein Chef etwa?, dachte ich skeptisch.

„Perfekt“, lächelte er so breit, dass es wehtun musste und lachte dann. Vermutlich sah ich in diesem Moment total verwirrt aus.

„Und… also… du-“

„Ich bin der Masterstudent, der gerade seine Abschlussarbeit schreibt und du wurdest mir wärmstens dafür empfohlen“, unterbrach er mich und zwinkerte mir charmant zu. „Ich bin also dein Mädchen für alles“, grinste er und streckte mir kurz die Zunge raus.

Ich blickte dieses Energiebündel vor mir unentwegt an, während er laut loslachen musste. Ich merkte, dass ich nicht wirklich wusste, was ich von ihm halten sollte und versuchte erstmal ruhig zu bleiben. Edward hatte sich damals als Laborpartner auch nicht als hinderlich erwiesen, obwohl ich das anfangs geglaubt hatte…

„Na das kann ja lustig werden in den nächsten Wochen“, sagte ich trocken.

„Das hoffe ich doch“, grinste er verschmitzt.
 

Niemand stieß in den folgenden Minuten zu uns, der uns Anweisungen gab, sodass ich mich etwas mit den Schränken und dem Equipment vertraut machte. Mitch plauderte fröhlich über seinen Stundenplan redete, was mich gerade nicht sonderlich interessierte, da ich die Struktur der Geräte zu verstehen versuchte. Ich nahm ein paar verschieden aussehende Gasbrenner heraus und sah sie mir genauer an.

„Hmm… kennst du die Unterschiede?“, fragte ich Mitch, auch wenn ich nicht glaubte eine Antwort zu bekommen, und hielt zwei Brenner in Mitchs Richtung, als die Tür aufging.

„Was tut ihr da?!“, fragte der große blonde Mann, etwas älter als ich, scharf. Er schritt mit einer schwarzen Aktentasche herein und funkelte uns mit den hellen, fast leuchtend grauen Augen an.

„’tschuldigung“, nuschelte ich zusammengezuckt und kam auf ihn zu. „Isabella Swan, ich bin die neue Forschungsassistentin“, stellte ich mich vor und wollte ihm die Hand reichen. Er klammerte sich an die Tasche, die er auf einen der Tische geknallt hatte, und fixierte uns.

„Nur weil ich mich verspäte, habt ihr kein Recht mit den Forschungsmaterialien herumzuspielen, ist das klar? Das braucht ihr euch gar nicht anzugewöhnen!“

Ich schluckte und nickte wie ein kleines Kind. Mitchs Reaktion sah ich nicht, da er in meinem Rücken stand.

Er räusperte sich nichtssagend und schritt zur Seite zum Pult. Dort legte er dann wieder Sachen ab. „Ich bin Oliver McLiver, für die Labore zuständig und damit euer Chef. Ich bin technischer Leiter und habe damit nicht so viel mit eurer Forschung zu tun. Was ihr machen sollt, leite ich immer an euch weiter. Dass heißt, wir arbeiten den richtigen Forschen hier im Haus zu.“ Er grinste uns an, bevor sich sein Gesicht etwas verfinsterte. „Mehr nicht. Ist das klar?“ Er musterte mich von oben bis unten und ich merkte wie ich schlagartig nervös wurde. „Ich kenne dich. Der kleine Überflieger. Und besonders für dich gilt: Keine Experimente, keine Alleingänge. Die Sachen sind kein Spielzeug und dein Arbeit nicht dein Privatvergnügen, um berühmt zu werden. Ist das klar?“, sagte er zum wiederholtem Male. „Ihr seid nur zwei der vielen Anderen Assistenten und tut das, was ich euch vorschreibe.

„Ja“, nickte ich folgsam, etwas überwältigt von alle dem.

„Schön“, erwiderte er das Nicken, legte demonstrativ einen Berg Zettel auf den Tisch und hob seine Akten wieder hoch. „Wir sehen uns.“

Er lief Richtung Tür und wandte sich noch mal zu uns. „Ach ja, ich behalte es mir vor, zu duzen, wen ich möchte. Gleiches gilt natürlich nicht andersherum“, murrte er und verließ das Labor. Ich starrte ihm verdattert nach.

„Was ein Arsch“, seufzte Mitch die Augen verdrehend.

„Ja… so in etwa“, murmelte ich und holte die Zettel mit den Anweisungen zu uns.

„Und er duzt uns, das wird ja spaßig“, lachte Mitch und steckte die Hände in die Hosentasche.

„Wie auch immer, wir kriegen das hin. Lass uns loslegen, wir haben viel zu tun“, murmelte ich schon in die Materie vertieft.

„Ich weiß grad nicht, ob ich dich oder Olli schlimmer finde“, sagte Mitch.

Ich sah auf, verdrehte die Augen und widmete mich dann wieder unseren Aufgaben.
 

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Ich bin/war mit dem kap nicht zufrieden...

findet ihr die charaktere "Six months- IC"? findet ihr das passt alles zusammen? iwie wurmt mich das kapitel... hab gerade ein kleines tief :/

...
 

würde mich über einschätzungen freuen... ^^
 

p.s. ich habe auch meine One Shots reingestellt^^ bzw werde es nach und nach :)^^

vllt hat ihr ja lust reinzuschauen^^ glg :)

A: Durcheinander

hat total lange gedauert... entschuldigt -.- danke für das tapfere warten !!!

wer sich das lästige nachsehen (gerade wenn ich so lahm bin :/ ) sparen will, darf mich gerne auf facebook adden ^^

hab eine neue seite als *Fane* gemacht und dort gibts die neusten infos und wann ein kapitel on kommt, wie der aktuelle stand ist, wettbewerbe etc ^^

die seite findet ihr http://www.facebook.com/pages/Fane/210231762378955'

freue mich dort sehr auf euch !! :)

(ein neuer wettbewerb steht auch bald wieder an ..... ^^)
 

Musiktipp:

Plain white T’s – Hey there Delilah [link href="http://www.youtube.com/watch?v=H4SE3-QTolo"]http://www.youtube.com/watch?v=H4SE3-QTolo[/link]

auch wenn das lied oll ist... ich hab es jetzt wiederentdeckt und total genossen bei dem kap ;) :)
 

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danke dawni :)
 

Edward
 

Ich ließ Collin auf meinen Oberschenkeln hoch und runter wippen, während wir auf den „Schichtwechsel“ warteten.

„Kleiner Mann, du glaubst nicht, wer das vorgestern war… das Mädchen, beim Kakaotrinken…“, erzählte ich, während Collin nur Aufmerksamkeit für das Gehopse hatte. Ich strich seine feinen Härchen auf dem Kopf glatter. „Und jetzt gerade bin ich ausnahmsweise mal froh, dass du noch nicht älter bist und nicht petzen kannst…“, seufzte ich, während sich in meinem Kopf immer noch alles um die Begegnung von vorgestern drehte.

Die Tür klickte und ich wandte mich mit Collin auf dem Stuhl zur Wohnzimmertür.

„Mama!“, rief Collin zu Tanya, rutschte von meinem Schoß und wackelte in Tanyas Arme. Ich saß im Esszimmer und sah lächelnd zu.

„Na mein Großer, hattest du ein schönes Wochenende mit Papa?“, fragte sie ihren Sohn und küsste seine Wange. „Kannst du der Mama ja nachher mal erzählen.“

Wie gut, dass er das nicht kann… welch Glück… dachte ich und wusste nicht, ob ich dabei innerlich grinsen sollte oder nicht. Es war alles… komisch…

Tanya schaute lächelnd hoch und kam auf mich zu. Ich stand auf und nahm sie in den Arm. „Alles okay bei dir?“, fragte ich sie und strich ihr eine wirre Haarsträhne aus den Augen. Sie pustete lachend dagegen, da das Haar um Nasenspitze kitzelte.

„Ja, das Wochenende war herrlich“, sagte sie dann kichernd. „Ich war mit meiner Mutter und Irina in Los Angeles und wir haben uns eine schöne Zeit gemacht. Es war sehr entspannend“, sagte sie.

„Freut mich“, lächelte ich. „Möchtest du was trinken?“

„Nein… ich wollte gleich gehen, weil ich morgen ein Referat halten muss und Collin zeitig ins Bett bringen wollte“, erklärte sie. Collin wippte auf ihrem Arm vergnüglich und tätschelte sie am Nacken.

„Soll ich mich noch um ihn kümmern? Dann kannst du heute in Ruhe lernen und Collin morgen abholen?“, bot ich an.

„Nein, das geht schon, meine Eltern sind ja auch noch da“, sagte sie. „Ich bringe ihn dir wie verabredet Donnerstag.“

Ich nickte, nahm die Tasche von Collin und wir gingen in Richtung Tür, aus der sogleich mein Vater eintrat und uns grüßte.

„Hast du gleich kurz Zeit bitte?“, fragte ich ihn. „Ich muss dringend mit dir reden“, sagte ich.

Mein Vater sah mich kurz irritiert an und nickte. „Ja… ich würde gerne noch meine Sachen auspacken, dann können wir reden. Ich muss aber gleich noch zu einer Konferenz“, teilte er mir mit und ging dann auch voll bepackt die Treppen hoch.

Ich spürte Tanyas fragenden Blick. „Du… ist was passiert? Ist etwas mit Collin?“, wollte sie wissen. „Ist er krank gewesen?“, fragte sie mit sofort sorgenvollem Blick.

Ich lächelte. „Nein, nein nein, mit ihm ist nichts. Ihm geht’s sehr gut. Ich muss ihn was von der Uni fragen.“

Tanya nickte und ich war mir nicht sicher, ob sie mir glaubte, ging aber dann hinter ihr her zum Auto und verstaute die Tasche, während sie Collin anschnallte.

„Dann viel Glück beim Referat“, lächelte ich und tippte kurz ihr Kinn mit den Fingern

„Danke“, strahlte sie sich mich an. „Ich melde mich bei dir“, meinte sie und stieg ein, nachdem ich knapp genickt hatte.
 

Ich tippte auf den Tisch mit den Fingerspitzen und wartete auf meinen Vater. Mit ihm hatte ich ein Hühnchen zu rupfen – vielleicht eher eine Gans –, worauf ich bis heute warten musste, da er eine Woche auf einer Exkursion gewesen war und ich fast geplatzt war die letzten beiden Tage.

Er schritt die Treppen herunter und setze sich mit einem nichtssagenden Gesichtsausdruck vor mich.

„Ich muss mit dir reden“, sagte ich wieder und musterte seine Gesichtszüge.

„Na, das ging ja schnell…“, ahnte er es scheinbar schon und nahm kein Blatt vor dem Mund.

Ich nahm das als Eingeständnis und sagte prompt: „Ich habe sie vorgestern in der Stadt gesehen – zufällig“, murrte ich, versuchte aber ruhig zu bleiben. „Dass sie allerdings in Amerika ist, ganz zu schweigen von Seattle und heute ihre Stelle an unserer Uni antritt, ist wohl eher kein Zufall.“ Meine Gesichtszüge verhärteten sich, was nichts mit Bella selbst zu tun hatte.

„Nein, in der Tat“, antwortete er locker. Das war’s aber dann auch von seiner Seite.

„Und?“, bohrte ich nach. „Warum ist sie hier? Warum hast du das gemacht? Warum hast du nichts erzählt? Und warum war sie so überrascht, mich hier zu sehen? Ich meine wir arbeiten an derselben Uni… das muss ihr doch klar gewesen sein, dass wir uns irgendwann sehen? Sie ist damals gegangen, warum sollte sie überhaupt herkommen wollen? Oder- Wegen… wegen der Stelle?“, flatterte eine Auswahl meiner tausend Fragen in meinem Kopf über meine Lippen.

Mein Vater atmete tief und legte die Fingerkuppen aneinander, die Handgelenke auf dem Tisch abgelegt. Er erzählte. Ich schwieg. Doch an einer Stelle konnte ich nicht still sein: „Du hast ihr gesagt, ich bin weggezogen?! Mit Tanya etwa? Warum erzählst du ihr so einen Schwachsinn?!“, wurde ich etwas lauter.

„Sie wäre niemals gekommen, wenn ich ihr gesagt hätte, dass du noch hier lebst. Ich habe weder Tanya, noch Collin ihr gegenüber erwähnt. Und ich musste ihr versprechen, dass ich dir nichts sage – was ich ja auch nicht habe“, meinte er so gelassen wie sonst auch.

„Ja- ja schon, aber du hast sie vorher belogen! Und warum wolltest du sie herlocken? Weil sie unglaublich klug und nützlich für die Uni ist? Findest du das nicht ein bisschen egoistisch mir Gegenüber?“ Ich starrte meinen Vater fassungslos an. Solche Schikanen kannte ich von ihm nicht.

„Nein, im Gegenteil“, sagte er leichthin. „Deiner Mutter und mir tut das alles sehr leid. Wenn wir euch eure erste Chance verdorben haben und dort wirklich egoistisch und auch blind waren, dann wollten wir euch eine Zweite geben.“

Ich schlug auf dem Tisch auf und funkelte ihn an. „Schön, dass ihr das so beschlossen habt! Ich brauche niemandem zum Verkuppeln, klar? Und dann auch noch gerade jetzt, wo das mit Tanya einigermaßen klappt!“, fluchte ich und stand donnernd auf. „Und kein Wort zu ihr!!“, pfiff ich meinen Vater noch an und stampfte nach oben.

Was bildete er sich ein?? Bestimmte ich mein Leben nicht selbst? Ich war keine zwölf mehr! Wutentbrannt stellte ich mich mitten ins Zimmer und atmete durch. Er hatte bei Tanya und mir schon damals mit den anderen alles bestimmt, aber nun? Ich brauchte niemanden, der mir sagte, was ich tun sollte und das auch noch alles brav einfädelt!

Der Drang, meine Wut herauszulassen, wurde immer dominanter, doch im Endeffekt erstickt durch ein viel wärmeres Gefühl. Ich schritt zu meinem Bett und öffnete die Nachttischschublade, dessen Inhalt ich komplett auf dem Nachttisch ausbereitete. Neben den Noten zu Bellas Lied und ihrem Ring, oder besser nun wieder meinem, nahm ich einen Stapel Zeitungsartikel, worunter auch solche aus dem Internet waren, heraus. Ich betrachtete diese. Zwei darunter mit Bild.

Hmm… Vielleicht…

Aber sie war nicht wegen mir hier.
 

***
 

Ich seufzte. „Wir haben jetzt fünf Tage hier rumhantiert und wirklich gut, klappt das alles nicht“, murmelte ich am letzten Arbeitstag diese Woche und säuberte mit Mitch die Geräte.

„Hey, es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen, auch nicht Ms Swan“, grinste er und schwang den Schwamm.

„Ernsthaft, Mitch.“ Ich verdrehte die Augen und räumte die sauberen Reagenzgläser weg.

„Ich bin ernst, mein ganzes Leben ist ernst, ‚Ernst’ ist mein zweiter Vorname“, witzelte er und räusperte sich dann kurz, als er mein Gesichtsausdruck sah. Lustig fand ich das ganz und gar nicht.

„Mach dich mal locker“, sagte er lächelnd. „Klar, es ist nicht alles 100pro, aber geklappt hat bisher alles, das stimmt nicht, was du sagst. Nur haben wir dann nicht soviel von dem Zeug rausgekriegt nach der Reaktion.“ Er nahm meine Sachen an und stellte sie ins Regal.

„Eben“, stimmte ich zu. „Also klappt es eben nicht. Mr. McLiver macht uns die Hölle heiß, wenn er schlechte Rückmeldung von der Forschungsabteilung wegen uns bekommt.“ Der Gedanke daran ließ mich erschaudern. Unser Chef war nicht die freundlichste Natur, die ich kannte, das hatte ich diese Woche mehrmals zu spüren bekommen und ein Rausschmiss wollte ich nicht riskieren. Ich hatte das alles Mr. Cullen zu verdanken und wollte ihm keine Schande machen, sponn ich innerlich den „worst-case“.

„Kriegt der nicht“, sagte Mitch einfach so. „Du bist die erste Woche da, ich bin noch Student. Die sollen sich nicht so anstellen.“

Ich zog Kittel und Schutzbrille aus und öffnete meine Haare. „Wie auch immer“, resignierte ich Mitch gegenüber. „Ich werde mir Bücher ausleihen und am Wochenende lesen, damit uns diese Anfängerfehler nicht noch mal passieren.“

Er lachte, fertig ausgezogen, vor sich hin und sagte nichts. Ich schaute ihn fragend an.

„Du bist echt unverbesserlich, aber wenn du Spaß dran hast… ich bin am Wochenende auf einem Surf-Trip“, grinste er. „Bis dann“, sagte er noch und ging winkend aus dem Labor.

Okay. Er war nett. Aber ansonsten… Ich seufzte.
 

Ich holte mir kurz noch ein Brötchen aus der Cafeteria, ehe sie schloss, und mümmelte auf dem Weg hoch in die Bibliothek daran. Suchend lief ich die Gänge durch und grübelte über unsere Probleme nach, nahm ab und an ein Buch, was passen könnte, aus dem Regal und setzte mich an meinen liebsten Tisch von damals in der Ecke. Hier und da blätterte ich darin, stöberte etwas. Es war herrlich ruhig. Nur wenige verbrachten den Spätnachmittag des Freitags in der Bibliothek.

„Nein, die Unterlagen der Erstsemester. Musikstudium. Ich bin- ah ja, genau die“, hörte ich eine Stimme, die mich zusammenzucken ließ.

Langsam wandte ich den Kopf nach hinten und sah schräg an den Regalen vorbei Edward mit dem Rücken zu mir stehen. Seine Stimme hallte etwas in der fast leeren Bibliothek, während er mit der Bibliothekarin an der Information redete und einen Stapel Hefter entgegennahm. Ich stand kurzerhand auf, so leise ich konnte, und schlängelte die Regale schleichend entlang, um der Information näher zu kommen. Hinter dem letzten Regal, oder ersten, wenn man so mochte, welches mich von Edward an der Information stehend trennte, verharrte ich. Ich blickte durch die Bücher hindurch und erhaschte immer wieder Zentimeter seiner Gestalt.

„Da fehlen noch welche“, sagte Edward und prüfte den Stapel. Seine Worte glitten mir in Mark und Bein. Nein… nicht die Worte, die Vertrautheit des Klanges der Worte.

„Und…“ Er langte zu dem Stapel und sah, dadurch dass er sich leicht seitlich stellte, seine gerunzelte Stirn. „Das ist- die Notenblätter sind alle durcheinander geworfen worden und das Deckblatt und das Inhaltsverzeichnis fehlt.“ Er blätterte weiter. „Und die Infoblätter…“ Er schloss das Heft in seiner Hand und sah die Bibliothekarin an, sodass er mit dem Rücken zu mir stand. „Damit kann man nicht arbeiten, so haben Professor Bates und ich uns das nicht vorgestellt, die Hefter müssen dringend überarbeitet werden.“

Und so stelle ich mir dich vor, flatterte es vor meinen Augen und ich hielt die Luft an. Ich spürte die Melodie innerlich in mir und den Rausch meiner Gedanken, der es übertönte.

Es war die Melodie der Spieluhr, als ich noch klein war und das war mein erster Berührungspunkt mit der Musik. Ich wollte Klavier lernen, um dieses Lied spielen zu können.

Ich zuckte, äußerlich kaum merklich, zusammen und fasste mit der Hand an die anderen, spürte seine Hand auf meiner, auf der er damals gespielt hatte, ein Lied, das Lied, sein Lied-

Mir schossen die Tränen in die Augen und ließen die Buchrücken vor mir verschwimmen.

Hey Schlafmütze. Seine Lippen an meinem Ohr, der leise Klang seiner Stimme darin. Ein Grashalm, kitzelnd. Der Geruch des Sees…

Ich blinzelte mehrmals, hörte wie sich seine Schritte entfernten und sog tief Luft ein, ehe ich zu meinen Sachen zurücklief und nach Hause hastete.
 

Ich würde Edward Cullen meiden.

Ich nickte zu mir selbst und sah zur Decke, während ich mir dies versprach und in meinem Bett, umgeben von den Bibliotheksbüchern, lag.

Es tat mir nicht gut. Er tat mir nicht gut.

Hätte ich das gewusst, wäre ich niemals hier, aber nun gab es kein zurück.

Ich richtete mich auf. Warum eigentlich nicht? Ich war Mr. Cullen nichts mehr schuldig, fand ich. Er hatte mich schließlich angelogen.

Meine Füße trugen mich wie von selbst zum Schreibtisch, wo ich meinen Laptop aufklappte und zu googeln begann. In Amerika bleiben? Oder Deutschland? Würde ich in den United Staates bleiben, wäre das vermutlich kein Grund, Edward nicht über den Weg zu laufen. Es war zu nah.

Deutschland.
 

Dass mein Entschluss zu vorschnell war, bemerkte ich am Morgen danach, als ich den Wunsch, hier zu bleiben, spürte. Nichts zog mich nach Deutschland, sonst wäre ich dort geblieben. Hier hatte ich meinen Vater und meine Halbschwester.

Ich musste grinsen, als ich an das letzte Telefonat dachte, in dem Zoey, mit piepsiger Stimme, versuchte, mir alles der letzten Monate in einem zu erzählen.

Meine Mundwinkel senkten sich wieder und ich wälzte mich auf die Seite, betrachtete das Bild mit Phil und meiner Mutter, neben einem alten, auf dem Dad noch neben uns breit grinste.

„Du fehlst mir…“, sagte ich leise zu dem Bild und strich über ihre Figur. „Du wüsstest bestimmt, was ich machen sollte“, murmelte ich leise weiter zu mir, „auch wenn ich dich nie mit meinen Sorgen belastet hätte…“

Ich blinzelte schnell eine kleine Träne weg und sah wieder zur Decke. Abwarten, dachte ich mir und verwischte die trüben Gedanken. Erstmal abwarten. Vielleicht würde ich Edward kaum noch sehen, kaum noch Zufälle. Ich merkte wie es sich wie Einreden anfühlte…
 

Ich beschloss mich in die Uni zu setzen. Zu Hause fiel mir die Decke auf den Kopf. Haily begleitete mich, nachdem sie mich beim Postholen aufgegabelt hatte.

Sie plauderte munter neben mir, während ich, nicht sehr höflich, ihr nur ein halbes Ohr schenkte.

„Und mein Freund hat einen neuen Kollegen bekommen, der irgendwie noch gar nicht mit dem Studium fertig ist“, sagte sie stirnrunzelnd neben mir. Ich nickte abwesend. „Ich meine… er ist ja für alles verantwortlich und mit so Stümpern. Also er hilft auch viel, aber er muss sich ja auch verlassen können und mit denen zusammenarbeiten. Ich darf mir dann jeden Abend das Gemeckere anhören, wenn was nicht klappt und er kommt später dann nach Hause“, seufzte sie. „Aber der bleibt wohl nicht lange. Gut für mich“, lachte sie.

Heute war Samstag, er würde nicht hier sein, sagte ich mir. Was wenn doch? Ich machte das einfach wie gestern oder, wenn wir uns sahen, ich ging einfach schnell weiter. Wir hatten kein Wort zu wechseln. Es gab nichts zu reden, es war alles gesagt.

„Nicht?“

„Wie?“ Ich schaute zu Haily, die mich eindringlich ansah.

„Hörst du mir überhaupt zu?“, wollte sie leise wissen und musterte mich.

Lügen nützte nichts. Ich hatte ihr wirklich nicht zugehört. „Entschuldige“, sagte ich aufrichtig. „Ich… ich war total in Gedanken, entschuldige.“

„Und an was hast du gedacht?“, wollte sie ganz direkt wissen, während wie die Treppen von der Bahnhaltestelle hoch liefen.

„Sei mir nicht böse, Haily, aber das ist eine lange Geschichte“, sagte ich sachte zu ihr.

„Ich hab Zeit, kein Problem“, lächelte sie mich an.

Ich musste es erwidern und blieb stehen. „Du… das ist lange her und ich möchte das ungern ausgraben…“

„Hm, okay, das verstehe ich“, sagte Haily kurzerhand, „aber wollen wir trotzdem noch einen Kaffee trinken? Mit anderen Themen?“

„Okay“, nickte ich mit einem Lächeln, obwohl ich eigentlich lieber hoch in die Bibliothek wollte.
 

Dieses Mal hatte ich ihr zugehört – was nicht einfach war, da sie ununterbrochen redete – und mich noch nett mit ihr über alles und jeden unterhalten. Besonders gern, stellte ich fest, plapperte sie über die Belange ihre Freundes, obwohl sie so durcheinander redete, dass ich immer noch nicht richtig verstand, was er hier an der Uni machte. Dafür hatte ich herausbekommen, dass sie Kunst studierte.

Amüsant war sie auf jeden Fall, sodass ich besser gelaunt hoch in die Bibliothek stiefelte, während Haily in ihr Blockseminar ging.
 

Ich kam voran. Allmählich. Meinen Lieblingsplatz hatte ich beschlagnahmt und huschte ab und an durch die recht leeren Regalgänge, um meinen Tisch weiter mit Büchern zu befüllen.

Ich grübelte an einem Messfehler, während ich mit den Finger über die Buchrücken gilt und einzuschätzen versuchte, in welchem Buch der vielleicht eine Satz stand, den ich brauchte und schon seit gefühlten Stunden hier suchte.

„Man muss dich gar nicht suchen, sondern einfach nur hier finden“, hörte ich eine Stimme belustigt.

Ich zuckte heftig zusammen und wandte den Kopf zur Seite. Schlagartig pochte mein Herz mir fest und unangenehm bis zum Hals. Mit den Augen musterte ich Edward einen Moment, um mir selber sagen zu dürfen, dass es wahr war. Genau wie letztes Wochenende. Dass er vor mir stand, mit denselben tiefen grünen Augen und dem weichen Gesichtsausdruck. Ich blickte ihn vorsichtig an – genauso vorsichtig wie man eine Kugel aus dünnem Glas in der Hand halten würde.

„Du… du hast mich gesucht?“, fragte ich tonlos, als ich die Sekundentrance überwunden hatte (es fühlte sich trotzdem noch so an irgendwie…). Mein Hals war trocken.

„Hmmmm“, lächelte er wartend, die Arme um einen Stapel Kopien gelegt, „’Ausschau gehalten’ würde ich sagen.“

Ich erwiderte das Lächeln kurz, etwas überfordert von dem Überfall, der mich etwas aus der Bahn brachte.

„Darf ich dich auf einen Kaffee einladen?“, fragte er mich. „Die Cafeteria hat noch eine halbe Stunde geöffnet.“ Ich stahl mich aus seinem hypnotischen Blick und der melodischen Stimme, die sanft kratzte. Ein Schauer glitt über meinen Körper.

„Ähm…“, machte ich und sah hinab auf meine Bücher.

„Es ist Wochenende, Bella“, lachte er. „Auch für dich.“ Seine Lippen formten sich zu dem einen schiefen Grinsen. In Gedanken schluckte ich und beobachte seine Mimik haargenau, ehe ich rasch herabsah. Es war so… so vertraut… wie er mich aufzog, mit meiner Lernerei… wie früher… der Tonfall…

„Ich…“, brachte ich knapp hervor mit offenen stehendem Mund und leicht zitternden Lippen. „Ich hab zu tun“, würgte ich fast aus meinem Innersten hervor und ging, etwas schwerfällig, an ihm vorbei.

„Oder ein andermal?“, fragte Edward, mit Irritation in der Stimme, mir nach.

Ich schüttelte im Gehen den Kopf und verschwand eilends um die Ecke, ließ die Bücherstapel, nicht sehr vorbildlich, einfach in meiner Lieblingsecke stehen und verließ die Bibliothek.

Flucht, Bella… sagte ich mir seufzend. Ich wusste es, doch es war, wie es war…
 

Ich blieb daheim. Las, lernte und recherchierte dort. Hatte ich gedacht, dass er mir nicht gut tat? Nein… er machte mich kaputt, wenn es so weiter ging.

Ich blickte herab auf meinen Hefter und ließ den Stift sinken.

Ja… es war übertrieben, aber ich verlor die Kontrolle, wenn ich ihn sah oder er sprach – letzteres war noch viel schlimmer.

Nein… ich verlor die Kontrolle nicht… es kostete mich unheimlich viel Kraft, den Großteil aufrecht zu erhalten. So war es richtig, diskutierte ich innerlich und verdrehte zu mir selbst die Augen. Mein Kopf drehte sich innerlich.

Nein, er macht dich kaputt, Bella, so ist es…

Hör auf zu dramatisieren!

„Man verdammt!“, fluchte ich. „Geht doch alle aus meinem Kopf!“, sprach ich laut mit irgendwas – oder besser irgendwem.
 

Ich regte wirsch hin und her, als ich ein lauter werdendes Geräusch von irgendwo vernahm und mich unsanft an dem letzten Tag des Wochenendes weckte. Mühsam hob ich die schweren Lider und taumelte, als ich realisiert hatte, dass es das Telefon war, zu diesem.

„Bella Swan?“, meldete ich mich nach kurzem Räuspern.

„McLiver. Ms Swan, ich erwarte sie in einer Stunde im Labor.“ Ich war augenblicklich hellwach, als ich den kühlen, reservierten Ton vernahm.

„Was? Heute?“, stieß ich prompt hervor.

„Sind Sie etwa die frühen Morgenstunden, nicht gewohnt zu arbeiten? Hier läuft das alles etwas anders – im Dienste der Wissenschaft. In einer Stunde“, fuhr er mich mit ruhiger Stimme an und legte auf. Es war kurz nach halb 6.
 

Hätte ich das gewusst, hätte ich gestern nicht mehr so lange gelernt…

Sichtlich müde, aber dennoch betont darauf bedacht, dies nicht zu zeigen, machte ich mich auf den Weg in die Uni.

Nach und nach erst dachte ich kleinschrittig über den Morgen nach. Seit wann sietze er mich? Hatte er nicht auf das einseitige Du bestanden? Und warum sonntags?

Ich runzelte die Stirn und durchstöberte etwas die Zeitung, die neben mir auf dem Sitz herrenlos lag. Innerlich zuckte ich zusammen, als eine halbe Seite ein wohlgeformtes Gesicht von der Seite zeigte, dessen Körper – edel gekleidet – an einem Flügel saß. Die Annonce warb für ein Semestereröffnungskonzert in der Stadtmitte von verschiedenen Dozenten für Musik.

Ich ließ die Zeitung auf meinen Schoß sinken und legte meine Finger auf die der anderen Hand. In mir beschwor ich die leise Melodie, die ich so lange in mir vergraben hatte, herauf, die wir am Klavier zusammengespielt hatten. Der Klang… so leise… beruhigend… brachte mich so weit weg…

Kurz ballte ich die Hände und schob die Zeitung wieder auf den Sitz, atmete tief durch. Du bist selber schuld. Du bist selber schuld...
 

„Schön, dass Sie endlich erscheinen“, wurde ich von Mr. McLiver in Empfang genommen.

„Guten Morgen“, riss ich mich zusammen, nicht allzu bissig zu klingen.

Mitch nickte mir gähnend zu. Die Haare waren zerzaust und standen in alle Richtungen ab. Wenn ich es nicht besser wüsste, hätte ich auch geglaubt, er habe noch seine Schlafkleidung an. Scheinbar war diese Uhrzeit nicht aufs Mitchs innerer Uhr anzeigbar.

„Die Forschungsabteilung arbeitet diese Woche intensiv an Gewebeproben, die Tag und Nacht beobachtet werden. Dazu müssen Protokolle ausgefüllt werden“, begann Mr. McLiver von einem der Labortische aus. Mitch hatte sich an einen solchen gehockt, einen Arm aufgestützt und sich auf den Tisch gelehnt – von Interesse keine Spur.

„Ihr mikroskopiert bitte nach verschiedenen Kriterien“, Mr. McLiver reichte uns einen Stapel Zettel, „notiert und lagert solange die Proben.“ Er sah auf. „Schönen Tag noch.“

Ich riss die Augen leicht auf. Ging er jetzt einfach?! Ja… das tat er. Mein Blick folgte ihm, wie er sich durch die Tische kurz schlängelte und dann auf geradem Weg hinaus ging.

„Und keine Sorge“, vernahm ich seine Worte im Hinausgehen, „ich habe Sie im Blick.“

Die Tür schloss sich.

„Hm“, machte ich. „Na super… dann legen wir mal los.“ Ich blickte herab auf viele Proben und noch mehr Anweisungen.

„Mach du mal“, gähnte Mitch, die Arme nun komplett auf den Tisch und den Kopf daraufgelegt hatte, die Augen geschlossen.

„Wie…?“ Ich sah ihn entgeistert an und schob ihm den Reader zu. „Mitch, wir haben eine Menge Arbeit, wenn ich den Arbeitsauftrag sehe. Du kannst jetzt hier nicht schlafen! Wir müssen-“

„Hmmmm…“, macht er brummelig, legte den Kopf auf die andere Seite und rührte sich nicht.

„Das ist nicht dein Ernst, oder? Soll ich das etwa alles alleine machen? Mitch, du hast Mr. McLiver gehört-“

„Ja ja… ist ja gut. Reg’ dich einfach ab“, gähnte er, reckte sich und schaute mich an. „Was soll ich tun, Nervensäge? Haste mal auf die Uhr geguckt… es ist mitten in der Nacht…“ Er gähnte wieder.

Ich verdrehte die Augen. „Ich habe auch nicht viel Lust hier zu hocken, sondern würde lieber recherchieren, was wir noch für Flüchtigkeitsfehler machen-“

„Mein Gott“, unterbrach er mich seufzend. „Kannst du auch mal einen Gang runterschalten?“

Ich sah ihn kopfschüttelnd an und wollte zum Gegenschlag ausholen, als er fortfuhr: „Meinetwegen, was ich soll ich machen?“

Ich funkelte ihn an, teilte den Reader und schob ihm seine Hälfte zum Lesen zu – doch die ganze Geschichte machte mir zusehends Sorgen…
 

„Ich hab keine Ahnung von dem Kram! Woher soll ich wissen, dass man da son Teil drüber machen muss?“

„Das Teil heißt Deckglas und das wissen selbst Grundschüler vom Sachkundeunterricht!“

Er sah mich an und schnaubte. Ich war rasend wütend auf ihn, da er die Proben verschwendete –von denen wir weiß Gott nicht genug hatten.

„Sorry, aber auf so was hab ich echt kein Bock. Ich bin nachher auf ne Fete einge-“

„Was ist hier los?“, ertönte eine Stimme, die ich hätte meiden wollen – erst recht in diesem Moment – vom Eingang des Labors. „Man hört euch den ganzen Flur hinauf!“

Ich atmete durch und sah auf zu ihm. „Entschuldigen Sie, das wird nicht mehr-“

„Was zum Teufel tut ihr da?!“, wurde seine Stimme mit jedem Wort lauter und entsetzter, als er näher kam und sich unsere Apparatur und Arbeit der letzten sechs Stunden ansah.

„Ich- das-“, mir rutschte innerlich das Herz die Hose, „Mitch hatte Proben entnommen und-“

„Es ist unglaublich…“, sagte Mr. McLiver mit einem bebenden Tonfall. „Ich habe verdammt noch mal nicht den ganzen Tag Zeit und das ihr wertvolles Forschungsmaterial mit eurer Stümperei grob fahrlässig vernichtet wird ein Nachspiel haben!“ Ich blickte beschämt drein und schluckte. Das fahle Magengefühl war zu einem Dolchstoß ins Herz geworden.

„Mr. McLiver…“, sammelte ich langsam. „Es tut mir wirklich Leid. Mitch und ich hatten niemals vor, irgendwelche Material und Forschungsprodukte-“

„Sparen Sie sich das, Ms Swan“, schnaubte er kühl auf. „Ich hasse nichts mehr, als Mitarbeiter, die nicht gewissenhaft arbeiten und sich ihre Position durch Kontakte erschlichen haben.“

Ich öffne den Mund, um etwas zu entgegen und ließ es dann. Es würde keinen Sinn haben – schließlich hatte er recht.

„Ich werde Bericht erstatten. Ihr räumt auf.“ Er sah mich von der Seite an. „Sofern ihr dazu in der Lage seid…“

Meine Finger umfassten die Tischkante fest und zitterten dabei leicht, während ich auf das Klicken der Tür wartete. Die Schritte hallten dann immer leiser im Flur.

„Sag mal, spinnst du!?“, wandte ich mich wütend an Mitch. „Weißt du, was das jetzt für mich heißt? Was das bedeutet?! Kapierst du überhaupt irgendwas?“, schrie ich ihn nahezu an.

„Der beruhigt sich auch wieder. Du machst auch echt immer ne Mücke aus nem Elefanten“, seufzte Mitch und lehnte sich wieder halb an den Tisch. Sein Gesicht vermittelte nichts anderes als Desinteresse und wenig Ernsthaftigkeit.

„Du- das-“ Mir fehlten einfach die Worte. Ich blickte ihn entsetzt an. „Machst du das eigentlich mit Absicht? Alles, was ich tue, boykottieren?“

Mitch verdrehte die Augen und winkte ab.

Ich schnaubte auf und drehte mich weg, räumte die ersten Sachen zusammen. Immer bewusster spürte ich die Ungerechtigkeit und Wut in mir aufschäumen.

„Du brauchst nicht mehr zu kommen. Ich kann sehr gut auf dich verzichten und die Arbeit alleine machen“, sagte ich knapp mit einem kurzem Blick.

„Falsch“, erwiderte Mitch, der die Geräte in den Schrank räumte. „Ich muss kommen. Du darfst einfach kündigen. Du bist hier ja freiwillig und hast dir den Kram hier ausgesucht. Ich bin hier hin geschickt worden. Ich kann im Gegensatz zu dir nicht gehen“, sagte er nüchtern. Es schimmerte nicht durch, dass er es toll fand, aber, dass es so war.

Ich blickte ihn an und in Bruchteilen einer Sekunde ratterte es erbost in mir – gleichzeitig stellte ich fest, wie recht er hatte.

„Schön. Dann kannst du ja den Rest alleine machen, hast es ja auch immer hin verzapft“, fluchte ich so ruhig ich konnte, schnappte meine sieben Sachen und verließ das Labor.

Eine Mischung von Enttäuschung, Angst und Zorn machte sich in mir breit. Er machte mir alles kaputt, egal, was ich tun würde und wie gut ich mich vorbereiten und alles durchführen. Wer weiß, was jetzt auf mich zu kommt. Vielleicht kündigen sie mich direkt – und dann!?

In Gedanken entrüstet und gar verzweifelt rempelte ich gegen jemanden. Nicht jemanden… „Hey Bella…“

Ich sah auf und spürte nun – zusätzlich zu dem Gefühlscocktail bis vor 1,4 Sekunden – das Magenkarussell hinauf zu meinem Herzen sich drehen.

„Nein- nein“, ich atme kurz ein und sah herab, „lass mich in Ruhe.“

Ich wich ihm aus und lief schnell an ihm vorbei. Nein. Das bzw. besser gesagt ihn, konnte ich gar nicht gebrauchen. Nichts dergleichen.
 

Daheim angekommen brachen die Tränen aus mir heraus. Ich wusste nicht, wie mir geschah. Jeglicher Gedanke oder Empfindung überforderte mich. Edwards Bild, Mr. McLivers Ansprache, Mitchs Aussage-

Ich setze mich vom Bett auf und schlug die Beine über dessen Kante. Da ich eh rausgeworfen werde… es war falsch deutsche oder überhaupt andere Stellen abzuharken. Mein erster Impuls von wenigen Tagen im Zusammenhang mit Edward war nicht falsch oder übertrieben gewesen.

Was sollte ich noch hier… weder beruflich, noch privat schien es hier Perspektiven zu geben. Mein Vater? Er und seine Familie wären vielleicht ein Grund, allerdings hatte ich jahrelang über eine gewaltige Distanz Kontakt gehalten. Warum sollte das nicht nun auch klappen?

Ich atme durch und wischte die Tränen weg. Langsam schleppte ich mich zum Laptop und begann den deutschen Stellenmarkt zu durchforsten.

Was… was machte Edward eigentlich Sonntags in der Uni?, fragte ich mich, während meine Gedanken abdrifteten…
 

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Bin vom 26.10. bis 31.10. in Schweden, freue mich aber trotzdem, wenn ihr in der Zeit fleißig Kommis schreiben möchtet :)

Bis dahin: Danke an alle Leser und vllt bis Facebook ;) :love:

B: Wendungen

:S

trau mich fast schon gar nicht mehr her.... es tut mir total leid, dass es so lange gedauert hat :(

ich gelobe besserung, auch wenn ich nichts versprechen kann... momentan rasen die vollen wochen nur so, dass ich kaum zu was komme.... sry :(
 

ein cover zu dem kap hab ich noch nicht, muss dawni noch kontaktieren und dachte ich lasse euch die zeit nicht auch noch warten ... ^^
 

viel spaß mit diesem ... ja etwas anderen oder besonderem kap, wie ich finde ^^ zumindest für "tat" und den weiteren verlauf der geschichte ;) :)

glg fane :-*
 

(noch mal ein kleiner wink auf die "fane-facebook-seite" auf der ihr alles als aller erstes erfahrt ;) (http://www.facebook.com/pages/Fane/210231762378955)

Musiktipps:

Ed Sheerhan - The A Team http://www.youtube.com/watch?v=X0dnp5E8FMo

Birdy - Skinny Love http://www.youtube.com/watch?v=XL2Uzz4j01s

Erstes ein Dauerbrenner bei mir, zweiteres aus Vampire Diaries und super schön... momentan auch iwie im Radiodauerlauf ?? :D mich freuts ^^
 

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Edward
 

Ich sah ihr nach.

Was war das denn gewesen??

Ich runzelte die Stirn.

War sie sauer auf mich? Wegen der Lüge meines Vaters?

Mein Blick wurde unfreiwillig sehnsüchtig.

Oder auf mich, weil ich zu aufdringlich war?

Edward! Lass mich runter! Was zum Teufel tust du?! Ihre sanfte Haut. Nass vom kühlen Wasser, gewärmt von Decken im spärlichen Licht, während ihre Lippen sachte meine umschlossen und ihre Augen mir mehr sagten, als jedes Wort es hätte tun können-

Ich liebe dich so sehr und ich weiß nicht, wie sehr ich dir für die Zeit danken kann, aber wir haben keine Wahl und auch wenn ich dich nie vergessen werde, ich kann nicht…

Es flackerte vor meinem Inneren auf. So eindeutig wie damals. So eiskalt. Ein Messerschnitt in die Haut, zerteilend. So war sie gerade auch gewesen.

„Mr. Cullen? Würden Sie… ähm…“

Ich schwang in die Realität und sah die Studentin, die in der Tür vor mir stand an. „Sicher“, sagte ich rasch und setzte eine ernstzunehmende Miene auf.

„Die Anderen haben während ihrer Abwesenheit schon mit dem Proben begonnen“, sagte sie fast achtsam zu mir. „Ich hoffe, das war für Sie in Ordnung. Der Übergang zu dem neuen Stück gestaltet sich noch als schwierig und daher dachten wir-“

„Schon gut“, unterbrach ich sie ein wenig barsch. „Kommt alle mal her!“, rief ich die anderen, sodass sich bald alle auf der Bühne zusammenfanden.

„Wir werden heute alle Stücke spielen, jedes Solo“, verkündete ich. Ein Raunen ging durch die Menge. „Und zwar so lange, bis alles klappt.“ Große Augen starrten mich an.

Das würde ein langer Tag werden. Aber ich wollte es so. Genau so.
 

„Guten Abend, du bist spät“, stellte meiner Mutter fest.

Verdammt spät, dachte ich innerlich, als ich mich zu ihr, meinem Vater und Emmett an den Esstisch setzte.

„Ja… wir haben die Proben heute etwas straffer durchgezogen“, sagte ich und tat mir direkt hungrig etwas auf meinen Teller.

„Tanya hat übrigens Collin gebracht. Er schläft oben“, teilte mein Vater mir mit. „War das so abgesprochen? Ich dachte diese Woche ist er bei den Denalis…?“

Ich aß bereits und sah Stirn runzelnd auf. „Dachte ich auch… ich hab diese Woche gar keine Zeit…“ Ich seufzte und lehnte mich Augen verdrehend zurück, griff gleichzeitig nach einem Stück Baguette. „Ich hasse es, wenn sie die Pläne umschmeißt und keinen Ton sagt.“

„Vielleicht hast du ihr nur nicht richtig zugehört“, mischte sich Emmett kauend ein und grinste, als ich seinen Blick auffing. „Vielleicht… weil du in Gedanken bei Bella bist…“, füge er hämisch hinzu. Ich wusste, dass da noch was kommt.

„Woher weißt du das schon wieder?“, fragte ich fast, ohne eine Antwort zu wollen. Ich blickte ruhig zu meinem Vater, um eine Antwort zu verlangen, doch Emmett fuhr fort: „Der Flurfunk funktioniert bestens. Überall“, lachte er leise. „Ich habe sie außerdem heute gesehen. Du mit Sicherheit auch…“, sagte er mit halb fragendem Tone.

„Kurz“, murmelte ich Schultern zuckend und seufzte wieder. „Wenn Collin da ist, kann ich abends nicht mehr Klavierspielen.“

„Lenk nicht ab“, grinste Emmett weiter futternd.

Meine Mutter ging nicht darauf ein. Weder auf Bella, noch auf Emmetts Einwurf. „Wenn du möchtest, mache ich morgen frei, damit du üben kannst. Was hältst du davon? Ich gehe mit ihm etwas raus oder mache einen Arztbesuch, wenn einer ansteht“, bot sie an.

„Es wäre gut, wenn du ihn morgens ein paar Stunden nehmen kannst, dann kann ich einen Termin in der Uni wahrnehmen und etwas proben. Danach nehme ich ihn dir ab und lasse ihn etwas mit der neuen Eisenbahn spielen, dann kann ich dabei Klavier spielen. Die ruhigen Stücke gefallen ihm sogar“, sagte ich mit einem beinahe stolzen Anflug eines Lächelns.

Meine Mutter lächelte mich sanft an. „Okay, das machen wir so“, nickte sie.

Ich erwiderte es und aß weiter.

„Wir waren übrigens bei Bella…“, warf Emmett nach ein paar Minuten Stille ein.

Ich seufzte und verließ mit meinen Eltern, die auch fertig waren, den Tisch, nachdem wir abgeräumt hatten.
 

Später bemerkte ich, dass Tanya mir eine SMS geschickt hatte. Genau genommen vier.
 

***
 

Rechts türmten sich Stellenausschreibungen. Links von mir Bewerbungsmappen und -unterlagen. Eifrig schickte ich Begriffe durch die Maschine, während in meinem Kopf ein ganz anderer Film lief. Und kein anderer als Edward hatte die Hauptrolle. Nichtsdestotrotz galt die Werbung Mr. McLiver… Mitchs Patzer und Klarstellung mir gegenüber-

Ich würde sowieso fliegen, wenn Mr. McLiver bei der Forschungsabteilung Bericht erstattete – und warum sollte er nicht? Es würde rauskommen, das Proben fehlen, die er ausgeteilt hatte. Wichtige Proben, nicht irgendwelche, die in meiner Verantwortung standen.

Ich wandelte für jede Stelle das Anschreiben leicht ab, druckte ansonsten Lebenslauf, Deckblatt und Anschreiben nacheinander aus.

„Super Qualität“, seufze ich leise, als ich die missratenen Ausdrucke sah. Trotz allem heftete ich es in den Bewerbungsmappen und beschloss, das alles in der Uni noch mal zu drucken. Dort war es auf jeden Fall ordentlich.

In meinen Händen fühlte sich der Stapel Mappen tonnenschwer an. Ich war vor kurzem schon einmal an dem Punkt gewesen und nun kam es mir nicht weniger komisch vor. Na ja, bewerben kostete nichts… so musst du das sehen, Bella, sagte ich mir.

Ich horchte auf, als meine Türklingel ging. Langsam erhob ich mich und schritt zur Tür. Haily stand vor der Tür, wer auch sonst?

„Hey… du, wir feiern gerade Olivers Geburtstag nach und ich dachte, weil du mir ja immer so viel aushilfst, dass du vielleicht auch rüber kommen willst“, fragte sie mich mit großen leuchtenden Augen. Sie trug die Haare hochgesteckt, große Ohrringe und war schick mit Bluse und Rock gekleidet.

„Du hast doch bestimmt noch nicht zu Abend gegessen und ich würde mich echt freuen…“ Sie schaute mich fast bittend an. Meine Lust war so gering wie ihre Munterkeit groß war.

„Du… ich- ich bin nicht in Stimmung… so gar nicht“, versuchte ich es, aber bei Haily war abwimmeln schwierig. Sie ließ sich ungern von etwas abbringen.

„Ach komm, Bella, bitte. Gerade dann… du musst dich auch nicht großartig hübsch machen oder ein Geschenk mitbringen oder so“, las sie fast meine Gedanken. „Komm einfach gleich rüber, ja? Eine Stunde oder so… komm, bitte…“

Hoffentlich fing sie jetzt nicht an zu schmollen, dachte ich unfair, denn eigentlich war sie eine sehr liebe Person.

„Okay“, nickte ich. „Danke, ich komme gleich. Danke für die Einladung.“

Sie strahlte mich an und verschwand links in ihrer Wohnung, ehe ich mir einen Pullover und eine saubere Stoffhose schnappte, überzog, mein Haar kurz korrigierte und durch die nur angelehnte Wohnungstür ging.

Kurz suchend trat ich durch den Flur in das Wohnzimmer ein, indem sie zwei große Tische über Eck gestellt hatte.

„Uhhh, du bist da“, sagte sie aufgeregt und umarmte mich stürmisch. „Leute, das ist Bella, meine allerliebste Nachbarin“, stellte sie mich vor und ich ließ grüßend den Blick schweifen. Mein Blick haftete an jemanden, auf den sie zeigte, um ihn mir vorzustellen. Ich hatte große Mühe meine Gesichtszüge zu kontrollieren.

„Das ist Oliver, mein Freund“, verkündete Haily, was ich allerdings längst schon wusste – ich hatte eins und eins zusammengezählt.

„Guten Abend, Bella“, sagte er schmierig mit einem Lächeln.

„N’Abend“, sagte ich mit einem ebenso steifen, förmlichen Lächeln.

Mir wurde ganz anders. Natürlich konnte er für den Patzer nichts, aber… aber nichts desto trotz waren wir auf keinem guten Stand.

„Ihr kennt euch?“, fragte Haily Stirn runzelnd. Oliver grinste nur.

„Er ist mein Chef, mein technischer Leiter, an der Uni“, erklärte ich ihr knapp und versuchte Haltung zu bewahren. Ich wollte in seiner Anwesenheit nicht eine Sekunde länger bleiben – eigentlich.

„Oh, super, das ist ein toller Zufall“, lachte sie. „Dann nimm du doch meinen Platz neben ihm so lange, dann gehe ich mal zu den anderen“, sagte sie leider Gottes und schob mich auf den Stuhl. Es ist lieb gemeint von ihr, es ist lieb gemeint…, sagte ich mir innerlich mehrmals, um Haily nicht noch die Schuld in die Schuhe zu schieben.

Haily setzte mir sauberes Geschirr vor und dackelte ab.

Um nicht unhöflich zu wirken, tat ich mir etwas Salat und Würstchen auf den Teller, obgleich mir schlecht war, in solcher Gesellschaft zu sein.

„Wirklich… ein toller Zufall“, wiederholte Oliver und lächelte mich von der Seite an.

„Ähm, ja“, nickte ich knapp. Ich war ihn bald los… ich würde fliegen, aber ich würde mir eine andere Stelle suchen. Kein „Oliver“ mehr.

Er neigte sich leicht zu mir. „Ich denke für heute Abend ist das ‚Du“ okay“, grinste er.

Ich schaute ihn fast schon giftig von der Seite an. „Ich denke, es gibt nichts groß zu reden, oder? Ich denke, Sie haben sich deutlich ausgedrückt“, siezte ich mit Absicht.

„Ich habe meinen Job getan, ich denke, das solltest du akzeptieren und annehmen, wie es ist. Mein Fehler war es nicht“, erwiderte er flüsterleise, aber kühn.

„Das haben Sie bereits mehr als deutlich gemacht.“ Ich aß langsam vor mich her, um etwas zu tun zu haben und beschäftigt zu wirken – und letztendlich Haily nicht zu kränken, auch wenn ich nach Gründen suchte, um weg zu können. Wie konnte sie mit so jemandem zusammen sein? Und wie ich es herausgehört hatte, nicht erst seit gestern…

„Schön, dass es angekommen ist“, sagte er geradeaus sehend.

„Wie hätte es auch nicht“, murmelte ich kauend und spürte in dem Moment, dass ich einen Schritt zu weit gegangen war.

„Du solltest aufpassen, was du sagst“, knurrte er kaum hörbar.

Ich schaute weg. Ließ ich mich von ihm einschüchtern? Chef hin oder her? Er war es sowieso bald nicht mehr. Ich würde nicht geduckt meinen Platz räumen…

„Ich denke, dass ich trotz allem das Anrecht auf eine gute Behandlung habe“, sagte ich sachlich, aber kühl und funkelte ihn von der Seite an. „Im Grunde wissen Sie, dass es nicht mein eigener Fehler war, für den ich jedoch trotzdem und nach aller Richtigkeit, gerade stehe.“ Ob es wirklich so richtig war, war eigentlich eine andere Sache…

Ich stand auf und spürte seinen Blick auf mir, lief herum zu Haily. „Du hey…“, sagte ich und hockte mich zu ihr. „Oliver und ich haben gerade kurz noch was für morgen besprochen und das will ich eben noch fertig machen. Sei mir nicht böse, wenn ich jetzt gehe… Es war sehr lieb von dir, mich einzuladen“, sagte ich so sanft ich nach der Begegnung der dritten Art konnte.

„Hmmm“, machte sie schmollend. „Okay, na gut. Ihr Workaholics“, lachte sie kurz und drückte mich dann.

Von wegen…

Sollte Oliver auf meine Notlüge eingehen, war ich mal gespannt, wie er seiner Freundin das alles erklärte…
 

Mit dem Gefühl, dass das alles bald beendet war, dass ich bald meine Ruhe vor dem Typen hatte, hatte ich die Nacht verbracht und war nächsten Morgen zur Arbeit gegangen. Die Einstellung war sehr befreiend, gar angenehm – auch wenn ich keine Lust auf meinen „Partner“ hatte.

„Morgen“, kam fast es kleinlaut von Mitch, als ich das Labor betrat und ihn ebenfalls kurz grüßte. Merkwürdig. Vor allem, dass er so früh da war… normalerweise fingen wir später an und selbst dann war er nie pünktlich – eigentlich.

Verwundert, aber mir nichts anmerkend, ging ich zur unserer Tischreihe und breitete meine Sachen aus, während mein Blick über das dort liegende Papier huschte.

„Ist Mr. McLiver schon da gewesen?“, fragte ich beiläufig.

„Nein, ich war vorhin bei ihm“, erwiderte Mitch in ein paar Blättern kramend.

Ich nickte stirnrunzelnd und las weiter die Anweisung.

„Bella… hör mal bitte…“, murmelte Mitch neben mir und atme geräuschvoll. Ich schaute ihn an und hob die Augenbrauen.

„Ich war bei ihm, um mich zu entschuldigen. Ich hab auch mit diesen Labortypen geredet… dass das mein Fehler war, du nichts dafür konntest und alles sehr gut angeleitet hast, aber ich halt noch so Anfängerfehler mache, die eigentlich selbst verständlich sind…“ Er blickte ununterbrochen auf die Tischplatte. Ich machte große Augen.

„Ich hab das alles voll auf mich genommen und du bist aus der Sache raus, hat für dich auch keine Konsequenzen“, sagte er nun aufsehend in sehr ruhigem Tonfall.

„Und für dich?“, fragte ich prompt nach, da ich nichts anderes zu dieser überraschenden Aussprache sagen konnte.

„Na ja… keine Ahnung, werde wohl in meiner Beurteilung einen Zweizeiler dazu haben, aber na ja“, sagte er und zuckte mit den Schultern. „Es tut mir echt leid wegen gestern…“

„Okay“, nickte ich und atme tief. Das war… toll. Nur hatte ich mich schon total auf eine neue Stelle eingestellt. Das kam jetzt alles mehr als überraschend.

„Was aber nicht heißt, dass ich auf den ganzen Kram hier Lust habe und mich nicht viel mehr einsetzen werde, als jetzt auch“, gab er ehrlich zu und ein Grinsen huschte über seine Lippen. „Aber, hoch und heilig, ich mache jetzt echt nur, was du sagst und frag’ nach, bevor ich unüberlegt was tue – aber mehr auch nicht.“

Ich musste lachen, als er das so sagte und nickte. „Okay, damit kann ich gut leben.“

„Alles klar“, nickte er ebenso. „Womit starten wir, Chefin?“

„Mit dem Aufhören von ‚Chefin’“, lächelte ich breit, kritzelte kurz auf dem Zettel herum und schob ihn ihm hin. „Das ist deins, das ist meins, Fragen?“

Er lächelte und schüttelte kurz den Kopf. Wir machten uns an die Arbeit.
 

Mr. McLiver hatte sich nicht mehr gezeigt und das Arbeiten verlief unvorstellbar angenehm. Mitch arbeitete wirklich. Nicht, dass er sich, was Extraarbeit anging, einbrachte, aber er ging mir zu Hand und assistierte, so wie es gedacht war. Ich genoss das Hochgefühl, als ich das Labor verließ. Mit genau diesem Gefühl, wollte ich die Uni hier verlassen – ganz gleich, ob wieder nach Deutschland zurück oder woanders hin in die USA. Ich würde zum zweiten Mal, die Uni verlassen, aber als jemand ganz anderes, mit genau diesem Gefühl.

„Wegen vorgestern…“

Ich wandte den Blick erschrocken zur Seite. Wie konnte ich nicht bemerkt haben, dass er neben mir stand!?

„W-Was?“, brachte ich hervor, während er direkt neben mir stand. Eine Armlänge entfernt, vielleicht weniger…

„Als du Samstag einfach abgehauen bist-“, begann er, doch ich ließ ihm keine Chance.

„Hatte nichts mit dir zu tun“, unterbrach ich ihn rasch, obgleich das nur die halbe Wahrheit war. „Ich muss weiter, zu tun- ähm, Feierabend, aber noch zu tun… also…“ Ich nickte mit etwas betretenem Gesichtsausdruck zu mir selbst. „Bis dann…“

„Bella, warte- gib’ mir zwei Minuten, eine… bitte“, sagte er nachdrücklich und stellte sich mir seitlich in den Weg, sah durchdringend herab zu mir.

„Ich… ich hab nicht mal eine halbe…“, nuschelte ich leise und sah auf. „Für dich.“ Seine Pupillen weiteten sich kurz, was mir den Moment gab, mich an ihm vorbeizuschlängeln und aus seinem Blick zu verschwinden.

Das Pochen meines Herzens hatte das angenehme Gefühl von eben sofort in eine Schublade geschoben, die mir nun verschlossen blieb.

Verstand er es eigentlich nicht? Was war an „Ich habe keine Zeit, ich will nicht“ so schwer zu verstehen? Brachte ich das so undeutlich herüber?
 

Edward
 

Mein Fuß drückte das Gaspedal zum Boden, den Blick starr geradeaus gerichtet.

Was machte ich denn falsch? Ich suchte doch nur Kontakt zu ihr- ja, vermutlich genau das.

Ich stoppte den Wagen in einer Vollbremsung vor unserem Haus, dass die Reifen ein ungesundes Geräusch von sich gaben.

Warum sperrte sie sich denn so dagegen? Ja, vermutlich wusste ich es auch ganz genau. Weil sie Bella war.

Schnellen Schrittes nahm ich die wenigen Stufen zur Eingangstür hoch. Sie fiel dröhnend hinter mir ins Schloss.

„Edward? Bist du’s?“, vernahm ich die Stimme meiner Mutter von oben.

„Ja“, rief ich knurrend zurück und nahm nicht die Treppen hoch, sondern ging erst mal geradeaus ins Wohnzimmer – durchatmen.

Meine Mutter kam von der anderen Seite die Treppe herunter, Collin auf dem Arm.

„Gut, dass du so früh bist, ich habe noch ein Meeting gleich. Kannst du dann Collin übernehmen?“, fragte sie nach. Collin hatte sich an ihre Schulter gelehnt, die Hand an ihrem Brustkorb.

„Klar“, meinte ich, ging aber an ihr vorbei. „Gib mir zwei Minuten.“

Sie schaute mir mit hochgezogenen Augenbrauen nach, während ich die Treppen hochging, schnurstracks in mein Zimmer und an den Flügel. Ich nahm die erstbesten Notenkombinationen, die mir einfielen und improvisierte hart auf dem Klavier, peitschte sie nahezu auf das Holz ein. Es klang… grausam, verraten, verbittert, erniedrigt.

Ich ließ den letzten Ton ausklingen und meine Hände langsam von den Tasten herab gleiten. Meine Schultern und mein Kopf taten es ihnen gleich.

„Edward…“, flüsterte meine Mutter fast, als sie – immer noch mit Collin auf dem Arm – die angelehnte Tür offen schob. Ich hob den Kopf zu ihr.

„Kann ich dich so mit ihm allein lassen?“, fragte sie mich leise mit leicht zusammengekniffenen Augen.

„Natürlich“, nickte ich, sammelte mich kurz und ging auf sie zu, um ihr Collin abzunehmen. „Ich habe ihm ja die Eisenbahn versprochen und werde dann nebenbei etwas üben. Also… leise, beschauliche Stücke.“

Collin hatte sich nun aufgerichtet und wippte leicht auf mir, die Fingerchen über mein Hemd streichend.

Sie sah mich einen Moment lang konzentriert an und schaute dann zu Collin, strich über seine Wange.

„Ich war mit ihm zur Impfung beim Arzt, er war relativ aufgekratzt… Tanya sagte, bei der letzten Impfung war das gar nicht so, glaube er hatte einen schlechten Tag. Spiel’ noch etwas mit ihm, Essen steht unten und dann denke ich, sollte er früh ins Bett. Aber entscheide selbst“, sagte sie sanft und reichte mir noch Collins Kuscheltuch, welches sie sich über die Schulter gelegt hatte.

„Okay“, murmelte ich tief atmend.

„Ist wirklich alles in Ordnung mit dir?“, wollte sie sich noch mal rückversichern.

Ich gewann mir ein kleines Lächeln ab. „Ist es, alles gut, wirklich“, sagte ich.

Sie nickte und senkten dann ihren Blick zu Collin. „Dann gute Nacht, kleiner Mann, schlaf schön.“ Sie drückte kurz ihre Lippen an seine Schläfe und sah zu mir auf. „Bis nachher…“

Ich nickte und sie schloss die Tür hinter sich.

„So…“, sagte ich ausatmend und schaute zu Collin herab, setzte ihn auf den Boden. „Wollen wir doch mal die Eisenbahn aufbauen oder was meinst du, Collin?“

„Seisenbahn bauen“, murmelte er mit den Fingern seine Füße festhaltend und mit leuchtenden Augen aufsehend. Ich lächelte ihn kurz an und holte unterm Bett einen großen Kasten mit Holzschienen, Eisenbahnen und Zubehör hervor. Collin stellte sich auf und kam zu mir getapst.

„Da“, quietschte er. „Papa geben…“

„Ja ja, machen wir ja“, sagte ich leise und lächelte, während ich den Karton öffnete und Collin mit den Fingern auf diesem herumpatschte. Ich reichte ihm ein Teil nach dem anderen, die er sich entweder ansah oder recht schnell zur Seite legte und sammelte. Während er vor sich her brabbelte, steckte ich die Schienen zusammen zu einem Kreis mit einer Abzweigung in der Mitte und „fuhr“ mit einer Eisenbahn über die Schienen.

„Tschu, tschu…“, ahmte er mir nach und nahm mir die Eisenbahn weg. „Tschhhhhh.“

Ich lächelte ihn an und strich durch sein von Tanya und meiner Mutter immer sehr geglättetes Haar, machte es etwas strubbeliger.

„Papa spielt jetzt etwas Klavier“, sagte ich zu ihm. „Du kannst hier weiterspielen. Und pass auf, dass die Eisenbahnen keinen Unfall bauen, Kleiner“, lächelte ich.

„Seisenbahnen spielen…“, nuschelte er vor sich her. Ich stand auf und ging zum Klavier, nahm mir ein paar Notenberge vor und spielte die neuen Stücke vor mir her. Ruhige, leise, sehr… gefühlvolle… Stücke…

Ich tauchte ein wenig ab, gab mich hin, verlor mich – direkt in Bellas Arme, fand mich dort wieder. Wie so oft. Immer und immer wieder dominierte sie meine Gedanken, meine Gefühlswelt.

Meine Finger taten ihr übriges auf den Tasten, während ich gedanklich ganz woanders war… mir ihre Stimme vorstellte, wie sie sagt, dass sie mich liebte… wie ihre zarte Haut, über meine glitt, wissend, dass sie wollte…

Ich ertappte mich dabei, wie ich Bellas Lied spielte und nahm die Finge von den tasten, sah darauf herab. Ich ballte sie kurz, atme tief en und neigte den Kopf zu Collin rüber, um den vielen Gedanken nicht mehr nachzugeben.

Collin lag mittlerweile auf dem Bauch, die Eisenbahn auf dem Kinderteppich hin und her schiebend. Manchmal hatte ich den Eindruck, dass er die Melodie mitsummte oder -sang, kam es mir kurz in den Sinn. Collins Beine wibbelten auf und ab.

Wäre er nicht geboren- Nein, so durfte ich nicht denken. Ich konnte so einem Kleinen nicht die Schuld geben, die er sich nicht ausgesucht hatte.

Wäre Bella nicht Bella, wäre alles nicht so, wie es ist… Edward, langsam drehst du durch, gestand ich mir seufzend als, ich meinen verqueren Gedankengängen lauschte.

Mein Blick fiel auf Collin, der sich auf den Rücken gedreht hatte und die Eisenbahn ganz vertieft „fliegen“ ließ. Ich konnte mir die Liebe zu ihm von Anfang nicht verwehren – auch wenn ich ihn und das Ganze, was ich jetzt hatte, nicht gewollt hatte.

Ich rappelte mich vom Klavier hoch und glitt zu Collin auf den Spielteppich, legte mich seitlich zu ihm.

„Na du, was spielst du?“, fragte ich und streichelte seinen Bauch.

„Thomas Lodomotive“, sagte er und hielt mir strahlend die Eisenbahn hin.

„Das ist Thomas? Aber Thomas ist doch blau“, sagte ich, hielt die Rote in der Hand, griff nach einer Blauen und reichte sie ihm.

„Thomas“, sagte er und deutete auf die Rote. „Papa“, murmelte er dann und zeigte auf meine Blaue. Ich lachte.

„Okay, dann ist unsere Thomas-Lokomotive rot“, sagte ich amüsiert und lächelte breit.

„Und Papa“, verdeutlichte er und nahm mir die Blaue ab, legte beide etwas unbeholfen auf den Schienennetz ab. Ich korrigierte kurz.

„Okay, dann fahren jetzt Papa und Thomas um die Wette. Welche möchtest du, Papa oder Thomas?“, ließ ich mich auf sein Spiel ein.

„Papa“, sagte er mit schmatzenden Geräuschen und griff nach der blauen Lok. „Papa noch eine“, sagte er und nahm eine weitere Blaue aus dem Karton.

„Ah, gibt’s noch eine, die Papa heißt?“, lachte ich und nahm die Blaue.

„Und welche heißt Mama?“, erschreckte mich Tanya etwas, die plötzlich im Türrahmen stand. Collin schaute auf.

„Mama!“, stieß er hervor, ließ Papa und Thomas uninteressiert zu Boden gleiten und wackelte in Tanyas Arme, die in die Hocke gegangen war.

„Spielst du schön mit dem Papa?“, fragte sie sachte und streichelte ihm durchs Gesicht, ehe Collin die Begrüßung verkürzte und sich dann doch mehr den Lokomotiven widmete. Ich lächelte sie an, sie tat es mir gleich und kam zu mir herüber.

„Hi“, sagte sie und küsse meine Wange, setzte sich zu mir auf den Boden. „Tut mir leid, wegen des kurzfristigen Umplanens gestern, aber ich bin jetzt doch mit der Gruppenarbeit unerwartet schon heute fertig geworden und kann ihn wieder mitnehmen, wenn dir das besser passt.“

Ich richtete mich in den Sitz auf und sah sie an. „Ist schon okay, kam mir zwar nicht gelegen, aber meine Mutter hat heute auf ihn aufgepasst und war zu einer U-Untersuchung beim Arzt. Also, wenn du noch zu tun hast, kann er auch hier bleiben, die nächsten Tage steht nicht so viel bei mir an.“

Tanya lehnte sich an meine Schulter. „Nein, ich hab nichts mehr zu tun…“, sagte sie. „Wie wär’s, wenn ich heute hier bleibe und wir uns mal einen Abend gemeinsam gönnen? Mit unserem Kleinen? Was meinst du?“, fragte sie lächelnd nach und schaute seitlich zu mir hoch.

„Okay, eine gute Idee“, sagte ich nickend und war mir nicht sicher, ob ich das wirklich so meinte. Zeit mit Collin war immer schön… meistens zumindest. Und mit Collin und ihr eigentlich auch, aber…

Sie strahlte mich an und hob leicht den Kopf, ich senkte meinen und küsste sie kurz, ließ ihre Lippen meine umschmiegen. Das reichte ihr. Mir auch.

„Muss er noch essen?“, fragte sie nach und ich bejahte es.

„Dann gib’ du ihm was und ich richte alles für heute Abend her. Hast du Lust auf eine DVD?“, fragte ich nach und packte ein paar Eisenbahnsachen zusammen.

„Ich hätte Lust auf Klavierspiel“, erwiderte sie lächelnd, „wenn dir das nichts ausmacht, natürlich nur.“

„Nein“, sagte ich lächelnd und schüttelte leicht den Kopf. „Wenn du magst, darfst du aussuchen.“

„Okay“, nickte sie schmunzelnd und nahm Collin hoch. „Na komm, wir essen etwas, Thomas und Papa haben bestimmt auch Hunger…“ Sie stiefelte mit ihm hörbar die Treppen zur Küche runter.

Ich lächelte noch, während ich die Eisenbahnspielsache, ein wenig zusammen bzw. zur Seite räumte. Langsam ließ mein Lächeln jedoch nach. In mir machte sich ein komisches, beklemmendes Gefühl breit…gefühllos, unecht… merkwürdig.
 

„Er schläft“, verkündete Tanya mit dem Babyphone ins Zimmer kommend. „Na ja, zumindest ist er leise und döst ein wenig“, gab sie dann zu. „Aber ich glaube er war müde.“

Sie kam zu mir zum Klavier, wo ich gerade Noten sortierte und setzte sich neben mich, tippte verloren mit dem Zeigefinger etwas auf den Tasten herum.

„Spielst du für mich was leises…? Romantisches? Ruhiges? Ein Schlaflied?“, fügte sie lachend hinzu und lehnte sich wieder an mich.

„Klar“, nickte ich lächelnd, wenn auch ihre Worte in mir hallten. Das Ganze fühlte sich… so vertraut und doch so falsch an.

Ich spielte, ließ mich treiben, sie strich mit den Fingern sachte über meine Seite und kuschelte sich an mich.

Instinktiv spielte ich Clair de Lune, merkte ihre Wärme an mir – es passte nicht. Aber es war egal…
 

Langsam schritt sie rückwärts, während ich ihre Lippen küsste. Der letzte Ton klang noch im Klavier nach. Tanya schlang die Arme, um meinen Hals, zog mich näher an sich und glitt herab auf mein Bett. Ich beugte mich über sie, meine Lippen an ihren. Sie blickte mich wartend an.

Sie bekam das, was ich gab. Sie forderte nichts ein. Sie wartete auf den nächsten Schritt, unternahm nichts, wenn es nicht von mir ausging. Und auch, wenn es nur ein kleiner Kuss war, den sie erhaschte, sie bekam das, was ich ihr gab. Klang es grausam, das so zu beschreiben? Nein… ich definierte einfach das, was wir unter einer Beziehung verstanden, ich gab den Maßstab und behandelte sie gut. Sie widersprach nicht. Und wir kamen damit klar. Seit nun halb zweieinhalb Jahren…
 

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*verbeug*

*gespannt auf kommis bin* :blush:

glg =))

A: Sues Schicksal

herzlichen dank für tollen kommis ! ich freu emich immer riesig !:)
 

Musiktipps:

Philipp Poisel - Eiserner Steg http://www.youtube.com/watch?v=NTn51PnwMbk

Eiserner Steg... hach, so melancholisch, herrlich .... perfekt für die ein oder andere Stelle hier :)^^
 

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Scheinbar verstand er es nicht. Aber ich würde es ihm in jedem Fall, immer wieder zu verstehen geben.

Ich kroch merkwürdig geschafft, aber ausgeschlafen, aus dem Bett und machte mich fertig. So wie die Bürste heute nicht mein Haar verlassen wollte, so war auch meine Creme unauffindbar.

Vielleicht sollte ich ihn noch viel mehr meiden… nicht mehr durch den Haupteingang gehen. Aus den Augen, aus dem-

Ich seufzte leise und betrachtete mein Spiegelbild.

Meine Mutter hatte ich mit dem Ganzen damals nicht belasten wollen. Vor allem nicht, um auch noch mal von ihr zu hören, dass ich bleiben sollte. Doch jetzt… jetzt würde ich sie so gerne um Rat bitten. Ich wusste nicht mal wozu genau, aber ich hätte mir eine Meinung von ihr gewünscht. Zu allem einfach… zu Mitch, Mr. McLiver und… ihm.

Für sie wäre die Sache ganz einfach… er bemühte sich um mich, er empfand noch was für mich. Ich… ich tat es unweigerlich auch, gestand ich mir ein. Egal wie sehr ich es fort schob. Eine einfache Rechnung… Wie hätte ich ihr erklärt, warum es nicht ging? Gar nicht. Eine Erklärung beinhaltete immer einen Grund und den hatte ich nicht. Nur ein Gefühl… dieses Gefühl, dass es nicht ging, dass es nicht sein sollte… dass es zu weh tat damals…

Eilig nahm ich die Tasche, Portmonee, Handy und Wasserflasche rein, und machte mich die Treppen herab auf den Weg zur Arbeit – nicht ohne den dumpfen Klang von Mr. McLivers Stimme zu hören und die vorherigen gehörig zu unterdrücken.
 

„Denkst du daran, die noch auszuwaschen? Und das hier kalt stellen“, murmelte ich beim Protokoll schreiben und schob Mitch eine Probe hin, die er sofort einsammelte.

„Heute Abend ist übrigens wieder Studentenparty, Lust?“, fragte er nebenbei.

Ich schüttelte weiterschreibend den Kopf.

„Hey komm, dir – gerade dir – tut ein bisschen Spaß bestimmt gut“, sagte er überzeugt, während er zurückkam.

Ich sah auf. „Gerade mir?“

Er lachte kurz. „Jaah, gerade dir. Du bist immer so ernst und verbissen, ’n bisschen Fun“, grinste er.

„Danke… aber nein“, sagte ich Augen verdrehend und widmete mich dem Papier.

„Die Studi-Partys sind immer super! Echt!“, redete er begeistert auf mich ein. „Und du bist ja noch so’n halber Studi“, grinste er.

„Danke, nein“, wiederholte ich. Noch jemand, der es nicht verstand, dachte ich innerlich seufzend. Aber er war mir lieber, als…

„Komm, Bell, gib dir einen Ruck, auf den Partys-“

„Wie oft zum Teufeln sind eigentlich diese Partys?“, unterbrach ich ihn genervt und funkelte ihn missgestimmt an. „Du fragst mich gefühlt jeden Tag.“

„Dreimal die Woche“, lachte er. „Ich frage dann direkt für übermorgen mit“, grinste er und verstaute die Reagenzgläser.

„Spar’ es dir… ich werde niemals mitkommen, klar?“, sagte ich und setzte den Stift ab, stapelte alles und reicht es ihm. „Du gibst ab. Bis Morgen.“

„Keine Sorge, ich versuch’s weiter“, sagte er locker und nahm mir das Protokoll ungewöhnlich widerstandslos ab.

Ich seufzte, nahm meine Tasche und verließ das Labor. Lustig.
 

Es war fast schon ein Ritual nach der Arbeit die Bibliothek aufzusuchen und es sich dort ein paar Stunden bequem zu machen. Manchmal blätterte ich einfach in irgendwelchen, meinem Fach eigentlich fremden Büchern, und genoss die Ruhe und Einsamkeit. Heute war es nicht anders. Derzeit klappten die Aufgaben von der Forschungsabteilung und Mitch arbeitet mit – oder tat zumindest, was man ihm sagte.

Mein Blick fiel auf die ungeputzte Fensterscheibe gegen die der Wind rauschte. Stille…

„Man muss dich gar nicht suchen, sondern einfach nur hier finden“, hörte ich eine Stimme amüsiert und zuckte – wie so oft – zusammen.

Ich wandte den Kopf nach hinten. Mit den Augen musterte ich Edward einen Moment, um mir selber sagen zu dürfen, dass es wahr war. Mit denselben tiefen grünen Augen und dem weichen Gesichtsausdruck stand er da. Und doch…, riss ich mich leicht aus meiner Sekundentrance, was wollte er?! Oder noch viel schlimmer…

„Du… du hast mich gesucht?“, fragte ich und richtete mich etwas auf dem Stuhl auf.

„Hmmmm“, lächelte er wartend, die Arme um einen Stapel Kopien gelegt, „’Ausschau halten’ würde ich sagen.“

Ich blickte ihn ausdruckslos, überfordert von dem Überfall, der mich etwas aus der Bahn brachte, an. Ich merkte seine Anwesenheit, seine Nähe auf meiner Haut. Eine Feder, die langsam von den Fingern den Arm hoch strich, ein stechendes Kitzeln. So angenehm, wie grausam. Und es blieb. Und blieb.

Ich biss mir von innen in die Lippe, mich selbst weckend. „Hab ich mich nicht klar ausgedrückt gestern?“, murrte ich leise und sah ihn finster an.

Er… er lächelte? „Darf ich dich auf einen Kaffee einladen?“, fragte er mich. „Die Cafeteria hat noch eine halbe Stunde geöffnet.“ Ich stahl mich aus seinem hypnotischen Blick und der melodischen Stimme, die sanft kratzte.

„Ähm…“, machte ich und sah hinab auf meine Bücher. „Nein, danke nein“, sagte ich nach geschlagenen Minuten endlich.

„Ich würde mich sehr gerne einfach nur mal mit dir unterhalten. Mehr als einen Satz auf dem Flur. Nur reden, mehr nicht. Auch du hast Feierabend.“ Seine Lippen formten sich zu dem einen schiefen Grinsen. In Gedanken schluckte ich und beobachte seine Mimik haargenau. Reden… nur reden. Worte wechseln, mehr nicht. In mir zitterte es leicht.

Ich ließ das Buch laut auf dem anderen sinken und stand auf, nahm meine Jacke und Tasche. „Ich bezahle meinen Kaffee selber“, sagte ich ihn kurz kühl ansehend.

„Schön“, lächelte Edward und ging mit mir zur Ausleihe und dann die Treppen herab zur Cafeteria. Außer dem Angebot meine Bücher zu nehmen, welches er ohne eine Antwort sofort durchführte, redeten wir nicht. Es war merkwürdig neben ihm herzugehen. Überhaupt in seiner Nähe zu sein, geschweige denn ihn anzusehen oder mit ihm zu reden – vor allem, weil ich ihn in den letzten zwei Begegnungen abgewiesen hatte, um das bewusst zu vermeiden.

Wir stellten uns beide an der kleinen Schlange an und bestellten. Ich konnte seinen Duft förmlich riechen, seine weiche Haut fast spüren – auch wenn er nicht mal einen Zentimeter meines Körpers berührte.

„Danke“, sagte ich, als er mir, nun am Tisch sitzend, Zucker reichte, seine vielen Zettel platzierte und sich neben mich an den quadratischen Tisch setzte.

Stille.

Ich wusste, dass er wartet. Auf mich. Dass ich etwas sagte. Dann könnte ich zumindest nicht mehr meckern, dass er etwas Falsches gesagt hatte… kluger Schachzug. Aber das hier war kein Spiel. Er wollte mit mir einen Kaffee trinken und er wollte reden, also sollte er das bitte auch, dachte ich innerlich stur und sah auf.

Er lächelte mir zu und nippte an seinem Kaffee, bevor er noch mal leicht auf die Oberfläche pustete. Sein Lächeln wurde etwas breiter, als ich ihn ansah und ich glättete meine Stirn rasch, da ich fürchtete, einen zu harten Gesichtsausdruck aufzusetzen.

„Und… wie war dein Tag?“, fasste ich mir ein Herz und fragte wie ein Anfänger nach.

Er schnaubte lächelnd. „Na ja… Erstsemester eben“, lachte er. „Es ist viel Arbeit und braucht viel Geduld, aber die Konzertvorbereitung für Ende des Semesters macht viel Spaß“, plauderte er. „Ich glaube das Unterrichten liegt mir nicht. Oder wenn es mir liegt, füllt es mich nicht so aus. Diese ganze Theorie sagt nichts darüber aus, was wir für Musiker sind und wie gut wir unser Instrument beherrschen. Sie zeigt nur den Fleiß“, murmelte er nahezu philosophisch vor sich hin, den Blick etwas schweifend zum Fenster gerichtet.

Ich beobachtete ihn. Aus seinem Mund hatte das so wunderbar geklungen, so literarisch und wahr. Die eine Seite seines Gesichts war von der Sonne erhellt und warf auf der anderen Seite einen sanften Schatten, welcher die wenigen, leichten Unebenheiten seiner Haut zeigte.

Ich atmete wieder. „Ja… ja, das stimmt“, pflichtete ich ihm nach einer gefühlten Ewigkeit ein. Mir brannte es auf der Zunge nach Collin und Tanya und der Vergangenheit zu fragen, doch jetzt war definitiv nicht der richtige Zeitpunkt. Andererseits… was kümmerte es mich? Es konnte mir egal sein. Total egal.

„Und was machst du sonst so?“, fragte ich dann einfach, als ich seinen wartenden Blick auf mir spürte.

„Renovieren“, lachte er.

Ich hob die Augenbrauen. „Ziehst du um?“ Weg???, dachte ich innerlich.

„Ja, ich habe mir eine Wohnung in der Stadtmitte genommen, ähnlich wie du. Sie ist sehr schön, aber Boden und Wände müssen gemacht werden“, erzählte er.

Ich nahm einen Schluck Kaffee. Und… Tanya?, ging es mir wieder durch den Kopf.

„Eine große… also… größere Wohnung?“, wollte ich behutsam wissen. „Also… viel zu tun?“, fügte ich einen Hauch nervös hinzu.

Edward schmunzelte. „Ich ziehe dort alleine ein, falls du das wissen möchtest. Nur mein Sohn bekommt ein Zimmer“, sagte er.

Ich atmete- bitte!? Atme ich gerade etwa auf??, fragte ich mich überrascht.

„Ja… ja“, murmelte ich und fing seinen Blick auf. Der seinige durchbohrte mich, dass es mich zittern ließ. Ich wollte es wissen, so sehr… doch es hatte mich nicht zu interessieren, es änderte nichts.

„Das mit…“, ich nahm einen Zug verbrauchte Universitätsluft, „du und…“

„Tanya und ich sind weder verheiratet, noch zusammen“, beendete er bereitwillig seinen Satz und grinste. Es schien ihn zu erfreuen, dass ich mich dafür interessierte, was mich fast wieder sauer machte. So viel unverschämte Selbstsicherheit in seiner Stimme… aber es ging mich nichts an. „Aber wir verstehen uns derzeit recht gut, was ganz angenehm ist.“

Ich nickte rasch, etwas peinlich berührt, und sah herab. „Entschuldige bitte, ich wollte dir nicht zu nahetreten, das geht mich eigentlich nichts an.“

„Und wie es das tut“, widersprach er mir und ich wusste nichts, darauf zu antworten. Stattdessen nahm ich einen großen Schluck Kaffee, dann noch einen. Den leeren Becher stellte ich weg und sah dann zu ihm auf. Er hüllte sich wieder in Schweigen.

„Also… viel zu tun noch… in der neuen Wohnung?“, versuchte ich das unangenehme Thema zu wechseln.

„Streichen fehlt noch, bevor der Boden eingelegt wird“, erklärte er am Kaffee nippend. „Tapeziert habe ich schon, das ist alles fertig.“

„Du hast selbst tapeziert?“, fragte ich prompt und machte große Augen.

Er lachte herzhaft. „Hast du nicht erwartet, oder?“, grinste er. „Ja, hab ich. Den Rest bzw. das, was ich davon kann, will ich auch alles selber machen. Ich weiß nicht, aber… ich möchte mal sagen, das ist meine Wohnung, meine Wände, meine Einrichtung – und nicht: ‚Meine Eltern haben renovieren und gestalten lassen’.“ Er lächelte und ich erwiderte es. Insgeheim fragte ich mich, ob der Edward von… damals auch so geredete hätte. Es war so fern, ich wusste es nicht.

„Dann... dann hast du aber noch viel zu tun, oder? Sind bestimmt einige Zimmer…“, murmelte ich am Becher herumspielend.

„Ich kann Hilfe immer sehr gut gebrauchen“, lächelte er und fügte offensiv hinzu: „Ich denke, du hast schon öfter gestrichen als ich.“

Ich ging erst mal nicht darauf ein, mein Magen machte Vorwärtsbewegungen, und fragte stattdessen: „Wie oft hast du denn schon gestrichen?“

Er schaute konzentriert und lachte dann. „Ich fürchte, ich komme auf null.“

Nun musste ich auch lachen. „Na das überbiete ich. Vier mal fällt mir gerade spontan ein.“

„Dann bist du herzlich eingeladen“, sagte er freudig – mein Lächeln verschwand. Mir war eiskalt. Treffen? Ihn?

„Warte“, murmelte er, als er mein Zögern bemerkte und sein Kramen in der Tasche ein wenig nervöser wurde.

Ging es ihm wie mir? Wühlte ihn das ganze auch so auf? Hatte er… Bedenken?

Er nahm sich eine Serviette vom Tisch und schrieb mit einem Folienstift ein paar Wörter aus seinem Kalender ab.

„Meine neue Adresse, ich bin in der nächsten Woche jeden Abend dort. Diese Woche hab ich wenig Zeit wegen den Proben. Aber nächste Woche… Ich würde mich freuen, wenn… also… ich brauche mit Sicherheit fachkundige Hilfe“, sagte er leiser werdend. Ich sah förmlich, wie er schluckte.

Ich spürte den Drang, die Adresse an mich zu nehmen, gar an mich zu reißen, doch ich besann mich.

„Edward… wie stellst du dir das alles vor?“ Ich blickte ihn fest an.

„Gar nicht“, sagte er kurzerhand, wieder etwas lockerer werdend. „Ich will es erleben.“

Ich schaute mit etwas verknittertem Gesicht auf den Tisch herab. Edward erhob sich kurzerhand.

„Bis nächste Woche“, sagte er rasch und drehte mir den Rücken zu.

Mein Blick folgte ihm perplex aus der Cafeteria, dann auf die Serviette. Ich wollte…
 

„Sag mal… woran denkst du eigentlich die ganze Zeit?“, fragte Mitch nebenbei.

Ich hob den Kopf zu ihm. „Wie?“ So feinfühlig?, setzte ich innerlich hinzu.

„Du machst ‚Dienst nach Vorschrift’“, ergänzte Mitch mit hochgezogenen Augenbrauen.

„Was?“, sagte ich verwirrt und richtete mich leicht auf.

Mitch lachte.

„Ja, ja… amüsier’ du dich ruhig“, seufzte ich und verdrehte die Augen und begann mein Protokoll fortzuführen.

„Ich meine, dass du gar keine riesige Menge Extraarbeit forderst und nicht begeistert von jedem Blubbern im Reagenzglas berichtest“, kicherte Mitch. „Ach, Bella, jetzt sei doch nicht eingeschnappt“, neckte er mich und stupste mich von der Seite an.

„Mach’ deine Arbeit“, murrte ich. „Und demnächst gründlicher. Hier hast du viel zu viel genommen, die Hälfte der Probe hätte für die Kontrolle gereicht.“ Ich deutete auf ein Becherglas und schob ihm meinen Zettel daneben hin.

„Herrje… schon gut, ich sag ja schon nichts mehr. Liebeskummer ist echt scheiße oder Periode? Oder beides? Die Kombi ist ganz böse…“

„Man, Mitch, halt die Klappe, verdammt noch mal…“, fluchte ich und packte den Stapel Dokumentionen zusammen.

Mitch schwieg und grinste. Ich warf ihm einen entsprechenden Blick zu.
 

Niemals. Nicht in einer Million Jahre, dachte ich kindisch, als ich rasch ein paar Schritte zurück machte, da Edward gerade die Mensa betreten hatte.

Ich würde mich weder mit ihm treffen, noch mit ihm streichen. Das war eigentlich schon bei dem simplen Angebot von ihm klar gewesen. Wie dumm von mir – und von ihm – das irgendwie in Erwägung zu ziehen…

„Huch“, hörte ich Mitchs belustigte Stimme. „Was machst du?“, fragte er lachend, als ich rückwärts gegen ihn geschritten war.

Ich wendete mich rasch um. „Nichts, ich wollte nur- ich hatte nur- ich gehe nur lieber nach Hause-“

„Kein Freitagsessen?“, fragte er auf mich herabsehend.

„Keinen Hunger und keine Lust“, antwortet ich schnell. „Viel Spaß dir dann… sehen uns morgen, denke ich…“

Ich lächelte kurz hoch und atme tief, mein Herz hatte rasant beschleunigt.

Mitch lachte und nickte dann nur. „Na dann… schönes Wochenende“, grinste er.

„Dir auch, danke, bis dann“, murmelte ich und lief an ihm vorbei, die Treppen hoch zur Bibliothek, wo ich wartete – und beobachtete. Von dort aus konnte man auf die gesamte Mensa herab sehen… doch wo war Edward nun hin?

„Nein, nein, die anderen Druckaufträge, von dieser Woche.“ In mir zog sich alles zusammen, als ich seine Stimme sehr nah neben mir vernahm. Edward stand vor der Information, ich wenige Meter daneben am Geländer. Langsam schritt ich seitlich zur Treppe herab, fast schleichend, damit er mich nicht bemerkte.

Das halte ich nicht durch… nicht mehr lange. Sobald ich außer Sichtweise war, beschleunigte ich meine Schritte und rannte schon beinahe.

Eine neue Stelle… bald…, flehte ich innerlich. Doch jetzt war erst mal Wochenende-

„Du gehst mir aus dem Weg.“

Ich blieb stehen. In mir gefror alles. Meine Lippen öffneten sich zitternd.

„Tue ich nicht“, wisperte ich und wandte mich auf dem Absatz um, blickte Edward direkt in die Augen. Wie war er so schnell hergekommen?

„Tust du. Die ganze Woche schon“, erwiderte er karg. Sein Tonfall so fest wie sein starrer Blick.

Ich versuchte ihm, alles was ich hatte, entgegenzusetzen. „Nein. Warum sollte ich?“

„Wegen dem, was vor zwei Jahren war. Du weißt es ganz genau.“

Ich schnaubte auf, doch das Zittern darin war unüberhörbar. Mein Herz wurde von abertausenden Schnüren erdrückt, als ich hervorpresste: „Das war ein einmaliges Abenteuer. Mehr nicht.“

Nein. Es war alles andere als ein Abenteuer. Es war nicht aufregend gewesen, sondern schmerzhaft.

Edward sah mich an. Die Gesichtszüge weicher werdend, jedoch keinesfalls lächelnd. „Mehr nicht…“, wiederholte er fast gehaucht.

Ich hatte das starke Bedürfnis, ihm Rechenschaft abzulegen und konnte nicht nachgeben, weshalb ich hinzufügte: „Wir sind in verschiedenen Fakultäten, da ist es ganz normal, dass wir uns kaum sehen.“ Ich blickte auf. Meine Stimme vibrierte.

„Wir wissen beide, dass es nicht so ist“, sagte er sehr leise mehr zu sich selbst und fixierte mich dabei. Ich erwiderte es innerlich schluckend.

„Bitte lass mich ab jetzt in Ruhe. Bitte.“ Ich atme flach ein. „Mehr verlange ich gar nicht…“

Edward mied meinen Blick und schwieg. Für mir war das ein „Ja“ und ich ging an ihm vorbei.
 

Den Weg war ich fast gerannt, um irgendetwas zu spüren, mehr als die schmerzende Leere und das innere Drücken. Ich hatte jede Rebellion meines Körpers gegen das Rennen und schnelle Atmen genossen, um irgendetwas zu spüre.

Ich griff zum Hörer und atmete zehn mal ruhig ein, ehe ich wählte, um nicht zu abgehetzt zu klingen. Ich warte einen Moment, bis auf der anderen Seite abgehoben wurde.

„Ja hi, hier ist Bella… hast du Lust morgen mit der Kleinen herzukommen?“

Ich dreh’ sonst durch, fügte ich innerlich hinzu.
 

„Hallo!!“, flötete ich lachend, als Zoey auf mich zu lief und ich sie in die Arme nahm.

„Papa hat sich verfahren, deshalb sind wir so spät“, quiekte sie und lächelt mit den kleinen Milchzähnen. Ich erwiderte das ehrliche Lächeln und strich ihr kurz über das vollere, schwarze Haar, während mich die braunen Augen erwartungsvoll anstierten.

Ein Gefühl von Befreiung überkam mich. Es gab nichts, was ich gerade mehr ersehnte. Ich hielt das alles nicht mehr aus. Die Gezwungenheit in mir, der Druck, die Zweifel… ich war überglücklich Charlie und die Kurze zu sehen, so unbeschwert…

„Hallo Bella“, sagte Dad zu mir und strich mir kurz über den Rücken.

„Hi“, grüßte ich ebenso.

„Papa hat gesagt, dass wir zu McDonalds gehen“, plapperte Zoey weiter.

„Soso“, musste ich lachen, als er mich ernst nickend ansah. „Dann wollen wir das auch mal machen – wenn ihr schon zu spät kommt.“ Ich schaute lächelnd zu meinem Vater, der mit halb hochgezogenen Mundwinkeln herab zu Zoey sah. Die Augen nachdenklich.

„Dad?“ Ich runzelte die Stirn besorgt.

„Lass uns los“, sagte er nickend und nahm Zoey bei der Hand.

Hm, dachte ich innerlich. Ich schien nicht die Einzige mit Redebedarf zu sein…
 

„Zoey, das isst du aber noch-“

„Aber erst ins Bällebad!“, rief Zoey und war flugs von den Plastikbänken gerutscht und in die Kinderecke. Dad seufzte.

„Jetzt erzähl…“, forderte ich ihn leise auf und blickte herab auf meine leicht übersalzenen Pommes.

Er blickte mich mit einem fast erschreckend ernstem Gesicht an und atmete kurz durch den Mund. „Es war der beste Zeitpunkt, als du gestern anriefst…“, murmelte er. „Sonst hätte ich es getan. Bella, ich weiß nicht mehr, was ich machen soll…“

„Wobei? Ich meine… was ist passiert?“, fragte ich leise nach und beobachtete seine Gesichtzüge von der Seite.

Er sah leicht auf und suchte mit den Augen nach Zoey, blieb dann kurz an ihr haften.

„Es geht um Sue. Ihr geht es nicht gut, ziemlich schlecht, um genau zu sein. Zoey merkt das auch immer mehr.“ Er atmete tief.

„Was ist mit ihr?“, fragte ich nach.

„Sue ist, aus mir unerklärlichen Gründen, schwanger geworden…“

Ich räusperte mich automatisch leicht.

„Nein, ich- ja- ich weiß, wie das geht. Wie… wie so etwas zu Stande kommt“, korrigiert er sich peinlich berührt und strich sich über das Gesicht.

Ich atmete durch und wusste nicht, was ich sagen sollte bzw. welche Reaktion angemessen war. Nicht für jeden war es ein Segen und doch eigentlich ein freudiges Ereignis, überlegte ich innerlich und meine Gedanken glitten beim Thema Schwangerschaft und Kinder sofort in eine gefährlich Richtung, die ich rasch unterband.

Natürlich war es nicht immer einfach, aber wenn ich an Zoey dachte, ein absolutes – wenn auch nicht geplantes – Wunschkind, dann dürfte Dad es nicht so eng sehen-

„Sie hat es vor einer Woche verloren“, unterbrach er meine Gedankengänge mit einem Schlag.

In meinem Kopf fächerte sich sofort mein Uniwissen auf. Schwangerschaften in hohem Alter, Risikoschwangerschaften, Fehlgeburtenrate… Ich verwischte das Wissen und schob mein Tablett leicht von mir. „Das tut mir sehr leid, Dad“, murmelte ich und wandte mich ihm mehr zu.

„Ich weiß nicht mehr, was ich tun soll… Sie war in der achten Woche gewesen. Noch kritische Phase oder wie die Ärzte das sagen. Und… und mir war von Anfang an nicht wohl dabei. Ich meine… sie hätte es bekommen, natürlich, sie wollte es sehr, trotz ihres Alters, aber mir war nicht wohl dabei“, murmelte er vor sich her.

Ich tätschelte ihm leicht den Rücken.

„Sie hat sich so… so Ratgeber gekauft für Schwangerschaften in höherem Alter und was man beachten muss und hat mit mehreren Ärzten gesprochen… sie hat sich schon wirklich sehr gefreut. Mit der Fehlgeburt… das hat sie mir erst vor zwei Tagen gesagt. Seitdem redet sie kaum noch. Davor war alles noch normal irgendwie. Sie war manchmal… abwesend, aber sonst. Und seit vorgestern…“ Er blickte zur Seite und atmete tief durch. „Sie redet nicht darüber. Kein Wort. Sie war schon im Krankenhaus gewesen. Zur OP… ich meine…“

„Ich weiß schon“, flüsterte ich dazwischen. Er nickte.

„Sie versorgt Zoey und kümmert sich, aber sie redet nicht. Sie weint ja nicht mal. Zoey merkt die Stimmung. Seit zwei Tagen hängt sie wie eine Klette an mir und hat ein Riesentheater gemacht, wenn ich zur Arbeit gefahren bin und ich war kaum arbeiten“, murmelte er leise, die Hände vor den Lippen gefaltet. „Sie will immer wieder, dass ich mit ihr zu Sue gehe und wir was machen. Bella, was soll ich denn machen? Wenn ich mit ihr reden will, dann schweigt sie und lenkt sofort ab. Entweder fragt sie etwas und geht dar nicht darauf ein oder sie geht einfach… Fenster putzen oder so was… Ich würde ihr so gerne helfen, aber ich habe keine Ahnung, wie ich mich verhalten soll. Ich hab auch schon überlegt, ob ich vielleicht einen Psychologen zu Rate ziehe… Bella, ich weiß einfach nicht, wie ich damit umgehen soll…“ Er sah auf und sein Blick glitt mir durch Mark und Bein.

Das sind Probleme, schoss es mir durch den Kopf. Nicht das, mit dem ich ihn belästigen wollte. Meine Kindereien waren nichts dagegen. Wie dumm ich war.

„Ich…“ Ich atmete durch. Ich hatte keine Ahnung, was ich sagen sollte. Was tat man in so einer Situation? „Kann ich irgendetwas tun?“

„Bitte… bitte Bella“, flehte er fast schon und sah mir direkt in die Augen. „Rede mit ihr. Es muss ihr doch ähnlich gehen wie bei dir mit Renée, damals, als sie-“ Er brach ab, redete aber sofort weiter. „Bitte sprich mit ihr, ich hab- ich…“, er atmete tief, „ich will nicht, dass das jetzt wochenlang so weiter geht. Das halte ich nicht aus. Und Zoey erst recht nicht. Sie braucht ihre Mutter, die lacht und mit ihr raus geht, Späße macht, sich ärgern lässt. Bitte komme gleich mit nach Forks.“

Ich schaute ihn mit leicht geöffnetem Mund an. In meinem Kopf ratterte es. „Heute?“

„Bitte“, murmelte er und ich hatte ihn noch nie so erlebt. So offen, so… so emotional.

„Okay“, nickte ich leicht. „Lass uns meine Wohnung ansehen und Zoey dann sagen, dass wir uns dann im Gegenzug euer Haus ansehen, ja?“, sponn ich eine kleine Geschichte für meine Halbschwester.

Dad blickte mit glasigen Augen zu Zoey herüber und nickte.
 

Das Thema lag mir schwer im Magen, während ich Zoey auf der Rückbank die Fahrt über bespaßte. Natürlich tat ich meinem Dad den Gefallen, aber was sollte ich ihr sagen? Was konnte er von mir erwarten und was würde das bringen? Ich war nie schwanger gewesen. Ich konnte diese Art von Trauer vermutlich gar nicht nachempfinden, das ist eine andere Form, als damals, als meine Mutter gestorben ist… das wird Sue mir mit Sicherheit auch sagen, fürchtete ich.

Dad ließ mich am Haus aussteigen und fuhr mit Zoey zum Spielplatz vor. Sein hoffender Blick bestätigte mich darin, es zu tun, doch ich zweifelte, dass ich ihm helfen konnte… Es würde total steif werden, total aufgesetzt. Es war ihr doch sofort klar, warum ich kam. Ich stolziere hier rein und will ihr erzählen, was sie tun soll? Das wird ein tolles Gespräch… Vielleicht hätten Zoey und Charlie mitkommen sollen, einfach, damit es nicht so gestellt wirkte. Aber nun war es sowieso zu spät und wahrscheinlich wollte Charlie Zoey schützen…

Ich schloss die weiße Tür auf, nachdem ich ein paar Schritte über die Veranda gegangen war und atmete durch. Suchend tastete ich mich in das ruhige, gar leere, Haus, hielt nach Sue Ausschau.

„Er hat dich geschickt“, hörte ich ihre Stimme und zuckte leicht zusammen, als sie die Treppen herab kam.

Ich sammelte mich schnell. „Er dachte es wäre gut, wenn wir reden. Weil wir in letzter Zeit beide mit Verlusten umgehen mussten.“ Woah. Klasse. Das klang wie aus einem Psychologenseminar auswendig gelernt. Spitze… grummelte ich gedanklich.

Sie schnaubte auf und stand nun am Fuße der Treppe. „Das ist doch nicht vergleichbar…“, sagte sie kopfschüttelnd, wie ich es vorausgesehen hatte, und ging langsam zur Couch setzte sich dort hin. Ihre Gesichtszüge wirkten erhärtet und der Blick nicht mehr so warm, wie sonst. Die tiefbraunen Augen kühl und stumpf.

„Vielleicht muss man es auch gar nicht vergleichen… vielleicht tut es auch einfach nur weh?“, murmelte ich und schritt ihr langsam hinterher. Sue blickte mit den Augen seitlich zu mir, dann herab in ihren Schoß.

„Sue… hör mal, ich… ich hab eigentlich keine Ahnung, was ich dir sagen soll“, gestand ich ehrlich. „Ich kann dir nur sagen, dass es mir unendlich leid tut, aber dein Mann und deine Tochter brauchen dich sehr. Nach dem Tod meiner Mutter, war das nicht so. Es war für mich einfach in ein Loch zu kriechen, da halfen auch die Reden von Mums Freund nichts. Aber du, du hast Menschen, die dich sehr brauchen, die auf dich zählen und dich jeden Tag daran erinnern. Wirf das nicht weg… nimm das als Motivation… bitte…“

Sue wandte den Kopf mit Tränen in den dunklen Augen zu mir. „Hast du eine Ahnung wovon du redest, was du glaubst zu wissen und was du verlangst?“ Langsam glitt eine Träne über ihre Wange.

„Vermutlich nicht, nein“, erwiderte ich.

„Siehst du. Charlie hat’s gut gemeint, das tut er immer, aber das ist meine Sache“, sagte sie tonlos vor sich her.

„Das stimmt nicht. Es ist genauso Dads und Zoeys Sache, wenn sie auf dich verzichten müssen“, erwiderte ich.

„Du hast keine Ahnung…“, murmelte sie vor sich her.

Stimmt, dachte ich innerlich und blickte zur Seite. Was tat ich hier?

„Habe ich vermutlich wirklich nicht und wahrscheinlich ist es wirklich lächerlich, dass ich hier stehe, aber wenn ich meine Mutter noch hätte, ich würde nicht wollen, dass sie so leidet, sich so verschließt und keine Hilfe zulässt. So hart es ist, du kannst nicht ewig trauern. Du musst an dich denken… aber auch an die Anderen… Zoey, mein Dad…“

Ich redete und redete. Was sollte das überhaupt? Erzählte ich ihr etwa, nach einem Tod an sich zu denken? Weiter zu leben? Versuchen zu vergessen? Oder eher verdrängen?

Ich merkte wie meine Lippen weitermachten, während sich in meinem Kopf ganz andere Dinge abspielten, die mir fest in die Magengrube griffen. Weiterleben… abschließen mit Altem… Altem vielleicht auch wieder eine Chance geben…

Meine Gedanken drifteten von dem Thema ab und beschworen mir Wege, die ich nie hatte sehen mochten, während ich Sue zuhörte und mit ihr redete.

„Bella geht jetzt bitte. Ich danke dir für deine Zeit, aber ich brauche Zeit für mich“, sagte sie leise nach einiger Zeit. „Vielleicht muss ich auch einfach mal raus-“

„Ja, aber mit Charlie und Zoey“, unterbrach ich sie gleich.

Sie sah mich an und zögerte, nickte halb im Schulternzucken, die Hände in den Schoß gelegt und ruhig atmend. Ich erwiderte das Nicken und erhob mich.

„Ich wünsche euch, dass ihr das alles schafft… ich...“ Ich holte Luft, obgleich ich nicht mehr wusste, was ich sagen sollte und meinte dann nur noch: „Bis bald.“

Ich verließ das Haus mit dem voller beklemmender Eindrücke und schlenderte die Straße herunter. Die kühle Luft half nicht, mir einen klaren Kopf, aber eine gehörige Gänsehaut, zu bescheren, obwohl ich mir nicht sicher war, ob es nicht auch wegen des Gesprächs mit Sue war. Loslassen… sich der Gegenwart zuwenden… wie einfach diese Worte waren, wie schnell über die Lippen gebracht, doch wie schwer die Umsetzung.

Eigentlich hatte Charlie gesagt, ich solle anrufen, dann käme er mit Zoey sofort und würde mich nach Hause bringen, doch ich genoss diesen Spaziergang und kam nach einer halben Stunde an dem Spielplatz an – mit einem ganzen Rucksack Gedanken schwer auf den Schultern.
 

Ich hielt den Gasbrenner unter das Reagenzglas und drehte etwas hin und her an dem Rädchen, das die Luftzufuhr regulierte, ließ die Flamme rot werden… wieder blau… wieder flackernd…

„Bella, pass auf!“, herrschte Mitch mich plötzlich an und drehte an dem Rädchen, sodass die Flamme wieder blau wurde und geradewegs aufstieg.

Ich schaute ihn nichtssagend an.

„Du hast doch eben noch zu mir gesagt, auf keinen Fall diese rote Flackerflamme da, da das sonst rust und nicht heiß genug ist oder so?“, sagte er fast entsetzt.

„Ja“, nickte ich und hielt den Brenner weiter darunter, Mitchs entgeisterten Blick auf mir spürend.

„Hast du nichts zu tun?“, raunte ich ihn mit halb so fester Stimme an, wie ich gewollt hatte, als er nach geschlagenen Sekunden noch mit hochgezogenen Augenbrauen neben mir stand.

„Und wenn du jetzt noch einmal vor dir her murmelst, ich hätte meine Tage, dann bist du bis heute Abend noch hier!“, fauchte ich ihm hinterher, als er sich nuschelnd wegdrehte.

„Ja ja, ist ja schon gut“, sagte er mit erhobenen Händen. „Ich sag ja nix, denn sonst hättest du seit Wochen deine Tage.“ Das Grinsen konnte er sich nicht verwehren.

Ich würdigte ihn nicht eines Blickes und dokumentierte stattdessen Ergebnisse.

„Bella…“, hörte ich von Mitch meinen Namen in einem Tonfall, der mich schon ahnen ließ, dass wieder nichts Gutes kam. „Und wenn ich jetzt nach einer Studentenparty frage…“

„Dann hast du Arbeit bis Mitternacht, das schwöre ich dir“, fauchte ich leise aber bissig.

Mitch lachte leise mit einem Grinsen. „Mir gefällt die giftige Bella in den letzten Tagen fast noch besser, als die übereifrige hysterische…“

„Und mir gefällt der arbeitende Mitch, der sich den- ach vergiss es“, grummelte ich und hatte mich längst wieder in die Arbeit vertieft.
 

Sich auf Neues einlassen… Altem eine Chance geben, vielleicht Neues zu werden…

Ich nahm ein altes Langarmshirt, welches ich vom Schrank auf einen kleinen Haufen gleiten ließ und überlegte was ich noch brauchte. Alte Hose, altes T-Shirt, alte Schuhe und ein Haarband wären nicht schlecht. Noch was?

Ich schloss den Schrank und packte alles in einen kleinen Beutel und sah prüfend in meine Handtasche. Ich nahm eine beschriebene Serviette heraus.
 

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freue mich über Kommis oder etwaiges :)^^

B: Streichkonzert

Erstmal eine riesige Entschuldigung! Ich bin so lahm und unzuverlässig momentan :/// X(

tut mir wirklich sehr leid... leider werde ich das so bald nicht ändern können... mir fehlt einfach die Zeit...

ABER

tat ist NICHT abgeschrieben, tat wird weitergehen, tat wird beendet werden. dafür lege ich meine hand ins feuer, ich will sie auch absolut beenden... leider leider werde ich denke ich nicht so flott sein und hoffe sehr auf die geduld meiner tollen leser... sry :/
 

genug der vorrede... jetzt das kap :)
 

Musiktipp:

Gotye - Somebody That I Used To Know - http://www.youtube.com/watch?v=hoBZGbh5-wE
 

das lied ist bei vielen total durchgekauft - ok bei mir auch - aber habs damals bei dem kap immer gehört und es wird auch direkt im kap angesprochen, ihr wisst dann genau wann... habs jetzt iwie wieder für mich wieder entdeckt :D ^^ auf jedenfall passt es mega zum feeling ^^
 

B: Streichkonzert
 

Edward
 

Ein einmaliges Abenteuer. Abenteuer… das klingt wie Sex im Gebüsch an der Kreuzung eines Einkaufszentrums…

Ich schnaubte auf und rollte mit dem Pinsel über die Wand, nachdem ich noch mal Farbe aufgenommen habe.

Was hatte ich erwartet? Dass sie diese Woche herüber kam? Ich war töricht naiv gewesen. Wir redeten von Bella. Woher sollte der Sinneswandel kommen?

„Mist“, murmelte ich, als ich mit der Rolle abrutschte und über meine Hose glitt. Ich ließ die Rolle sorgsam auf den Eimer gleiten und riss mir Papiertücher ab, um die Farbe abzuwischen.

Verstand sie nicht, dass es vielleicht zeitlich einem Abenteuer glich, aber doch so viel mehr war? Was ich für sie empfunden hatte und immer noch empfand?

Zu allem Überfluss klingelte mein Handy. Ich schmiss das Papier auf die Plane und griff in meine Hosentasche. Tanya.

„Ja hi, was gibt’s?“, meldete ich mich lustlos.

„Hey“, hauchte sie sachte. „Kommst du gut voran?“

„Ja… ja, ganz gut…“ Ich räusperte mich erwartungsvoll. Sie wollte mit Sicherheit nicht plaudern…

„Du, Schatz, kann ich gleich vorbeikommen und dir Collin bringen? Ein paar Freundinnen wollte weggehen und haben mich gefragt… na ja…“, rückte sie mit der Sprache raus.

„Tanya, hier ist eine Baustelle, da kann ich doch kein kleines Kind gebrauchen“, seufzte ich. „Kannst du nicht ein andermal weggehen?“

„Edward… wann war ich das letzte Mal aus?“, sagte sie in einem mitleidigen Tonfall. „Du hast doch gesagt, du hättest deine Matratze schon dort. Ich kann ihn ja so bringen, dass er dann schlafen geht… ich bringe auch alles mit und morgen holt ihn Irina wieder ab…“

„Irina?“, warf ich nicht begeistert ein. Irina und Collin war eine Geschichte gewesen, die ich nicht wiederholen wollte. Sie sollte nicht noch mal als Babysitter herhalten.

„Oder meine Mutter“, warf sie rasch ein. „Meine Mutter kommt.“

„Kann er nicht bei euch bleiben?“, sagte ich seufzend. „Oder bei meinen Eltern?“

„Meine Eltern gehen Essen und bei dir sind auch alle ausgeflogen. Alice könnte ihn erst spät nehmen, wenn sie von der Vernissage wieder da ist, aber das ist zu spät…“

Ich verdrehte genervt die Augen.

„Ich würde mich sehr freuen, wenn du ihn nimmst…“, fügte sie leise hauchend hinzu.

„Ist gut“, murmelte ich. „Aber bringt das Reisebettchen mit.“

„Danke, Schatz, ich mache ihn bettfertig und komme dann gleich“, sage sie mit einem hörbarem Lächeln im Gesicht.

„Ja, bis dann.“ Ich legte auf.

Nicht mal in meinem Frust über Bella, hatte ich meine Ruhe.
 

„Na kleiner Mann, pinselst du mit dem Papa die Wände an?“, sagte ich und nahm Collin zu mir, der sich sofort an meine Brust kuschelte und sich wie ein nasser Sack in meinen Armen hängen ließ.

„Er ist total müde“, sagte Tanya hinter ihm ankommend, die Taschen ablegend, und strich durch Collins Haar, ehe sie mich ansah und mir einen Begrüßungskuss auf die Wange gab.

„Ja, ich lege ihn gleich hin… hat er gegessen?“, wollte ich wissen.

Tanya nickte meinen Arme entlang streichelnd. „Gewaschen ist er auch, Zähne geputzt hat er auch“, informierte sie mich.

„Okay“, nickte ich. „Du kümmerst dich darum, wer ihn morgen abholt?“, vergewisserte ich mich noch mal.

„Natürlich“, sagte sie und stellte sich etwas auf die Zehenspitzen, regte das Kinn leicht. Ich kam ihrer Aufforderung langsam nach und küsste ihre Lippen, streichelte diese etwas und glitt mit der Zunge über ihre, den Arm um sie schlingend, während ich Collin in dem anderen hielt. Tanya fuhr mit den Fingern durch mein Haar und streichelte meinen Nacken andächtig.

„Gefällt mir mein Outfit?“, hauchte sie in dem Kuss und ich blinzelte an ihr herab. Ich hatte gar nicht groß darauf geachtet – vermutlich weil sie das immer trug, wenn sie sich schick machte: Ein schwarzes leicht glänzendes Kleid mit schmalen Trägern, welches sehr knapp geschnitten war. Sie war der Meinung, dass sie ihre Beine noch zeigen konnte, ihre Hüften jedoch seit Collins Geburt schrecklich breit geworden waren und sie deshalb nur noch schwarz trug, wenn sie ausging.

„Ja, sieht gut aus“, sagte ich matt und sie küsste mich danach sofort wieder. Ich hob Collin etwas höher an mir, weshalb Tanya etwas von mir weggeschoben wurde und der Kuss unterbrochen wurde. Ich war ganz dankbar darum.

„Dann viel Spaß“, murmelte ich und nickte ihr noch zu. Sie sah mich breit lächelnd an und verschwand dann durch die Tür nach draußen.

„Hm…“, machte ich von der Tür zu Collin sehend. „Ich glaube wir lesen noch was und dann geht’s ins Bett, was meinst du?“, fragte ich und strich mit der Hand über seinen Kopf, den er an mich lehnte. Ich wiegte ihn etwas hin und her, legte meine Lippen küssend an sein Haar und roch den starken Duft nach Babyöl.

„Deine Mama hat’s mal wieder gut mit dir gemeint, wie?“, sagte ich leise zu ihm. Meinte ich es gut mit Tanya?, schoss mir eine Frage durch den Kopf, die mich unweigerlich dazu verleitete, festzustellen, dass Bella nicht gekommen war…

War es an der Zeit den Kampf aufzugeben? Aber hatte es sich jemals bei Bella gelohnt, aufzugeben? Nein, nie… im Gegenteil. Nur was sollte ich noch anstellen? Langsam gingen selbst mir die Ideen aus…

Es klingelte an der Tür.
 

***
 

Suchend ging ich die gerade gepflasterte Straße entlang, blickte nach rechts und links. Viele neue Hause ragten zwischen älteren hervor. Die meisten Häuser wirkten renoviert, viele mehrfarbig und mit Verzierungen. Auch die Autos vor den Häusern schienen angepasst. Keine schlechte Wohngegend, dachte ich mir, wenn auch direkt in der Stadtmitte und irgendwie verlassen. Kaum ein Laut drang aus den Häusern, ganz zu schweigen von Menschen, die man sehen oder hören konnte.

Es müsste gleich hier sein…, ging es mir durch den Kopf.

Etwas weiter weg sah ich eine Frau aus einem der Häuser treten, die mit dem Rücken zu mir den Gehweg weiter lief, als ich kurz den Kopf auf die Adresse senken wollte, jedoch rasch aufsah. Mit zusammengekniffenen Augen und sah ich ihr nach, bis sie in einem der Autos verschwand.

Tanya? War das Tanya gewesen? Oder spielte mir meine Innerstes einen Streich?, fragte ich mich durcheinander. Aber was tat sie dann hier… hatte sie Edward geholfen? Oder…

Hier war sie herausgekommen. Nummer siebzehn. Das Haus war richtig, es musste Tanya gewesen sein. Sie war bei Edward gewesen… Mein Herz schlug bis ins Unermessliche in meiner Brust und ich schluckte schwer. Selbst wenn ich versucht hätte, nichts zu deuten, nicht weiter zu denken, Tanyas Erscheinung einfach zu ignorieren – das ging nicht.

Sie haben ein Kind zusammen, Bella, natürlich sehen sie sich ab und zu. Das weißt du doch, sagte ich mir mehrmals und ehe ich es mir anders überlegen konnte, drückte ich nach kurzem Suchen auf „E. Cullen“.
 

Es summte kurz und ich stiefelte die Treppen hoch. Ich musste zwei Etagen hoch, bis ich jemanden in der Tür erblickte – er stand mit Collin im Türrahmen.

Ich verlangsamte meine Schritte, ab und an schüchtern auf den Handlauf sehend, und musterte ihn, bevor ich oben ankam.

„Bella… ich… schön, dass du gekommen bist“, durchbrach er dann die Stille, während ich mit gefühlt kaum pochendem Herzen vor ihm stand. Er hatte seine Sprache recht schnell wieder gefunden: „Ich muss zugeben, ich hatte nicht mehr erwartet, dass du kommst... und… na ja…“

Natürlich hatte er das nicht. Wir hatten Freitag. Ich hätte die ganze Woche kommen können.

„Deshalb hat Tanya mir Collin jetzt gebracht“, ergänzte er fast entschuldigend und deutete seitlich nickend zu dem kleinen Mann auf seinem Arm.

„Das ist kein Problem“, sagte ich zu ihm mit einem kurzen Lächeln und räusperte mich kurz. Meine Stimme klang merkwürdig rau. Ich streckte den Arm aus, um Collin kurz über dem Arm zu streicheln. Er zuckte zurück. Ich ebenso.

„Er ist müde“, sagte Edward mit einem Lächeln, „und jetzt ist noch jemand Neues da…“ Er sah herab zu Collin. „Hm du? Du kennst doch Bella schon“, sagte er. „Du hast sie doch schon gesehen…“ Er strich ihm über das glatt gekämmte, nun etwas strubbelige, Haar.

„Na ja, komm erst mal rein“, sagte Edward lächelnd und trat zurück, damit ich an ihm vorbei konnte.

„Ich lege ihn hin, ja? Sieh dich ruhig um, wenn du möchtest“, lud er ein und nach meinem Nicken verschwand er hinter der ersten Tür rechts. Dort vermutete ich Collins Zimmer. Der Flur verlief nach rechts, wo nach Collins Zimmer ein größeres leeres Zimmer mit hellgrünen Wänden war. Dann ist das doch eher Collins Zimmer, dachte ich innerlich und kam zu dem Schluss, dass das andere Zimmer wohl Edward sein musste. Geradeaus war das fertige Bad, davor eine Toilette und eine kleine Kammer.

Mein Herz pochte unaufhörlich laut in meiner Brust, als ich den kleinen Flur zurückging und Edward im Schlafzimmer mit Collin reden hörte. Ich verstand keine Worte, nur den melodischen Klang seiner Stimme und atmete tief. Meine Hände hielt ich kalt und zitternd beieinander.

Ich gelangte, von der Garderobe aus, in den Wohn- und Essbereich, von dem eine Tür abging, welches die Küche sein musste. Ich trat in den großen recht leeren Raum, den er wohl gerade zu streichen schien. Ich schritt zum großen Fenster, welches den Blick auf die Hinterhöfe freigab. Ein Balkon ging von dem Fenster aus.

„Ich denke er wird gut schlafen“, hörte ich Edwards Stimme hinter mir. Ich wandte mich um, noch immer den Beutel fest haltend.

Ich nickte mit einem leichten Lächeln auf den Lippen und holte Luft. „Die Räume hier fehlen noch?“, fragte ich.

Edward nickte. „Ja, ich bin hier stehen geblieben“, sagte er und sah sich um. „Was hältst du von der Farbe?“, wollte er wissen.

Ich begutachtete sie versucht konzentriert – auch wenn mir vor Aufregung fast schlecht war. „Vanille, oder? Mir gefällt sie, sie ist sehr… warm…“ Ich schaute ihm in die Augen.

Edward nickte schmunzelnd und erwiderte meinen Blick. „Ich freue mich sehr, dass du gekommen bist“, sagte er leise.

Ich schluckte herabsehend. „Ich… ja… ich ziehe mich dann mal um?“, murmelte ich.

„Klar“, sagte Edward. „Du kannst in Collins Zimmer gehen, wenn du willst. Das Grüne. Ich mache uns so lange einen Kaffee, ja?“

Ich nickte und war dankbar, dass er direkt eine Räumlichkeit angesprochen, wo ich mich umziehen konnte, damit es nicht zu einem peinlichen Rumgedruckse meinerseits kam. Längst ging ich bereits an ihm vorbei und hörte denselben Gedankenkatalog in mir rattern: Was tat ich hier? Bin ich eigentlich bescheuert, zu ihm zu gehen?

Ich spürte wie ich auf mich selber wütend würde… einfach weil immer wieder diese Zweifel aufkamen – berechtigt oder nicht. Ich war genervt davon… allerdings konnte ich das fahle Bauchgefühl auch nicht ignorieren, dachte ich bei mir, während ich die Hose, Schuhe und das Oberteil tauschte. Einerseits wusste ich, warum ich das hier tat. Es fühlte sich gut an, es war richtig und eigentlich sprach nichts dagegen… und andererseits wusste ich, dass dieses eigentlich von dem drückenden Gefühl, der Angst, dem Schmerz von damals übertönt wurde.

Langsam ging ich aus dem Zimmer zurück zu Edward, der mit Kaffee bereits auf mich wartete. Er lächelte, als er mich sah.

„Streichklamotten sind immer hinreißend, nicht wahr?“, grinste er ebenfalls auf sich deutend.

Ich grinste etwas und kam zu ihm. „Hier fehlt aber noch einiges“, stellte ich fest und ging nicht weiter drauf ein, da zwar alles abgeklebt, aber gerade mal ein Viertel vielleicht gestrichen war.

„Ja“, sagte Edward, „ich habe heute erst spät anfangen können, wir hatten noch Proben. Aber mit dem Profi an meiner Seite geht’s bestimmt schnell“, lächelte er neckend und sah mich an.

Sein Blick ließ mir das Herz zum Halse pochen. Die nächsten Stunden würde ich mit ihm verbringen…

„Und nicht zu vergessen…“, sagte er sich suchend umsehend und griff nach etwas Zeitung, legte sie mir auf den Kopf, „der Streicherhut“, lächelte er. „So hat Collin sich beteiligt“, lachte er und ich stimmte mit ein, während ich nach dem Zeitungshutgebilde tastete.

„Steht dir“, sagte er leise, mehr für sich und schaute herab zu mir, die Hände den Hut etwas richteten.

Ich musterte, wie seine Augen an meinem Haupt entlang glitten. „Und du?“, fragte ich etwas ablenkend.

„Den trägst du gerade“, lachte er. „Aber ich habe auch kurze Haare, da ist das schneller ausgewaschen“, sagte er und wandte sich zur Seite. Er bereitete die Farben vor und glitt mit der Farbrolle über das Gitter im Farbeimer.

„Du machst die Flächen grob und ich die Feinheiten an den Kanten?“, fragte ich nach, als er bereits begann und ich jede seiner Bewegungen musterte.

Er warf mir einen langen Blick zu, nickte dann langsam. „Wie immer, nicht?“ Seine Mundwinkel hoben sich im Einklang mit meinen leicht. Im gleichen Moment beugte er sich herab und schaltete ein Radio ein, dessen Musik den Raum füllte – gleichsam mit dem Schmatzen der Farbe. Ich spürte die Situation mit allen Sinnen.
 

„Pause“, sagte Edward, als wir zwei Wandseiten komplett fertig gemacht hatten. Kaum ein Wort hatten wir gewechselt und nichts, was nicht das Streichen betraf. Die Stimmung war zermürbend, wenn gleich auch schwankend. Zumindest erfüllte mich seine Gegenwart manchmal mit Wärme, manchmal mit Schmerz, manchmal mit Unsicherheit. Es fehlte die Leichtigkeit, die Selbstverständlichkeit, beieinander zu sein.

Edward schenkte mir noch einen Schluck Kaffee ein, als ich mich zu ihm auf den Boden, neben dem kleinen Tisch, setze.

„Magst du?“, fragte er und hielt mir eine Brötchentüte mit Schokocroissants hin. Mir war absolut nicht nach Essen, aber mir war nach einer Beschäftigung, sodass ich dankte und mir eines nahm. Edward lächelte mich an und nahm sich dann selbst eines.

„Danke für deine Hilfe, es klappt viel schneller, wenn man nicht jeden Handgriff alleine machen muss“, lächelte er.

„Na ja, die wenigstens Streichen alleine“, erwiderte ich lächelnd. „Manchmal braucht man jemanden, der einem was festhält oder anreicht oder so“, sagte ich ebenso lächelnd und knabberte. Meinem schrumpeligen Magen passte das gar nicht.

„Kann ich dich was fragen?“

Ich zuckte innerlich zusammen. Die vermeintliche Unbeschwertheit der letzten Konversationen war passé. Sein Tonfall deutete mir eine Richtung an, die ich nicht guthieß.

„Klar“, presste ich zwischen den Lippen hervor und nippte am Kaffee.

„Warum bist du gekommen?“, fragte er und sah mich von der Seite an.

„Ist die Antwort von Bedeutung?“, erwiderte ich leise nach ein paar Sekunden, ließ den Blick auf das Croissant gesenkt und wartete nicht. „Ich habe keine wirkliche…“

„Und eine Unwirkliche?“, fragte er fast flüsternd.

Ich schaute auf. „Frag’ nicht… bitte…“

„Aber vielleicht willst du was fragen?“, erwiderte er nach ein paar langsam verstreichenden Sekunden, mich direkt anblickend. Er schien nicht weiter darauf eingehen zu wollen…

„Ich…“ Ich atmete ein. „Ich will einfach wissen, wie das alles jetzt bei dir ist. Wie es war, seit… seit… seit damals eben…“

Edward nickte leicht und sah geradeaus zur Wand. „Es war… nicht einfach.“ Er schnaubte leicht. „Oft war es sogar schrecklich… weißt du, Tanya konnte und wollte sich nicht in ihre Rolle einfinden, musste es aber. Gerade als Mutter kann man sich viel weniger herauswinden, als als Vater. Und das habe ich getan. Ich konnte mich die ersten Wochen oder eher Monate nach deiner Abreise nicht mit ihrem wachsenden Bauch identifizieren. Es war mir… egal.“ Er wandte den Blick zu mir. „Du warst es nicht…“

Ich spürte wie es mir eiskalt über den Rücken lief, als ich die Worte hörte und sein Blick mich durchbohrte. Rasch mied ich den Augenkontakt und sah auf das Croissant.

„Meine Eltern haben mich sehr schnell auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt – oder es versucht. Sie wollten, dass ich für Tanya da war. Nach der Geburt für Collin. Wir haben unglaublich viel gestritten. Ich war in den seltensten Fällen zu Hause. Ich hab es nicht ausgehalten… alles drehte sich um Tanya, um das Kind, um die Schwangerschaft, um die Geburt… dabei konnte ich nur an dich denken…“

Ich schluckte schwer, den Blick auf meine Hände fixiert, während ich seinen auf meiner Wange spürte. Mir war übel. Ich brachte kein Ton hervor, die Zähne von innen auf die Lippe beißend.

„Mit Collins Geburt hat sich alles verändert. Alles wurde realer“, fuhr er leise fort. Die Musik vom Radio rauschte irgendwo ganz hinten in meinem Kopf. „Ich habe zum ersten Mal gespürt, wie es ist Vater zu sein und wie viel ich für den kleinen Mann eigentlich empfinde…“

„Wow“, kam es mir leise unwillkürlich über die Lippen, in meiner Haltung bleibend. Seicht schob sich eine Gänsehaut über meinen ganzen Körper, so sehr berührte mich das.

„Was nicht hieß, dass es das Ganze einfacher machte. Die meiste Zeit stritten Tanya und ich, auch wenn Collin uns natürlich irgendwo zusammengeschweißt hatte. Aber viel schlimmer waren die Streitigkeiten mit unseren Familien. Jeder wusste was besser, jeder regelte die Dinge auf seine Art und Weise. Entweder es war einem egal wie etwas mit Collin geschah oder man stieg vollends in die Diskussionen mit ein, dafür fehlte mir einfach oft die Kraft, auch wenn ich die Verantwortung übernehmen wollte…“

Ich nickte zustimmend mit hängenden Mundwinkeln, als er pausierte und einen Schluck Kaffee nahm.

„Ich hab mich meistens entzogen. Collin wohnte mit Tanya bei ihren Eltern und er war selten bei mir, da Tanya stillte und selber wenig Lust hatte, mit ihm irgendwohin zu gehen. Ich sah ihn meist einmal die Woche. Oft aber auch gar nicht. Als Tanya acht Monate nach seiner Geburt wieder weiter studierte, wurde es besser. Ich musste mich mehr mit Collin auseinandersetzen und meine Beziehung zu ihm wurde auch besser… aber du hast gefehlt, jede Sekunde“, fügte er flüsternd hinzu. Ohne darüber nachzudenken, sah ich zur Seite zu Edward und merkte seinen intensiven Blick, der mir die Hitze in die Brust schießen ließ. Gleich bereute ich es, den Blick gewagt zu haben.

Ich merkte, dass nun mein Teil der Rede erwartet wurde und schluckte mit trockenem Hals. Ich hatte eigentlich nichts zu sagen oder zurückzunehmen... „Es tut mir leid, dass es damals so gelaufen ist, aber es gab keine andere Möglichkeit“, murmelte ich nüchtern vor mir her und starte auf den Boden.

Bitte… lass es nicht das Ende sein. Lass das nicht zu, ich bitte dich-

Dann geh’, geh’ nur, aber komm wieder… oder lass mich zu dir kommen, gib mir deine Anschrift, deine Telefonnummer… irgendetwas…

Ich atmete stockend auf. „Du hast mir auch sehr gefehlt“, brachte ich leise über die Lippen und riss mich aus den Erinnerungen, die mir leicht die Augen wässerten.

„Und jetzt?“, hauchte er leise, mich ununterbrochen ansehend.

Ich schwieg, krampfhaft versuchend die Erinnerungen zu verbannen. Nicht die Gefühle von damals, mich überkommen zu lassen… es nicht zuzulassen…

„Das ist schön“, murmelte Edward und ich bemerkte wie er aufstand und das Radio lauter machte. Ich hörte die leichte Melodie, die ich selbst bereits schon kannte.

„Komm“, vernahm ich Edwards Stimme, der mit ausgestreckter Hand vor mir stand.

Zögerlich blickte ich darauf und nahm sie schließlich, ließ mich hochziehen.

„Machen wir weiter?“, fragte ich leise. Meine Hand lag immer noch in seinen – und das nicht, weil ich sie festhielt. Ganz vorsichtig hielt er sie, als wäre sie zerbrechlich. Ich hob den Blick zu ihm, als er einen kleinen Schritt nach vorne machte und mit nun wesentlich geringerem Abstand vor mir war.

„Ich weiß, dass du das nicht magst, aber…“, sagte er ganz leise an meinem Haar vorbei und legte bedächtig die Hand auf meine Hüfte. Ich vernahm den rhythmischen Klang des Liedes und wie Edward sich sanft dazubewegte, mich leicht mitzog. Mein Herz raste, ließ das Blut in meine Wangen schießen. Ich folgte seinen Bewegungen ganz langsam, die Hände auf sein Becken legend. Den Kopf hatte ich zur Seite gewandt und bemerkte, wie ich in Versuchung kam, ihn auf seiner Brust abzulegen, während er mich an Hand und Hüfte leicht führte…

Es verdrängen, als wäre nie etwas passiert…

Seicht umhüllte mich sein Duft, seine Nähe… die Wärme… das Radio die beschauliche Musik verbreitend: Und als wäre zwischen uns gar nichts gewesen…

Das Hemd, mit Farbe benetzt, war rau und straff unter meinen Fingern, während ich die Hand darauf hielt, leicht darüber strich, wie er es mit seiner Hand tat, die zu meiner Taille wanderte.

Aber du behandelst mich wie einen Fremden…

Ich sah auf, musterte die sanften Gesichtszüge, so vertraut, doch so fern… die Tiefe in seinem Blick, ein Zentimeter… kurz umschlossen seine Lippen meine, tastend, behutsam. Ein heißes Kribbeln erfüllte meinen Körper, als ich erwidernd seine Unterlippe küsste, woraufhin er zärtlich an meiner Oberlippe zog und mich näher zu sich. Meine Finger gruben sich in seinen Rücken, ertasteten ihn durch den festen Stoff seines Hemdes. Edward strich mit beiden Händen parallel meine Haare hinter die Ohren und ließ sie dann auf meinen Wangen liegen, während er so mein Gesicht hob und mich inniger küsste. Ich spürte seinen heißen Atem auf meiner Haut, seine Zunge strich sanft über meine… Mein Herz stolperte. Meine Finger fassten fest an seinem Rücken.

Ich wich leicht zurück, die Augen geschlossen, ein kleines, aber verwirrtes Lächeln auf den Lippen. Mein Atem drückte von innen, als hätte ich einen Sprint hingelegt.

„Ich… ich denke, wir müssen weiterstreichen oder?“, fragte ich leise, spürte seine Nähe prickelnd auf meiner Haut.

Er sah mich an, kurz zögernd, lächelte dann aber breit, lehnte die Stirn an meine, seine Nasenspitze strich kurz über die meinige, und schaute mir dann aber wieder in die Augen.

„Okay“, hauchte er lächelnd. „Aber vorher… ich gehe kurz um die Ecke einkaufen für ein kleines Abendessen, bist du einverstanden?“, fragte er.

Ich schmunzelte, seine Arme um meine Mitte geschlungen. „Okay und ich streiche solange am Fenster weiter“, sagte ich nickend. „Aber wehe es schmeckt nicht“, grinste ich mit leicht glasigem, erhitzten Blick.

„Keine Sorge“, sagte er mit einem strahlenden Gesichtsausdruck und hielt bereits seinen Mantel in der Hand. „Bis gleich.“

Ich nickte lächelnd und die Tür fiel zu. Das Lied endete, ich ließ mich herab gleiten.

Das Herz in meiner Brust rannte. Mit den Händen hielt ich mich am Boden fest und lauschte dem Gefühlsdurcheinander in mir. Das Kribbeln, Pochen, Streicheln…

„Wow“, entfuhr es mir leise. Im Hintergrund redete ein Radiosprecher über das Wetter. Sonnig, dachte ich innerlich. Sonnig, aber heiter bis wolkig… ein paar Schleierwolken, grau. Was war das gewesen? Wie war es dazu gekommen? Und warum… warum brachte es mich so aus der Bahn?, schossen mir die Fragen durch den Kopf, während meine Hand leicht über meine Lippen strich. Warm.

Es war so unglaublich schön gewesen… warum hatte ich es abgebrochen? Ich wollte mich nicht in ihm verlieren, wollte die Oberhand nicht abgeben… ich wusste nicht, was genau geschehen würde, wenn ich es tat…

Ich sah auf und begann die kleinen Stellen um das Fenster mit Farbe zu bedecken.
 

„Nein, nein, kommt nicht in Frage. Du hast mir beim Streichen geholfen und jetzt bist du mein Gast“, widersprach Edward, als ich in die Küche kam, um ihm zu helfen. „Du darfst dich setzen und zuschauen“, grinste er, als ich im Türrahmen stehen blieb.

Ich verdrehte grinsend die Augen und setze mich an die kleine Theke in der Küche.

„Eine wirklich schöne Küche“, sagte ich lobend. Sie war groß, in hellem Holz gehalten mit etwas weiß und vielen, ziemlich teuer aussehenden Geräten.

„Danke“, lächelte Edward. „Ich weihe sie auch gerade ein.“

„Du hast hier noch nie gekocht?“, fragte ich Stirn runzelnd, während er das Gemüse säuberte und es danach schnitt.

„Es gab keine Gelegenheit“, sagte er Schultern zuckend, „für mich selber mache ich ja nicht so einen Aufwand und so nette, wunderschöne Helfer hatte ich bislang auch nicht.“ Er zwinkerte mir zu und hob die Mundwinkel sanft.

Ich blickte kurz verlegen herab und hob sie ebenso. Seine Worte hallten in mir nach. Der Klang seiner Stimme wusch jegliche Frage, jeglichen Zweifel fort-

„Oh“, murmelte Edward, als in diesem Moment Collin anfing zu schreien und Edward sich rasch die Hände trocknete. „Bin sofort wieder da.“

Ach ja. Stimmt ja. Er hatte einen Sohn, wir hatten uns deswegen damals getrennt oder den Kontakt nicht aufrechterhalten können – unter anderem – und da war noch Tanya.

Ich hörte Edward etwas murmeln und dann „Na, dann komm mal mit“ sagen, ehe er mit Collin um die Ecke bog. Vom grellen Licht geblendet, kniff der Kleine die Augen zusammen, das Gesicht an Edwards Schulter verborgen, das helle Haare verwuschelt, wozu Edward gerade sein übriges beitrug.

„Kannst du mal von der Gurke ein Stück für ihn abschneiden?“, bat er mich, während er mit einer Hand an Collins Trinkbecher herumhantierte.

Ich nickte stumm, stand auf und ging zur Spüle, schnitt etwas ab und reichte es Edward, der es an Collin weitergab, welcher nun ein wenig verschlafen blinzelte.

„Deine Mama bringt mich um, wenn das einreißt“, sagte Edward leise mit einem Lächeln zu ihm. „Wir verbuchen das als einmalig, weil du hier noch nie geschlafen hast“, sagte er sanft und strich über seinen Rücken, während Collin an der Gurke lutschte.

Ich musterte das Bild, hob leicht die Mundwinkel. Wie lieb er sich kümmerte… Collin war ganz ruhig auf seinem Arm und kuschelte sich an ihn. Hier gehörte ich nicht rein… und doch… sein Kuss eben… unser Kuss eben…

Edward sah zu mir auf und musterte meinen nachdenklichen Blick, lächelte dann rasch, als ich es bemerkte. „Normalerweise wird er nicht mehr wach abends. Zumindest sehr selten… Ich denke er ist etwas aus seinem Rhythmus und dann die neue Umgebung und Tanya ist nicht da“, redete er leise zu mir.

„Kein Problem“, sagte ich rasch, falls er das als Entschuldigung hatte formulieren wollen.

Edward nickte lächelnd, nahm Collin dann sachte die Gurke aus der Hand und schob sie sich selber in den Mund, da er die Augen schon wieder geschlossen hatte und ganz still an Edward kauerte.

Ich wusste, warum ich mich von Edward so fernhielt… fernhalten wollte. Ich hatte Angst vor dem Schmerz, der Damalige hatte tiefe Spuren bei mir hinterlassen. Vielleicht war es falsch, mich darauf einzulassen. Einfach den Mut nicht zu finden… Vielleicht gab es keinen Grund, vielleicht brauchte es aber auch keinen solchen und die bloße Erinnerung reichte. Vielleicht hatte ich aber einfach auch Angst, dass es nicht so sein würde, wie damals, weil ich Tanya und Collin „mitkaufte“? Doch musste es schlechter werden? Aber ich drängte mich doch dazwischen, oder?

„Was denkst du?“, fragte Edward in meine Gedanken hinein und strich mir mit der freien Hand eine Strähne hinter das Ohr.

Ich sah mit einem Schmunzeln herab und schnaubte ganz leise. „Das willst du nicht wissen…“

„Mit Sicherheit nicht, deine Gedanken sind immer sehr kompliziert“, sagte er flüsternd mit einem kleinen Lachen. „Aber wenn es die Gedanken sind, die ich denke… dann denk’ sie nicht…“ Er kam etwas näher, warf einen leichten Schatten auf mich und küsste meinen rechten Wangenknochen. „Ich bringe ihn wieder ins Bett“, sagte Edward mir tief in die Augen blickend. Ich erwiderte es mit einem Nicken. Ob nur das letzte oder auch das davor, wusste ich selbst nicht recht. Ich saß einfach nur da und lauschte den Geräuschen von drüben.
 

Ich kratze den letzten Bissen Auflauf von meinem Teller und zog dann mein Salatschüsselchen zu Rate, um es auch zu lehren.

„Und…? Hat es geschmeckt? Oder kommt jetzt das ‚wehe’“, grinste Edward zu mir rüber und nahm einen Schluck Cola.

„Nein“, lächelte ich. „Es war wirklich sehr lecker“, sagte ich seitlich zu ihm.

Er erwiderte das Lächeln und strich mit der Hand etwas in Gedanken über meine Seite. Ich atmete genießend tief ein.

„Du zweifelst“, sagte er leise. „Ich kann das wirklich verstehen, nur bitte lass mich sie ausräumen.“ Er hob den Blick. „Ich kann warten, keine Sorge. Ich lasse dir alle Zeit der Welt“, fügte er hinzu. „Versprochen.“

„Edward… darum geht es nicht“, murmelte ich und nahm seine Hand von meiner Taille, hielt sie aber in meiner, zu der ich herabsah. „Ich weiß einfach nicht, ob es… ob es gut ist, wenn… na ja…“

„Wer entscheidet denn, ob es gut ist, wenn nicht wir selbst es tun?“, fragte er nach und es war nicht rhetorisch gemeint.

„Manchmal… andere. Andere die dazugehören… irgendwie“, wand ich mich leicht um eine Antwort.

Edward hob kurz die Augenbrauen. „Bella… wenn du Tanya oder Collin oder meine Familie meinst… sie haben nichts dagegen. Collin am wenigsten. Du ersetzt ihm ja nicht die Mutter, du gehörst einfach zu mir“, sagte er leiser werdend.

„Ich will ihm auch keine Mutter sein“, sage ich kopfschüttelnd, „aber ich…“ Ich brach ab. Ich wusste ja selbst nicht, was es war, das mich zweifeln ließ, was mich abhielt, wie sollte ich es dann für jemand anderen in Worte fassen? Das war absurd.

„Lass dir Zeit“, sagte er mit einem widersprüchlichen Drängen in den Augen und strich mit dem Daumen über meinen Handrücken.

Ich atmete tief ein, um zu sagen, dass es nichts mit Zeit zu tun hätte, atmete aber wortlos wieder aus. Er beugte sich dabei leicht zu mir, seine Hand auf meiner liegend.

„Vertrau’ mir“, hauchte er mir ins Ohr und küsste meine Wange nahe des Ohres, ehe er mit den Lippen herab zu meinem Mund wanderte und mir einen kleinen Kuss schenkte.
 

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freue mich über kommis :)

A: Richtungswechsel

Hallo ihr Lieben!

Es ist lang her... aber endlich endlich ist das neue Kapitel da :)

Zuvor: Ich habe mir eine eigene kleine Homepage gebastelt, da poste ich die Kapitel auch immer etwas eher, ihr erfahrt alles dort:

http://fane-fiction.jimdo.com

oder auf facebook bei *Fane* als erste :)

das neue Kapitel findet ihr auch dort unter:

http://fane-fiction.jimdo.com/musik-reihe-six-months/time-after-time-der-kanon-zweier-herzen/a-richtungswechsel/
 

würde mich freuen, wenn ihr mal vorbeischaut, mir sagt wie ihr sie findet und sie etwas belebt :) danke auch für 40 (!!!!) gefällt mir auf facebook! :)
 

Musiktipps:

Udo Lindenberg feat. Clueso - Cello http://www.youtube.com/watch?v=NxquuedkKaM
 

Christina Perri - Jar of hearts http://www.youtube.com/watch?v=El4KWGZuw8U
 

Ich liebe Christina Perri. Das Lied ist so passgenau zu einigen Stellen im Kap, wenn auch die Message des Liedes etwas krasser ist, als im Kap gemeint^^
 

„Fertig“, verkündete Edward und sah sich um. „Perfekt“, lobte er und schaute lächelnd zu mir.

„Ja“, nickte ich, mir das Haar aus dem Gesicht streichend.

„Danke für deine Hilfe, das war wirklich super“, sagte er zu mir und ich lächelte ihn an. „Du kannst dich hier eben umziehen, ich komme sofort wieder“, fügte er hinzu, ehe ich etwas sagen konnte, und nahm mir die Aussage, dass ich gehen wollte, zuvor. Insgesamt machte er es mir an diesen Abend sehr leicht… ob gewollt oder nicht.

Ich hörte wie Edward durch den Flur auf die Toilette ging, während ich rasch meine Sachen wechselte und in meinem Beutel verschwinden ließ.

„Den kannst du mir dann geben“, sagte er und nahm jenen gleich an sich. „Ich wasche dir die Sachen und gebe sie dir dann zurück.“

„Das ist nicht nötig. Die werden sowieso hinüber sein…“, sagte ich abwinkend und wollte nach dem Beutel greifen, doch Edward legte ihn bereits zur Seite.

„Mach’ dir da mal keine Sorgen“, lächelte er, „außerdem hab ich dann einen Grund, dich wieder zu sehen“, fügte er hinzu. Ich gab mich frühzeitig geschlagen. Wie gesagt, die Sachen waren sowieso nicht mehr zu gebrauchen, was wollte er mir dann zurückgeben? Wiedersehen… erklang es in mir. Ein kurzes Türklingeln unterbrach uns.

Edward runzelte schlagartig die Stirn und warf einen unbewussten Blick auf die Uhr, die kurz nach zehn anzeigte.

Schweigend ging er an mir vorbei und drückte auf.

Langsam kam ich ihm hinterher. „Also ich- ich werd’ dann auch mal“, sagte ich seitlich hinter ihm stehend, doch Edward schien mich zu ignorieren und trat mit seinem breiten Kreuz mehr in den Türspalt.

„Was machst du denn hier?“, hörte ich seine Stimme kühler in den Flur hallen.

„Tschuldige, tschuldige“, erklang es hastig im Flur und viele schnelle Schritte waren zu hören.

Edward machte ein paar Schritte zurück, mich ebenfalls nach hinten schiebend und ließ Tanya in die Wohnung – in einem schicken Partykleid.

„Ich hab-“ Tanya bemerkte mich im Augenwinkel und sah mich mit großen Augen an, als wäre ich ein Gespenst. Irritiert erwiderte ich den entgeisterten Blick.

„Hi Tanya“, murmelte ich und versuchte zu lächeln, um irgendwie die Situation zu lösen und begutachtete sie. Es war so lange her. Sie hatte sich sehr verändert. Sie wirkte nicht mehr so jugendhaft, das rote Kleid hin oder her, aber ihre Gesichtszüge waren irgendwie erwachsen geworden.

„Du hier?“, gab sie in einem merkwürdigen Tonfall von sich. War sie sauer? Hatte Edward ihr nicht erzählt, dass ich wieder in Amerika war?, schoss es mir durch den Kopf. Sie hatten sich bestimmt oft genug gewesen, dass er es ihr hätte sagen können.

„Ja… ich…“, begann ich immer wieder zu Edward sehend, der aber schwieg. „Edward hat gefragt, ob… ob ich ihm helfen kann, beim Streichen“, versuchte ich die Stille zu füllen und verstand nicht, warum Edward nichts sagte.

„Oh“, murmelte Tanya mich fast anfunkelnd. „Normalerweise lässt er sich wenig helfen…“

Wie? Er ließ sich nicht helfen? Ich schaute zu Edward auf. Er hatte eine merkwürdig angespannte Haltung, als erwartete er, dass etwas passierte.

„Aber- aber warum bist du in Amerika?“, hörte ich dann Tanya sagen.

„Tanya, was machst du hier? Wolltest du nicht ausgehen?“, fragte Edward dazwischen. Irgendwie aus dem Zusammenhang… ablenkend.

Doch ich wandte mich Tanya zu, um ihr zu antworten. „Ich hab eine Stelle… an der Uni…“ Warum hatte Edward nicht mit ihr darüber gesprochen? Ich fragte mich, ob die Antwort nicht sowieso klar war…

„An der Uni…“, sagte Tanya leise und funkelte Edward an. Die Luft im Hausflur war wie elektrisiert.

„Tanya?“, raunte Edward etwas schärfer.

„Ich hab was vergessen, aber du scheinbar auch, oder?“, wurde Tanya kratzbürstig und sah Edward mit zusammengekniffenen Augen fest an.

„Ich wollte sowieso gerade gehen…“, murmelte ich schluckend, um der unangenehmen Situation zu entfliehen, doch weder Tanya noch Edward reagierten. Im Gegenteil Tanya blieb einfach in der Tür stehen.

„Lass uns morgen reden, ich denke, du wolltest heute einen freien Abend haben, nicht wahr?“, sagte Edward abwinkend und kam Tanya näher, um sie mehr oder weniger in den Flur zu schieben – Tanya spielte da aber nicht wirklich mit.

„Ich denke, wir haben jetzt etwas zu bereden“, erwiderte sie kühl und trat an Edward vorbei in die Wohnung. Nicht ohne ihre Absätze laut klackern zu lassen.

„Tanya, was möchtest du?“, fragte er in hitzigem Tonfall und einer kleinen Pause nach jedem Wort.

„Ich habe Collins Medizin für morgen früh vergessen“, sagte sie laut und knallte sie auf den Tisch, ehe sie Edward anblickte. „Deshalb bin ich auch hier und nicht mit den Mädels im Three Thirty“, murrte sie.

„Als ob ich da jetzt was für könnte!“, beschwerte sich Edward gleichermaßen.

„Nein, stimmt, du hast Besseres zu tun“, sagte sie scharf und warf mir einen eisigen Blick zu.

„Lass sie zufrieden“, knurrte Edward und hielt die Hand leicht in meine Richtung, während er Tanya fixierte.

„Bitte? Was soll das denn jetzt? Sie ist es doch immer! Immer sie!“, sagte Tanya mit dem Finger auf mich zeigend und machte einen Schritt auf Edward und mich zu. „Sie ist doch an dem ganzen Scheiß schuld! Ich habe es mir nicht ausgesucht!“, fauchte Tanya laut und sah mich bitterböse an. Schuld? Woran?, schoss es mir durch den Kopf.

Edward griff Tanyas Handgelenk. „Komm ihr nicht zu nahe“, sagte er mit einem Brodeln in der Stimme. „Du hast getrunken, Tanya“, knurrte Edward.

„Fass mich nicht an“, zischte Tanya ganz leise und machte ihre Hand los, während beiden sich anstarrten. „Ich weiß, was ich sehe und ich kapiere noch ganz gut!“, fauchte sie bissig.

„Ich… ich muss dann“, sagte ich endlich, als ich dazwischen kam. „Bis… ähm, dann“, murmelte ich.

„Du bleibst“, sagte Edward mit fester Stimme und macht stellte sich mir in den Weg. „Tanya geht.“

„Ich? Ich lasse mich hier doch nicht rausschmeißen! Ich erwarte eine Erklärung!“, schrie Tanya und im gleichem Moment, tat es Collin.

Edward bebte und keifte Tanya an: „Na siehst du?! Das hast du jetzt von deinem Theater! Kannst du nicht einfach aus gehen und gut?“

„Bis dann“, sagte ich einfach nur noch und schlüpfte mit einem schnellen Schritt an Edward vorbei durch die Tür. Er war gerade viel zu sehr mit Tanya und sich beschäftigt, sodass er es nicht verhindern konnte.

Ich ertrug es nicht mehr.
 

Nach Luft ringend kam ich an der Bahnhaltestelle an. Mein Herz hämmerte nach dem kurzen Sprint in meiner Brust und glitt so eben noch zwischen die geöffneten Türen der Bahn. Ich ließ mich gegen die Tür fallen und atmete erst mal mehrmals durch, ehe mein Atem sich wieder normalisierte.

Sie wusste nicht, dass ich hier bin? Warum? Was war das eben gewesen?, fragte ich mich innerlich erstaunt. Wirsch… aber überhaupt… er hat mich geküsst, wir haben uns geküsst. Und der Tanz…

Ich spürte einen Moment seine weiche Haut auf meiner nach, der sanfte Duft, der darauf waberte und die durchdringende Wärme, die sofort in mich übergegangen war. Langsam öffnete ich die Augen – ich hatte nicht bemerkt, dass ich sie geschlossen hatte und sofort durchströmten mich wieder die Gedanken, dieser so bizarren Situation. Mehr als Fragezeichen und ein strammes Herzklopfen blieben mir nicht.
 

Es dauerte nicht lange, bis ich am Hauptbahnhof war und in eine andere U-Bahn umstieg, welche mich nach nur zwei Haltestellen zu meiner Wohnung brachte. Kaum war ich dort angekommen, fielen mir mehrere große Umschläge im Wohnungsflur auf – alle an mich adressiert. Nanu..?

Ich hob sie auf und blätterte sie durch. Aus Deutschland! Innerlich war ich plötzlich hell wach, alles vorherige vergessen. Mit wenigen Schritten war ich oben und schmiss schnell Jacke und Schlüssel auf die Couch, ehe ich mich an meinen Schreibtisch setzte.

Einladungen. Einladungen, noch mehr Einladungen. Alles Einladungen zu Vorstellungsgesprächen, Telefonaten, Videokonferenzen – Ich könnte gehen…

Mir wurde schlecht. Wollte ich das wirklich? Jetzt wo es ernst wurde?

Kannst du dich mal entscheiden?!
 

***
 

Edward
 

„Bella- warte doch-“, versuchte ich Bella hinterher zu rufen, doch sie war längst die Treppen hinabgeeilt, während Tanya weiter auf mich einredete und Collin schrie.

„Edward, rede mit mir! Hast du wieder was mit ihr? Was soll das Ganze hier? Candellightdinner auf der Baustelle oder was? Wie romantisch!“, ratterte Tanya in einer Tour runter und bekam sich gar nicht mehr ein.

„Kannst du mal mit deinem Gerede aufhören!? Hörst du nicht, dass Collin dank dir wach geworden ist!? Du bist so eine egoistische Kuh“, erhob ich nun doch die Stimme und ging an ihr vorbei in mein Schlafzimmer, wo Collin lag. Tanya war verstummt.

Ich beugte mich hinab und nahm Collin aus dem Bettchen hoch und sofort legte sich sein Schreien. Er hielt die Augen müde geschlossen und gähnte ausgiebig, während seine Finger sich an meinem Oberteil festhielten.

„Hm du…? Du kriegst mal wieder alles mit“, flüsterte ich leise vor mir her, als ich ihn etwas hin und her wog und er sehr schnell wieder zur Ruhe kam. Ich ließ ihn noch einen Moment auf meinem Arm, genoss die Nähe und Ruhe. Mit einem tiefen Atemzug legte ich ihn wieder in das Bettchen und deckte ihn sorgsam zu, ehe ich die Tür leise schloss.

Tanya stand immer noch an derselben Stelle und schaue mich nun mit einem traurigen Blick an. Ich seufzte und verdrehte die Augen.

„Ja, schon klar“, entgegnete sie darauf sofort. „Dir ist es mal wieder egal, wie es mir geht…“

„Tanya, erzähl’ nicht so ein Blödsinn“, murmelte ich. „Du bist die Mutter meines Kindes-“

„Ja, ja ganz genau“, unterbrach sie mich und blickte mich eindringlich an. „Bin ich mehr? Werde ich je mehr sein?“

Ich sah sie ein paar lange Sekunden an und sog geräuschvoll Luft ein. „Tanya… bitte…“ In ihren Augen sammelten sich Tränen und in mir die Hilflosigkeit, die Situation nicht wieder eskalieren zu lassen. Sie drehte sich mit laufenden Tränen von mir weg und machte mehrere schnelle Schritte zur Tür.

„Warte“, sagte ich ebenso rasch und hielt ihren Arm fest.

„Nein“, sagte sie schluchzend. „Ich bin dir doch gar nicht wichtig…“

„Tanya…“, murmelte ich leise und atmete tief ein. Kaum einen Augenblick später stürzte sie sich weinend in meine Arm. Erst langsam, nach und nach, legte ich die Arme um sie. Was sollte ich sonst tun? Wenn ich ehrlich zu mir selbst war, mochte ich sie. Ich hatte sie mit der Zeit kennengelernt und auch wenn sie sich oft daneben benahm, sie war und würde immer Teil meines Lebens bleiben – was nicht hieß, dass ich nicht stinksauer auf sie sein konnte.

„Bitte Edward, lass mich nicht alleine…“, wimmerte sie und schaute mit verweinten Augen zu mir hoch.

„Tanya, du hast getrunken“, wich ich ihr aus, doch sie agierte in Sekunden und schlang die Arme um meinen Hals, drückte mich an sich, ihre Lippen auf meine. Beinahe automatisch erwiderte ich den Kuss, zog mich dann aber von ihren Lippen. Sie öffnete die Augen, an dessen Wimpern die Tränen klebten. Ihr Blick war fast bettelnd und erfüllt von Traurigkeit.

„Möchtest du dich hinlegen?“, fragte ich leise, sie nickte ganz leicht. Ich tat es ihr gleich und führte sie, eine Hand auf ihrem Rücken, zu meinem Schlafzimmer, wo bereits meine neue Matratze lag. Ich reichte ihr eine Wolldecke und brachte ihr noch ein Kissen aus Collins Zimmer. Sie schlief sofort ein.

Ich weiß, was ich will, ich kenne mein Ziel… aber… Und wie geht es dann weiter? Was soll ich nur tun…
 

„Guten Morgen“, grüßte ich Tanya mit Collin auf dem Schoß beim Frühstück und schenkte ihr einen Kaffee ein, als sie in dem Kleid von gestern, verwischter Schminke und zerzausten Haaren aus meinem Schlafzimmer kam. Ich hatte mich irgendwann zu ihr gelegt, sie schlief die ganze Nacht tief und fest.

Sie nickte zum Kaffee, widmete sich aber erst Collin. „Na mein Süßer“, murmelte sie gähnend und hob ihn von meinem Schoß. „Hast du gut geschlafen?“ Sie tätschelte seinen Kopf und setzte sich neben mir auf den Boden vor einen großen Plastikkarton, der uns als Tisch diente, und lehnte sich an meine Schulter. Collin krabbelte auf ihrem Schoß und strahlte zu beiden mit den kleinen Zähnchen hoch, sich auf Tanyas Oberkörper mit den kleinen Händen abstützend.

Tanya erwiderte das Strahlen innig und küsste seine Wange andächtig, während ich einen Arm um sie legte und über Collins Arm strich. Innerlich erstarrte ich über mich selbst. Was tat ich hier?! Musste ich Collin etwas vorspielen? Etwas beweisen? Wollte ich ihn in diesem Glauben lassen?

Ich ließ meinen Arm, wo er war, und ließ Tanya diesen Moment; Sie waren so selten. Ja, es war der einfachste Weg, nickte ich mir innerlich zu. Aber tat es uns gut? Jedem einzelnen?

„Der Mama auch Birne und Collin“, er kraxelte zu mir herüber, weshalb ich einen guten Grund hatte, meinen Arm von Tanya zu nehmen, „zu Papa essen.“

„Na komm her“, sagte ich sanft und reichte ihm sein Brötchen mit Streichkäse, welches er sofort weiter annuckelte und darauf herumkaute. Tanya nippte derweil am Kaffee.

„Es ist so schön zu dritt“, sie warf mir einen Blick von der Seite zu, „und so selten. Das müssen wir öfter machen…“, verfiel sie ins Säuseln und lehnte sich wieder an meine Schulter. Ich brummte nur etwas und beobachtete meinen Sohn, wie er in der einen Hand das Brötchen und in der anderen bereits das Lego-Auto hielt, welches er neben mir gefunden hatte.

„Feuerwehr“, nuschelte er kauend.

„Und wie heißt der, der das Auto fährt?“, fragte ich nach und deutete auf die Figur in dem Auto. Collin senkte den Blick konzentriert von mir auf das Auto und nahm die Figur aus dem Auto. „Feuerwehrmann!“, rief er stolz aus und hielt ihn zwischen Tanya und mir hoch, wir hoben gleichzeitig die Mundwinkel.

„Tschhhh“, spielte Collin weiter und ahmte einen Wasserschlauch nach, wirbelte die Figur durch die Luft.

„Er ist schon so groß“, murmelte Tanya in Gedanken schwelgend.

„Ich gehe mal duschen“, sagte ich kurzerhand zu Tanya, ehe sie in völlige Nostalgie entglitt und entzog mich rasch der Situation.

Ich verstand mich selber nicht. Ich genoss diese Situation genauso wie Tanya – und auch Collin, natürlich tat ihm solch eine Ruhe in unserem sonst so turbulentem Leben gut. Aber… ich verstand meine Gefühle für Tanya. Ich liebte sie nicht, aber ich liebte Collin, dieser verband uns.

Ich ließ das Wasser über mich hinweg gleiten und dachte weiter nach. Vielleicht waren Bellas Zweifel nicht unberechtigt. Wie sollte das funktionieren mit Tanya, Collin, ihr und mir? Obwohl es mir auch gleichsam egal war wie, ich wollte nur, dass es funktioniert. Ich wollte sie zurück in meinem Leben, alles andere würde sich arrangieren, aber ich verstand ihre Sorge… vielleicht auch Eifersucht?

Gedankenverloren rieb ich mich mit einem Handtuch trocken. Eifersucht? War es das? Auf Tanya? Oder auch auf Collin? Ein gemeinsames Kind.

Ich schüttelte den Kopf. Das ist Blödsinn, Edward, ermahnte ich mich zur Vernunft. So denkt sie nicht, so ist sie nicht, du kennst sie doch- oder?

Ich erstickte ein Schreien in mir selbst. Langsam könnte man meinen du verlierst den Verstand – und jetzt redest du auch noch mit dir selbst, seufzte ich.
 

„Mum?“, klopfte ich an der Bürotür und öffnete dann die Tür. Meine Mutter wandte sich auf dem Bürostuhl nach hinten zu mir und sah mich fragend mit einem Lächeln auf den Lippen an.

„Edward… was gibt’s?“, wollte sie wissen und deutete auf die Sitzecke, wohin sie sich sogleich begab.

Ich nickte ihr zu und setzte mich in den anderen Sessel um den kleinen Tisch mit dem geschmackvollen Mosaikmuster

„Du wirkst so ernst“, sagte sie leise und betrachtete mich.

„Hast du gerade Zeit?“, fragte ich und sah herüber zu dem vollen Schreibtisch und den blinkenden Programmen an ihrem Rechner.

„Für dich immer“, sagte sie sanft und wartete dann ruhig. Kurz fuhr sie sich durch das seidige Haar.

Ich senkte den Blick und überlegte. Ich wusste nicht, wie ich es formulieren sollte…

„Was hast du auf dem Herzen?“, fragte sie leise und richtete sich etwas im Stuhl auf.

„Ich weiß nicht, wie es sagen soll…“, murmelte ich und hob den Kopf. „Es geht um Tanya… und Bella. Das heißt, es geht mehr um Bella. Seit dem Alleingang von Vater ist sie ja wieder hier, wie du weißt“, erzählte ich weiter, „aber sie stellt sich stur… na ja, dann war sie gestern aber bei mir, wir sind uns näher gekommen, aber…“ Ich atmete schwer ein. „Sie zweifelt wegen Collin, wegen Tanya und ehrlich gesagt, ich kann es ihr nicht mehr verdenken. Ich weiß es selber nicht. Heute morgen… es war sehr schön mit den beiden, ich habe es sehr genossen mit Tanya und Collin Zeit zu verbringen, aber ich liebe sie nicht, ich bin mir sicher, aber ich weiß auch nicht, wie ich das alles ordnen soll-“ Ich brach ab. In meinem Kopf drehte sich alles.

„Bella und du, ihr seid ein schönes Paar. Tanya und du, tolle Eltern“, begann meine Mutter. „Es ist nicht leicht, das zu trennen. Vor allem ist es nicht leicht für Bella zu verstehen, dass Tanya für dich immer die Mutter deines Kindes bleibt, aber niemals deine Partnerin sein wird. Und dann ist da noch Collin, der sie und dich immer erinnern wird, immer da sein wird und auch Zeit und Aufmerksamkeit fordert, die Bella abgeben muss“, formulierte sie wie immer gekonnt. „Aber ich bin mir sicher, wenn du dran bleibst, schafft ihr das.“ Sie lächelte mich warmherzig an.

„Das ist es ja… ich weiß nicht mehr, was ich sagen oder tun soll“, gestand ich. „Ihre Zweifel sind ja berechtigt und es wird schwer, ja, aber ich liebe sie und bin bereit all das in Kauf zu nehmen. Aber ich weiß nicht, ob sie das ist…“

Meine Mutter schlug ein Bein über das andere und senkte nachdenklich den Blick. „Edward… ich muss dir etwas sagen. Ehrlich gesagt war ich es, die deinen Vater dazu überredet hat, Bella mit diesen Mitteln hierher zu holen.“

Ich starrte sie an und öffnete empört den Mund, doch sie bat mich inne zu halten und fuhr fort: „Und weißt du warum? Weil ich gesehen habe, wie sehr ihr aneinander hängt und wie innig ihr seid und es falsch war, so auf die Beziehung zu Tanya zu pochen. Es war ein Fehler und ich wollte es wieder hinbiegen, auch wenn man die Zeit nicht zurückdrehen kann. Ich bin mir sicher, ihr könnt es wieder schaffen, ich würde mich so darüber freuen.“

Meine Gesichtszüge glätteten sich etwas und ich musste etwas schmunzeln, sie tat es mir gleich. „Hilft ja nichts“, sagte ich und sah sie an. „Es ist zu spät, sich jetzt darüber aufzuregen.“

Meine Mutter lachte. „Soso, du wirst also doch noch erwachsen und lernst, dich zu kontrollieren.“

Ich erwiderte ihr herzliches Lachen und merkte, wie gut es tat. „Vielleicht“, grinste ich und stand auf, umarmte sie spontan. Überrascht aber aufrichtig erwiderte sie es. „Danke“, sagte ich leise, sie nickte nur lächelnd.
 

***
 

Den Sonntag hatte ich mit vielen Gedanken und einem Haufen Schreibarbeit verbracht. Ich dachte über Deutschland nach. Es war reizvoll, aber auch Seattle hatte viel zu bieten. Allerdings lebte Edward hier. Ich musste mich für oder gegen ihn entscheiden und wenn ich mich gegen ihn entschied, musste ich es ihm sehr nachdrücklich klar machen. Denn er würde es schwerlich verstehen, dafür kannte ich ihn mittlerweile zu gut. Aber ich könnte mich auch für ihn- Mein Magen wendete sich nervös zu allen Seiten und ich brach den Gedanken ab.

Mit Charlie hatte ich auch geredet. Es ging langsam bergauf bei Sue und Zoey wurde spürbar umgänglicher, schien sich von der für sie nicht verstehbaren Situation zu erholen. Ein Glück.
 

Es war stetig kühler geworden, regnerischer, als ich zum Wochenbeginn die U-Bahn zur Universität nahm und den schon vertrauten Geruch der alten, durchgesessenen Bahnsitze einatme.

Ich würde diesen Tag ohne Gedanken an Edward einfach genießen, mich über meine Arbeit und das Leben in Amerika freuen. Und mir vielleicht auch etwas Schönes zur Belohnung gönnen, dachte ich verschmitzt. Heute mache ich einen Edward-freien Tag, dachte ich kindisch, aber ich genoss die Sorglosigkeit viel zu sehr in diesem Moment, als dass ich mich zur Disziplin anherrschen konnte – ausnahmsweise mal.
 

„Oh mein Gott, was ist passiert? Wer hat das getan? Und was hat er dir gegeben?“, brach Mitch plötzlich hervor und ich runzelte die Stirn, da ich meinen kleinen Vortrag unterbrechen musste.

„Na, komm Bella, gute Laune ist jetzt nicht so dein Aushängeschild“, lachte er.

Ich lächelte halb. „Mach’ deine Arbeit, sonst kann sich das ganz schnell ändern.“

Mitch kam mit den neuen Proben zu mir und stellte sie neben der Versuchsapparatur. „Wer ist denn der Glückliche?“ Er grinste von einem Ohr bis zum anderen.

Meine Gesichtszüge verfinsterten sich und ehe ich etwas sagen konnte, hob Mitch rasch die Hände und meinte: „Okay, okay, ich bin schon still, will mir ja nicht den Arbeitstag versauen.“ Er lachte kurz auf und machte sich dann an die Extraktion der Proben.

Ich atmete tief und verkniff mir einen Kommentar, ebenso wie einen Gedanken an Mitchs Anspielung.
 

„Mittagspause Mitch“, sagte ich zu ihm, als die Versuchsreihe beendet war und ich meine letzten Notizen getätigt hatte.

„Freiwillig? Ohne Theater? Ich kann einfachen… gehen?“, scherzte er.

Ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen und sagte gespielt herrisch: „Aber in dreißig Minuten wieder hier! Zack, zack.“

Mitch zwinkerte mir zu und schnappte sich seine Jacke. „Bis gleich dann, Chef.“

Ich lächelte, nahm Tasche und Jacke und schloss das Labor ab. Erst gönnte ich mir jetzt was leckeres zu Essen. Das Beste was gab, grinste ich innerlich. Und Nachtisch! Danach noch ein Abstecher in die Bibliothek, fünf Stunden arbeiten und der Tag war so gut wie verlebt. Selbst mein freundlicher Vorgesetzter hatte sich noch nicht blicken lassen – zum Glück.
 

Mit Glückshormonen bis zum Hals bestückt, begab ich mich kurz in die Bibliothek. Nicht nur ich.

„Bella, hey“, grüßte Edward mich freudig, der wieder mal irgendwelche Kopien von der Bibliothekarin entgegen nahm, während ich bei einer anderen Bücher entlieh.

„Hi“, murmelte ich knapp und widmete mich meinen Büchern. Mein Herzschlag machte sich bemerkbar, als wäre er die ganze Zeit nicht da gewesen und müsste jetzt alle Schläge der letzten Wochen nachholen. Sofort erreichte mich sein Geruch, seine Aura. Es war unglaublich. Wie Motten und Licht erfasste er mich und zog mich zu sich. Ich spürte alles Schritt für Schritt und genauso sank meine Laune.

„Bella, hast du einen Moment? Können wir reden?“, fragte er betont höflich und kam zu mir herüber.

Ich wagte einen Blick in die klaren Augen – ein Fehler. „Nein, ehrlich gesagt, nein. Bitte Edward, lass mich“, fügte ich fast flehend hinzu, als ich in seinen Augen sah, dass er ein Nein nicht akzeptieren wollte.

„Ich wollte nur-“

„Hör auf!“, unterbrach ich ihn etwas zu lautstark und funkelte ihn an. Nicht heute, nicht diese Woche, warum erdrückte er mich so?!

Edward verstummte augenblicklich und sah mich mit einem warmen, aber fragenden Ausdruck an.

„Ich will dich aus meinem Leben, aus meinem Kopf. Vor allem will ich dich aus meinem Herzen“, sagte ich etwas leiser, fast mehr zu mir selbst, als zu ihm. Mein Atem ging schnell.

„Warum?“, fragte er leise.

Ich sah ihn an. Warum… Warum? Verstand er das nicht?

„Weil es mehr weh tat damals, als dass es schön war…“, stieß ich ihm vor dem Kopf, doch in diesem Augenblick empfand ich, dass es die Wahrheit war.

„Bella, das meinst du nicht so-“

Es war beklemmend, ihn so kleinlaut zu erleben, aber ich hielt es ebenso nicht mehr aus.

„Doch, doch genauso meine ich es und jetzt lass mich“, sagte ich harsch und senkte den Blick, schämte mich sofort wieder für meinen kleinen Ausbruch. „Bitte“, wisperte ich und ging an ihm vorbei, ließ ihn einfach da stehen.
 

Okay, das war der letzte Versuch gewesen, aber für mich war eine Linie überschritten.

„Mitch, wir machen Schluss für heute“, sagte ich und ließ meine Unterlagen auf den Tisch in der Mensa fallen, an dem er gerade seine Pommes genoss.

Er sah mich mit großen Augen an. „Wie Schluss für heute?“, fragte er und ließ die Pommes in der Hand sinken. Er blinzelte mehrmals und rieb sich kindisch die Augen.

„Sei nicht albern“, seufzte ich Augen verdrehend. Ich merkte, dass mein Atem es immer noch eiliger hatte als normalerweise. „Wir machen Schreibkram zu Hause“, sagte ich. „Hier ist dein Anteil“, ich nahm einen Stapel Zettel aus der Tasche, „abtippen, ins Reine formulieren und mir schicken. Heute noch“, fügte ich hinzu.

„Sklaventreiberin“, grummelte Mitch und schob die Zettel achtlos in seine Tasche. Ich warf ihm einen abfälligen Blick zu, während es in einem Teil meines Kopfes tobte.

„Wenn Liver was sagt, richte ihm aus, ich habe beschlossen das Labor zu schließen. Er soll mit mir sprechen. Ich werde ihm schon begreiflich machen, dass ein halber Tag Labor für Schreibzeug zu teuer ist“, ratterte ich runter und wusste gar nicht, wie ich hier noch stehen konnte. Innerlich fühlte ich mich total durcheinander, taumelnd, aber vielleicht gewann ich diese Souveränität nur dadurch, dass ich mit den Sätzen zu Edward eben, eine Entscheidung getroffen hatte…

Mitch starrte mich immer noch an. „Du bist echt die-“, er überlegte kurz, „keine Ahnung, was für eine Chefin, aber bei deinen Launen und Meinungswechseln kriegt man echt ein Schleudertrauma.“ Er setzte erneut an. „Bei dem Seegang würde ich jedes Mal seekrank werden, außer-“

„Ist gut, Mitch“, seufzte ich und konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Es war schlimmer als im Kindergarten.

„Gut okay, dann bis morgen früh“, beendete ich das Gespräch und wollte mich umdrehen.

„Bella, du, sag mal“, redete Mitch aber weiter, „woher der Sinneswandel?“

Ich blickte ihn an und öffnete den Mund langsam. „Einfach so. Halt dich ran, bis morgen“, sagte ich dann endgültig und entfernte mich von seinem Tisch.
 

Ich hatte recht mit den Laborkosten, allerdings war es mir gerade sehr egal, was Liver sagte oder wollte. Denn nun wusste ich es von mir: Deutschland. Ich würde zurückgehen. Ganz gleich, was kommen mochte.

Leichtfüßig, fast wie befreit, sprang ich in die nächste Bahn. Direkt nach der Auseinandersetzung mit Edward, war ich mir sicher gewesen. Es war egal, wie viel wir redeten, verabredeten, vereinbarten. Es funktioniert nicht mit uns, wühlte mich auf und tat uns nicht gut. Meine Entscheidung war getroffen, ich war mir sicher.

Innerlich war ich bereits die Schritte alle durchgegangen, sobald ich zu Hause war. E-Mails schreiben, Anrufe tätigen, sprich die Vorstellungsgespräche zusagen und um Online-Konferenzen bitten, aber trotzdem schon mal nach den Flugpreisen schauen. Und am wichtigsten: Eine Arbeitsbescheinigung an der Uni ausstellen lassen.

Mein Telefon ging.

„Swan?“, meldete ich mich.

„Ms Swan, schön von ihnen zu hören, McLiver hier“, raunte mir eine Stimme entgegen. Ich unterdrückte ein Seufzen. „Ich kann Sie leider hier nicht finden und wundere mich, Sie zu Hause anzutreffen. Haben Sie eine Erklärung?“

„Ja, habe ich“, sagte ich tief atmend. „Wir müssen lediglich Ergebnisse auswerten und Protokolle schreiben. Dafür wäre eine Labornutzung zu kostenintensiv, weshalb wir die Arbeit zu Hause fortsetzen.“

Uff, dachte ich innerlich und freute mich etwas über meinen festen Tonfall, Liver so selbstbewusst gegenüber zu treten.

„Das haben Sie sich ja schön zurecht gelegt“, säuselte er und sein bescheuertes Grinsen konnte ich durch das Telefon sehen. „Nichtsdestotrotz ist ihr Arbeitsplatz die Universität, wo Sie sich aufzuhalten haben. Ihrem Assistenten habe ich bereits Bescheid gesagt. Wenn Sie nur etwas auszuwerten haben, setzen Sie sich in die Arbeitsräume, Bibliothek oder sonst was, ich bin sicher, Ihnen fällt etwas ein. Ich erwarte Sie.“ Er legte auf.

Ich schnaubte. Das durfte doch nicht wahr sein… Wütend packte ich die Bewerbungen zusammen und stopfte sie in einen Beutel. Gut, dann würde ich das eben an der Uni machen, wenn er das so wollte, fauchte ich innerlich und verließ sogleich meine Wohnung wieder.
 

Gut, er hatte recht, aber ein netter Chef hätte nicht dem Arbeitnehmer hinterher telefoniert, wenn das Ergebnis heute Abend stimmte. Immer dieses Chefgehabe, seufzte ich. Das machte er doch mit voller Absicht… wie Haily das mit dem aushielt… dass er eine Wunderheilung in Hailys Gegenwart hatte, glaubte ich kaum, während ich die vielen Stufen von der Bahnstation mit den Unterlagen hoch lief. Im Gehen kramte ich in den Sachen. Mist, hatte ich jetzt die Mail mit der Bitte um die Bescheinung vergessen? Da musste irgendetwas Bestimmtes drinstehen… irgendwas Internationales…

Ich blieb auf der letzten Stufe stehen und zog den Beutel herunter, schaute mich suchend nach dem Zettel um. Eigentlich war ich mir sicher, dass ich ihn eingesteckt hatte, dachte ich, doch ehe ich mich versah, segelten die Mappen mir aus dem Arm und übersäten die Treppen.

„Mist“, fluchte ich und hockte mich sofort hin, um die Mappen vom Boden zu klauben.

„Warte, ich helfe dir“, ließ mich eine Stimme schwer einatmen. Ich blickte auf, wo Edward sich gerade zu Boden begab und eine blaue Mappe in der Hand hielt. Bevor ich etwas einwenden konnte, hatte er bereits verstanden worum es ging.

„Ein Bewerbungsmappe? Eine Stelle in Deutschland?“, entfuhr es ihm entsetzt mit einem Blick auf das Anschreiben.

Ich erhob mich und nahm ihm die Mappe ab. Gleichzeitig spürte ich wie meine Wangen heiß wurden, es war mir unerklärlicherweise unglaublich peinlich.

„Das geht dich nichts an“, sagte ich matt.

„Natürlich geht es mich das! Wenn du es nur wegen mir tust!“, sagte Edward energisch.

Ich wusste nicht, was ich entgegen sollte, weil es so war und sagte nur: „Es geht dich nichts an.“ Mit diesen Worten drehte ich mich zur Seite weg.

„Bella!“, sagte Edward, hielt mich am Unterarm fest und drehte mich wieder zu sich. „Mann- ich- verdammt, ich kenne deine Sturheit nur zu gut“, sagte er leiser und sanfter werdend. „Aber tu es nicht wegen mir, bitte“, sagte er fast flüsternd. „Ich gehe dir aus dem Weg, ich wechsele die Uni oder ziehe wirklich weg, aber nicht du, bitte.“

Ich sah herab auf seiner Hand an meinem Unterarm. Auch wenn es eine eher grobe Berührung war, brachte es mich aus dem Konzept. Aber nicht nur das… er würde gehen? Für mich? Obwohl seine Arbeit, sein Sohn und seine Familie hier war? War das ernst oder daher gesagt?

„Ich… Edward, ich bin so durcheinander“, gestand ich ihm, weil ich nicht wusste, was ich sagen sollte. „Ich halte es für das Beste, wenn wir es so handhaben, wie damals. Ich habe einfach keine andere Lösung, weißt du… und so geht es nicht weiter…“

„Das stimmt“, murmelte er und sah mich weiter eindringlich an. „Du hast recht, hör zu. Bitte Bella, fahr’ mit mir in den Urlaub, tu mir den Gefallen. Ein Neustart für uns zwei. Ganz von vorne…“

Ich blickte ihn ungläubig an und merkte wie meine Entschlossenheit bröckelte, ich mich innerlich aber zurückwies. Er war genauso ratlos wie ich, aber diese Idee… das war-

Er schüttelte mir überraschenderweise die Hand, sodass ich sie gleich zurückzog. „Ich bin Edward Cullen und du?“

Ich verdrehte die Augen. „Edward… das ist lächerlich, ich will bald zurück nach Deutschland fliegen, zu den Vorstellungsgesprächen, und ein Neustart-“

„Edward Cullen“, beharrte er darauf und hielt mir mit einem milden Lächeln die Hand hin.

Ich seufzte fast schon genervt. „Edward hör’ auf damit, wir sind keine Kinder mehr-“

„Dieser Neustart, als letzte Chance. Ich lass dich die nächsten Wochen in Ruhe, wir werden uns nicht sehen bis zum Urlaub. Bitte Bella, du bist pünktlich zu deinem Abflug zurück, wann immer er ist und falls du dann noch fliegen willst. Du musst dir keine Gedanken machen…“ Sein Blick glitt mir durchdringend durch Mark und Bein. Ich schluckte unwillkürlich, spürte mein Herz flattern und mir ein „Ja“ ins Gedächtnis schreien – doch ich schwieg.

Edward setzte erneut an. „Wenn du dir so sicher wärst, mich nie wieder sehen zu wollen, stündest du nicht mehr hier“, wisperte er, die Hand noch immer ausgestreckt.

Ich nahm sie. „Bella Swan“, sagte ich leise, sah ihn jedoch nur ausdruckslos aus. Er strich mit dem Daumen über meinen Handrücken. Sanft durchzuckte es mich wie Stromstöße, während es in meinem Kopf rauschte. Ich wusste… auch wenn ich mich körperlich von ihm entfernte – soweit es ging, über Kontinente –, meine Gedanken zogen weiter. Weiter zu ihm. Schritt für Schritt zu seinem Herzen.

In was hatte ich da gerade eingewilligt??
 

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Danke für eure Geduld! Würde mich sehr über Kommis freuen :)
 

glg :)

B: Verkehrte Welt

Es geht weiter !! :)
 


 

Musiktipp:

Emeli Sande - Read all about it http://www.youtube.com/watch?v=BdN7tGeEdXk
 

So ein schönes Lied... hach :) Und toll gesungen! Hab es so gerne in der Dauerschleife gehört ;) Ihr kennt es bestimmt alle ^^
 


 

Es war gut einen Monat her, dass ich dem Urlaub zugestimmt hatte und Edward sein Wort gehalten. Ich hatte ihn seitdem nicht gesehen.

Wenn ich ehrlich war, war ich mir nicht mal sicher, wie das Ganze funktionieren sollte. Ich meine… ich bekam wegen der Probezeit noch keinen Urlaub und Edward hatte auch Verpflichtungen. Er organisierte das Weihnachtskonzert mit – ach ja und er hatte einen Sohn. Und was würde Tanya sagen? Tanya… würde sie ihn gehen lassen? Durfte sie ihn überhaupt aufhalten?

Ich stand auf und machte mir einen Tee, während ich den Abend ausklingen lassen wollte. Die Arbeitstage waren in den letzten Wochen anstrengend gewesen. Mitch und ich experimentierten nicht mehr alleine vor uns her, sondern mussten in der Forschungsabteilung mitlaufen. Das hieß wir machten die Laufburschenarbeit und protokollierten ohne Ende – aber wir waren dabei, wir bekamen alle Erfolge und Rückschläge mit und selbst Mitch war nun viel mehr bei der Sache. Das Beste aber war, dass wir Liver los waren. Zumindest wenn wir bei den Forschern waren. Leider ließ er es sich nicht nehmen, kurz vor Feierabend, einen Kontrollgang zu machen. Natürlich wenn Mitch und ich die letzten waren, aufräumten und Liver jeglich übrig gebliebenen Krümel bemängeln konnte.

Ich ließ den Tee ziehen und ging an das klingelnde Telefon. Charlie.

„Hey Dad“, grüßte ich. „Wie geht’s euch?“, fragte ich nach. Sue hatte sich erholt und alles lief wieder seinen gewohnten Gang. Charlie und Sue hatten lange geredet, auch Zoey einen Teil erklärt. Beide hatten über weitere Kinder gesprochen, aber Sue konnte einsehen, dass sie in ihrem Alter nicht noch ein Kind bekommen sollte – wenn auch beide das ungeplante Kind bekommen hätten.

„Gut und dir? Wann sehe ich meine Tochter denn endlich im Fernsehen den Nobelpreis bekommen?“, flachste er. Er hatte sich so verändert. Ich konnte selbst nicht verstehen wann und warum – obwohl eigentlich war es klar, wegen Sue und Zoey natürlich. Er war nicht mehr alleine und gerade Zoey war sehr lebendig.

Ich lachte leise. „Ich fürchte da wirst du noch warten müssen bis ich alt und grau bin“, grinste ich. „Aber wir arbeiten jetzt in der Forschungsabteilung mit den richtigen Forschern. Es ist ganz spannend. Sie forschen an dem Medikament gegen HIV, vielleicht hast du über erste Erfolge durch die Presse erfahren-“

Das Klingeln an meiner Tür, zwang mich das Gespräch mit meinem Vater zu unterbrechen und drückte auf. Mein Vater nutzte die Pause und ging darauf ein: „Ja, habe ich tatsächlich, das ist ja interessant. Und wie funktioniert das? Also darfst du etwas darüber sagen? Ich meine, ich habe sowieso keine Ahnung davon…“

Ich hörte Charlies Worte nur noch flüchtig im Hintergrund, als ich sah wer da die Treppen hinauf kam. Edward.

„Hey“, grüßte er mit einem unsicheren Lächeln und zog die Schuhe auf der Türmatte aus, sah mich an. Mein Magen drehte sich um und schrumpelte auf die Größe einer Rosine zusammen. Er. Hier.

„Dad, ich habe gerade Besuch bekommen. Kann ich dich gleich zurückrufen?“, fragte ich stotternd. Meine Wangen wurden zusehends heißer.

„Klar… ähm… na ja, dann… bis später“, sagte mein Dad irritiert und legte auf.

Ich widmete mich Edward. „Hi“, murmelte ich, „äh, komm’ bitte rein.“

Nachdem ich zurückgetreten war, kam Edward herein und ich schloss die Tür.

„Auch einen Tee?“, fragte ich und versuchte nicht zittrig zu klingen.

„Gerne“, nickte er und setzte sich auf die Couch.

Was machte seine bloße Anwesenheit mit mir? Das sanft fallende, glänzende Haar und dazu die Augen… so klar und rein… Ich riss mich aus meinen Gedanken und setzte eine Kanne Tee auf, ehe ich mit dieser und einer Tasse zur Couch kam.

„Ich wollte mit dir wegen des Urlaubs sprechen“, begann er und legte ein paar Zettel, die er aus seiner Jackentasche zog, vor uns auf den Couchtisch. Ich beugte mich darüber, fächerte die Papiere etwas auf.

„New York?“, fragte ich mit großen Augen und sah auf. Edward lächelte.

„Ja, ich dachte mir, ein reiner Strandurlaub wäre nichts für dich und dort können wir uns interessante Sachen ansehen. Ich schätze du warst noch nicht dort?“, wollte er wissen.

Ich blätterte derweil durch die Zettel. „Nein… nein, nein“, murmelte ich verblüfft. „New York ist großartig…“ Mein Blick auf das sehr schicke Hotel. Oje, kam es mir in den Sinn, hoffentlich war das nicht zu teuer… und hoffentlich bildete Edward sich nicht ein, dass er mir den Urlaub bezahlen konnte.

Als könnte er meine Gedanken lesen, legte er einen weiteren Zettel hin. „Das ist der Flug nach La Guardia, diese Kosten müsstest du übernehmen. Das Apartment im New York Place Hotel gehört meinem Vater. Er ist öfter zu Kongressen dort, das heißt, wir müssen dafür nicht aufkommen“, erklärte er und ich nickte ein wenig erleichtert. Immerhin wollte er mich nicht kränken, ich wartete aber, da er angestrengt zu überlegen schien.

„Bella, da ist aber noch etwas“, behielt ich mit meiner Vermutung recht. „Ich muss Collin mitnehmen. Das hat mehrere Gründe. Zum einen hat Tanya in der Woche Termine und auch unsere Eltern sind bis Weihnachten in ihre Arbeit relativ eingebunden und zum anderen soll Tanya von einem gemeinsamen Urlaub mit dir nichts wissen. Ich denke es ist vorerst besser so. Wäre es okay, dass Collin mitkommt? Keine Sorge, ich nehme unser Kindermädchen mit, er wird uns nicht bei allem begleiten bzw. begleiten können.“ Er rutschte etwas weiter nach hinten auf die Couch und sah mich von der Seite an.

„Ja, sicher, klar… ähm, kein Problem“, erwiderte ich, während Edward am Tee nippte. Collin kam mit? Das war zwar wirklich kein Problem, aber es würde irgendwie komisch wirken… oder? Und Tanya wusste davon nichts? Aber das war Edwards Angelegenheit… oder?

„Ich habe mit meinem Vater gesprochen. Ich weiß, dass du so etwas nicht magst, aber es ließ sich nicht vermeiden. Du bekommst eine Woche Urlaub, sprich fünf Werktage. Er hat das geregelt. Ich hoffe, du bist einverstanden?“, fuhr er fort.

Eigentlich nicht, dachte ich, eigentlich geht es gegen meine Prinzipien, aber aus irgendeinem Grund war es mir gerade egal und ich nahm es in Kauf, weshalb ich nickte.

„Wann geht es denn los?“, fragte ich auf die Papiere schauend und griff nach dem Blatt über die Flugdaten. Ich lass es in selbiger Zeit, wie Edward es verkündete: „Morgen, halb zehn hole ich dich ab.“

„Morgen?!“, stieß ich überrascht hervor. „Ich habe nichts gepackt.“

„Ich kann dir helfen“, schlug Edward schulterzuckend vor. Die Nervosität kroch in mir hoch. Morgen schon… mit Edward und Collin, eine Woche. Über was würden wir reden? Wie würde es verlaufen?

„Danke, ich- ich schaff’ das schon, war nur etwas überraschend“, gestand ich ein und lächelte ihn kurz an.

Er erwiderte das Lächeln mit einer Sanftheit, die mich schmelzen ließ. „Okay“, nickte er und nahm noch mal etwas Tee. „Hast du denn Wünsche für New York? Etwas was du sehen möchtest?“

„Oh, ähm…“, machte ich nachdenkend und grübelte. „Ah doch“, fiel es mir ein. „Falls wir die Möglichkeit haben… also ich würde gerne zur New York Academy of Sciences, wenn dort etwas Öffentliches ist.“

Edward schmunzelte. „Okay, ich schaue, was sich machen lässt.“

Ich nickte ihn anblickend. Was für eine bizarre Situation, so surreal… und ich konnte nicht mal richtig festmachen warum. Schließlich wussten wir eigentlich über die Gefühle des anderen, aber irgendwie…

„Dann würde ich sagen… bis morgen?“, fragte Edward und erhob sich langsam.

„Ja, okay, ich stehe dann unten.“ Ich stand ebenfalls auf und brachte Edward zur Tür.

Erst in der Stille spürte ich das Hämmern meines Herzens. Morgen… mit ihm… Natürlich war ich mir bewusst, was er vorhatte. Einen Neustart. Und ich hatte eingewilligt. Wenn ich ehrlich war, weil ich so sehr wollte…
 

Edward

Ich hatte mir alles zurecht gelegt. Sie hatte zugestimmt, ich musste diese allerletzte Chance nutzen. Ihre Mauer ein zweites Mal einreißen…

Das Abendessen war beendet und wir räumten nach und nach unsere Teller weg. Collin spielte schon auf dem Bauteppich im Wohnzimmer. Ich fing den Blick meines Vaters auf und nickte ihm vielsagend zu. Er wusste es bereits und hatte Bellas Urlaub organisiert, wenn dies auch gegen ihren Arbeitsvertrag verstieß. Besonders ein gewisser McLiver hatte keine Sonderregelung eingesehen, obwohl er ihr fachlich nicht mal vorgesetzt war.

Mein Vater nahm die Hand meiner Mutter und führte sie hoch. Auch sie verstand sofort, sie war eingeweiht.

Ich räumte den Rest vom Tisch und ging herüber zum Bauteppich, wo Tanya hockte. „Tanya, kann ich kurz mit dir reden?“, bat ich neben ihr stehen bleibend.

„Klar.“ Sie stand auf und folgte mir auf die gegenüberliegende Sitzgarnitur.

„Du weißt ja, dass Collin und ich einen schweren Start hatten. Ich meine unsere kleine Familie hatte insgesamt keine einfachen Ausgangsbedingungen, aber die Anfangszeit für Collin und mich war… na ja-“

„Ja, ich weiß, aber das ist ja Gott sei Dank vorbei“, winkte Tanya schnell ab, verwirrt über meinen Beginn.

Ich räusperte mich und begann noch mal: „Na ja und ich würde gerne etwas mit ihm nachholen und mit ihm in den Urlaub fahren, Ende November, ein paar Tage-“

„Was?“, unterbrach Tanya mich. „Du und Collin? Alleine?“ Ich hörte sofort den Vorwurf heraus, dass sie nicht vorgesehen war.

„Ich möchte nur ein paar Tage mit ihm verbringen, ihn etwas erleben lassen. Nicht mehr, du weißt, dass wir zwar jetzt viel Zeit verbringen, ich aber anfangs sehr viel verpasst habe“, sagte ich. Das war nur die halbe Wahrheit. Es war ein Nebeneffekt Bella zurückzuerobern. Aber das durfte Tanya keinesfalls wissen.

„Ja, das weiß ich“, stimmte sie mir tief atmend zu. „Es wäre wichtig für euch zwei“, murmelte sie. „Aber… er war noch nie weg von hier, ich meine auch länger ohne mich.“

„Es geht um nur eine Woche und er war noch nie weiter weg-“

„Was heißt denn weiter weg?“, unterbrach Tanya mich mit großen Augen.

„Nicht so weit, wie du vielleicht denkst“, sagte ich. „Ich dachte an New York.“

„Edward…“, nuschelte Tanya gequält. „Wenn da was passiert und du bist alleine mit ihm so weit weg… ich weiß nicht. New York mit einem kleinen Kind… Was soll er dort?“, zweifelte sie nicht zu Unrecht, aber ich hatte das passende Ass im Ärmel.

„Ich nehme unser Kindermädchen mit, die mich begleiten und wenn etwas mit ihm ist, mir helfen kann. New York ist eine großartige Stadt und wir waren doch selbst schon dort, als wir klein waren. Collin ist jünger, als wir damals, aber New York bietet für alle etwas. Du musst dir wirklich keine Sorgen machen“, sagte ich so leise und sanft ich konnte, sah ihr dabei direkt in die Augen. Überzeugt war sie noch nicht und erwiderte den Blick wenig begeistert. Ich musste schwerere Geschütze auffahren, auch wenn es mir gegen den Strich ging, doch es war für Bella. Ich nahm ihre Hände und gab ihnen einen Kuss auf den Handrücken.

„Tanya, eine Woche, ich werde gut für ihn sorgen. Du musst dir keine Gedanken machen, glaub’ mir“, flüsterte ich schon fast, während ich ihre Hände streichelte.

„Na schön, ich vertraue dir. Er wird mir sehr fehlen“, murmelte sie und lehnte sich an meine Schulter, den Blick zu unseren Händen gesenkt, ehe sie ihn zu Collin auf dem Bauteppich hob.

Ich nickte und war innerlich sehr erleichtert. „Natürlich wird er das“, sagte ich, doch meine Gedanken drehten sich nur um Bella. In diesem Augenblick fühlte ich mich widerwärtig. Diese ganze Schauspielerei… Ich nahm Tanyas Gefühle in Kauf, schon die ganze Zeit. Ganz bewusst. Sobald ich aus New York wieder da sein würde, müsste das mit Tanya ein Ende haben. Ich war mir sicher, dass Bella und ich den Neustart in New York nutzen würden. Wir mussten einfach.
 

„Hier sind Collins Sachen. Er ist schon ziemlich aufgeregt“, teilte Tanya mir mit und reichte mir eine Reisetasche. „Seit du mit ihm geredet hast, redet er über nichts anderes mehr. Auch wenn er nicht alles versteht“, grinste Tanya.

Ich lächelte und nahm die Tasche entgegen. „Möchtest du mitessen? Wir sind gerade beim Abendessen oder musst du zurück?“, fragte ich sie im Flur, schloss die Tür hinter ihr.

„Ein bisschen Zeit habe ich noch. Ich würde nur gerne Collin verabschieden, morgen früh habe ich ein Seminar“, sagte sie sich die Schuhe ausziehend.

Ich nickte und ging mit der Reisetasche vor ins Wohnzimmer mit anschließendem Esszimmer, wo meine Familie gerade beisammen saß.

„Papa, Opa hat gemalt“, zeigte Collin stolz ein Blatt Papier hoch, auf welchem mein Vater ein paar Wolkenkratzer gemalt hatte.

„Ja, die siehst du morgen in echt“, lächelte ich und strich ihm über den Kopf, während meine Mutter ihm weiter essen anreichte.

„Sag’ Papa doch mal wie die heißen“, lächelte meine Mutter, Alice schaute von ihrem Handy auf. „Das ist so süß“, formte sie kichernd die Lippen zu mir und sah Collin an. Emmett war ganz unberührt von dem Ganzen. Seine Eiweißbombe interessierte ihn gerade am meisten.

„Wollenkatzer“, plauderte Collin und malte mit dem Stift die Gebäude aus – zumindest schien das sein Vorhaben zu sein.

„Guten Abend zusammen“, grüßte Tanya und steuerte direkt Collin an.

„Möchtest du mitessen?“, fragte meine Mutter.

„Nein, nein, danke Esme, ich muss gleich wieder, wollte nur noch Tschüß sagen“, lächelte sie und beugte sich dann zu Collin.

„So mein Schatz, ich wünsche dir schöne Tage mit Papa in New York“, sagte sie ihm sachte ins Ohr und küsste seine Wange. „Bring’ der Mama was Schönes mit.“ Sie küsste noch mal seine Wange und sah, immer noch neben Collin hockend, zu mir auf. „Wie wär’s, wenn ich etwas eher aus dem Seminar gehe und euch zum Flughafen bringe?“

Verdammt. Warum konnte sie nicht einfach gehen?

„Ähm, danke, aber Emmett bringt uns, er hat erst spät Uni“, sagte ich rasch. Die Wahrheit, dass ich das Auto am Flughafen stehen lassen würde, wäre für Tanya kein Grund, uns nicht zu bringen.

Emmett blickte verwirrt in die Runde. Ich versteifte mich etwas und warf Emmett einen vernichtenden Blick zu.

„Oh“, machte Tanya und schaute von Emmett zu mir. „Schade, ähm, okay…“, murmelte sie vor den Kopf gestoßen.

„Ein Schluck Wasser, Tanya?“, rettete mein Vater, wenn auch mit einer etwas plumpen Frage, die Situation.

„Danke, aber ich fahre wieder“, lehnte Tanya ab und streichelte Collin über das Haar. „Bis bald, Süßer. Schönen Abend noch“, fügte sie in die Runde dazu und verließ das Esszimmer.

Es herrschte kurz peinliche Stille. Emmett ließ es sich nicht nehmen, sie zu brechen.

„Entschuldigt mal, aber was geht denn hier ab? Edward? Ich soll euch fahren? Ich habe morgen früh Training“, motzte er sofort und sah sein Muskeltraining gefährdet.

Ich seufze und setzte mich wieder an den Tisch. „Keine Sorge, ich fahre selbst, aber ich wollte nicht, dass Tanya uns bringt… wegen Bella.“

„Bella? Ich kriege nichts mehr mit“, sagte Emmett sich aufrichtend. „Was ist mit ihr?“, wollte er wissen. „Du fliegst doch morgen nach New York?“

„Mit Bella“, wandte ich ein.

„Und Collin“, schaltete sich Alice etwas murrend ein. Warum auch immer, war Bella für sie immer noch ein Dorn im Auge. Ich war mir nicht sicher, ob die Zwei jemals noch mal auf einen grünen Zweig kamen.

Emmett hob die Augenbrauen. „Das ist nicht dein ernst-“

„Edward, du kannst Tanya nicht immer so vor allen abweisen“, fuhr meine Mutter dazwischen und beendete die sinnlose Diskussion von Seiten Emmetts.

„Ist ja gut, ich hab’s begriffen“, knurrte ich. „Seid ihr jetzt fertig?“ Ich fühlte mich kurz davor zu platzen, behielt mich nur wegen Collin im Griff. Wie oft schon hatte ich mir sämtliche Predigten bezüglich Bella und Tanya angehört. Ich hatte keine Lust mehr darauf.

„Ich meine ja nur, dass das arme Mädchen bald gar nicht mehr weiß, woran sie bei dir ist“, erklärte meine Mutter, „wenn du ihr ständig so widersprüchige Signale sendest-“

„Das arme Mädchen“, wiederholte ich genervt, schnitt ihr damit das Wort ab und erhob mich. „Komm Collin, ich mache dich bettfertig.“ Ich nahm ihn auf den Arm, welcher noch begeistert mit dem Zettel herumhantierte.

Meine Mutter atmete tief ein und aus, sagte jedoch nichts mehr. Die anderen taten es ihr gleich.
 

„Guten Morgen“, grüßte ich Bella am nächsten Tag und umarmte sie spontan. Sie erwiderte es nach kurzem Zögern. Langsam angehen lassen, sagte ich mir innerlich, auch wenn es mir sehr schwer fiel – so wie sie da mit nachlässig gekämmten Haar und den warmen, braunen Augen stand, den Mund leicht geöffnet. Ich wünschte mir nichts sehnlicher, als ihn in diesem Moment berühren zu dürfen, aber ich hatte mir vorgenommen nichts zu tun. Überhaupt nichts nach Möglichkeit und auf ihre Initiative zu warten, sei sie auch noch so klein.

„Morgen“, sagte Bella auch und kam meiner stummen Aufforderung nach, ihr Gepäck zu verstauen.

Bella hob die Augenbrauen, als sie einen Blick in den Kofferraum geworfen hatte.

„Kannst du mir erklären, warum du drei Koffer hast?“, fragte sie erstaunt.

„Na ja, ich habe Collin dabei“, sagte ich locker, als wäre das normal.

„Ja, schon, aber du brauchst doch nicht zwei zusätzliche Koffer für den Kleinen“, sagte sie ungläubig.

„Das ein oder andere brauchte ich dann auch noch so“, sagte ich schulterzuckend. Bella macht große Augen, schwieg aber darüber, setzte sich einfach zu mir nach vorne auf den Beifahrersitz.

„Oh, er schläft“, stellte sie mit einem Blick nach hinten fest, vermutlich um Collin eigentlich zu begrüßen.

„Ja, das Zu-Bett-Bringen gestaltete sich etwas schwierig gestern“, gab ich zu und sah kurz zur Seite, halb zu Bella, halb um mich in den Verkehr einzufädeln. Dabei bemerkte ich wie sich Bella etwas in den Sitz sinken ließ, der Blick nach Draußen schweifend. Okay, das wirkte eher nach wenig Kommunikationsinteresse. Ich hielt mich an diese Deutung.
 

Der Flug verlief ebenso stumm. Ich hatte, wenn ich ehrlich war, auch genug mit Collin zutun. Er war etwas überwältigt von der ganzen Prozedur, angefangen beim Einchecken, dem Flughafen und Bella an meiner Seite. Unverkennbar. Er quengelte die ganze Zeit über weinerlich und wich mir nicht von der Seite. Einen Augenblick bereute ich einerseits, ihn mitgenommen zu haben, andererseits war es so mit Tanya verträglich und er würde peinliche Stille zwischen Bella und mir verhindern – und natürlich liebte ich es, ihn in meiner Nähe zu haben und intensiver Zeit mit ihm zu verbringen. Bella las, hörte Musik oder schaute aus dem Fenster. Ich war einfach nur genervt.

„Papa, Mama…“, murmelte er mir zum zwanzigsten Mal ins Ohr und kauerte auf meinem Schoß.

„Die Mama sehen wir bald wieder“, wiederholte ich diesen Satz ebenfalls zum zwanzigsten Mal, doch dieses Mal ließ er sich nicht besänftigen, sondern versuchte von mir zu rutschen und meckerte mit einer Mischung aus Weinen und Trotzigkeit. Ich bemerkte, wie Bella den Kopf zu uns wandte.

„Collin, jetzt ist mal gut, bleib sitzen. Möchtest du dir ein Buch angucken? Oder was trinken?“, fragte ich nach, es zerrte an meinen Nerven, auch wenn ich innerlich immer wieder versuchte, mich zu beruhigen.

„Mama… Mama soll kommen“, sagte er wieder.

Ich ging nicht darauf ein, seufzte und zog meinen zappelnden Sohn abermals auf meinen Schoß zurück, hob ihn etwas hoch. Wie gut, dass das Kindermädchen bald nachkam, seufzte ich innerlich.

„Collin, jetzt reicht es wirklich-“, begann ich, doch er war auf einmal ruhig. Ich folgte seinem Blick über Bella zu dem Fenster. Ein paar dicke Tränen kullerten seine Wange entlang, während ich fasziniert nach draußen blickte, obwohl er diesen Ausblick bereits genossen hatte.

Bella hob die Arme zu Collin und schaute mich kurz an. Ich erwiderte die Aufforderung und reichte ihr ihn rüber. Collin kniete sich auf Bellas Schoß, die Hände an ihrem Arm. Ich griff nach seinem Pullover und rückte ihn etwas zurecht, strich ihm kurz durchs Haar. Welch’ Ruhe…

Collin ließ sich seitlich an Bellas Oberkörper sinken. Bella hob kurz unsicher die Arme und beobachtete, was er tat, ehe sie die Arme wieder um ihn legte und mit ihm nach draußen sah. Ich spürte wie sich dieses so einfach, aber für mich doch so innige Bild, in mir einbrannte. Es war völlig unerwartet und so harmonisch.

„Wenn er dir zu schwer wird oder so, sag Bescheid“, flüsterte ich ihr zu, als ich feststellte, dass Collin wenig später in ihren Armen eingeschlafen war.

Bella drehte sich mit geringen Bewegungen zu mir. „Kein Problem“, formten ihre vollen, roten Lippen zu mir und hob die Mundwinkel etwas. Ich merkte wie innerlich alles in mir reagierte und ich mich kaum traute ihren Dufte einzuatmen. Es war ein Segen, dass sich unsere Wege wieder gekreuzt hatten. Doch wie lange versuchte ich es immer wieder bei demselben Mädchen, das mich doch nur verletzt?

***
 

Wir kamen abends in New York an. Zu spät, um die Eindrücke zu genießen, jedoch viel mehr, um von all den Reizen überflutet und überfordert zu werden. Bei Dunkelheit wirkte es verrucht, geheimnisvoll und ein bisschen wie in einem spannenden Kinostreifen.

Collin schlief bereits wieder, nachdem er nach seinem Flugzeugschläfchen aufgrund des Drucks bei der Landung ein Heidentheater veranstaltet hatte. Ich hatte nicht mit Edwards Geduld gerechnet. Wie leicht oder schwer es ihm fiel, hatte ich nicht ablesen können, aber er hatte es geschafft, ruhig zu bleiben – ich hatte es ihm bei Collins Quengelei nicht zugetraut, wenn ich ehrlich war.

Wir hatten kaum gesprochen und auch jetzt, im Hotel angekommen, gab es nicht viel Gesprächsbedarf. Ich war völlig überwältigt von dem kurzen Einblick in die Stadt und dem sehr schick aussehenden Hotel. Hier hatten die Cullens ein Apartment? Es wunderte mich nicht und dennoch war es fürchterlich edel und gehoben.

Ein Page begleitete uns zu dem Apartment. Vielleicht sollte ich mich an Gedanken gewöhnen, eine Woche lang nur zu Staunen – denn ich kam aus diesem nicht heraus. So viele Türen gingen von dem geräumigen Wohnbereich ab…

„Dein Zimmer ist die zweite Tür rechts“, sagte Edward im rechten Moment und legte Collin kurz auf eines der Sofa. „Die erste Tür ist das Zimmer von Collin und mir und auf der anderen Seite sind zwei Bäder, ein weiteres Zimmer und ein Arbeitszimmer. Ach und durch den Durchgang dorthin findest du eine Küche, wenn du irgendetwas brauchst, bedien’ dich bitte jederzeit“, stellte er mir in Aussicht.

„Danke“, nickte ich ihm zu, war aber innerlich noch bei dem ersten Satz hängen geblieben? Mein Zimmer? Ich hatte mir den Kopf zermatert, wie wir untergebracht waren. Sprich ein Zimmer? Ein Bett?? War die Aufteilung wegen Collin? Oder wollte er mir nicht auf die Pelle rücken? Oder gab es nur jeweils ein Einzelbett in jedem Zimmer?

Letzteres erübrigte sich, als ich einen Blick in mein Zimmer warf, wo ich ein großes Doppelbett mit einem dezenten Himmel entdeckte. Ich hatte nicht erwartet, ein eigenes Zimmer zu bekommen, wenn ich es mir auch gewünscht hatte – gut, okay, es war ein zwiespältiger Wunsch, aber was war es bei Edward nicht?

Edward war mit Collin in deren Zimmer verschwunden. Vermutlich brachte er ihn zu Bett, ging es mir durch den Kopf und ich wollte ihn nicht stören. Stattdessen nutze ich die Zeit und packte aus, sortierte meine Gedanken einen Moment.

Ich war in New York.

Mit Edward.

Mit Collin.

Und warum?

Weil ich nachgegeben hatte, einen Moment mich hatte leiten lassen von meinen Gefühlen, völlige Impulsivität, sah mir gar nicht ähnlich.

Und zu feige, aber vor allem zu schwach, es hinterher wieder abzusagen.

Es war verwirrend.

Ich räumte die wenigen Sachen in den Schrank und drehte mich dann um, betrachtete das Zimmer. Es war alles sehr altmodisch eingerichtet, aber schick. Es war nicht vergleichbar mit der Villa der Cullens. Kurz schlichen sich Erinnerungen ein, die ich rasch beiseite schob und musterte weiter das Zimmer. Weinroter Teppich, Terrakotta, dunkles Holz, goldene, schwungvolle Verzierungen an den Möbel – ganz zu schweigen von dem wuchtigen Bett mit samtenen Vorhängen. Der Teil des Apartments, den ich bereits gesehen hatte, hielt sich an diesen Stil, wenn auch die Küche vom Weitem sehr modern erschien. Schwarz, weiß.

Es klopfte. „Bella?“

„Ja?“

Edward schob die angelehnte Tür offen. „Entschuldige bitte, aber ich habe ein Abendessen für 22 Uhr bestellt. Ich hoffe, das ist Ordnung“, fügte er hinzu, als ich mich erst nicht regte.

„Äh, klar“, sagte ich daher rasch mit geröteten Wangen und einem Blick auf die Uhr. „Ich komme sofort“, murmelte ich nickend.

Edward schaute mich einen Moment an, nickte dann ebenso und hob die Mundwinkeln zu einem Lächeln. Ehe ich es erwidern konnte, schloss er die Tür. Ich hob meine Handtasche auf und ließ mich auf das federweiche Bett sinken. Meine Hände legte ich kühlend an meine Wangen. Was machte er immer mit mir? Warum empfand ich mich selbst in seiner Gegenwart als völlig unberechenbar? Nicht immer, aber zu oft, zu ungewohnt und vor allem glaubte ich mir immer noch nicht, dass ich zu dieser Reise entgegen meiner Prinzipien zugestimmt hatte.

Meditativ bürstete ich mir die Haare und kam zu einem ebenso untypischen Entschluss. Ich sollte das Denken lassen, wenigstens für die paar Tage und die Stadt einfach genießen – und auch Edwards Anwesenheit, wenn ich ehrlich war. Keine Fragerei, nichts. Einfach Ruhe.

Ich hörte wie jemand das Apartment schweren Schrittes betrat und Edwards Stimme, weshalb ich aus meinem Zimmer kam und soeben noch sah, wie letzterer dem Hotelangestellten ein paar Scheine in die Hand drückte und das Essen dann auf dem Tisch anrichtete. Mich hatte er längst bemerkt.

„Magst du dich setzen?“, bot er an und deutete auf den Platz gegenüber von sich. „Wein?“, fragte er und ich nickte, beobachtete ausgiebig seine Bewegungen und bedankte mich nach dem Einschenken. Das Essen roch köstlich und ich hatte wirklich Hunger.

„Schläft Collin?“, erkundigte ich mich, während ich mir etwas von den Antipasti nahm.

„Ja, noch“, sagte er. „Ich denke durch die paar Stunden Zeitumstellung und dem verschlafenen Flug ist er total aus dem Rhythmus. Ich entschuldige mich schon mal im voraus, wenn du heute Nacht wach wirst.“ Er lächelte sanft.

„Kein Problem“, sagte ich und lächelte ebenso. Das Prickeln in meinen Wangen entging mir nicht. „Sag, was hast du in der Woche geplant?“, fragte ich nach, um die Stille zu brechen.

„Nichts, außer eine Überraschung“, verkündete er grinsend. Dasselbe schiefe Grinsen…

Ich wusste, dass er mir seine Überraschung nicht verraten würde und ging stattdessen auf den ersten Teil ein, während Edward das Brot dippte: „Na ja, aber… was machen wir denn morgen und die nächsten Tage?“

„Wozu hast du Lust?“, schob er mir die Frage zurück.

„Ähm, keine Ahnung“, gestand ich. New York war überfordernd.

Edward lächelte. „Ich habe mir gedacht, wir schauen, ob wir Karten für ein Musical bekommen, sehen uns die Freiheitsstatue an und gehen aufs Empire State Building. Ich kann dir ein paar nette Straßen zum Einkaufen zeigen, wenn du magst und ansonsten ist der Central Park sehr herrlich.“ Er nippte am Wein.

Und die Academy?, dachte ich innerlich, aber fragte nicht nach, um nicht enttäuscht zu werden. Oder war das seine Überraschung? Vielleicht hatte er es auch vergessen – nein, Edward nicht, niemals.

„Kennst du irgendein Musical aus Deutschland?“, wollte er wissen.

Ich schüttelte den Kopf und biss herzhaft in ein Stück Pute. Oder Hähnchen. Ich war mir nicht sicher.

„Gut, dann habe ich freie Wahl“, lächelte er. „Morgen früh werde ich dir erst mal die Stadt etwas zeigen, die übliche Touristentour, wenn du nichts dagegen hast.“ Er grinste und das Leuchten in seinen Augen, welches das gedämpfte Licht zu überstrahlen schien, brannte sich zärtlich in meine Brust.

Bevor ich zustimmen konnte, redete er weiter: „Ich werde Collin den halben Tag mitnehmen, dann übernimmt die Nanny. Sie kommt morgen früh an. Ist das okay für dich?“

Ich blickte verlegen auf meinen Teller und dann kurz hoch. „Bitte frag’ so was nicht mehr, natürlich ist es in Ordnung. Er ist dein Sohn und er stört mich nicht…“

„Aber mich“, grinste Edward witzelnd. Ich starrte ihn an. Edward senkte sofort die Mundwinkel und musterte mich ein wenig angestrengt. Ich lächelte dann nach dem kurzen Schreck schüchtern. Nicht alles so ernst nehmen, nicht so viel denken, sagte ich mir selbst.
 

Wow, was eine Stadt. Nicht, dass ich nicht das ein oder andere schon im Fernsehen gesehen hatte, auf Fotos oder darüber gelesen – aber hier zu sein, war kein Vergleich. Es war atemberaubend. Und ich war mit Edward hier. Eine fast toxische Kombination aus Genüssen.

Am Times Square hatten wir Collins Nanny getroffen und waren von dort aus ein paar Blocks zu Fifth Avenue gelaufen, vorbei an dem Rockefeller Center und der Radio City Hall. Ich schoss fleißig Fotos und Edward glänzte mit schier unbegrenztem Wissen über die einzelnen Stationen unseres Rundgangs.

Nachdem wir uns in einem Café am späten Nachmittag aufgewärmt hatten, der Wind pfiff eiskalt durch den parallelen Straßenbau von New York City, schlug ich erfolgreich vor zum Abschluss des Tages gen Süden zu fahren und das 9/11-Memorial der ehemaligen World Trade Center zu besuchen. Ich fand alles unheimlich aufregend und bedauerte fast, nur 6 volle Tage hier zu haben. Selbst das U-Bahn-fahren war nicht vergleichbar mit anderen Großstädten, die ich kannte – Deutschen erst recht nicht.

Als wir den Battery Park nach dem Besuch der Türme überquerten war es bereits dunkel geworden und die Lampen schimmerten überall. Das Meer schwappte teilweise auf die Gehwege so stark war der Wind. Ich hatte mir die Kapuze wärmend aufgesetzt, während wir zur U-Bahn liefen. Edward selbst hatte seinen Jackenkragen aufgerichtet. Ich ertappte mich dabei, dass ich mir wünschte – ja fast erwartet –, dass einen Arm um mich legte, mich wärmte. Effektiv hin oder her.

Bella!, herrschte ich mich an. Herrje… New York tut dir nicht gut. Meinen Füßen auch nicht, wirbelten die Gedanken etwas überfordernd durch meinen Kopf. Sie schmerzten tierisch. Bis auf den letzten Weg zu dem Memorial hatten wir aber auch alles zu Fuß zurückgelegt. Dankbar über die Wärme erreichten wir die Station und glitten eine Minute später in die ankommende U-Bahn, die relativ leer war. Um die Zeit würden die meisten wohl aus der Stadt herausfahren und nicht hinein, überlegte ich und setze mich zu Edward, der mit einem kundigen Blick, die Stationen an den Bahnseiten studierte, sich dann etwas zurücklehnte. Klar, er war auch geschafft, der Tag war anstrengend gewesen.

Ich ließ es mir nicht nehmen und rutschte ein wenig herab, schloss die Augen müde. Auch wenn der Zeitunterschied nicht groß war, aber bemerkbar machte er sich auch. Meine Atmung wurde etwas tiefer und meine Gedanken hielten mich glücklicherweise auf Trapp, weswegen ich nicht versucht war einzuschlafen. Vor meinem inneren Auge ging ich die vielen Etappen durch und erfreute mich nochmals an ihnen. Es war herrlich gewesen. New York, ich war in New York…

Ein wenig glitt ich zur Seite und lehnte mich an Edwards Schulter, spürte ein wohliges Gefühl in mir aufsteigen, wenn auch mein Innerstes mich mit großen Augen anblickte. Verrückt alles. Edward reagierte nach ein paar Atemzügen und legte den Arm um mich, ich hielt die Augen geschlossen und blieb an ihm. Das war das letzte, das ich vernahm.
 

„Bella, hey“, murmelte Edward leise und holte mich aus den angenehmen Tiefen. Ich blinzelte und war immer noch an ihn gelehnt. Er hielt meine Hand seitlich, streichelte leicht mit dem Daumen über meinen Handrücken. Mit dem Aufrichten entzog ich ihm meine Hand – wenn auch etwas abrupt – und sah seitlich mit kleinen Augen zu ihm.

Er lächelte. „Wir müssen aussteigen“, sagte er und stand auf.

Ich nickte mit unterdrücktem Gähnen und tat es ihm gleich. Er streckte mir die Hand hin, automatisch nahm ich sie, ließ mich von ihm ziehen, merkte die weiche Hand um die meinige. In vollen Zügen sog ich das wärmende Gefühl in mich hinein, wenn auch ich noch etwas benommen vom kurzen Einnicken war.
 

Hand in Hand gingen wir über die Straße zum Hotel und den direkten Weg hoch zum Apartment. Im Aufzug ließ er meine Hand von sich aus los. Warum? Er hatte sie doch angeboten? Oder wollte er mich nicht bedrängen? Aber ich hatte sie doch genommen?

Aufhören mit der Fragerei!, fluchte ich innerlich und mit dem Pling des Aufzugs schlüpften wir durch den Flur in das Apartment.

„Papa!“, stürzte Collin sofort auf Edward zu. Ein Blick auf die Wanduhr verriet mir, dass es gar nicht so spät war, wie müde ich mich fühlte.

„Na Großer“, lachte Edward und hob ihn kurz über den Kopf, ehe er ihn auf sich sinken ließ und ihm einen Kuss auf die Wange drückte. „Hattest du einen schönen Tag mit Maria?“ Genannte kam vom Esstisch zu uns herüber. Ich hatte sie zuvor noch nie irgendwo gesehen. Braune lange Haare, etwas dunklere Haut und nachtschwarze Augen, so kam es mir vor. Ein wenig rundlicher, aber das ebenfalls runde volle Gesicht verlieh ihr etwas Warmherziges.

„Flieger! Brrrr“, machte Collin mit einem Spielzeugflugzeug über Edwards Kopf. Edward grinste und wandte sich Maria zu. „Wie war es mit ihm? Braucht er noch etwas?“

Maria schüttelte den Kopf. „Er hat gegessen, ist gewickelt und wir haben eben eine Stunde gespielt. Zähne geputzt haben wir auch schon. Der Tag war gut, wir waren hauptsächlich im Park und danach im Lego-Geschäft und haben seitdem hier gespielt“, erklärte sie. „Er ist etwas aufgedreht, aber ich denke, das ist angesichts des vielen Neuen normal und legt sich bald. Er hat auch nicht geweint oder gequengelt. Ich denke er ist wieder in seinem Schlafrhythmus und wird diese Nacht nicht wach werden“, führte sie ihren Bericht mit der Prognose zu Ende.

Edward nickte. „Danke, Maria. Ich schreibe Sie dann morgen früh oder noch heute Abend an, wann ich Sie morgen benötige.“

„Klar“, stimmte sie zu, nahm ihre Sachen, ehe sie sich von Collin und auch mir kurz verabschiedete, und verließ das Apartment.

Ich sprang erstmal unter die Dusche, während Edward sich Collin widmete. Meine Müdigkeit war verflogen, aber meine Hand pochte noch.
 

Obwohl Edward sich bereits vorzeitig letzte Nacht entschuldigt hatte, wenn Collin wach werden würde, hatte ich seelenruhig durchgeschlafen. Im Gegensatz zur heutigen Nacht. Marias Prognose traf nicht zu. Collin war gegen drei Uhr morgens wach, nörgelig und anstrengend, zumindest klang es so, wenn ich im Bett liegend Edwards dumpfen Worten lauschte, die ich teilweise verstehen konnte. Collins Gebrabbel allerdings nicht.

Gestern Abend war ruhig verlaufen. Wir hatten uns etwas Kaltes zum Abendessen gemacht und unsere Eindrücke über den Besuch bei den ehemaligen World Trade Center mit den fertig gestellten neuen daneben unterhalten. Die Stimmung dort war… gruselig, konnte man fast sagen. Sehr mitreißend, trauernd, ruhig und kaum jemand wechselte ein Wort. Ein sehr bizarrer Ort mitten in der bunten Metropole.

Collin hatte uns vor dem Zu-Bett-gehen noch stolz seine neuen Lego-Errungenschaften präsentiert und war dann auch schnell eingeschlafen – leider nicht so müde wie angenommen.

Ich strich mir über das Haar und setzte mich auf, ließ den Blick zum Fenster schweifen. Kurzerhand stand ich lautlos auf und schob den Vorhang leise zur Seite. Das Hotel hatte eine perfekte Lage. Es war zentral, aber ruhig. Auf den Straßen unten war für die Uhrzeit ungewöhnlich viel los – für New York City höchst wahrscheinlich ausgestorben. Kein Wunder, dass sich dieses Luxushotel nur Leute wie die Cullens leisten konnten.

Ich taperte zurück in Richtung meines Bettes, wälzte mich hin und her, konnte jedoch selbst nach einer halben Stunde nicht schlafen und entschied mich, zunächst meinen Durst zu löschen. Im Nachthemd und der schnell angezogenen grauen Jogginghose, schlich ich aus meinem Zimmer. Edwards Tür war nicht geschlossen, aber soweit angelehnt, dass kaum Licht herausdrang, nun aber jedes Wort der beiden vernehmbar war.

„Collin, schht, wir können Mama morgen früh mal anrufen, aber erst musst du schlafen, weil die Mama jetzt auch schläft“, sagte Edward im Flüsterton zu Collin.

„Leli“, nuschelte er und es raschelte kurz, ehe er das Wort noch mehrmals wiederholte.

„Ich weiß nicht, wo der ist… Wo hast du ihn denn hingelegt?“, murmelte Edward ein wenig verzweifelt wirkend. Ich konnte genau spüren wie er sich gerade mit ausgestreckten Fingern durchs Haar fuhr…

Leise öffnete ich den Kühlschrank und goss mir ein Glas Milch ein, setzte mich mit dem Rücken zu Edwards Zimmer an den Tisch und bemerkte meine Handtasche noch neben diesem stehend. Ich hob sie hoch und begutachtete die Fotos auf meiner Kamera. Viele waren es nicht, aber irgendwie hatte ich bei jedem Foto, das ich schoss, das Gefühl ich verpasste etwas, wenn ich mich nicht auf Edward konzentrierte. Außerdem waren die vielen Reize viel zu groß, als dass ich sie nicht in guter Erinnerung behalten würde. Über das ein oder andere Foto, auf dem ich Edward heimlich – meist von der Seite – fotografiert hatte, musste ich schmunzeln. Sein Gesichtsausdruck war auf jedem Foto annähernd gleich. Ausgeglichen, ruhig, musternd. Es stand ihm sehr gut. Vielleicht empfand ich das auch deshalb so, weil ich ihn nicht oft so erlebt hatte.

Trügerisch hatte ich nicht bemerkt, dass mein Herz in den letzten Minuten eine schnellere Taktung bevorzugt hatte – ebenso wie ich keine Notiz von der Ruhe genommen hatte, die aus Edwards Zimmer kam.

„Wach geworden?“, wisperte Edward hinter mir und legte eine Hand auf meine Schulter, sodass ich heftig zusammenzuckte und herumwirbelte. Im spärlichen Licht des Herdes, welches ich angemacht hatte, erkannte ich Edward hinter mir.

„Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken… schaust du dir Fotos an?“, fragte er mit gedämpfter Stimme und nahm seine Hand von meiner Schulter, er setzte sich neben mich.

„Ja… ich konnte nicht mehr einschlafen und dachte ich vertreibe mir etwas die Zeit“, nuschelte ich etwas schnell. „Hast du auch Durst?“, fragte ich nach. Edward nickte.

Ich erhob mich und ging zur Küche, Edward folgte mir. Auch ihm goss ich ein Glas Milch ein. Er stand neben mir, beobachtete mich dabei und ließ seine Hand auf meinem unteren Rücken ruhen. Sofort bewegte ich mich gemächlicher. Bella, du willst doch nicht etwa Zeit schinden!?, herrschte ich mich innerlich an, was mir peinlich berührt die Hitze in die Wangen stiegen ließ – wenn auch Edward nichts davon mitbekam.

„Bitte“, sagte ich mit leicht zitterndem Unterton und wendete mich seitlich zu ihm, das Glas Milch hochhaltend.

„Danke.“ Er nahm mit der rechten Hand das Glas und trank davon, die Linke noch auf meinem Rücken. Nun streichelte sein Daumen etwas auf und ab. Ein angenehmer Schauer durchzog mich, bestätigte den starken Herzschlag meines Herzens und ließ mich einfach meiner Begierde folgen. Ich schlang die Arme um seine Mitte, drückte mich leicht an ihn. Sein vertrauter, himmlischer Duft stieg mir in die Nase. Er hielt mich immer noch halb im Arm und stellte das leere Glas schließlich ab, zog mich ganz an sich, wenn auch nicht fest. Seine Wange ruhte an meinem Kopf, bis er ihn etwas neigte und mir ins Ohr flüsterte: „Gute Nacht, Bella.“ Er löste sich von mir und lächelte noch einmal, bevor er in seinem Zimmer verschwand.

Verwirrt stand ich da und blickte ihm nach. Wie jetzt?, hörte ich mich selbst fragen. Er hatte mich stehen lassen… Wie bitte?! Ich nahm einen tiefen Atemzug. Was war hier los? Es war irgendwie… ich schluckte und stiefelte ins Bett.

Du musst dich mehr zusammenreißen, Bella, wies ich mich wieder zurecht. Aber… warum eigentlich…??
 


 

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Zu viel verkehrte welt?? Was sagt ihr ?

A: Herzklopfen

Eines meiner liebsten und prickelndsten Kapitel :) Deshalb - ganz wichtig:
 

Musiktipps:

Sleeping at last -Turning Page http://www.youtube.com/watch?v=VKBfsz3P7Us

Christina Perri - A thousand Years http://www.youtube.com/watch?v=q9ayN39xmsI

Die meiner Meinung nach romantischsten Lieder der Twilight Saga. So wunderschön....... :)

Aber jetzt gehts los... ;)
 


 

Von Küchengeräuschen geweckt zog ich mich gegen neun Uhr an und fühlte mich erholt und neugierig auf den neuen Tag – ein weiterer in New York City. Bestimmt genauso ereignisreich, wie der letzte, dachte ich erwartungsfreudig und verließ mein Zimmer, wo ich zu Edward und Collin am Frühstückstisch stieß.

„Guten Morgen“, grüßte Edward und lächelte.

Ich wurde rot – die Erinnerung an die nächtliche Begegnung wurde wach.

„Guten Morgen“, murmelte ich und setzte mich Edward gegenüber. Collin aß neben Edward ebenfalls und strahlte mich an, ich erwiderte es freundlich.

„Was steht heute an?“, fragte ich während ich mir einen Bagel schmierte und die Stille brechen wollte.

„Wir werden zunächst die Freiheitsstatue besichtigen“, antwortete Edward mit der halben Aufmerksamkeit bei Collin, „und danach zur New York Academy of Science-“

„Wirklich? Die Überraschung?“, platzte es aus mir heraus. Aus irgendeinem Grund hatte ich nicht recht an einen Besuch dorthin geglaubt.

Edward grinste breit. „Nein, das ist Programm. Nicht die Überraschung.“

„Oh, achso.“ Ich biss von meinem Bagel und rührte etwas in meinem Kakao.

„Dort ist eine Ausstellung über die Geschichte der Physik für die wir Karten haben“, redete er weiter. „Ich denke, das entspricht nicht ganz deinem Interesse, allerdings ist danach eine Tagung über die neusten Fortschritte in der Leukämie-Forschung und wir gehen stellvertretend für meinen Vater hin. Er schafft es leider nicht.“ Edward lächelte mich an.

Ich machte große Augen. „Wirklich? Ich meine- wow, das… das ist ja super“, sagte ich total verblüfft. Eine Tagung? Wer weiß, wie viele angesehen Wissenschaftler dort sein würden und wir dazwischen? Unglaublich… nicht, dass die Ausstellung nicht auch toll war und es bestimmt auch nicht leicht war, dafür Karten zu bekommen, aber eine Tagung…

Edward behielt sein beschwingtes Lächeln auf den Lippen. „Freut mich, dass es dir gefällt. Und keine Sorge, Collin gebe ich gegen Mittag bei Maria ab, dann haben wir wieder den Nachmittag und Abend für uns.“

„Collin stört mich nicht, wirklich“, betonte ich wieder. „Natürlich wäre es für ihn langweilig dort, aber du brauchst dich nicht für ihn entschuldigen. Er gehört zu dir.“

Edwards Gesichtsausdruck wurde eine Spur sanfter, als er die Hand von seiner Kaffeetasse nahm, kurz meinen Handrücken berührte und sich dann wieder seinem Frühstück widmete. Einschneidend nahm ich dies wahr und merkte das Prickeln auf meine Haut, das sachte Durchzucken durch meinen Körper – ganz zu Schweigen von dem starken Drang jeden Zentimeter von ihm anzufassen und ihm die Meinigen zu gewähren. Ich holte Luft, den Blick gesenkt, weiter meinen angenehmen Gedanken folgend.
 

Breiter Applaus erklang. Ein grandioser Vortrag. Ein grandioser Erfolg. Ich spürte wie ich jedes Wort aufsog, hochkonzentriert an den Lippen der Referenten hing und völlig in meinem Element war.

„Komm“, wisperte Edward mir von der Seite ins Ohr.

Ich sah ihn fragend an.

„Es gibt in einer halben Stunde noch zum Abschluss Diskussionsrunden zu den Vorträgen. Jetzt ist aber erst mal draußen ein Empfang“, erklärte er mir und ich nickte. Ich fragte mich, ob Edward öfters für seinen Vater solche Veranstaltungen besuchte oder ob dies eher eine Premiere war. Er wirkte nicht gelangweilt, aber ich hatte den Eindruck, dass er mit den Gedanken woanders war. Schließlich stand ich auf und folgte ihm nach draußen. Wir gelangten in einen breiten Flur, wo elegant verzierte Stehtische aufgestellt waren und Kellner mit Sekt und Orangensaft die Wege der Gäste kreuzten. Edward reichte mir ein Glas Sekt und führte mich an einen der Stehtische.

„Und, wie hat es dir gefallen?“, wollte er neben mir stehend wissen.

„Großartig“, sagte ich, „absolut spannend, atemberaubend“, bot ich mein ganzes Repertoire an Adjektiven auf und strahlte ihn an. „Ich meine, wenn diese Methode weiter erforscht wird und die Erfolge sich bestätigen, haben wir bald viel höhere Heilungschancen bei Leukämieerkrankungen in höherem Alter“, plauderte ich. Edward lauschte mich die ganze Zeit ansehend und nippte an seinem Glas. Langsam hob er die Hand und schob eine Strähne hinter mein Ohr, die Augen nicht von mir lassend.

„Es freut mich, dass es dir Spaß gemacht hat“, sagte er betont leise, während er die Hand wieder sinken ließ und mein Herz seinen Rhythmus suchte – intensiv traf mich sein Blick.

„Mr. Cullen?“, ertönte eine höchst verwunderte Stimme hinter Edward und zerstörte den kleinen Zauber dieses Moments. Edward wandte sich um.

„Wie schön, sie wiederzusehen“, sagte ein rundlicher, bis über beide Ohren lächelnder, Mann. „Ist Ihr Vater auch hier?“

„Mr. Tanners“, grüßte Edward ihn mit Handschlag und erwiderte das Lächeln. Tanners… hallte es im Kopf und ich grübelte. Mir sagte der Name etwas, auch wenn es ein sehr gewöhnlicher Name war.

„Nein, tut mir leid, mein Vater ist nicht hier, deshalb sind Ms Swan und ich hier.“ Edward sah seitlich zu mir und legte den Arm um meinen Rücken, zog mich leicht an sich. Mein Magen zog sich angenehm zusammen. „Das ist Donald Tanners, eine Koryphäe in der Chirurgie. Vielleicht kennst du sein Lehrbuch?“, fragte er mich und es klickte bei mir.

„Tanners, natürlich“, sagte ich nickend und reichte ihm die Hand. „Isabella Swan. Natürlich kenne ich Ihr Lehrbuch und auch Ihr neues Buch über die Möglichkeiten der Chirurgie bei Krebserkrankungen.“

Mr. Tanners lachte und schüttelte meine Hand. „Freut mich Sie kennenzulernen. Sie studieren in Seattle?“

„Nein, ich bin bereits fertig mit dem Medizinstudium und arbeite jetzt dort in der Forschungsabteilung. Ihr neues Buch ist sehr interessant, auch wenn ich eher der Medikation vertrauen schenke, aber es hat sehr treffende Argumente und die Aspekte gerade im Bereich von gestreuten Krebserkrankungen sind sehr einleuchtend.“

Mr. Tanners lachte herzlich und auch Edward stimmte mit ein.

„Das freut mich sehr, dass es bei Ihnen so viel Eindruck gemacht hat. Hätten Sie zwei nicht Lust, mit mir zu Abend zu essen?“, fragte er uns. „Ich würde gerne hören, wie es Ihrem Vater geht, ich habe ihn leider lange nicht mehr gehört“, seufzte er.

Mit uns Essen gehen? Ich schluckte und spürte Edwards fragenden Blick auf mir.

„Sicherlich, gerne“, nickte ich eifrig zu ihm und er klärte mit Mr. Tanners Zeit und Ort ab, ehe dieser sich wieder zu den Diskussionsrunden verabschiedete.

„Wahnsinn“, sagte ich begeistert zu Edward, welcher den Griff um meinen Rücken gelockert hatte, sodass ich mich zu ihm drehen konnte. „Er ist so klug und die Operationen, die er in seiner Klinik schon durchgeführt hat- absolute Glanzleistungen, kaum Vorfälle…“, plapperte ich wie ein Wasserfall.

Edward grinste und ließ die Hand an meinem Rücken, fast mehr an meiner Seite, auf und ab gleiten. Mein Herz überschlug sich. „Ich hatte mir zwar für heute Abend etwas anderes überlegt, aber ich denke das können wir verschieben. Der Mann hat’s dir ja angetan“, lachte Edward und nahm den letzten Schluck Sekt.

„Ach was, er ist einfach nur unglaublich gebildet…“, schwärmte ich.

Edward nickte, sein Glas wegstellend. Um uns, hatte es sich gelichtet.

„Wollen wir noch kurz ins Apartment zurück und danach zum Abendessen aufbrechen?“, fragte Edward mich und ich bejahte. Erst in der U-Bahn ließ er meinen Rücken los. Es war, als fehlte etwas in mir.
 

Wie beim letzten Abend klickte ich die Bilder durch. Es war zwar kalt gewesen, aber sonnig, sodass die Bilder vor der Freiheitsstatue richtig toll geworden waren.

Ich lächelte, als ich ein Foto begutachtete, auf dem Edward kurz vorher Collin in die Luft geworfen, ihn gefangen und ihm direkt einen Kuss auf die Wange gedrückt hatte. Collin strahlte in die Kamera. Was ein schönes, intensives Foto…

Allerdings…
 

„Bella? Kannst du die Fotos mit meiner Kamera machen? Also nur die von mir und Collin“, sagte er rasch. „Wegen… Tanya“, nuschelte er und reichte sie mir, ehe er mit Collin ein paar Schritte zurück machte und sich vor der Freiheitsstatue positionierte.

Hmmm ja, sie durfte nicht wissen, dass ich mit war. Warum eigentlich?, schoss es mir durch den Sinn, wischte die Gedanken aber weg, um mich auf das fotografieren zu konzentrieren.

„Perfekt, danke“, sagte er und nahm die Kamera nach ein paar Fotos wieder entgegen. „Wie sieht’s aus? Sollen wir uns in dem Restaurant da hinten nach dem anstrengenden Fotoshooting etwas aufwärmen?“ Er lächelte mich an, nahm Collin bei der Hand.

„Klar“, nickte ich, innerlich noch bei der Kamera-Sache.

„Na komm, Kleiner, wir trinken einen Kakao“, sagte Edward und zog Collin mit sich, der von den vielen Menschen, die Fotos machten, und der beeindruckenden Kulisse, ganz abgelenkt war. Ich ging hinter den beiden her und lächelte Collin immer wieder an, wenn er zurück zu mir schaute. Er legte dann immer den Kopf schief und grinste, die Lippen etwas verzogen. Es erinnerte mich total an Edward, sodass die Gedanken an ihn, mein Herz dann wieder schneller schlagen ließen.

Wir setzten uns in das Restaurant neben dem Souvenirshop hinter der Freiheitsstatue und bestellten etwas Warmes zu trinken. Collin war sichtlich geschafft und saß sehr ruhig auf seinem Stuhl, die Wangen und Nase von der Kälte gerötet.

Edward nippte am Tee und sah auf zu mir, lächelte beim Trinken etwas. Als er mein nachdenkliches Gesicht sah, senkte er die fein säuberlich gearbeitete Porzellantasse und schwieg.

Ich wusste, dass nun mein Part war, zu reden. „Sag… warum weiß Tanya nichts von mir?“

Edward sog sichtlich unangenehm berührt Luft ein und wich einen Moment lang meinem Blick aus. „Das ist nicht so einfach“, sagte er schließlich.

„Versuch’s“, bat ich leise.

„Du weißt, dass es mit Tanya und mir schwierig war und auch dass es zwischen ihr und dir nicht rosig war. Tanya und ich haben gerade einen gemeinsamen Nenner gefunden und es funktioniert gut, einfach als Familie. Ich habe Sorge, dass das auf dem Spiel steht, wenn ich ihr von dir berichte und sie wohlmöglich Befürchtungen um unsere Familie bekommt“, sagte er ruhig und ehrlich, doch es klang mir etwas zu perfekt.

„Das ist alles?“, fragte ich darum nach und wunderte mich über meinen Mut. Das schien auch Edward zu tun und hob die Brauen.

„Na ja, ich meine, du nimmst sie einfach nur in Schutz? Aber… hinterher mit der Tür ins Haus zu fallen, macht es doch nicht besser, hat es damals ja schon nicht“, sagte ich einen Hauch energischer als eben. Aber nun ja, es war der einfachere Weg, kam es mir in den Sinn.

„Ich weiß, ich werde es ihr auch sagen, aber glaub’ mir, es war nicht die Zeit und wenn die gekommen ist, rede ich auch mit ihr, nur muss ich auch etwas an Collin denken“, sagte er entschuldigend Schultern zuckend.

Ich mochte den kleinen Kerl, aber es kam mir ab und an so vor, als ob er immer dazwischen stand, damals und heute – nein anders, Edward machte ihn dazu. Obwohl… ich war damals gegangen… mir rauschte der Kopf, sodass ich nur nickte.

„Bitte zerbrich’ dir darüber nicht den Kopf“, wisperte er leise, die Hände am Teeglas wärmend.

Ich nickte wieder und trank ebenso. Redeten wir hier gerade nicht noch über etwas ganz anderes?, schoss es mir durch den Kopf. Gingen wir hier nicht gerade schon davon aus, dass wir eine Beziehung führten? Bei dem Gedanken sah ich rasch herab, bevor er irgendetwas in meinem Gesicht lesen konnte.
 

„Machst du das immer so? Dir abends die Bilder ansehen?“, wollte Edward wissen, als er sich neben mich setzte und auf die Kamera schaute.

„Meistens ja, wenn ich Zeit finde“, nickte ich. „Ich finde es schön, den Tag noch mal Revue passieren zu lassen.“

Edward hob die Mundwinkel. „Und? Wie ist dein Resümee?“

„Na ja, das war wirklich toll… ich meine der Vortrag und das Abendessen mit Mr. Tanners, vielen Dank“, sagte ich aufrichtig und lächelte ihn an.

„Gerne, obwohl letzteres ja Zufall war“, grinste er.

Ich nickte und erhob mich langsam. „Ich bin total voll gegessen und werde jetzt mal schlafen gehen. Wie ist der Plan für morgen? Soll ich-“

„Nein, wir stehen in Ruhe auf. Ich denke morgen gehen wir nur etwas in den Central Park mit Collin und durch die Geschäfte. Hier im Hotel kann man sich ja auch gut die Zeit vertreiben. Und abends habe ich dann eine Überraschung“, lächelte er geheimnisvoll und schaute auf.

Ich fragte nicht nach. Er würde es nicht verraten. „Okay“, nickte ich und schaute ihm tief in die Augen. „Gut, dann…“

„Dann gute Nacht“, murmelte Edward und blieb seelenruhig sitzen. Ich lächelte etwas angespannt und ging in mein Zimmer.

Wenn ich ehrlich war, machte mich seine Untätigkeit, die ich mir eigentlich gewünscht hatte, nervös. Es passte nicht zu ihm und verwirrte mich zutiefst.
 

Auch wenn es kalt war und keine blühenden Pflanzen ihn zierten, war der Central Park eine Augenweide und Collins Freude beim Durchstolpern der Wege und Wiesen zu beobachten, machte uns mindestens genauso viel Freude.

„Lalaaaaa“, rief er mir zu und kickte den kleinen Plastikball über den Kiesweg, der einige Mühen hatte, zu mir zu gelangen.

„Achtung“, sagte ich und hob den Ball auf. „Fangen!“ Natürlich fing er ihn nicht, sondern suchte rechts und links, bis er den ausrollenden Ball erkannte und hinterher fegte.

„Langsam muss ich aufpassen, irgendwann sagt er deinen Namen richtig“, grinste Edward, doch es erreichte nicht seine Augen. Der Spaß war nämlich ziemlich ernst. „Keine Sorge, ich werde es Tanya viel eher sagen“, versicherte mir Edward plötzlich – ich schien meine Gesichtszüge nicht kontrolliert zu haben, weshalb ich nur überrascht nickte und mich wieder Collin zuwendete.
 

Gegen Mittag besichtigten wir Roosevelt Island, dessen Attraktion weniger die Insel selbst, sondern eher die Seilbahn dorthin war – ein Heidenspaß für Collin. Die Aussicht war wirklich gigantisch, auch wenn es angesichts des Windes arg schaukelte. Nach einem Zwischenstopp beim Italiener stöberten wir die Geschäfte in Manhattan entlang. Edward kaufte wärmere Kleidung für Collin und auch ich fand hier und da ein paar nette Sachen. Meine Weihnachtseinkäufe tätigte ich direkt mit und erwarb Geschenke für Charlie, Sue und Zoey, als auch eine Karte für Phil. Ich hatte länger nichts von ihm gehört, aber zu Weihnachten wollte ich ihm gerne schreiben. Das erste Weihnachten ohne ihn und Mama…

„Bella? Bist du fertig?“, unterbrach Edward meine Gedankengänge, als ich neben der Kasse auf ihn gewartet hatte, aber die Karte noch begutachtete.

„Ja, klar, wir können“, sagte ich rasch und ließ sie in der Tasche verschwinden.

„Okay, wir gehen jetzt kurz zum Empire State Building am Ende der Straße, da treffen wir Maria, und danach gehen wir ins Hotel. Wir müssen uns fertig machen“, lächelte er verschmitzt.
 

Wir aßen im Hotel auf dem Zimmer, mehr oder weniger schweigend. Etwas Smalltalk, aber das war’s auch. Edwards kleines Schmunzeln ab und zu entging mir nicht, was mich noch neugieriger auf sein Vorhaben machte. Eigentlich war bei ihm alles möglich, weshalb ich gar nicht erst versuchte, mir vorzustellen was es war.

Kaum hatte Edward Gabel und Messer hingelegt, stand er auf und schritt in sein Zimmer – ohne ein Wort zu sagen. Ich runzelte die Stirn und sah hinter mich. Was führte er im Schilder?

Edward kam mit mehreren Kleidersäcken ins Wohn- bzw. Esszimmer zurück.

„Wir brauchen für gleich etwas schickere Kleidung…“ Das war klar, dachte ich sofort. „Meine Mutter hat diese Kleider für dich ausgesucht, ich hoffe sie passen und gefallen dir“

Seine Mutter? Nicht Alice?, schoss es mir durch den Kopf. Na ja zuletzt hatten wir uns nicht sonderlich gut verstanden…

Edward schien meine Fragen zu erahnen, machte Anstalten etwas zu sagen, besann sich jedoch eines Besseren und sagte stattdessen: „Ich hoffe sie passen und gefallen dir. Natürlich kannst du auch etwas von dir anziehen.“

Ich nickte und streckte die Hände zu einem Kleid aus. „Darf ich?“

Edward reichte es mir, enthüllte es jedoch zuvor aus dem Plastik darum. Gleiches tat er mit den anderen, legte sie über die Esstischstühle. Ich hielt ein Dunkelblaues in der Hand, weich schmiegte sich das Kleid um meine Hände. Es war knielang, gerade geschnitten und hatte breite Träger. An den Schultern war ein zweites Teil mit einem Knopf angefügt, welches die Schultern verdeckte. Schlicht, aber wunderschön. Die Anderen, ein Rotes und ein Schwarzes, beachtete ich weniger, in das Blaue hatte ich mich verguckt.

„Das ist toll“, sagte ich zu ihm. „Das würde ich nehmen.“

Er grinste. „Klar, ich bin duschen.“

Ich konnte mir das Schmunzeln nicht verwehren und musterte ihn beim weggehen. Sofort Kribbelte es angenehm durch mein Innerstes. Oh je, Bella…

Mit dem Kleid in der Hand ging ich Augen verdrehend zu mir selbst in mein Zimmer und zog mich aus. Etwas mit Tanzen? Kurz driftete ich zu unserem letzten Tanz ab – in Streichklamotten.

Konzentrier’ dich, Bella. Strumpfhose, Kleid… mühsam zog ich es im Rücken hoch. Hervorragend... Ich drehte mich hin und her vor dem Spiegel und träumte vor mich her, bis Edward an meiner Tür klopfte. Ich bat ihn hinein.

„Wow“, hauchte Edward mit einem breiten Grinsen. Selbst nur in Shorts und einem Hemd mit noch feuchten Haaren. Das Blut rauschte mir durch die Adern.„Ich wollte dir noch etwas geben“, sagte er und schritt auf mich zu, hielt etwas in der Faust verborgen. Er stellte sich hinter mich und legte mit der anderen Hand mein Haar sanft über meine Schulter; sie kitzelten meinen Nacken leicht. Kurz darauf spürte ich etwas Kühles um meinen Hals, ertastete dann eine Kette mit kleinen Steinen. Edward drehte mich zum Standspiegel und blickte durch den Spiegel in meine Augen. Ich betrachtete die silberne Kette, die Steine fein gearbeitete, blau glänzend.

„Du wusstest, dass ich das blaue Kleid nehmen würde?“, fragte ich verblüfft.

„Sagen wir’s mal so, ich hatte es gehofft“, grinste er und hielt die Hände rechts und links an meinen Schultern.

„Es steht dir sehr gut“, flüsterte er nahe meines Ohres, ein wenig gebeugt. Sein Körper berührte mich nicht, allerdings spürte ich seine Wärme leicht hinter mir. Die Hitze stieg mir in die Wangen. Edward warf ein Blick an meinem Rückgrad herab und schloss den letzten Zentimeter des Reißverschlusses mit einem Lächeln. Langsam legte er meine Haare zurück über die Schultern. Innerlich durchzuckte es mich… wie berauscht.

Edward neigte sich etwas zu mir herab. „Bis gleich“, hauchte er mir ins Ohr, seine Nase glitt kurz durch mein Haar. Ich fühlte mich wie entflammt und stehen gelassen…
 

Mein Magen drehte sich um, als ein schicker großer Wagen vor dem Hotel hielt. Der Hauch Reichtum beeindruckte mich. Edward stand neben mir – dunkelblaue Anzughose, anthrazitfarbenes Hemd, zwei Knöpfe offen. Er sah unglaublich lässig, aber totschick aus. Ich fühlte mich daneben etwas normal, einfach. Wie immer, fügte ich in Gedanken hinzu.

Der Wagen hielt wenige Blocks später in einer recht unscheinbaren Straße. Eine Seitenstraße unterhalb des Times Squares. Etwas irritiert stieg ich aus, nachdem Edward mir mit einem smarten Lächeln die Tür geöffnet hatte. Was war denn hier? Vielleicht gingen wir in ein Musical!, kam es mir in den Sinn. Am Times Square? Aber warum hielten wir dann hier? Lediglich ein paar Bars befanden sich hier – nichts Besonderes also.

„Komm’“, lächelte Edward und nahm umgehend meine Hand. Wenige Schritte weiter blieb er stehen. Vor uns war ein Hauseingang. Unscheinbar, verglast, weiß und hell erleuchtet. Außer einem Aufzug und einem Empfangsbereich mit Sitzbereichen und kleinen Tischen konnte ich nichts erkennen. Davor mehrere Türsteher. Was war das hier?

Edward ging direkt auf einen dieser breiten wie langen Männer in Schwarz zu und griff in seiner Hosentasche nach einer kleinen Karte, die er vorzeigte. Edward deutete kurz auf mich und der Mann nickte, machte uns den Weg frei.

Mit hochgezogenen Augenbrauen schaute ich Edward an, dieser winkte aber ab: „Lass dich überraschen“, lächelte er.

Wir gingen an dem Empfang vorbei zu dem Aufzug, ein Bediensteter ging mit uns in den Aufzug, drückte einen Knopf und wir warteten. Ganz schön hoch, dachte ich und sah auf die lange Zahlenreihe. Edward hielt immer noch meine Hand und ich merkte, dass ich es gar nicht mehr so bewusst wahrnahm, wie zu Anfang. Innerlich lächelte ich glücklich.

Der Aufzug öffnete sich, vor uns lag ein einfacher Raum, von welchem ein Gang weiterführte. Edward lief diesen mit mir entlang, bis-

Mir klappte die Kinnlade herunter. „Wow“, entglitt es mir nur. Eine Bar, über den Wolken. Sie verlief rechts und links weiter, sehr lang, wenn auch nur mit immer einer Tischreihe, die genau genommen Polstergarnituren waren.

Edward war neben mir stehen geblieben. Ich sah zu ihm hoch – er schaute mich die ganze Zeit an, grinste schief.

„Wartest du einen Augenblick hier? Ich komme gleich wieder“, sagte er leise, streifte meinen Rücken sachte und nach meiner Zustimmung entfernte er sich durch die vielen redenden Menschen. Ich trat zwischen zwei Sitzgruppen an die Fensterfront. New York City strahlte mir in der Dunkelheit mit tausenden Lichtern entgegen. Nicht weit entfernt das Empire State Building. Es leuchtete in grün und rot. Ich konnte mich kaum satt sehen – ganz zu Schweigen die edle Bar mit schwarzem Mobiliar und ansonsten weißen und glitzernden Dekorationen. Vor allem Lichter und Kerzen schienen ein besonders beliebtes Accessoire zu sein. Ich war überwältigt – mal wieder. Und wie schick die Leute…

„Na, was sagst du?“, erklang eine Stimme neben mir.

Ich lachte über die Frage. Sie war fast lächerlich. „Na ja, wie immer? Der Wahnsinn?“, grinste ich.

Bevor Edward etwas erwidern konnte, war ein Angestellter an uns heran getreten, dem wir an unseren Tisch folgten – natürlich direkt an der Skyline, Champagner kalt gestellt.

„In einer halben Stunden hätten wir dann gerne ein paar Häppchen und zwei Caipirinha“, gab Edward ihm noch mit auf den Weg, nachdem er unsere Jacken an der Garderobe postiert hatte.

„Willst du mich abfüllen?“, lachte ich ausgelassen und blickte immer wieder über die Schulter zu der faszinierenden Aussicht.

Edward grinste, ein Bein über das andere geschlagen, sodass sein Knöchel auf dem Oberschenkel des anderen verweilte, und einen Arm über die Couch gelehnt, weshalb er seitlich von mir saß. „Habe ich das nötig?“, neckte er mich und reichte mir dann ein Glas Champagner.

„Auf die schönste Frau des Abends“, sagte er leise mit einem sanften Glänzen in den Augen. So offensiv auf einmal?, kam es mir in den Sinn, während ich verlegen lächelte, Edward etwas näher rückte und ich mit ihm anstieß. Der Champagner schmeckte göttlich und ich genoss den Augenblick gerade mit vollen Zügen, nahm gleich noch einen Schluck.

„Ich zeige dir nachher noch die Außenterrasse um die Ecke, von dort aus kann man das Empire State Building noch besser und näher sehen“, sagte er mit dem Kopf hinter sich deutend, stellte dann kurz das Glas weg, um jene Hand nach mir auszustrecken und meinen Kragen zu richten. Dabei berührte er ab und an meine Haut. Ich schluckte und hatte sein Vorhaben für später schon vergessen. Langsam legte er mein Haar zurück, während ich den Champagner noch immer in den Händen hielt.

„Die Kette steht dir sehr gut“, sagte er leise und strich mit den Fingern diese entlang, sah mir dabei tief in die Augen. Ich erwiderte den intensiven Blick. „Die Designerin meinte, dass sie nur zu einem schlichten Kleid passt, aber es zu etwas ganz Besonderem macht – vor allem den Träger“, säuselte er leise. Er war mir so nah. Es war nicht mal mehr ein Flüstern, trotz der Musik um uns. Kurz küsste er mich sehr nahe meines Mundwinkels. Ich schnappte nach Luft.

Langsam wich Edward zurück, ließ die Hand vor mir sinken, legte sie auf dem Sofa ab, sodass sie mich nicht berührte. „Entschuldige“, murmelte er und sein Blick war fast flehend geworden. „Glaub’ mir, ich will dich nicht verlieren…“ Seine Augen wurden ein Hauch dunkler, Panik spiegelte sich darin. Es zerriss mir das Herz, brannte sich in mich. Ein klein wenig zu hastig beugte ich mich vor, zog ihn an mich und legte meine Lippen auf seine. Ich wollte es wegküssen, fort aus seinem makellosem Gesicht.

Meine Finger glitten über seinen Rücken zu seinem Nacken, durchstrichen sein Haar. Edward kam dem nach und zog mich näher zu sich, streichelte meine Seiten. Es wirkte befreiend, alles einfach freilassend. Seine Wärme, sein Geruch… ich tauchte darin ein und wäre am liebsten niemals wieder dem entschwunden.

Seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. Ich sah ihn etwas atemlos an, erblickte den Schalk in seinen Augen, was mich auch grinsen ließ.

„Du… du hast das alles geplant“, schlussfolgerte ich grinsend, meine Arme noch von seinen Händen gehalten.

Edward schmunzelte mit zusammengepressten Lippen ganz nah vor mir. „Nein, mit dir kann ich nichts planen, ich hatte es mir nur sehr gewünscht…“ Er legte die Hände um mein Gesicht und sah mir tief in die Augen. „In Krieg und Liebe ist alles erlaubt und ohne deine Liebe… ich erinnere mich zu gut an die letzten Jahre“, wisperte er und drückte mir einen Kuss auf die Stirn. Sein Leid war in jedem seiner Gesichtszüge zu spüren – ich empfand genauso, jede Regung konnte ich nachfühlen.

Zärtlich zog er mich in seine Arme, welchem ich nachkam und mich an seine Seite lehnte. Er streichelte mit der Hand meinen Arm entlang bis zu meinen Finger, verschränkte diese darin und glitt sanft darüber. Ich fühlte mich so wohl, so unglaublich wohl, alle Fragen und Gedanken waren einfach am Boden geblieben. Einfach weit weg, so konnte es bleiben… so sollte es…
 

Der säuerliche Caipirinha ging runter wie Öl, während Edward und ich über die vergangene Zeit in New York, die Uni und Pläne für die nächsten Tage redeten.

„Was möchtest du als nächstes trinken?“, fragte Edward mich, als der Kellner die leeren Cocktailgläser abholte und uns Champagner nachschenkte. Etwas fragend sah ich ihn an und zuckte mit den Schultern an ihm. Ich war immer noch an seine Brust gelehnt.

„Etwas Fruchtiges? Oder eher Sahniges? Oder etwas mit Kaffee, schokoladig?“, fragte er.

„Hmmm, etwas mit Sahne“, sagte ich zu ihm und Edward wandte sich an den Kellner. „Ich nehme noch einen davon und bringen Sie einen Cocktail mit Sahne, den Besten, den sie haben“, orderte er. Ich musste lachen. Er redete wie ein Multimilliardär. Auch Edward stimmte mit ein. Apropos…

„Sag mal, was musstest du dem Türsteher unten eigentlich zeigen? Ich meine, er wollte keine Pässe oder so sehen“, fiel mir jetzt erst auf. „Hier kommt scheinbar nicht jeder rein oder?“

Edward stellte den Champagner ab. „Nein, das ist eine private Rooftop Bar des Hotels und nur für Gäste mit dem nötigen Einfluss und Geldbeutel, nicht für Durchreisende“, lächelte er. „Mein Vater und meine Mutter sind sehr gerne hier gewesen, weil das Publikum nicht so… na ja, ‚new york-mäßig’ ist“, lachte er. „Meistens sind Akademiker und Geschäftsleute aus dem Ausland hier.“

Ich nickte mit dem Hinterkopf an seinem Schlüsselbein und beobachtete die volle Tischgruppe neben uns, während Edward sanft mit den Fingerkuppen von meiner Schulter herab zu meiner Handglitt. Es hinterließ eine Gänsehaut und ich schloss kurz die Augen. Ich war etwas beschwipst und fühlte dem kribbeligen Schauer nach. Er war so warm, duftete, seine Haut so weich und ebenmäßig…

„Bist du müde?“, fragte er mich leise und küsste meine Schläfe. Das Grinsen konnte ich aus seiner Stimme heraushören.

Ich schüttelte den Kopf. „Ich genieße nur“, murmelte ich und öffnete dann die Augen und schaute seitlich zu ihm. „Dich.“ Nach kurzem Lippenspitzen kam er etwas herab zu mir und küsste mich. Sanft zog er an meiner Unterlippe und kitzelte sie einen Moment mit seiner Zunge. Ich kicherte und Edward stimmte mit ein.

„Du bist so schön, wenn du lachst, noch viel schöner als sonst“, flüsterte er mir süßlich ins Ohr, ließ mich dahin schmelzen. Ich hob den Kopf und strich mit der Nase über sein Kinn, als unsere Getränke kamen. Wir richteten uns etwas auf und stießen an, nahmen auch noch mal etwas von den Häppchen, super lecker. Brotstücke, Dips, Oliven, alles möglich. Und die kleinen süßen Cupcakes, mhmmm…

Edward schob mich etwas von sich und stand abrupt auf. „Na komm’, ich zeige dir eine Aussieht, die du nicht mehr vergisst.“

„Wie so oft“, grinste ich und ließ mich von ihm hochziehen. Er führte mich an den zahlreichen Tischen vorbei. Sie schien das ganze Gebäude außen entlang zu gehen und offenbarte die wunderschönen Wolkenkratzer New Yorks. Und Edward an meiner Seite…

Wir schlüpften durch eine durchsichtige Tür, durch welche man bereits die große Terrasse mit den weißen Sitzmöbeln um Glastische und viele Standheizungen erahnte. Ein vielfach bepflanztes Geländer grenzte den Bereich ab.

Klare Nachtluft glitt durch mein Haar, als wir hinaus traten und es nun merklich kälter war, wenn auch Wärme von den Heizstrahlern hier und da sich mit der Luft mischte. Edward legte einen Arm um mich und ging mit mir näher zu der phänomenalen Aussicht, das Empire State Building ganz nah an uns, strahlend in mehreren Farben.

„Lass uns ein Foto machen“, murmelte Edward mir zu und wich ein paar Schritte von mir, um den Fotographen aufzuhalten. Er redete kurz mit ihm und trug sich in irgendeine Liste desjenigen ein. Ich vermutete es ging um eine Adresse oder Ähnliches. Kaum war er wieder da, zog Edward mich in seine Arme und der Fotograph dirigierte uns nach rechts und links, vorne, hinten, Armhaltung, Kopf gerade… kurz darauf küsste mich etwas einfach, die Hand unter meinem Kinn, die andere an meinem Rücken. Genüsslich schloss ich die Augen und liebkoste seine Lippen, die Wangen warm werdend, als ich das häufige Klicken des Fotographen hörte. Dieser kam kurz darauf zu uns, sagte Edward irgendetwas – ich hörte nicht zu – und ging dann wieder. Ich sah die ganze Zeit nur Edward an. Er lächelte mich an und legte kurz die Lippen auf meine Wange, ehe er mir durchs Haar fuhr.

„Er schickt sie mir zu“, sagte er leise. „Seine Fotos sind für die schwierige Kulisse wirklich gut – hab ich mir sagen lassen“, grinste er und legte wieder die Arme auf meine Taille, drückte mich leicht gegen das Geländer.

„Bella, ich weiß, wir sind nicht in Seattle und wir haben nicht die Arbeit und alle Anderen um uns, aber ich möchte mit dir wieder neu beginnen, wenn wir zurück sind“, redete er leise, fixierte meine Augen. Das warme Grün strahlte mir entgegen. „Bitte gib’ uns diese Chance und vertrau’ mir. Ich liebe dich und möchte nicht mehr ohne dich leben“, sagte er immer leiser werdend, hob die Hände von meiner Taille und strich an meinen Seiten herauf zu meinen Wangen, legte sie langsam dorthin ab. Seine Daumen strichen meinen Wangenknochen entlang. Mir stockte der Atem und ich nickte wie in Zeitlupe.

„Ich liebe dich auch, aber ich habe auch Angst“, gestand ich in mitten der Skyline, feiernden Menschen in schicker Kleidung und die Melodie der Musik um uns herum.

Sein Gesichtsausdruck wurde sanft und er kam meinem Gesicht näher, strich mit der Nase an meiner Wange entlang und flüsterte in mein Ohr: „Ich weiß, aber wir schaffen das, lass dich einfach darauf ein.“ Er küsste mich kurz vor dem Ohrläppchen und glitt küssend zu meinen Lippen. Mein Atem beschwerte sich und ich spürte das Kribbeln überall da, wo seine Lippen meine Haut elektrisierte. Suchend fand ich seine Lippen und küsste ihn, inniger, länger, drückte mich an ihn. Zärtlich tätschelte er meine Seiten, während ich die Finger um seinen Hals legt und darüber glitt.

Ja. Ja, Edward. Ich will dich, ich liebe dich und ich will nichts mehr, als unsere Chance nutzen und bei dir bleiben, wollte ich ihm entgegen schreien, die ganze Welt davon überzeugen – aber vermutlich am meisten mich selbst.
 

„Miss“, grinste er und hielt mir die Hand hin, als wir sehr spät aus der Bar wiederkamen und er mir die Tür geöffnet hatte.

„Mister“, lachte ich, nahm seine Hand und stieg aus, etwas wackelig auf den Beinen.

„Etwas beschwipst, Miss?“, erwiderte er mein Lachen und hielt mich an sich fest.

„Vielleicht“, grinste ich breit. Edward küsste meine Wange und betrat mit mir den Aufzug im Hotel. Ich lehnte mich an die Wand und schloss wirklich müde die Augen. Vor meinen Augen flimmerte es leicht. Ja, ich etwas über den Durst getrunken…

„Weißt du was?“, flüsterte er leise. Ich spürte seine Stirn meiner Schläfe. „Collin ist heute Abend bei Maria…“ Er nahm meine Hände und zog mich aus dem Aufzug, sodass ich die Augen öffnete und ihn etwas verschmitzt ansah. Soso… er wollte… und was wollte ich? Ihn. Natürlich.

Er schloss die Tür des Apartments, indem er mich dagegen drückte, seine Lippen langen wie klebend auf meinen. Sofort rauschten mir die Hormone durch den Kopf und ich strich mit den Fingern durch sein Haar, zog sanft daran. Edward ging ein paar Schritte rückwärts, die Lippen an meinen, führte mich zu seinem Zimmer. Ich konnte gar nicht formulieren warum, zumindest nicht im ersten Moment, doch ich wollte nicht in sein Zimmer und hielt ihm am Hemd, drückte ihn in mein Zimmer. Er lächelte unter den Küssen kurz, aber sagte nichts oder verwehrte mir meinen Wunsch nicht. Quälend langsam ließ er meinen Reißverschluss vom Kleid herab gleiten, das Bett spürte ich an meinen Waden. Mit der anderen Hand fuhr er den größer werdenden Spalt des Kleides entlang. Ich bekam sofort eine Gänsehaut, während seine leidenschaftlichen Küsse von meinem Mund zu meinem Hals wanderten.

Im Gegenzug löste ich die Knöpfe seines Hemdes, legte die Hände auf seine Brust und glitt seine weiche Haut herab, ehe ich mich auf das Himmelbett sinken ließ.
 

Ich holte tief Luft und spürte die durchdringe Wärme um mich – angenehm, fast zu warm. Mein Kopf fühlte sich klar an, wenn auch pochend. Die Decke lag mir bis zu den Schultern, während ich mich auf der Seite befand, Edward hinter mir. Nackt. Wie ich auch.

Es raschelte leicht hinter mir, ehe Edward mein Haar berührte, es in Strähnen sachte über meinen Rücken legte. Ich ließ die Augen geschlossen und genoss diesen Moment. Seine Hand fuhr meinen Rücken entlang, streichelte ihn. Er drückte einen Kuss auf meine Schulter.

Schöner hätte der Abend nicht ausklingen können. Ich hatte mich mit jeder Faser meines Körpers so nach ihm gesehnt, mich jedem Kuss, jeder Berührung hingegeben, und war irgendwann in einen tiefen Schlaf gefallen.

Edward rutschte näher an mich, rieb kurz seinen Oberkörper an meinem Rücken, und hielt meine Schulter, seine Stirn legte er auf eben dieser ab, sodass sein Atem warm auf meine sowieso schon erhitzt Haut blies. Da ich nun sowieso nicht mehr schlafen konnte, beschloss ich wachzuwerden und regte mich etwas. Edward wich von mir, damit ich mich auf den Rücken legen konnte, er seitlich neben mir.

„Guten Morgen“, sagte er leise und strich meine Wange mit den Fingerrücken entlang.

„Guten Morgen“, erwiderte ich und lächelte breit.

„Hast du gut geschlafen?“, fragte er ebenfalls lächelnd.

„Das sollte ich dich eigentlich fragen, es ist schließlich mein Bett“, grinste ich, drehte mich etwas mehr zu seiner Brust und legte den Arm um ihn.

„Ja… warum eigentlich?“, wollte er wissen.

Nein, stöhnte ich innerlich. Keine ernsten Themen… es war gerade so schön. Zu spät.

„Ich wollte nicht… na ja, also… wegen Collin…“, murmelte ich sichtlich peinlich berührt.

Edward lachte. „Er wird uns schon nicht erwischen.“ Ich sah auf und betrachtete sein schiefes Grinsen, küsste ihm direkt die geschlossenen Lippen.

Ich lächelte leicht und beließ es dabei. Einen richtigen Grund für mein Handeln hatte ich nicht, aber mein Gefühl hatte mir gesagt, dass ich nicht in dem Zimmer mit Edward schlafen wollte, indem Collin schlief – zumal ich auch nicht wusste, wann Maria ihn bringen würde.

Ehe ich das fragen konnte, klingelte Edwards Handy. Er wandte sich nach hinten und nahm es aus seiner Anzughose. Kurz entstand eine Lücke zwischen uns und ließ kühle Luft unter die Decke. Edward sah nach hinten gelehnt auf sein Handy, runzelte die Stirn und legte es weg.

„Tanya“, nuschelte er und kuschelte sich wieder an mich.

„Du drückst sie einfach weg?“, fragte ich ein wenig entrüstet.

„Ich habe nur auf stumm gestellt“, murmelte er abwinkend. „Was soll ich ihr sagen, wenn sie Collin sprechen will? Bevor ich mich in ein Lügengebäude verstricke, rufe ich sie lieber später zurück“, meinte er schulterzuckend.

Lügengebäude… das wäre nicht das Erste gewesen, das Tanya hätte ertragen müssen…
 

Während ich unter die Dusche gesprungen war, hatte Edward mit Maria sprechen wollen. Sie sollte Collin nachmittags bringen, er habe noch eine Überraschung für mich. Nun saß ich beim reichhaltigen Frühstück – dem Zimmerservice sei Dank – und hörte wie Edward das Bad verließ und wenige Sekunden später zu mir zum Tisch kam. Er trug wie ich einen Bademantel, das Haar achtlos trockener gerubbelt und in alle Richtungen stehend. Ehe er sich setzte, drückte er mir einen Kuss auf die Schläfe. Ich lächelte kauend und sah ihm dabei zu, wie er sich einen Bagel schmierte und mit Briestreifen belegte. Wenn auch mein Magen sich angenehm füllte, konnte ich mich an seinem Anblick nicht satt sehen – erst recht nicht frisch geduscht, mit feucht glänzender Haut und dem etwas dunkleren Haar.

„Was ist?“, fragte Edward glucksend und goss sich Kaffee ein.

„Nichts“, schmunzelte ich und sah ihm tief in die Augen. „Steht heute noch was an? Außer die Überraschung?“

„Nein… warum? Hast du einen Vorschlag? Ich dachte, du möchtest vielleicht deinen Kater auskurieren?“, lachte er neckend.

Ich grinste. „Wer sagt, dass ich einen habe?“, kicherte ich und ging auf seine ersten Fragen ein. „Na ja, ich würde gerne etwas kochen… für Collin und dich. Zumindest wenn du mir sagst, wo man hier irgendwo Zutaten herkriegt“, schränkte ich ein. Ich war mir nicht sicher, ob ich hier einen normalen Supermarkt gesehen hatte…

„Klar“, nickte er strahlend. „Sag’ einfach, was du brauchst.“

Ich schüttelte den Kopf. „Nein, ich gehe selbst los. Sobald Maria hier ist.“

Edward kniff fragend die Augenbrauen zusammen, sagte aber nichts und nickte nur.

„Hast du einen besonderen Wunsch?“, fragte ich nach ein paar Bissen nach.

„Nein, nun möchte ich überrascht werden“, sagte er grinsend und stand auf, um neue eine Milch aus dem Kühlschrank zu holen.

„Soso, ich weiß ja nicht mal, ob deine Überraschung gut ist“, sagte ich ihm mit dem Kopf folgend.

Edward lachte und kam von hinten zu mir, küsste meinen Kopf. „Waren sie es jemals nicht?“

Ich erwiderte sein angenehmes Lachen. „Hmmm, lass mich überlegen…“, flachste ich und zählte neckend mit den Fingern. Edward lachte wieder.

„Wenn du fertig bist, gehen wir“, sagte er dann.

„Wohin denn? Brauche ich etwas?“, wollte ich wissen und naschte von dem Käse.

„Kleidung“, grinste er. „Also meinetwegen nicht, aber wäre durchaus von Vorteil.“

Ich stand lachend auf und stellte mich hinter ihn. „Du räumst ab“, sagte ich ihm ins Ohr und küsste seine Wange, dabei kitzelte mein Haar an dieser. „Bis gleich.“
 

Ich hatte zwar keine Ahnung, was er vorhatte, aber ich glaube nicht, dass Abendgarderobe von Nöten war, weshalb ich einfach einen Pullover und eine dunkelgraue Strickjacke mit große Knopfleiste anzog. So geheimnisvoll wie er tat, war ich mir nicht mal sicher, ob wir das Hotel verließen würden.

Mir kam ein Gedanke. Stimmt. Er hatte gesagt, dass es in dem Hotel auch einiges an Freizeit- und Wellnessaktivitäten waren. War das seine Überraschung? Aber wenn wir Schwimmen gehen würde oder so was, hätte er mir doch die Kleiderwahl nicht überlassen?

Ich schmunzelte über mich selber. Das ist so typisch, Bella, redete ich mit mir selber. Wart’s einfach ab, sagte ich mir und ging aus meinem Zimmer. Edward wartete am abgeräumten Frühstückstisch und tippte auf seinem Handy herum, die Beine lang gestreckt, der Blick konzentriert. Natürlich konnte er mich hören, als ich aus dem Zimmer kam und mich hinter ihn stellte. Langsam legte ich die Arme um ihn, während er das Handy in die Hosentasche verschwinden ließ und mit seinen Händen meine Unterarme streichelte.

„Fertig?“, fragte er und hob den Kopf seitlich zu mir.

Ich nickte und näherte mich seinen Lippen, holte mir einen süßen Kuss ab.

„Dann los“, sagte er, schälte sich aus meinen Armen und nahm mich bei der Hand.

„Jacke?“, fragte ich an der Tür.

„Brauchen wir nicht“, lächelte er. Also doch! Wir blieben im Hotel.

Wir gingen zum Aufzug, fuhren ein paar Stockwerke höher und liefen den Gang entlang – er hielt die ganze Zeit meine Hand in der seinigen. Am Ende dessen war eine breite Tür mit Goldverzierungen auf dem weiß lackierten Rahmen. Edward kramte in seiner Hosentasche und holte einen Schlüssel hervor, schloss auf.

„Nach Ihnen“, sagte er mich anlächelnd, nachdem er an der Seite das Licht angemacht hatte.

Ein Saal. Ein leerer Ballsaal. Bis auf einen weißen Flügel am Ende des Saals. Ich lächelte Edward strahlend an. Er erwiderte es und küsste meinen Handrücken.

„Komm“, sagte er es einem Flüstern gleich und führte mich durch den Saal hindurch. Unsere Schritte hallten darin, während wir unter den schimmernden Kronleuchtern entlang gingen.

Edward platzierte sich mittig auf die Bank und zog mich neben sich.

„Warte“, fuhr ich dazwischen. „Darf ich?“

Edward runzelte die Stirn und kam meinem stummen Wunsch nach, indem er zur Seite rückte, sodass nun ich mittig saß. Mit verkniffenem Gesichtsausdruck versuchte ich mich zu erinnern und legte die Finger auf die Tasten, begann langsamer als normal für das Stück zu spielen. Mozart.

Edward saß geduldig neben mir und beobachtete mich. Um aufzusehen, war ich noch nicht gut genug, weshalb ich strikt herab auf meine Finger sah – und endete. Wenn auch nur nach wenigen Takten.

„Ein wenig holprig, ich weiß“, sagte ich entschuldigend zu ihm hoch. Edward hatte etwas die Stirn gerunzelt. War es so schlecht? Ich meine… er spielt grandios…

„Seit wann spielst du Klavier?“, wollte er wissen und nahm meine Hand.

Ich senkte den Blick errötend. „Damals… ich mag den Klang und… ich wollte dir nah sein, vor allem in der ersten Zeit… also habe ich ein paar Klavierstunden genommen, mir ein bisschen was angelesen“, murmelte ich.

Edwards Gesichtszüge wurden weich und er nahm die Hand von meiner Hand, bettete sie an meiner Wange und strich zärtlich über sie, bevor er mich an dieser zu sich zog und meine Lippen liebkoste.

„Ich wollte dir auch nah sein, die ganze Zeit. Aber viel blieb mir nicht. Weder Zeit, um an dich zu denken, noch Gelegenheiten“, sagte er leise. „Ich möchte das nicht noch mal erleben.“ Seine Stimme erstickte.

Ich schüttelte ganz leicht den Kopf und sah die Qual in seinen Augen. „Spielst du für mich? Mein Lied?“

„Nichts, täte ich lieber“, sagte er sanft und lächelte, nahm seinen Platz ein und begann. Ich lehnte den Kopf an seine Schulter und schloss die Augen. Jede seiner Bewegungen spürte ich an mir, untermalt von dem wunderbaren Klang des Flügels.
 

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Würde mich sehr über Kommentare freuen :)

B: Zu spät

So, bereit für das Auf und Ab ? ;D
 

Ich weiß, ich hab mir wieder Zeit gelassen... und könnte tausend Gründe anführen, Umzug, Urlaub etc... was ich aber eigentlich möchte, ist euch für eure Treue zu danken - trotz ewiger Wartezeit... *seufz*
 

Vielen vielen lieben Dank!! :)
 

Musiktipps:
 

Florence and the Machine - Breath of Life http://www.youtube.com/watch?v=J2t-vquuT7k
 

Sunrise Avenue - I don't dance

http://www.youtube.com/watch?v=nIgmSeJGGs4
 

Fun - Tonight we are young

http://www.youtube.com/watch?v=6FjpJuE32OU
 

Das Kapitel bzw. der zweite Teil dessen ist durch das Lied von Sunrise Avenue geboren. Ihr werdet später verstehen warum und dass ich eigentlich ein bisschen den Refrain verfasst habe.
 

Das Lied von Fun passt auch sehr gut zum zweiten Teil, etwas lockerer und partybezogener, nicht so auf die Dramatik fokussiert wie das Lied davor...
 

Ja, Breath of Life... passt zur zweite Hälfte meiner Meinugn gar nicht, ist aber super schön und passend für das Feeling des ersten Teils =)
 


 

Viel Spaß mit diesem vllt etwas unerwartetem Kapitel ;)
 


 

Nach dem Abstecher in dem prächtigen Saal schrieb mir Edward ein paar Straßen auf, wo ich Lebensmittelläden finden würde. Ich zog mich warm an und stiefelte los. Es war so… es war zu perfekt. Ich fühlte mich befreit, gelöst. Das Bild eines Mädchens in bonbonfarbenen Kleid hüpfend auf einer sonnenbeschienen Blumenwiese kam mir in den Sinn. Ich hätte diese Rolle nun ausgezeichnet spielen können. Seine Nähe, seine Berührungen, sein bloßer Geruch… Das alles beschwor so eine Zufriedenheit und Vertrautheit in mir herauf, dass ich es jede Sekunde spüren wollte – aber Edward brauchte auch mal Zeit mit Collin und so konnte ich ihm eine Freude machen.
 

Ich kam an einem der Lebensmittelläden an, den Edward mir notiert hatte und ging durch die Gänge. Was kochte ich denn… irgendwas kindgerecht. Lasagne vielleicht. Eine schöne Bolognese-Soße und viel Käse… Gezielt steuerte ich die Zutaten an und musste noch in einen weiteren Laden, nahm auch direkt etwas für den Nachtisch mit. Mousse au chocolat hatten wir schon mal zusammengegessen, ob er sich daran erinnerte?
 

Voller Vorfreude kam ich im Hotel an. Der Page half mir bei den Einkäufen – auch wenn ich genug Kraft für 100 Tüten gehabt hätte. Ich hörte Edward mit Collin in seinem Zimmer spielen. Dumpf erklangen die Stimmen. Es schien sich um den neuen Lego-Bauernhof zu handeln. Lächeln begab ich mich zur Seite zu der Küche und begann mit dem Entpacken, Waschen und Schneiden der Zutaten. Ich summte eine Melodie. Schlief er heute wieder bei mir? Oder ich bei ihm? Oder wir… miteinander? Ich grinste zu mir selbst und sah mich suchend nach Töpfen und Auflaufgefäßen um. Kaum reckte ich mich nach letzteren, öffnete sich hinter mir die Tür und Edward kam mit Collin auf dem Arm heraus. Strahlend schaute ich über die Schulter, doch bereits das ernste Gesicht von Edward irritierte mich, was er sagte erst recht.
 

„Kann ich dir helfen?“, wollte er nüchtern wissen.
 

„Nein, ich schaffe das schon“, meinte ich.
 

„Okay, ich bade Collin. Bis später.“ Er wandte sich ab, war gar nicht erst näher zu mir gekommen und brachte Collin ins Bad.
 

Was war das denn? Kein Kuss? Kein Lächeln? Kein nettes Wort?
 

Ich nahm die Auflaufform herunter und versuchte zu verstehen, aber es gab nichts, was sein Verhalten rechtfertigte. Bevor ich gegangen war, hatte es keinen Anlass dazu gegeben. War etwas passiert? Collin schien recht munter…
 

Grübelnd – obwohl ich eigentlich keinen Grund dazu hatte – machte ich weiter die Lasagne und nebenbei ein paar Handgriffe für den Nachtisch. Collin schien ewig zu baden, denn aus dem Bad erklangen kaum Geräusche und Edward kam nicht ein einziges Mal heraus. Bella, du darfst nicht so viel interpretieren, wies ich mich zurecht und konzentrierte mich darauf, die Soße nicht zu versalzen.
 


 

„Schmeckt’s?“, wollte ich zaghaft in Erfahrung bringen, nachdem Edward die ersten Bissen genommen und kein Ton gesagt hatte. Collin aß mit dem Löffel, traf mehr Wange und T-Shirt als Mund, aber war ganz friedlich und scheinbar auch hungrig. Ihm schien es zu schmecken.
 

„Ja, danke, sehr gut“, sagte Edward mit kurzem Blick auf mich und aß weiter.
 

Ich merke wie unangenehm mir das langsam wurde. Was hatte er? War etwas? Klar war etwas, aber was? Ich runzelte die Stirn, als er seinen Teller leerte, das Wasser austrank und Collin schweigsam beim Essen beobachtete.
 

„Alles in Ordnung?“, fragte ich dann endlich nach.
 

Edward schaute mich an. „Ja, natürlich.“ Er wischte Collin den Mund ab. Damit schien die Sache für ihn erledigt zu sein.
 

Ich legte das Besteck weg und nippte am Glas. Jetzt reichte es mir langsam. „Irgendwas ist doch… etwas bedrückt dich… bitte rede mit mir“, versuchte ich es.
 

„Es ist nichts, nur das Übliche“, murmelte er mit einem Seitenblick und fütterte Collin die Reste.
 

Das Übliche? Klar. Wer sonst?
 

„Tanya“, stellte ich fest.
 

Edward schwieg, aber sein Blick war vielsagend.
 

„Bitte sag’s mir, es ist wirklich unerträglich“, murmelte ich und schaute ihm direkt in die Augen, während er gerade aussah, aber mehr durch mich hindurch.
 

Er atmete schwer. „Ich habe mit Tanya gesprochen…“ Er warf mir einen traurigen Blick zu. „Sie will uns am Flughafen abholen. Ich habe keinen Grund gefunden, es ihr auszureden. Sie hatte bereits alle gefragt und da ich natürlich nicht gefragt habe, hat auch niemand für mich gelogen…“ Er fuhr sich zerknirscht durchs Haar.
 

„Das… das heißt?“, sagte ich schluckend. Eigentlich wusste ich es.
 

Edward blickte mich entschuldigend an. „Es tut mir so leid.“ Er zuckte mit den Schultern. „Du…“
 

„Verstehe“, sagte ich rasch. Ich wollte es nicht aus seinem Mund hören. Ich musste mich verstecken, damit Tanya mich nicht sah, damit das Spiel perfekt war. Wie lange sollte es so gehen? Wie lange würden sie solche Pläne schmieden? Und noch eine ganz andere Frage: Wie lange hielt ich das aus? Wie lange machte ich das mit?
 

„Ich rede mit ihr“, sagte er aus heiterem Himmel und musterte mich, schien meine Gedanken lesen zu können. „Aber ich denke du stimmst mir zu, dass es direkt am Flughafen wohl keine so gute Gelegenheit ist“, bat er leise.
 

Ich nickte nur – ein wenig verstimmt, wie ich mir eingestehen musste. Edward neigte den Kopf etwas und legte seine Hand auf meine.
 

„Du verdienst das nicht“, wisperte er. „Ich schwöre dir, ich kläre das mit Tanya. Früh genug. Ich möchte nur, dass sie es erst weiß und nicht davon überfahren wird. Du weißt ja, wie sie ist…“
 

Ich nickte wieder nur und Edward hob seinen Kopf. „Das Essen ist übrigens köstlich, sogar Collin ist begeistert, er hat nicht einmal gemeckert.“ Edward lächelte ehrlich und ich konnte es mir nicht verwehren, es nicht zu erwidern, während Collin munter weiteraß.
 


 

„Was machen wir heute?“, fragte ich und rollte mich von Edward herunter. Collin schlief noch in seinem Bettchen. Widerwillig ließ Edward mich los und grinste. Nachts hatte er sich in mein Bett gestohlen – und war hinterher geblieben. Ich drehte mich auf den Bauch, winkelte die Beine verspielt an und schaute zu Edward.
 

„Ich habe etwas geplant“, sagte er und hob schief die Mundwinkel. Ich liebte es…
 

„Schieß’ los“, sagte ich und beugte mich etwas zu ihm und er nutze es sofort, um mir einen Kuss auf die Lippen zu drücken. Er fuhr mit den Lippen an meinen Wangen damit fort.
 

„Ich denke“, hauchte er, „wir werden die Vorzüge des Hotels etwas auskosten…“ Mein Blick galt ihm fragend, nachdem ich den Kopf gehoben hatte.
 

„Hast du Badekleidung dabei?“, wollte er wissen. Sein Grinsen war nicht abzustellen.
 

„Wie?“ Ich zog die Augenbrauen hoch.
 

Er knabberte hingebungsvoll an meinen Lippen. „Mhmmm, keine Sorge…“
 


 

Natürlich nicht. Sorgen? Um falsche Kleidung? Bei Edward? Niemals… Natürlich war es ein Leichtes beim Hotel einen Bikini für mich zu bekommen.
 

Nach dem Frühstück packten wir ein paar Sachen für den Wellnessbereich zwei Stockwerke tiefer. Edward hatte zwei Liegestühle am Pool geordert auf denen wir uns niederließen. Sofort kam ein Bediensteter der nahegelegenen Poolbar und brachte uns eine Karaffe Wasser, zwei Cappuccino und zwei Gläser Champagner. Was eine Mischung…
 

„Ich wusste nicht, was du möchtest und ich dachte als erste Auswahl, wäre das bestimmt nicht schlecht“, erklärte Edward mir bei meiner Verwunderung und langte nach seinem Cappuccino. Collin saß neben der Liege und hatte bereits die Spieltasche entpackt.
 

„Ich gehe mich eben umziehen“, verkündete ich dann und stand auf. Edward nickte mir zu und widmete sich dann Collin – bedacht darauf, dass er nicht zu nah an den Pool kam.
 

Der Poolbereich war in einer interessanten Mischung aus Holz, weißen Polsterflächen und braun und beigefarbenen Mosaikmustern gestaltet. Der Pool erstreckte sich um eine Kurve und ließ rechts und links viel Platz für Liegen mit ordentlich Abstand – Luxus.
 

Hinter unseren Liegen befanden sich Steinsäulen, welche den Umkleide- und Duschbereich abgegrenzte und zur anderen Seite zur Bar mit Sesselgruppen führte. Den Flur weiter durch wurden verschiedene Saunabereiche ausgewiesen.
 

Zielstrebig begab ich mich in die Umkleiden und wechselte meine Alltagskleidung mit dem schwarzen schlichten Bikini. Nicht knapp, im Nacken zum zusammenzubinden und perfekt passend. Meine Kleidungsstücke verstaute ich in einem Spind und nahm mir den Bademantel, der dort drin war, heraus, schlüpfte hinein. Weich schmiegte sich der flauschige Stoff an meine Haut, er duftet frisch nach etwas blumigen.
 

Ich nahm ebenso die Handtücher darin heraus und ging zurück zu Edward, welcher mit Collin bei den Duschen neben dem Pool war. Collin quiekte vergnügt während Edward ihn mit Wasser bespritze oder ihm einen kleinen Ball zuwarf. Edward selbst, in Shirt und Shorts, wurde dabei ordentlich nass – und es stand ihm so gut. Ich ertappte mich dabei, mir auf der Lippe herumzukauen. Hastig nahm ich einen Schluck von dem recht süßlichen Champagner, als Edward und Collin Anstalten machten zurückzukommen.
 

„Lala“, kicherte Collin und tapste vor, Edward mit Ball, Spielzeug und Collins Bademantel bepackt direkt dahinter. Mit meiner Hilfe krabbelte er auf meinen Schoß.
 

„Mach’ Bella nicht so nass“, lachte Edward, während Collin versuchte es sich auf mir bequem zu machen und mein Bademantel bereits gut durchnässt war.
 

„Ach kein Problem“, sagte ich und richtete die Liegenlehne etwas auf, damit Collin besser sitzen konnte. Collin begutachtete ein wasserabweisendes Buch und zeigte mir begeistert immer wieder Seiten. Ich liebte seine Fröhlichkeit. Diese Sorglosigkeit schwappte immer wieder über. Besonders auf Edward, er war sofort ausgeglichener und ruhiger, wenn es Collin gut ging und er so munter war.
 


 

Als uns nach einer knappen halben Stunde Snacks und Süßes serviert wurden, hegte ich eher den Drang nach Bewegung.
 

„Kann ich kurz einmal in den Pool? Ich kann danach auch-“
 

„Du brauchst nicht zu fragen“, lächelte Edward auf der Liege und hatte Collin schon unter den Achseln gepackt. „Geh’ ruhig, ich kümmere mich um Collin.“
 

Ich sah kurz zu Collin und nickte. „Okay“, sagte ich leise und wurde von Edward, als ich mich umdrehen wollte, zu ihm gezogen. Langsam küsste er meine Lippen, was ein Prickeln durch meinen Körper schickte.
 

Er strich über meine Wange. „Bis gleich“, sagte er sanft, dass ich dahinschmelzen konnte. Wie schaffte er das immer wieder…?
 

„Bis gleich“, erwiderte ich nach Luft schnappend und ging zum Pool. Ich grinste mit dem Rücken zu Edward, während ich in das glänzende, hellblaue Wasser stieg. Wie Teenager, dachte ich, wie wir uns verabschiedeten. Wenn wir das jedes Mal, beim Toilettengang, beim Getränkeholen, beim Duschen, so handhabten, würden wir nur mit verabschieden und begrüßen beschäftigt sein. Mich störte es recht wenig.
 

Langsam glitt ich ins Wasser und hatte das Grinsen noch auf den Lippen. Über selbige fuhr ich leicht mit der Zungenspitze. Aber schön war es schon…
 

Ich tauchte unter, ließ das Wasser über meine Haut streicheln und holte wieder Luft. Dies tat ich ein paar Mal und genoss das herrliche Wasser bei jedem Armzug, ehe ich wieder auftauchte und meine Haare über den Kopf zurückstrich. Mein Blickfeld galt der Liege mit Edward und Collin. Er hatte sich zu Collin runtergebeugt und deutete auf mich.
 

„Guck’ mal wie schön sie ist, Kurzer. Die dunklen Augen und die nun noch dunkleren Haare vom Wasser, ist sie nicht hübsch? Und wie das Wasser an ihrer Haut abperlt…“, sagte Edward witzelnd mit gespielt ergötztem Gesicht.
 

„Edward“, mahnte ich lachend und legte die Arme am Beckenrand ab, das Kinn auf den Händen. „Erzähl’ ihm nicht so etwas, er hat auch eine schöne Mama“, flachste ich mit ihm.
 

„Ja, Collin, das stimmt“, sagte Edward mit einem breiten Grinsen. „Deine Mama ist auch ganz toll, aber schau’ dir Bella gut an.“
 

„Edward“, verdrehte ich die Augen, stützte die Arme auf den Rand und stieg aus dem Wasser. Collin knabberte an einem Keks und sah teilnahmslos durch die Gegend.
 

„Warum nicht?“, lachte er. „Er soll doch mal einen guten Frauengeschmack haben“, grinste Edward. „Damit kann man nie früh genug anfangen.“
 

Ich hüllte mich lachend in ein Handtuch und setzte mich seitlich auf die Liege neben den Beiden, strich Collin über das leicht feuchte Haar und beugte mich zu Edward.
 

„Du warst aber nicht lang im Wasser…“, grinst er zu mir, als ich seine Lippen küsste.
 

„Lang genug“, wisperte ich bereits atemlos unter den Küssen zurück.
 

„Soso“, murmelte Edward und grinste schelmisch, während Collin vor sich herbrabbelte und unentdeckt einen Keks nach dem anderen futterte.
 


 

„Der letzte Abend“, hauchte Edward mir ins Ohr, als er mich tags darauf in das Apartment zog und dann an sich.

„Leider“, murmelte ich. „Dann ist der ganze Zauber vorbei…“
 

Er sah mir tief in die Augen. „Der New Yorker vielleicht… deiner nicht.“ Meine Verlegenheit nicht kommentierend, strich er mein Haar nach hinten über das Kleid und küsste meinen Hals. Instinktiv kippte ich den Kopf ein wenig nach hinten. Zärtlich glitt er mit den Händen über den samtenen Stoff.
 

Mr. Tanners, den wir an der New York Academy of Sciences kennengelernt hatten, hatte uns eine Einladung zu einer Sponsorengala zukommen lassen, von der wir gerade kamen. Obwohl wir dort eigentlich nicht hingehörten, versicherte uns Mr. Tanners bereits zu Beginn, dass etwas junges Publikum nur bereichernd sei – und das war es auch. Für uns zumindest. Viele interessante Persönlichkeiten und Institute waren vertreten. Nicht wenige sprachen Edward, aufgrund des Namens auf seiner Brust, an. Natürlich, der Name „Cullen“ war in diesen Kreisen bekannt. Tanz, Unterhaltung, köstliche Speisen und das in einer alten Oper. Ein wahnsinniges Spektakel. Auch wenn solche Veranstaltungen eigentlich nicht zu meinen Lieblingsereignissen gehörten, konnte ich mich mit Edward an meiner Seite daran gewöhnen.
 

Sanft legte er die Lippen immer wieder an meinen Hals, küsste herab und fuhr mit dem Reißverschluss herab. Langsam schob er die breiten Träger samt BH-Träger über meine Schulter und liebkoste meine entblößten Nacken und Schulter. Ich atmete schwer, während er mir durch das Haar fuhr und dabei immer wieder an meine Kopfhaut kam.
 

„Und Collin…“
 

„… ist bei Maria. Sie bringt ihn morgen zum Flughafen. Sie fliegt ja auch zurück“, nuschelte er an meiner Haut.
 

„Okay“, murmelte ich atemlos. Ich hob die Hände an sein Gesicht, schob es an den Wangen zu mir und küsste ihn innig, ließ seine Lippen über meine streifen. Ich fühlte mich innerhalb weniger Sekunden um zehn Grad heißer.
 

Edward ließ mich aus dem Kleid und den dazugehörigen hohen Schuhen schlüpfen und hob mich kurzerhand hoch, meine Lippen noch an den seinigen klebend. Berauscht sog ich seinen Atem ein und ließ mich von ihm auf meiner Matratze betten, kaum, dass ich sein Hemd aufgeknüpft hatte und seine wunderschöne makellose Brust zum Vorschein kam. Fast schon gierig strich ich darüber, fasste in seine festen Rückenmuskeln, malte jede Wölbung nach. Edward glitt mit zarten kleinen Küssen über mein Schlüsselbein herab, sodass meine Finger nur noch an seinem Kopf verharrten. Das bronzefarbene Haar zwischen den Fingern kitzelnd. Ich lehnte mich zurück und holte tief Luft, gab mich der Lust hin… ihm… ein letztes Mal. Vorerst. Wer wusste schon, wie es dann weiterging…
 


 

Ich verstand nicht, was mich so nervös machte. Es war ganz einfach und todsicher. Edward würde zuerst mit Collin den Gepäckbereich in Richtung der Ankommenden verlassen, um Tanya zu treffen. Ich würde warten. Entweder bis er mir schrieb, falls er das konnte, oder pauschal eine halbe Stunde. Das würde reichen und es würde gut gehen, ging ich im Kopf alles durch, während wir landeten und Collin wieder sichtlich unwohl war.
 

Was befürchtete ich? Was ließ mich innerlich zittern? Ich konnte es mir nicht erklären und war froh, dass Edward mit Collin beschäftigt war, da man mir meine Sorgen auf der Stirn hätte ablesen können. Sie durfte mich einfach nicht sehen, ganz einfache Vorgabe… auch wenn es weh tat. Natürlich war es richtig, dass Edward mich nicht am Flughafen präsentierte, aber es schmerzte, nicht an seiner Seite sein zu dürfen, in dem Moment etwas Verbotenes zu sein. Niemals würde ich Edward dies erzählen, aber mir selbst musste ich das eingestehen.
 

Wir hatten den Flug über nicht viel geredet. Das lag nicht nur daran, dass Collin sehr quengelig war und nicht recht schlafen mochte – auch alles andere nicht wirklich –, sondern weil wir uns auch eigentlich nichts zu sagen hatten… und wiederum auch viel. Wie würde es sein, wenn wir in Seattle waren? Sprach er erst mit Tanya und meldet sich dann? Oder trafen wir uns vorher schon heimlich? Wie lange würde es dauern, bis er mit Tanya sprach?
 

Der Flieger setzte auf und ein paar Leute klatschten. Collin übertönte es leichthin mit Gemecker, allen Bemühungen Edwards zum Trotz. Allgemeines Gedränge, kalter Wind draußen, gemächlich rollende Gepäckbänder. Mir wurde übel, als ich meinen Koffer sah und kurz danach Edwards.
 

Ich wusste, was anstand, auch wenn es nicht für lange war. Der Zauber war vorbei, ein Abschied würde ihn endgültig aufheben – und ich trauerte dem Unbeschwerten nach.
 

„Okay“, nuschelte Edward und läutete es ein. Er hielt Collin bei der Hand, nah bei sich, und nahm mit der anderen meine.
 

„Danke“, sagte er leise und sah mir tief in die Augen. „Ich danke dir so, dass du mitgekommen bist. Wenn ich ehrlich bin, habe ich es nicht für möglich gehalten und vermutlich auch nicht gewusst, was ich sonst hätte tun sollen…“ Er küsste bedächtig meinen Handrücken. Berührt stieg die Hitze in meine Wangen, während ich den intensiven Blick erwiderte.
 

Ehe ich etwas sagen konnte, fuhr er fort. „Ich liebe dich, Bella, und möchte dich nicht noch mal aus meinem Leben reißen müssen. Ich hoffe, dass wir hier eine Zukunft haben“, wisperte er nun nur noch.
 

Gerührt stand ich einfach nur so da und musterte die innigen, flehenden Gesichtszüge. Mehr als Nicken vollbrachte ich nicht.
 

Er nickte ebenso und zog mich bei der Hand zu sich, küsste mich leidenschaftlich, legte jegliche Wärme und Zuneigung in diesen, die Hand über meinen Rücken streichend.
 

Als er von mir abließ, merkte ich, dass er über etwas nachdachte, den Mund öffnete, um etwas zu sagen, doch er ließ es. Ging es um unsere Zukunft? Die nahe Zukunft? Das eben war nichts Konkretes gewesen… aber es kam nicht.
 

Ich ertrug es nicht länger und nahm es ihm ab. „Dann bis bald“, murmelte ich. Edward nickte, flüsterte mir selbiges zu, nachdem er meine Stirn mit den Lippen berührt hatte und dann mit Collin und dem Gepäckwagen zum Gang hinaus ging. Ich blieb zurück, sank auf eine Sitzbank in unmittelbarer Nähe. Rasch blinzelte ich die Tränen weg und holte mich auf den Boden der Tatsachen zurück. Was war hier los?
 

Ich antwortete mir selbst nicht und hing meinen wirren Gedanken nach, mied die zahllosen Fragen darunter.
 


 

Die Uhr tickte quälend langsam, erreichte nach einer gefühlten Ewigkeit die halbe Stunde. Er hatte nicht geschrieben, aber das war ja absehbar gewesen, fügte ich innerlich rasch dazu, um es zu rechtfertigen.
 

Ich lief durch den Ausgang und lugte unter Vorsicht nach rechts und links – musste ich das eigentlich noch? Ich tat es zwangsläufig. Niemand da… allerdings war es recht voll…
 

Mit jedem Meter ließ ich den Blick nach rechts und links schweifen, unweigerlich nervös. Beruhig’ dich… die Wahrscheinlichkeit, dass sie noch-
 

Es stach mir ins Herz. Augenblicklich. In der Ferne hatte ich Tanya mit Collin auf dem Arm neben Edward an einem Schalter erkannt. Ich konnte nicht sehen, wo sie dort standen, welcher Schalter es war, aber Tanya lachte, umarmte Edward halb von der Seite. Sehr vertraut.
 

Tu das nicht, Bella, sieh es dir nicht an… Vernunft war in diesem Moment nicht mein Begleiter, weshalb ich stehen blieb.
 

Edward stand mit dem Rücken zu mir, trat nun zu der Frau vom Schalter vor, während Tanya Collin wippen ließ. Dieser kicherte und gluckste vor Freude. Ich schluckte schwer. Es war nicht die Situation, die mich so mitnahm, sondern das Gefühl, gerade etwas Unerwünschtes zu sein, wo es vor wenigen Stunden noch das ganze Gegenteil war… ich hatte mich so sehr an seine Nähe und die Selbstverständlichkeit dessen gewöhnt…
 

Willkommen in der Realität, Bella.
 


 

Mit den Fingern schüttelte ich das Reagenzglas etwas nach rechts, nach links, drehte es mehrmals. Die festen Teilchen in der Probe wippten in der Flüssigkeit. Zwei Wochen waren ins Land gegangen. Es war bereits eine Woche vor Weihnachten. Edward hatte sich dreimal gemeldet. Drei kurze SMS, dass er es Tanya noch nicht gesagt habe, dass es gerade schwierig war, dass er mir das später erzählen würde, dass er mich liebte. Ich hatte ihm mit kurzen Floskeln geantwortet.
 

Ich verstand es nicht. Nicht wirklich… Was war der Grund für diese kurzen Nachrichten? Er hatte einen Grund, unweigerlich, das war ersichtlich, aber warum nannte er mir diesen nicht? Ließ mich warten?
 

„Bella?“
 

Ich sah auf. „’Tschuldige“, murmelte ich rasch und nahm ihm die neuen Proben ab, die er mir schon seit einer Weile unter die Nase hielt..
 

„Alles okay bei dir?“, fragte er stirnrunzelnd.
 

„Klar, denk’ an den Punkt vier für das Ergebnisprotokoll, ach ja und die Skizze“, murmelte ich schnell und flüchtete mich in meine Arbeitswelt, die mich nur zu gerne einnehmen durfte.
 

Mitch sagte etwas, ich hörte allerdings nicht hin, und legte den Kopf etwas schief, der Blick fragend.
 

„Ist etwas mit Punkt vier?“, erkundigte ich mich dann doch.
 

„Nein, aber mit dir oder?“, erwiderte er. „Seit deinem Sonderurlaub bist du noch merkwürdiger als sonst…“ Er schmunzelte leicht, fasste sich aber wieder. Wenn das ein Versuch war, die Stimmung zu heben, war das wirklich kein Guter gewesen.
 

„Alles okay, kümmere dich um deinen Kram und denk’ an die Verschriftlichung. Mittagspause“, knurrte ich und packte meine Sachen zusammen.
 

Mitch sagte nichts mehr dazu und half mir beim zusammenräumen, begutachtete die Proben. „Der Erste ist heute morgen gestorben.“
 

Ich sah stirnrunzelnd auf.
 

„Die Salmonellenvergiftungen“, erklärte Mitch schulterzuckend.
 

„Ach so“, nickte ich. Ein Toter – Wie viele würden folgen?
 

„Das Restaurant ist zwar seit über einer Woche geschlossen, aber immer wieder melden sich noch Infizierte“, murmelte Mitch und hob den Artikel von dem Stapel Papier.
 

„Ich denke, dass noch andere Restaurants betroffen sein werden“, meinte ich. „Nur, dass es dort vielleicht nicht so flächendeckend zur Vergiftung geführt hat wie bei dem Vorstadt-Restaurant.“
 

Mitch so nachdenklich?, ging es mir durch den Kopf. Nicht nur ich war seit meinem Sonderurlaub scheinbar verändert…
 

Mr. McLiver stürzte herein. „Sachen auspacken, eure Mittagspause ist verschoben“, herrschte er uns an. „Anweisung des Labors, neue Proben sind eingetroffen, sie müssen so schnell wie möglich untersucht werden. Ein älterer Mann ist heute morgen an Salmonellen gestorben und wird gerade in der Pathologie untersucht. Ihr müsst oben aushelfen.“
 

Mitch und ich sahen uns an. Ich nickte langsam.
 

„Was steht ihr noch da? Holt die Proben!“, fauchte er und rauschte heraus.
 

„Nachtschicht, wie?“, seufzte Mitch.
 

Ich zuckte mit den Schultern. „Alle Abteilungen sind lahm gelegt, wegen Salmonellen im Winter“, sage ich kopfschüttelnd. Die Forschung stand still – oder war auf ein Mindestmaß heruntergeschraubt. Natürlich war dieser Notstand vorzuziehen, doch was war mit den Krebskranken, die auf uns hofften? In meiner Brust schlugen zwei Herzen…
 

„Na ja, wer weiß, ob nicht ursprünglich andere Bakterien schuld sind“, wandte Mitch ein.
 

„Wie auch immer, lass uns die Proben holen, bevor Liver austickt“, murmelte ich.
 


 

Nach New York hatten Mitch und ich in die Untersuchung der Salmonellen einsteigen müssen. Mitch hatte während meines Urlaubs in der Forschungsabteilung Protokollaufgaben übernommen, ehe ein Restaurant in einem Vorort von Seattle einen Tag nach meiner Ankunft geschlossen worden war. Sämtliche Gäste dort erkrankten an Salmonellen und heute war einer bereits daran gestorben. Besonders für ältere Menschen und Kinder konnte so eine Vergiftung tödlich verlaufen.
 

Gegen Nachmittag hatten Mitch und ich endlich Luft für die Mittagpause. Kaum ließ ich die Arbeit hinter mir, sehnte ich mich wieder nach Edward. Jede Mittagspause verbrachte ich in der Bibliothek oder der Mensa – darauf hoffend ihn zu sehen. Nichts. Ich hatte ihn nicht einmal in der Uni gesehen. Nicht morgens, als ich kam, nicht mittags in der Pause, nicht wenn ich ging. Vielleicht jetzt?
 

Ich holte in der Bibliothek ein paar Kopien ab und stiefelte dann ziemlich hungrig in Richtung Mensa. Auf dem Weg dorthin erkannte ich die neue Plakatierung: Das Semesterabschlusskonzert der Musikfakultät… Edwards Name prangte nicht unwesentlich darauf. Unwillkürlich war ich stehen geblieben und erinnerte mich daran zurück, wie ich damals das Mädchen, welches die Plakate aufgehängt hatte, nach ihm gefragt hatte. Ich hatte damals noch keine Ahnung, dass…
 

„Es ist alles gut! Es ist alles gut!“
 

Laut drang es vom anderen Ende des Flurs. Ich wandte mich der vertraute Stimme zu. Ohne Zweifel fiepte Tanya dies den Tränen nahe. Sie schlang herzzerreißend die Arme um Edwards Hals. Ein dumpfer Schlag grub sich in meine Magengegend. Edward stand fast seitlich, Tanya nahezu gänzlich mit dem Rücken zu mir.
 

„Ist gut… schhh“, machte Edward tröstend. Er streichelte über ihr Haar, herab zu ihrem Rücken. Mein Hals war trocken, der Schmerz brannte sich von der Magengegend herauf in mein Innerstes.
 

Tanya schluchzte nickend. „Ich bin so froh“, keuchte sie unter Tränen. Es schien alles vor meinen Augen zu verschwimmen. Sie fasste ihn unwirsch am Kopf und presste ihre Lippen auf seine. Er ließ es zu… er ließ es tatsächlich zu. Tanya drückte sich an ihn, schluchzte immer wieder. Ich zog geräuschvoll Luft ein, es kam mir vor, als wäre es der Erste seit Stunden gewesen.
 

Das… das konnte nicht sein… Hier? In der Uni? Vor allen?
 

„Beruhig’ dich“, sagte er sanft und schob sie leicht zurück, neigte sich herab, um ihr in die Augen zu sehen. „Es ist alles überstanden, mach’ dir keine Sorgen. Mein Vater kümmert sich…“
 

Was tat er da? Leere Worte… alles, hallte es in mir und die Bilder von vor zwei Wochen flackerten vor meinem inneren Auge. Jedes Wort, jede Berührung, erlogen. Er tat mit Tanya nichts anderes… Mein Mund war trocken. Scharf ritzte sich dieses Bilder in mein Innerstes. So fest, so urplötzlich.
 

Sie nickte wimmernd. Er küsste ihre Stirn und blickte über sie hinweg – direkt in meine Augen. Ich sah, wie sie sich seine weiteten und er sich etwas von ihr löste.
 

Das reicht. Das war zu viel. Ich drehte mich um, ging festen, aber sehr schnellen, Schrittes um die Ecke. Nein… nein, das darf nicht…
 

Reiß’ dich zusammen, Bella, feuerte ich mich an, als ich drohte in Tränen auszubrechen. Er ist es nicht wert, er tut dir nie wieder weh. Lass es nicht an dich heran kommen… New York war eine einzige Lüge… die ganze Zeit. Er wollte es Tanya niemals sagen…
 

„Bella! Bella verdammt! Warte doch!“
 

Sein Schreien glitt mir durch Mark und Bein. Nein, nein, niemals mehr warte ich auf dich. Ich biss mir von innen auf die Unterlippen, um mein Schluchzen zu unterdrücken, die Tränen zu unterbinden und begann zu rennen. Edward holte mich ein und brachte mich mit einer Hand an meiner Schulter zum Stehen.
 

„Fass mich nicht an!“, schrie ich ihn an.
 

„Warte, warte, bitte“, keuchte er vom Rennen und stellte sich direkt vor mich, mich an den Schultern haltend.
 

„Fass’ mich nicht an, Edward Cullen“, kreischte ich wieder und sah ihn mit undurchdringlichem Blick an.
 

„Hör zu“, sagte er schluckend. „Nur einen Augenblick, ich kann-“
 

„Ich will nichts hören, lass mich vorbei“, fiel ich ihm mit bebender Stimme ins Wort.
 

„Bella, ich-“
 

„Wag’ es nie, nie wieder, mich auch nur einmal anzusprechen. Du bist für mich gestorben, Edward Cullen“, zischte ich betont langsam und lief an ihm vorbei. Nur meine Tränen verrieten mich. Unaufhaltsam – Willenskraft hin oder her – glitten sie über meine Wangen.
 

Diesmal rannte ich um mein Leben. Durch sämtliche Türen, direkt in unser Labor. Natürlich war Mitch noch nicht da, es waren noch zwanzig Minuten der Mittagspause übrig, aber mein Hunger war gänzlich vergangen. Ich war von mir selbst überrascht, wie gefasst ich war – weil ich es geahnt hatte? Weil es wusste? Schon in New York? Und erst recht nach den schwammigen SMS?
 

Ich stand über die Versuchsanrichte gelehnt und kontrollierte meinen Atem. Wut. Wut durchströmte mich. Wut auf mich selbst, dass ich mich ihm noch mal hingegeben und auf ihn eingelassen hatte. Er hatte eine Familie, natürlich würde das nie funktionieren. Das war eine Woche Spaß für ihn, auf meine Kosten.
 

Ehe ich mich versah, landete das Messglas in tausend Teilen auf den Boden. Es ließ mich aufschrecken. Ich hatte gar nicht wirklich gemerkt, dass ich es heruntergestoßen hatte. Innerlich immer noch geladen, ging ich zum anderen Ende des Raumes ein Kehrblech holen. Mit dem Ärmel strich ich die stummen Tränen weg und fokussierte meine Gedanken auf die Arbeit, auf gerade diese einfache Tätigkeit. Hat Liver wieder was zu meckern, grummelte ich in Gedanken und fegte mühsam die vielen kleinen Scherben auf.
 


 

Ich funktionierte, verwendete meine überschüssige Energie auf den Versuchsaufbau für die Proben, wies mich immer zurecht, mich doch zu konzentrieren. In mir war nur Chaos, erdrückt von der Leere, die ich aufzubauen versuchte. Einfach nicht daran denken, weiter machen, als wäre nichts gewesen.
 

„Huch? Du bist schon hier?“, nuschelte Mitch überrascht als er mit Cola und Schokobrötchen ins Labor kam.
 

„Hier wird nicht gegessen“, fauchte ich ohne ihn anzusehen.
 

„Jaja, schon gut, ich steck’s ja weg“, sagte Mitch schnell mit erhobenen Händen.
 

Ich kontrollierte weiter die Apparatur. Er kann nichts dafür, Bella. Er hatte sich dir gegenüber in den letzten Wochen sehr korrekt verhalten, jetzt lass es nicht an ihm aus, sagte ich mir und atmete durch. Ja, es stimmte ja…
 

Schweigend las Mitch die Versuchsanweisungen und begann neben mir damit. Später assistierte wie zuvor auch. Wir redeten das Nötigste. Oder besser gesagt: Ich redete, diktierte ihm, was er aufzuschreiben hatte oder wo er was messen sollte.
 

„Bella?“
 

„Hm?“, machte ich auf das Reagenzglas schauend. „Negativ“, nuschelte ich. Mitch notierte.
 

„Wie wär’s… heute Abend? Studentenparty?“ Die Vorsicht in seiner Stimme war hörbar – aber auch die Belustigung darüber, dass er das mehrmals die Woche seit Monaten fragte und bislang nie erfolgreich war.
 

„Morgen ist Arbeit“, sagte ich schlicht. Auch heute würde er keinen Erfolg haben.
 

„Jap“, sagte er und ich sah ihn im Augenwinkel lächeln.
 

„Ähm… tut mir leid aber wie du schon festgestellt hast, bin ich nicht so der… ‚Feier-Typ…“, grummelte ich mit scharfem Unterton und blickte auf den Versuchsaufbau nieder.
 

Er lachte leise. „Dann sag mir doch mal was für ein Typ du bist“, kicherte er. Ich sah kurz auf und hoffte, dass er nicht ernsthaft eine Antwort erwartete.
 

„C’mon“, grinste er und schien wieder aufzutauen. Er stupste mir an die Schulter. „Let’s have some fun!“, sprang er um mich herum. „Es macht mit umso mehr Leuten, umso mehr Spaß“, plapperte er überredend weiter.
 

„Nein, du… ich denke, ich gehe heute mal früh schlafen. Morgen haben wir noch viel zu tun“, sagte ich auf die Flüssigkeit vor mir fokussiert und nun eher geknickt als wütend. Ich verstand mich selbst nicht mehr, dieses Bild von eben-
 

„Ach Belli komm, schlafen kannst du noch, wenn du tot bist, heute-“ Er bemerkte meinen kühlen Blick, während ich die Sachen zusammenräumte und räusperte sich kurz. „Ich- du weißt- also das war nicht so gemeint… ich weiß ja… also…“
 

So rumdrucksend und kleinlaut gefiel er mir besser, dachte ich und nahm sein Protokoll. „Das beendet du und baust ab. Ich hab den Aufbau gemacht.“ Ich legte Chemiebrille und Kittel ab und schwang meine Tasche über die Schulter.
 

„Wir sehen uns morgen früh, nüchtern, erholt und konzentriert“, betonte ich streng und verließ den Raum.
 

Ich hatte nicht bemerkt wie schnell mein Atem ging und verlangsamte meine Schritte, setzte mich letztlich auf die Heizung im Flur. Entfernt vernahm ich das Klirren im Labor, wo Mitch wegräumte. Irgendetwas musste stoppen. Entweder das Drehen in meinem Kopf oder in meinem Herzen. In Sekundenbruchteilen setzte ich mich auf den Boden und lehnte mich an die Heizung. Ich hatte nicht mal eine Ahnung, wie spät es war. Dass es draußen dunkel war, half mir zu dieser Jahreszeit nicht.
 

Ich wollte einfach nur hier sitzen, üben zu vergessen und keinen Finger rühren. Mir fehlte die Kraft – doch ich ließ die ganze Wut und Angst und Sehnsucht nicht über mich kommen.
 

Schritte kamen näher, ich sah auf. Mitch stand vor mir, runzelte die Stirn. Wie sah ich wohl aus?, schoss es mir durch den Kopf.
 

„Bella?“, fragte er nach kurzer Stille.
 

Eine Erklärung. Jetzt.
 

„Ich komme mit“, sagte ich kurzerhand. Warum auch nicht? Ich hatte nichts mehr zu verlieren, weder heute noch in Zukunft. Eigentlich war es sogar eine richtige gute Idee. Ich rappelte mich auf. Was dachte ich da? War ich völlig bescheuert!?
 

„Ernsthaft?“, fragte Mitch mindestens so überrascht wie ich selbst. Die Skepsis war ihm ins Gesicht geschrieben.
 

„Ja“, überredete ich gerade nicht nur ihn. „Aber ich habe nichts zum Anziehen“, fügte ich schnell hinzu. Bella, Bella, Bella… suchst du gerade Ausreden? Was ist hier los? Was ist das für ein Chaos in mir…
 

„Kein Problem“, sagte Mitch leichthin. „Meine Nachbarin kann dir bestimmt was geben, die kommt auch mit. Wir treffen uns gleich bei einem Kumpel von mir… also… wollen wir dann?“ Er war immer noch nicht überzeugt.
 

„Okay“, nickte ich.
 


 

Bevor wir zu seinem Kumpel fuhren – dass Mitch ein Auto hatte, wusste ich gar nicht – stoppten wir in einer kleinen Siedlung direkt vor dem Zentrum und Mitch stellte mich bei Liza ab. Liza war drei Jahre älter als ich und promovierte in Sprachwissenschaften. Ich ließ sie einfach machen, gab ausnahmsweise mal die Zügel aus der Hand und fand mich hinterher in einem Jeansrock mit einem ärmellosen schwarzen Shirt wieder, ein silberner Aufdruck darauf. Kälteangepasst mit schwarzer Strumpfhose und ein paar einfachen, etwas höheren schwarzen Schuhen. Gott, was tat ich hier?
 

Wir verstauten meine Sachen noch bei Mitch und fuhren dann, diesmal mit der Bahn, zu Nick, Mitchs Kumpel. Alles lief vor meinen Augen ab wie ein Film. Tat ich hier das Richtige? Aber war das überhaupt die Situation, wo ich richtig oder falsch handeln konnte? Allenfalls tat es gerade gut, so viel Ablenkung zu haben. Mitch und Liza redeten die ganze Zeit. Ich hörte mal hin, mal nicht, ließ mich treiben – wenn auch nicht in die verbotene Richtung.
 

„Wo findet die Party statt?“, wollte ich wissen, als wir an einem Studentenwohnheim ausstiegen, gar nicht weit von meinem damals.
 

„In einer Bar auf dem Campus“, antwortet Liza mir. „Hier gleich um die Ecke, aber wir gehen erst noch zu Nick vorglühen.“ Liza grinste mir keck zu. Sie war unglaublich hübsch für meinen Geschmack. Lange Beine, ein strahlendes Lächeln und glatte rötliche Haare mit Pony. Ihr braun-silberfarbenes Outfit unterstrich ihre makellose lange Silhouette.
 

Mitch und ich folgten Liza die Treppen hoch zu Nicks Wohnung. Von der Seite stupste Mitch mich am Arm leicht an.
 

„Alles okay?“, fragte er leise in mein Ohr. Ich sah auf und nickte.
 

„Wenn du gehen willst, sag mir Bescheid. Ich bringe dich dann nach Hause oder lasse dir ein Taxi kommen“, bot er hilfsbereit an.
 

Ich musterte die dunklen, aber irgendwie besorgt aussehenden, Augen. Wie wirkte ich gerade?, musste ich mich unweigerlich fragen. Ein Lächeln antwortete ihm, als wir die Wohnung, die sich als WG herausstellte, betraten. Es war schon gut etwas los. Besagter Nick – ein Schönling der Extraklasse – hatte grob gezählt fünfzehn Freunde in dem geräumigen Wohnzimmer versammelt. Ich hielt mich an Mitch, der mir ohne Weiteres ein Bier in die Hand drückte. Es war total locker. Ein paar fragten nach meinem Namen, was ich so machte, ein paar auch nicht. Liza hatte sich direkt zu ein paar Freunden gesellt, während Mitch und ich bei Nick und seiner Freundin, sah zumindest für mich so aus, und zwei anderen saßen.
 

Vergessen… es tat so gut – auch wenn ich Bier noch nie gemocht hatte, davon aber noch öfter kosten durfte, nachdem die Trinkspiele ausgepackt wurden.
 

„Du bist ja ein richtiger Glückpilz“, lachte Mitch und legte locker den Arm um mich, was sich etwas komisch anfühlte. Aber komisch war ja nicht direkt schlecht…
 

„Ja, wenn du aus einem Trinkspiel mit möglichst viel Blutalkohol kommen willst, dann bin ich ein riesiger Glückspilz“, kicherte ich.
 

„Das ist doch der Sinn“, grinste er und mischte mit einer Hand Wodka und Cola, dessen Glas er mir reichte.
 

„Danke“, sagte ich und Nick war bereits mit Milla, so hieß seine Freundin oder Bekanntschaft oder was auch immer, beschäftigt, sodass mittlerweile nur noch Mitch und ich spielten. Die beiden anderen hatten sich irgendwohin verzogen.
 

„Unglaublich wie gechillt du sein kannst“, neckte Mitch mich und reichte mir den Würfel.
 

„Unglaublich wie gewissenhaft du sein kannst, du achtest ja peinlich genau auf meinen Alkoholkonsum“, gab ich giggelnd zurück.
 

„Klar doch“, grinste er. „Prost.“ Ich lachte und nippte an dem Gemischten. Das hier war nicht meine Welt, doch für heute Nacht würde sie es werden. Wenn auch nur für diesen Moment, war ich mir sicher.
 


 

Mitternacht war gerade durch, als wir zu der Bar aufbrachen. Von weitem sah und hörte man den Bass bereits hämmern. Mitch hatte den Arm nun nicht mehr über meinen Schultern, wich aber nicht von meiner Seite, was ich ohne es leugnen zu können genoss. Die Bar war verraucht, überhitzt und hatte eine zweite Ebene, von der man nach unten schauen konnte. Es war völlig überfüllt und eine Traube Personen war vor und um die Bar herum. Mitch zog mich am Handgelenk herein und steuerte die Bar an. Er wollte weitertrinken? Noch mehr? Oje, kommentierte mein Innerstes, schließlich hatte ich schon ordentlich Alkohol intus.
 

Allerdings war dem nicht so. Er teilte dem Barkeeper irgendetwas mit und drehte sich dann zu mir um. Erwartungsvoll lächelte ich zu ihm hoch. Er beugte sich herab und schrie in mein Ohr, dass wir kurz hier bleiben und dann woanders hingehen würden. Ich kniff die Augen fragend zusammen. Wie? Wir waren gerade erst gekommen? Wo wollte er um diese Uhrzeit denn jetzt noch hin?
 

Er beließ es bei dieser Information und nahm mich diesmal bei der Hand, um mich zur Tanzfläche zu führen. Ich sträubte mich etwas – aber nicht wirklich ernsthaft. Mitch blickte nach hinten zu mir und lächelte, zog mich an seiner schwitzigen, mir glühend vorkommenden Hand zu sich ran. Augenblicklich ließ er mich los, hob die Arme und tanzte zu dem durchdringenden Rhythmus des Liedes. Ich lachte auf und merkte, dass meine Generierung verflogen war und ich mich zu dem Beat an ihm bewegte. Mitch legte augenblicklich die Hände auf meine Hüfte und schwang sie mit meinen Bewegungen mit. Ich lächelte ihm zu und legte ab und an die Hände auf seine Oberarme. Mit Bedacht aber fordernd strich Mitch meine Hände hoch zu seinem Hals, sodass ich sie in seinem Nacken verweilen ließ. Die Hitze auf der engen Tanzfläche war unerträglich, Mitchs Nacken feucht vom Schweiß. Mit den Fingern tastete ich etwas über seinen Haaransatz. Mitch lächelte mich an und hob an einer Seite seine Hand. Quälend langsam strich er von meinem Ellenbogen herab, meine Achsel seitlich entlang zu meiner Hüfte zurück. Ich spürte die Spur heftigen Kribbelns nach und nach verenden. Atemlos und auch etwas überrascht davon blickte ich Mitch an, ehe ich ins Kichern verfiel und Mitch es mir gleich tat. An seiner Hand ließ er mich mehrmals im Kreis drehen. Lachend fiel ich ihm wieder in die Arme. Ich bemerkte es nur aus dem Augenwinkel, ehe ich einen Blick zur Seite wendete. Zwei Männer gingen die Treppe herunter von der zweiten Ebene. Mir stockte der Atem.
 

Was um Himmels Willen machten Emmett und- und- Mein kleines Kartenhaus brach zusammen. Edward. Hier. Es schnürte mir die Luft ab, ließ mich schwindeln, während ich mich mit der Hand in Mitchs Oberteil krallte. Mitch bewegte sich weiter an mir und nahm keine Notiz an meiner Ablenkung.
 

In diesem Moment fing Edward, noch auf den Stufen, meinen Blick auf. Eisig, nichtssagend, fest. Ich stand unbeweglich da, rührte mich nicht. Edward sank in der Menge ab. Nach einer gefühlten Ewigkeit schnappte ich wieder nach Luft, merkte wie die Bar vor meinen Augen hin und her rüttelte. Er war hier… dieses widerwärtige- dieser- Was tat er hier… Meine Oberarme schmerzten etwas. Bilder von Tanya und ihm schäumten in mir hoch. Ich vernahm wie meine Lippen bebten – vor Entrüstung, Trauer, Entsetzen.
 

„Bella!“, schrie Mitch mir nun laut ins Ohr, während ich mich die ganze Zeit an ihm festhielt. Ich wandte den Kopf zu ihm. Er sah mir in die Augen und bugsierte mich in der nächsten Sekunde aus der Menge, aus der Bar hinaus, schob mich vor sich durch die vielen Leute draußen.
 

„Alles in Ordnung mit dir? Ist dir schlecht?“, wollte er sofort mit großen Augen wissen.
 

„Ja“, sagte ich zu beidem, wissend, dass er es nicht so verstehen würde.
 

Er riss die Augen auf. „Musst du-?“
 

Ich schüttelte sofort den Kopf. Mir war schlecht, mir war speiübel, aber es hatte nichts mit dem Alkohol zu tun.
 

Mitch redete auf mich ein oder fragte irgendetwas, doch ich sah zurück, hinter mich. Wo waren sie? Aber sie waren da gewesen, definitiv… wie konnte er… er ging feiern, als wäre nichts gewesen…
 

Leicht öffnete ich den Mund, spürte die Tränen meine Wangen herunterlaufen, meine Hände zitterten aneinander.
 

„Bella, hey“, murmelte Mitch und nahm mein Gesicht in seine Hände, um mich zu sich zu drehen. „Was. Ist. Los“, formulierte er ganz langsam. „Sprich mit mir.“ Ich beobachtete genau, dass sich seine Pupillen bei meinem Anblick einen Hauch verengten.
 

Es ging nicht mehr. Es ging einfach nicht mehr. Ich schob seine Hände weg und glitt die Hocke. Schob weinend die Hände vor mein Gesicht und ließ meiner Verletzung freien Lauf. Er hatte sie geküsst, gestreichelt…
 

Mitch war zu mir heruntergekommen, die Hände auf- und abgleitend an meinen Armen. „Alles okay…“, wisperte er und ich merkte seine Irritation in seinen Worten. Natürlich. Ich verstand das alles ja auch nicht, gar nichts.
 

„Du hast ein bisschen viel getrunken“, sagte er leise und hob mich etwas am Arm. „Komm, wir gehen da um die Ecke…“
 

Es überschwemmte mich alles. Ich ließ mich von ihm packen und hinter die Örtlichkeit bringen. Meinem bitterlichen Weinen gebot ich keinen Einhalt, dafür war der beißende Schmerz in meiner Brust zu groß.
 

Mitch setzte mich mit den Worten „Warte kurz“ an die Wand neben den Hintereingang. Ich nahm gar nicht richtig wahr, dass er ging und wiederkam. Es war alles so durcheinander, so unwirklich, meine Gefühle- ja wie waren sie? Ich hatte nicht mal mehr das Vermögen, sie zu beschreiben.
 

„Hier, trink“, sagte er, reichte mir einen Becher Wasser, wie ich dann feststellte und hielt mir ebenfalls meine Jacke hin. Meine Hand zitterte daran.
 

„Was ist los?“, fragte Mitch ganz leise, als frage er sich selber und sah mich unentwegt an.
 

„Er ist… er ist einfach… er spielt mit mir und betrügt mich. Er verheimlicht es nicht einmal“, schluchzte ich heftig. „Will er mich zur Schau stellen? Vor den anderen? Warum belügt er mich erst und geht dann doch nur wieder zu ihr? Er liebt mich und er will mich in seinem Leben und es ging ihm damals so schlecht“, sprudelte es ungehalten, wenn auch stockend, aus mir heraus. „Alles nur Gerede, leere Versprechungen. Er lässt mich einfach fallen und ich dachte ich kenne ihn! Ich dachte ich weiß, wer er ist, wie er tickt, aber nichts! Einfach nur nichts! Ich will das alles nicht mehr, ich kann das alles nicht mehr, ich muss hier weg…“
 

Mitch nahm das wörtlich, auch wenn ich mir nicht sicher war, ob er verstanden hatte, wie das eigentlich meinte, und zog mich hoch. Ich taumelte leicht.
 

„Komm, wir gehen“, sagte er und zog mich stützend an sich.
 

„Ich will nach Hause“, schluchzte ich an ihm.
 

„Wir müssen erstmal zu mir, deine Sachen sind noch alle dort“, erklärte Mitch mir ruhig. „Vielleicht ist es auch eine schlechte Idee, wenn ich dich nach Hause bringe“, murmelte er mehr zu sich, während ich einfach nur weinte. Mein Kopf war so voll und leer, gab Mitch die volle Verantwortung über mich in seine Hände, der gerade telefonierte und uns ein Taxi rief. Mir war wirklich übel, sehr übel. Es drückte fest auf meine Brust – wie so vieles.
 


 

„Setz’ dich, hier“, murmelte Mitch und reichte mir eine angebrochene Wasserflasche, nachdem er mich auf die Couch in seiner Wohnung gesetzt hatte. „Geht’s etwas besser? Du kannst gerne weiter reden, wenn du möchtest“, bot er an. „Oder auch nicht, wie du willst.“ Er saß neben mir und schaute mich an, strich in langsamen Bewegungen an meinem Rücken auf und ab, während ich nach vorne gebeugt die Wasserflasche hielt und mit schmerzendem Gesicht immer noch Tränen hervor presste.
 

„Geht’s um diesen… ähm… Cullen?“, wollte Mitch nach kurzem Überlegen wissen. Ich schluchzte auf und verzerrte das Gesicht.
 

„Hey…“, sagte er leise und zog mich an sich, umarmte mich fest. „Geht es um deinen Urlaub… Warst du mit ihm weg? Hattet ihr da Streit?“
 

Ich sah an seine Brust gelehnt hoch zu ihm – den kurzen Anflug von Verlegenheit, wer weiß, wie ich aussah, erdrückte ich.
 

„Nein, nein, das ist es ja“, wimmerte ich. „Ich verstehe es alles nicht, aber es ist so klar.“ Der Widerspruch war so deutlich, aber es lag einfach auf der Hand. Was ich wollte und was ich gesehen hatte, war nicht dasselbe. Ich hatte diesen Edward sehen wollen, den es gar nicht so gab.
 

„Ist schon okay“, sagte Mitch leise und streichelte meine Wangen mit den Daumen. „Du kannst hier auf der Couch übernachten. Mach’ dir keine Gedanken – und trink’“, fügte er hinzu.
 

Ich schaute mit verschwommenen Blick in seine Augen und dem Hauch von einem Lächeln auf den Lippen. Er war einfach da, zur richtigen Zeit. Ich achtete nicht darauf, wer den ersten Schritt machte, begann, Signale setze, sondern spürte nur Bruchteile einer Sekunde später, seine warmen Lippen auf meinen. Im selben Moment schlang ich die Arme um seinen Rücken und drückte mich an ihn. Seine Hände fuhren durch mein Haar, streichelten meine Kopfhaut nahe dem Nacken. Schwer atmete ich ein und aus, schnappte nach seinen Lippen und merkte seinen Oberkörper an meinem, genauso verschwitzt wie meiner. Mitch warf mir ein paar kurze Blicke zu, dessen Botschaft sich einfach lesen ließ. Die Antwort war „Ja“. Ich hatte nichts zu verlieren und ich wollte.
 


 

Dem Vorhaben, es einfach laufen zu lassen und nicht zu denken, gab ich mich hin, verfiel dem. Ein zweites Mal in den letzten Stunden bereits – mit der Erfahrung, dass es danach meist schlimmer war, als vorher. Doch der Drang die Gedanken loszuwerden, war stärker, viel stärker.
 

Blinzelnd fand ich mich nach ein paar spärlichen Stunden Schlaf auf einem breiten Bett wieder, die dünne dunkle Decke um mich geschlungen, der Rücken frei, kalt. Das Zimmer war von der Sonne erhellt. Ich hob ein wenig den Kopf und wandte ihn zur Seite. Mitch nackt neben mir – genauso wie ich.
 

Ich stütze mich auf den Armen auf und starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an, den stechenden Kopfschmerz ignorierend. Scheiße. Mehr prangte nicht in meinen Gedanken, während ich das Kissen vor mir mit Blicken durchstach. Natürlich war mir sofort klar, warum wir hier lagen, was auf der Arbeit passiert war und seit dem. Ich hatte… Oh. Aber es war doch okay… oder?
 

„Guten Morgen“, wisperte Mitch und strich mit den Fingerkuppen kurz über meine Schulter.
 

Ich sah zur Seite. „Guten Morgen.“ Mitch lächelte mich ungewohnt scheu für ihn an, ich erwiderte es.
 

„Geht’s dir besser?“, wollte er wissen und drehte sich auf die Seite, schob den Arm unter seinen Kopf.
 

„Bis auf den Kopfschmerz und die Erkenntnis… ja, schon“, nuschelte ich.
 

Mitch nickte und wusste was ich meinte. Ich senkte den Blick wieder vor mich. Was eine skurrile Situation. Und ich wusste nicht mal richtig, was ich dazu denken sollte.
 

„Also, gestern… also wir-“ Ich schreckte hoch, als ich gerade Worte für das suchte, was gestern und insbesondere vor wenigen Stunden passiert war. „Mitch!!“, schrie ich ihn laut an und setzte mich auf, die Decke um mich. Mitch zuckte sichtlich zusammen. „Haben wir verhütet?!“
 

Er riss die Augen auf. „N-Nein, ich nicht… also wir nicht, aber ich dachte du-“ Ich bemerkte wie er sichtlich schluckte. „Du hast nichts gesagt!“, verteidigte er sich sofort und saß nun auch schlagartig auf.
 

„Na, wie auch?!“, sagte ich wieder laut, gar hysterisch. „Mitch, ich- und wir müssen zur Arbeit!!“, strömte nun alles auf mich ein, als die laut tickende Wanduhr kurz nach zehn anzeigte. Ich sprang auf und rannte mit der Decke um mich aus dem Zimmer.
 

„Bella! Warte!“, hörte ich Mitch noch, aber ich wartete nicht.
 

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Ich freue mich tierisch über Kommentare :) Bin schon ganz gespannt :)

A: Unbehagen

Das vorletzte Kapitel!!!!! :)

Es ist ein klitzekleines bisschen kürzer als sonst bei mir, aber dafür ist das nächste mega lang :D :)

Danke für eure unbändige Geduld!!!! :)
 

Musiktipps:

Florence and the Machine - Never let me go http://www.youtube.com/watch?v=bNKbeV3wM84

Maxim - Meine Soldaten http://www.youtube.com/watch?v=n9H3eET2ZfE
 

letzteres vor allem beim letzten Stück von Edward, also der 2. Teil aus seiner Sicht... das von FATM finde ich soooo schön und passt so perfekt :)
 

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Edward
 

„Oh Schätzchen, ich hab dich so vermisst“, murmelte Tanya zum gefühlt zehnten Mal und kuschelte Collin wieder eng an sich, während wir in der Schlange warteten.

„Das dauert doch viel zu lange“, sagte ich ungeduldig und schaute nach vorne. „Am besten wir klären das morgen…“

„Nein, man muss das sofort machen, morgen ist der dann weg oder die müssen ewig suchen“, seufzte Tanya, lächelte aber sofort wieder Collin an und tätschelte seinen Kopf.

An den blöden Kinderwagen hatte ich gar nicht mehr gedacht. Wenn ich mit Bella und Collin unterwegs war, hatten wir den nicht gebraucht, nur das Kindermädchen hatte ihn ab und an benutzt – und natürlich wollte Tanya ihn sofort abholen. Maria war schon weg.

„Hast du denn schöne Sachen gesehen? Auch die große Statue?“, fragte sie Collin, der den Flughafen um sich gerade viel spannender fand. Tanya sah daher zu mir auf und forderte mich so auf, zu erzählen. Nach Smalltalk war mir gar nicht. Bella müsste gleich losgehen, hoffentlich sah sie uns nicht bzw. hoffentlich bemerkte Tanya sie nicht. Ich hatte diesen blöden Kinderwagen einfach vergessen… seufzte ich innerlich. Vielleicht war ein Gespräch dann nicht die schlechteste Idee… also begann ich ihr ein paar Fantasiegeschichten zu erzählen. Bella entdeckte ich nicht und ich bekam auch nicht mit, dass Tanya es tat.
 

Wir verstauten die vielen Gepäckstücke in dem großen Van von Tanyas Familie. Meine Gedanken drehten sich im Kreis, gespickt von dem ganzen Alltag, der diese Auszeit in weite Ferne rückte. Mein Herz war immer noch da, wo es hingehörte – bei Bella.

„Lass uns doch noch etwas essen gehen“, schlug Tanya vor, nachdem sie Collin angeschnallt hatte und mit mir vor dem Auto stand.

Noch mehr Zeit mit ihr?? Ich fürchtete nur, dass ich ihr dies zugestehen musste und Hunger hatte ich auch… Kaum hatte ich genickt, schlang sie die Arme um mich und küsste meine Wange.

„Ihr habt mir so gefehlt. Es ist schön, dass ihr eine tolle Zeit hattet, aber ich freue mich auch, dass ihr Zwei wieder da seid. Ihr seid die Wichtigsten in meinem Leben“, gestand sie immer leiser werdend und senkte die Lippen auf meine. Ich erwiderte den Kuss kurz und lächelte so gut ich konnte. Ablenken, dachte ich.

„Mein Magen knurrt ganz schön. Wo möchtest du denn hinfahren?“, fragte ich gespielt interessiert.

„Das am Stadtrand, das ist doch nett. Meine Eltern sind da immer, ich war da auch mal. Ich habe vorsorglich mal reserviert“, grinste sie und küsste meine Wange noch mal.

„Soso“, lächelte ich etwas, „dann sollten wir los.“ Möglichst unauffällig löste ich mich von ihr und nahm auf dem Beifahrersitz Platz. Die Abreise kam mir vor wie eine Ewigkeit…
 

Leise schlich ich aus meinem Zimmer und schloss die Tür.

„Schläft sie?“, wisperte meine Mutter, die mir gerade mit einem Tablett in den Händen auf dem Flur entgegen kam.

Ich nickte, sie tat es mir gleich und ging eben diesen Flur wieder zurück. In der Küche stellte sie alles ab und wandte sich dann zu mir.

„Er wird gut versorgt. Es ist wichtig, dass du jetzt für Tanya da bist. In ihren Augen kannst nur du nachfühlen, was sie empfindet“, sagte meine Mutter zu mir, während ich mich setzte und den Kopf aufstützte. Sie legte die Hand auf meine Schulter und stellte sich zu mir.

„Warum er? Warum nicht Tanya oder ich? Es war dasselbe Essen… Er ist noch ein Kind!“, sagte ich verzweifelt. Ich verstand es einfach nicht…

„Mach’ dir keine Vorwürfe“, sagte meine Mutter leise. „Niemand konnte es wissen, hörst du. In einem anderen Restaurant wäre es vielleicht auch passiert oder etwas anderes oder oder oder. Wichtig ist, dass ihr Zwei euch jetzt stützt und für den Kleinen stark seid.“

Ja, ja sie hatte ja recht, aber es ging hier verdammt noch mal nicht um einen Schnupfen! Wenn ihm etwas passierte, würde ich mir das nie verzeihen können…

„Ich fahre ins Krankenhaus. Hat Dad noch mal angerufen?“, wollte ich wissen und stand langsam auf.

„Edward, du solltest dich ausruhen und etwas zu dir nehmen und später mit Tanya fahren“, widersprach meine Mutter behutsam.

„Ich kann hier nicht sitzen. Sag Tanya, ich übernachte im Krankenhaus. Sie soll mir bitte ein paar Sachen mitbringen, ich will sie jetzt nicht stören“, ratterte ich wie ferngesteuert runter und schnappte mir Portmonee und Autoschlüssel – den unzufriedenen Blick meiner Mutter im Nacken spürend.
 

Mit den Fingerspitzen strich ich über Collins Wange. Er schlief ganz friedlich. Meine Angst war, dass er dies bald für immer tat. So durfte ich nicht denken, aber eine Salmonellenerkrankung war lebensgefährlich für ein Kind. Es waren bereits mehrere Menschen erkrankt und ein älterer Mann schwebte in Lebensgefahr… Der fürchterliche Gedanke ließ mich nicht los. Collin sah so mager aus… er aß wenig, plapperte nicht mehr, bewegte sich mäßig. Ich erkannte meinen Sohn nicht wieder.

Schwer atmend stand ich auf und schob die Vorhänge im sonst abgedunkelten Zimmer zur Seite. Nur eine kleine Nachttischlampe brannte, während alles still und draußen alles dunkel war. Ich öffnete lautlos das Fenster und ließ eine frische Brise in das Zimmer wehen. Einen klaren Kopf musste ich behalten, ja, schon klar, aber das war nicht so einfach, wenn es um das Leben des eigenen, noch so kleinen Kindes ging. Zum ersten Mal erfuhr ich am eigenen Leibe wie es war, Verantwortung zu schultern, Konsequenzen zu tragen und bedingungslose Liebe in solchen Situationen auszuhalten. Ich würde nichts mehr in meinem Leben ändern wollen – wäre da nicht Bella. Seit New York waren meine Gefühle dieselben, waren meine Wünsche dieselben, aber ich war mit Leib und Seele bei Collin. Mir fiel es schwer mich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Die Sorge um Collin vereinnahmte mich und ich hoffte nur, dass sie verstand, dass ich momentan ein wenig Zeit brauchte, Aufschub für uns.

„Edward?“

Ich wandte mich um. Ich hatte nicht bemerkt, dass mein Vater ins Zimmer gekommen war. Leise schloss ich das Fenster und sah ihn an. Dieses milde Arztlächeln kannte ich.

„Du solltest etwas essen und schlafen. Du hilfst Collin nicht, wenn du einfach nur wartest. Das sag’ bitte auch noch mal der Mutter deines Kindes. Collin braucht zum Gesundwerden eure Kraft und Energie auch wenn ihr euch sorgt, ich verstehe euch sehr gut, glaub’ mir“, sagte er ganz ruhig und klopfte mir auf die Oberarm.

Ich nickte halbherzig und ging nicht weiter darauf ein. Er hatte recht, das wäre vernünftig, aber wir sprachen hier nicht von Vernunft.

Stattdessen wechselte ich das Thema. „Gibt’s etwas Neues? Gibt es neue Untersuchungsergebnisse? Kann er bald nach Hause?“, flüsterte ich. Irgendwas… irgendwas, das uns weiterbringt…

Mein Vater schüttelte den Kopf. „Er ist noch nicht über den Berg. Wir müssen warten und Geduld haben“, sagte er schlicht wie so oft in den letzten Tagen. „Collin ist ein gesunder kleiner Junge, ich bin zuversichtlich, du solltest es auch sein.“ Er blickte mir tief in die Augen.

Ich nickte wieder nur, zuckte halb mit den Schultern. „Ich übernachte heute hier“, wich ich wieder aus. Ehe ich etwas Weiteres sagen konnte, vernahm ich Collins Stimme.

„Mami“, murmelte etwas heiser. Rasch trat ich an sein Bettchen.

„Hey. Papa ist da, Mama kommt auch gleich“, sagte ich sanft und hob ihn aus dem Bett. Vorsichtig hielt ich ihn an mir. Collin war sofort still und schmiegte sich mit bereits wieder geschlossenen Augen an mich.

„Schhhh“, machte ich leise und streichelte seinen Rücken. Er war ganz warm und rührte sich kaum. „Alles ist gut, Schatz. Papa ist heute Nacht hier…“

Ich ging mit Collin im Arm zu dem freien Bett neben Collins, wo Tanya und ich uns Nacht für Nacht abwechselten, soweit es nur ging, und legte mich mit ihm hin. Mein Vater reichte mir Collins Kuscheldecke, sodass ich sie um ihn legte.

„Ich hole dir etwas zu Essen“, ließ er mich wissen und ging wieder hinaus. Ich nahm kaum Notiz daran, nahm ein Buch vom Nachttisch, begann es Collin leise vorlesen und wog ihn etwas hin und her. Er musste gesund werden, er musste…
 

„Danke“, murmelte ich teilnahmslos und bekam einen Stapel Papierhefter in die Hand gedrückt.

Blabla… blabla… Es rauschte an meinen Ohren einfach so vorbei. Ich hatte die Ellenbogen aufgestützt und das Kinn in den Händen versunken und wartete. Mich interessierte der neue Semesterplan, die Raumorganisation nicht – nicht jetzt, wo eine wichtige Untersuchung für Collin durchgeführt wurde. Hoffentlich war er gesund, hoffentlich… Ich bat einfach nur. Zu wem auch immer. Ich betete auch, auch wenn ich nicht gläubig war. Irgendwer da draußen musste doch Gerechtigkeit verüben und dieser kleine Junge hatte niemandem etwas getan, auch wenn ich mir das lange hatte einreden wollen.

Achtlos blätterte ich in den Entwürfen und Broschüren, um nicht allzu unbeteiligt auszusehen, wenn auch ich nicht ein Wort aufnahm. Tanya wollte mich anrufen, wenn sie etwas wusste. Hoffentlich bald, hoffentlich schnell – ich hielt es nicht mehr aus.
 

Genervt ging ich, so schnell ich es unbemerkt konnte, aus der Sitzung raus. Es kam mir gerade alles überflüssig vor. Mein Handy wollte mir immer noch nichts anzeigen. Warum dauerte das so lange? Was war mit ihm?

„Edward!“, schrillte Tanyas Stimme auf, die mich zusammenzucken ließ.

„Hey… hi, du hier? Was machst du hier? Warum bist du nicht im Krankenhaus?“, fragte ich voll Verblüffung und Verwirrung sie hier im Flur der Uni stehen zu sehen. Tanya macht mehrere schnelle Schritte auf zu und warf sich mir in die Arme.

„Edward… Edward, er wird wieder gesund. Die Untersuchungsergebnisse sind gut, er kann bald nach Hause, er hatte auch wieder etwas Farbe heute und gegessen. Er hat etwas gegessen“, überkam es Tanya, die völlig aus dem Häuschen in meinen Armen war, die Tränen in den Augen.

„Wirklich? Wirklich?!“, sagte ich und strahlte sie an, die Augen leicht brennend.

„Ja, ja, ja“, nickte sie hastig mehrmals. „Es ist alles gut! Es ist alles gut!“ Fest drückte Tanya sich an mich, ich hörte sie an mir schluchzend. Sie war total fertig und man sah es ihr auch sehr an. Ich hatte sie noch nie so erlebt.

„Ist gut… schhh“, machte ich tröstend und streichelte sie etwas.

„Ich bin so froh“, murmelte sie unter den Tränen und nickte. Sie sah zu mir auf und küsste mich inbrünstig. Alles fiel von ihr ab, genau wie von mir, ich konnte ihre Gefühle so sehr nachvollziehen.

„Beruhig’ dich“, wisperte ich und schaute ihr in die verweinten Augen. „Es ist alles überstanden, mach’ dir keine Sorgen. Mein Vater kümmert sich…“

Tanya schluchzte laut und nickte mir mit einem erleichterten Lächeln zu. Ich küsste ihre Stirn zum Trost – Bella. Nein. Nein! NEIN! Ich sah an Tanya vorbei Bella am Ende des Flures stehen. Sie fing meinen Blick auf und lief weg. Ich würde ihr nachlaufen, doch in diesen Bruchteilen einer Sekunde wusste ich es: Es war egal, was ich ihr jetzt oder irgendwann sagen würde, sie würde es mir nicht verzeihen. Ganz gleich wie sehr ich ihr versuchen würde, die Situation zu erklären, dass es nichts zu bedeuten hatte, dass jetzt nicht der Zeitpunkt war, um mit Tanya zu diskutieren, auch wenn es richtig wäre – sie würde es nicht hören oder verstehen wollen. Zurecht.

In diesem Moment wusste ich, dass ich sie verloren hatte.
 

***
 

„Guten Morgen“, wisperte Mitch und strich mit den Fingerkuppen kurz über meine Schulter.

Ich sah zur Seite. „Guten Morgen.“ Mitch lächelte mich ungewohnt scheu für ihn an, ich erwiderte es.

„Geht’s dir besser?“, wollte er wissen und drehte sich auf die Seite, schob den Arm unter seinen Kopf.

„Bis auf den Kopfschmerz und die Erkenntnis… ja, schon“, nuschelte ich.

Mitch nickte und wusste, was ich meinte. Ich senkte den Blick wieder vor mich. Was eine skurrile Situation. Und ich wusste nicht mal richtig, was ich dazu denken sollte.

„Also, gestern… also wir-“ Ich schreckte hoch, als ich gerade Worte für das suchte, was gestern und insbesondere vor wenigen Stunden passiert war. „Mitch!!“, schrie ich ihn laut an und saß auf dem Bett, die Decke um mich. Mitch zuckte sichtlich zusammen. „Haben wir verhütet?!“

Er riss die Augen auf. „N-Nein, ich nicht… also wir nicht, aber ich dachte du-“ Ich bemerkte wie er sichtlich schluckte. „Du hast nichts gesagt!“, verteidigte er sich sofort und saß nun auch schlagartig auf.

„Na, wie auch?!“, sagte ich wieder laut, gar hysterisch. „Mitch, ich- und wir müssen zur Arbeit!!“, strömte nun alles auf mich ein, als die laut tickende Wanduhr kurz nach zehn anzeigte. Ich sprang auf und rannte mit der Decke um mich aus dem Zimmer.

„Bella! Warte!“, hörte ich Mitch noch, aber ich wartete nicht.
 

Ich lief aus Mitchs Zimmer mitten in das Partychaos, wo Mitch mich aufhielt. Seine Bettdecke hatte ich um mich geschlungen.

„Wo willst du denn jetzt hin?“, fragte er mich, mit der Hand hielt er mich am Arm.

Was war das denn für eine blöde Frage?, schoss es mir durch den Kopf.

„Na zur Arbeit?“, brachte ich es wieder in sein Gedächtnis. „Wir hätten vor Stunden an der Uni sein sollen!“

„Ja, ich weiß, aber-“ Er stand seelenruhig da, den Mund offen, mich fixierend, ehe er weiter sprach: „Was willst du mit der Sache eben, ähm, machen?“

Einen kurzen Moment riss mich sein kleinlauter Ton aus den panischen Gedanken. Er wirkte viel jünger – oder hatte ich das einfach nur nie gesehen? So sorgenvoll…

„Ich kümmere mich später darum“, murmelte ich auch sichtlich ruhiger. Sein Gesichtsausdruck hatte mich für einen Moment auf den Boden der Tatsachen gebracht. „Ich gehe zum Arzt und lasse mir dieses Zeug verschreiben“, fügte ich hinzu. Mitch schluckte sichtbar und holte Luft. Ich machte große Augen und sagte stockend: „Sag jetzt nicht du willst-“

„Nein, nein um Gottes Willen“, sagte er rasch und strich meinen nackten Arm geistesgegenwärtig auf und ab. „Aber ich weiß zufällig, dass die Nebenwirkungen auch nicht ohne sind.“

„Na ja, ja, aber gerade geht es nicht anders“, sagte ich leise und zuckte mit den Schultern. „Und dafür sind die Dinger doch gemacht… gerade für so Ausrutscher…“

„Ausrutscher?“, sagte er sichtlich geschockt und hielt mich nun an beiden Armen.

„Du weißt doch wie ich das meine, für so Situationen eben“, redete ich mich um Kopf und Kragen. Mitch blieb stumm und zog mich an sich, legte die Nase an meinen Hals und atmete tief. Ich spürte den leicht herben Duft seiner Haut an mir, genoss es für einen Moment.

„Mitch“, wisperte ich und wand mich aus seiner Umarmung. „Ich muss mich fertig machen und du auch. Kann ich duschen gehen? Willst du auch? Wir brauchen auch eine Ausrede für Liver oder besser ein Ausgleich… vielleicht am Wochenende eine Schicht oder so… vorausgesetzt er schmeißt uns nicht raus-“

Bevor ich richtig in Fahrt kommen konnte, legte er die Hände an meine Wangen und küsste meine Lippen langsam. Er strich mit seinen Fingerspitzen sehr zärtlich über mein Gesicht und streichelte mit den Daumen meine Wangenknochen.

„Alles okay?“, flüsterte er mir dann leise.

Ich atmete tief durch. Dieser Kuss war so… verwirrend. Er passte nicht in dieses ganze schnelllebige Durcheinander gerade. Es kam mir vor, als raste alles um uns und nur wir standen da und rührten uns nicht. Das Gefühl peitschte in meiner Brust.

Langsam nickte ich in seinen Händen, die mich dadurch tätschelten. Mitch nickte ebenso und küsste meine Stirn andächtig.

„Geh ruhig duschen“, sagte er leise und ließ die Hände sinken.
 

Liver polterte mit der Hand auf den Tisch. „Habt ihr beide auf die Uhr geguckt?“

„Mr. McLiver, es kommt nicht wieder vor. Wir werden am Wochenende selbstverständlich Sonderschichten schieben-“, versuchte ich es mit Besänftigung.

„Habt ihr eine Ahnung, was wegen der Salmonellen hier los ist!? Und ihr nehmt euch einfach Spontanurlaub?! Sonderschichten, Miss Swan?!“, fauchte er verächtlich.

„Es kommt nicht wieder vor“, sagte nun auch Mitch leise.

Liver schnaubte. „Ich kann das alles nicht fassen… ich glaube das nicht. Diese bodenlose Dreistigkeit und Unverschämtheit. Das hat Konsequenzen, macht jetzt euren Job!“ Er pfefferte uns mehrere Hefter auf den Labortisch hin und knallte die Tür hinter sich zu.

„Nicht so schlimm wie gedacht“, murmelte Mitch vor sich her und langte nach den Heftern.

Ich seufzte. „Ich hol’ uns erstmal Kaffee…“, nuschelte ich.

Mitch sah mich mit großen Augen an und ich bemerkte wie sein Blick hinter mich auf die Laborregeln schweifte – kein Essen und Trinken im Labor. Natürlich.

„Ich brauche gerade dringend einen Kaffee“, fiel mir nur als Entschuldigung ein und das war sogar die Wahrheit mit der ich mich für ein paar Minuten aus dem Labor verabschiedete.

Mitch und ich hatten nicht mehr über das, was passiert war, gesprochen. Nicht das eine, nicht das andere oder gar das ganz andere. Es war chaotisch. Wichtig war jedoch vor allem, dass ich diese eine ganz besondere Sache aus dem Weg schaffte – oder verhinderte. Mein Magen drehte sich um, als ich über die leeren Flure der Forschungsabteilung schlenderte, hinüber zu der Mensa. So skurril der Abend und die Nacht gewesen waren, es war eine ganz andere Erfahrung gewesen und ich konnte nicht mal sagen eine Schlechte. Eigentlich war es sehr schön gewesen. Mit ihm zu tanzen, zu lachen… und…

Am Ende des Flures kam Mr. Cullen aus einer der Labore. Nachdem er mich erblickt hatte und mein Herz unweigerlich kurz stehen geblieben war, grüßte er und ging an mir vorbei. Ich erwiderte den Gruß.

„Mr. Cullen?“, wandte ich mich schlagartig um. Mal wieder so eine Situation, wo ich schneller redete, als nachdachte. Er tat selbiges mit fragendem Gesichtsausdruck, wenn auch freundlich wie immer. „Ähm… könnte ich Sie kurz sprechen? Also alleine?“, fügte ich korrekterweise hinzu.

„Natürlich, wir können in mein Büro gehen. Erste Etage“, sagte er und ich folgte ihm dann nach kurzem Nicken. Es war bescheuert, tierisch bescheuert ihn darum zu bitten, aber ich konnte mich auf seine Schweigepflicht berufen, allerdings würde es dann zu spät sein, wenn er bereits geplaudert hätte. Nur war das der einfachste Weg.

Mr. Cullen schloss sein Büro auf und gewährte mir Eintritt, ehe er bat, mich zu setzen. Wieder schwieg er und sah mich fragend an.

„Ich würde damit nicht zu Ihnen kommen, wenn es so nicht am schnellsten und unkompliziertesten gehen würde“, begann ich mit der Vorrede. „Aber ich brauche ein Rezept. Und es ist wichtig und ich kann damit nicht allzu lange warten. Nur bis ich es bekäme… also es ist nicht Illegales oder so was“, fügte ich schnell hinzu. Nicht, dass er auf irgendwelche absurden Gedanken kam… Mr. Cullen wartete mit sanftem Gesichtsausdruck.

„Ich brauche Levonorgestrel“, sagte ich schlussendlich.

Mr. Cullen runzelte sofort die Stirn. Das war seine Form von Entsetzen fürchtete ich.

„Die Pille danach?“, wiederholte er. Warum fragte er mich das? Natürlich, was sonst? Er wusste doch genau, dass ich das meinte… Ich atmete kurz ein und aus. Er wollte wahrscheinlich nur sicher gehen.

„Ja“, hauchte ich fast atemlos.

Er nickte und holte seinen PC aus dem Ruhestand, bevor er wenige Tasten bemühte und den Drucker rattern ließ.

„Ich kann auf Ihre Verschwiegenheit zählen?“, fragte ich vorsichtig nach, als er das Rezept unterschrieb.

„Selbstverständlich“, nickte er. „Denk bitte daran, dass, wenn du dich nach der Einname übergibst, du eine weitere einnehmen musst. Auf dem Rezept steht auch die Nummer unter der ich meist gut zu erreichen bin“, sagte er darauf deutend. „Und du solltest dir Ruhe gönnen wegen der möglichen Nebenwirkungen. Ich habe dir eine Bescheinigung für morgen ausgestellt, wenn du nicht zur Arbeit kannst.“

Ich nahm die beiden Zettel entgegen und stand auf. „Vielen Dank, sie haben mir einen großen Gefallen getan.“

Er lächelte. „Pass auf dich auf.“

„Danke“, murmelte ich noch und verließ das Büro. Problem eins gelöst. Problem zwei damit verknüpft würde ich heute Abend ändern. Jetzt brauchte ich noch keine Nebenwirkungen.
 

Den zweiten Abstecher in die Mensa machte ich mit Mitch gemeinsam. Er hatte mich gefragt, ob wir zusammen Mittagessen gehen wollten.

„Meinst du, wir sollten noch mal über gestern reden?“, fragte er während wir beide mehr oder weniger in unseren Nudeln herumstocherten.

Ich blickte auf. „Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Eigentlich ist alles gesagt, aber eigentlich haben wir auch gar nicht geredet oder?“

Mitch nickte langsam ohne die Augen von mir abzuwenden. Er schien mich zu verstehen, ein gutes Gefühl.

„Ich habe das Rezept aber bereits. Ich nehme die Tablette heute Abend“, sagte ich, weil dies das vermeintlich einfachere Thema war.

„Okay“, murmelte er mit kurz irritiertem Gesichtsausdruck. „Ich wollte mich auch noch mal dafür entschuldigen. Ich hatte das gestern nicht auf dem Schirm, tut mir leid“, hörte ich ihn ehrlich sagen.

„Schon gut, ich hab ja genauso nicht daran gedacht. Es war alles so schnell und irgendwie unvorhersehbar – aber es hat mir trotzdem gut gefallen. Danke. Auch dass du mich dann mitgenommen hast und dich… na ja um mich gekümmert hast und so“, gestand ich kleinlauter und atmete tief. Es war alles andere als leicht, wenn auch angebracht, ihm das alles zu sagen.

Mitch legte die Gabel ab und glitt mit jener Hand über meine freie. Ich spürte das angenehme Gefühl durch Mark und Bein rauschen, wenn auch es sich in der Magengegend komisch anfühlte.

„Mir hat es auch sehr gefallen“, sagte Mitch nur und streichelte dabei zärtlich meinen Handrücken weiter, während sein Daumen zu meiner Innenfläche drang und meine Hand umschloss.

Es war eine Spur von Glück. Viel, viel mehr, als es in den letzten Monaten der Fall gewesen war. Und warum sollte ich mich nicht auf diese Chance einlassen, wenn jede andere sowieso nicht mehr existierte?

Ich kam seinen Anstalten nach und beugte mich vor. Die Erleichterung schwang in seinem Lächeln mit, als er mich kurz küsste.
 

Dankbar über den zweiten Zettel von Mr. Cullen rief ich am nächsten Morgen im Personalbüro an, um mich krank zu melden. Mir war fürchterlich schlecht und mein Kopf dröhnte. Da ich die Tablette erst spät genommen und ich mich somit erst nach dem Aufstehen übergeben hatte, konnte ich mir sicher sein, dass alles Wichtige drin geblieben war.

Mehr oder weniger direkt danach hatte ich mich sofort wieder in mein Bett begeben. Wegen der Kopfschmerzen wäre ich nicht zu Hause geblieben, aber die unberechenbare Übelkeit ließ mich am Bett kleben.

Verbotenerweise hatte Mitch mir mehrmals geschrieben, um mich nicht zu wecken und sich nach mir erkundigt. Spürbar ließen die Nebenwirkungen Stunde um Stunde nach, auch wenn ich mich noch schlapp und wackelig auf den Beinen fühlte. Morgen würde ich wohl wieder fit genug sein, um die Sonderschichten zu schieben. Höchstwahrscheinlich war Sonntagsarbeit auch noch dran. Ich wollte gar nicht wissen, was sich durch mein Fehlen heute aufgetürmt hatte. Diese Salmonellensache ging leider stetig weiter.
 

Ich vernahm das Klingeln an der Haustür am späten Nachmittag. Nach einem kurzem Blick auf meine Kleidung – eine kurze Shorts und ein weites, dunkelblaues Shirt –, mit dem Ergebnis, dass es wohl okay sein würde, öffnete ich die Tür.

„Hi…“, stutze ich, als Mitch mit ein paar Tüten im Flur stand.

„Hey.“ Mitch lächelte mich an und küsste meine Wange. „Geht es dir besser?“, wollte er wissen.

„Ja, ich bin noch etwas erschöpft, aber ansonsten geht es ganz gut“, sagte ich immer noch perplex, dass er hier war. Na ja, er war dein- na ja, ihr hattet- wie auch immer!, korrigierte ich mich in Gedanken. Wir hatten irgendwas miteinander, natürlich kam er nach mir sehen…

„Kann ich reinkommen?“, fragte er und grinste wie ein Honigkuchenpferd, während er sich durch die längeren Haare fuhr.

„Ja, ja sicher“, sagte ich rasch. Gott, wie führst du dich auf?

Mitch ging an mir vorbei und wandte sich direkt mit erhobenen Tüten zu mir um, ehe er erklärte: „Ich hab mir gedacht, du hast bestimmt Hunger. Entweder weil du musst, dir aber noch übel ist“, er stellte einen Becher Suppe auf den Couchtisch, „oder weil du richtig Hunger hast und Lust auf was Fettiges hast.“ Nun zog er zwei Fastfoodtüten hervor. Mein Blick haftete noch an der Suppe, was ohne Weiteres Erinnerungen in mir heraufbeschwor. Sie waren sich so ähnlich und doch wieder gar nicht – oh mein Gott, Bella, vergleichst du etwa??

„Also?“ Mitch stand immer noch grinsend neben dem Tisch, die Hände bereits in den Hosentaschen.

Ich ließ mich auf der Couch nieder. „Ich bin eindeutig für was Fettiges“, sagte ich und erwiderte das Grinsen, bevor ich die ungesunden Leckerein entpackte und herzhaft in den Burger biss.

„Sag mal, was machst du Weihnachten? Schon Planungen?“, wollte Mitch nach ein paar stillen, hungrigen Minuten wissen.

Weihnachten… oje. Stimmt, laut Kalender… fünf Tage nur noch. Mir war gar nicht bewusst, dass es so bald schon vor der Tür stand… wenn auch die Dekoration draußen nichts anderes mitteilte. Und ich wusste ziemlich genau, wer keinerlei Geschenke hatte. Die Zeit war so voll gewesen und so gerast, dass ich kaum einen Gedanken daran verschwendet hatte. Charlie hatte mal irgendwas von Weihnachten gefaselt, erinnerte ich mich schwach.

„Ich denke, ich feiere bei meinem Vater“, sagte ich zu ihm.

„Du kannst auch gerne einen Tag bei uns verbringen“, bot er an und ich spürte seinen Blick, während er das sagte. Lag Erwartung darin?, schoss es mir sofort durch den Kopf.

„Na ja, ich denke, ich werde dann in Forks bleiben.“ Irgendwie wurde mir unwohl.

Mitch nickte und sah herab auf seine Pommes. „Falls du es dir anders überlegst oder so, meine Eltern würden sich freuen… also wir feiern immer mit vielen. Meine Eltern haben viele Geschwister und ich habe auch eine Schwester mit Familie und so… wenn du Lust hast, also wenn sich deine Pläne ändern“, fügte Mitch mit zittrigem Unterton hinzu.

Ich war einfach nur verblüfft von dem Ganzen – und verwirrt. War das alles nicht sehr… früh? Oder wo sah Mitch uns? Ich meine dieses „uns“ gab es erst seit gestern… oder verstand ich was anderes darunter, als er?

„Okay, danke“, lächelte ich dann aber, weil es trotz allem oder gerade deswegen eine nette Einladung war.

Mitch erwiderte das Lächeln ehrlich und legte den Arm um mich, mit welchem er mich etwas zu sich zog und küsste mein Haar.

„Im Übrigen habe ich eine Einladung für dich, die du längst gar nicht mehr ausschlagen kannst“, meinte Mitch. Da war es wieder. Das typische verschmitze Mitch-Grinsen, was einem keine andere Wahl ließ, als es zu erwidern.

„Soso und das wäre bitte?“

Mitch beugte sich etwas nach vorne und zog aus den hinteren Hosentaschen zwei bunt schimmernde Karten. „Uni-Silvesterparty, da bist du doch wieder in Seattle, nicht wahr?“

„Hmmm, ich denke, das ließe sich einrichten“, grinste ich breit, denn darauf freute ich mich wirklich. Ehrlich. Ganz bestimmt.
 

Edward
 

„Ja, schau schnell nach, Schatz“, zwitscherte Tanya in völliger Aufregung zu Collin, der im großen Wohnzimmer in Richtung der Stiefel am neumodischen Kamin watschelte. Fast ein skurriles Bild. Carmen und Eleazar erheiterten sich zusammen mit meinen Eltern darüber.

„Ich glaube dieses Weihnachten versteht er mal mehr, worum es geht“, lachte Tanya mit einem glücklichen Gesichtsausdruck – und ich nahm es ihr ab. Ich nahm es ihr ab, dass es ihr momentan gut ging. Sie liebte unseren Sohn sehr und zwischen ihr und mir lief es gut. Zumindest in ihren Augen, denen ich eine Schmierenkomödie vorspielte. Es war unglaublich. Nahezu unerträglich.

„Letztes Jahr war er ja auch noch viel zu klein“, wandte meine Mutter ein und ging zu Collin, nahm ihn an die Hand und führte ihn zu seinem großen Stiefel mit den Geschenken noch daneben und darunter. Tanya kam dazu und setzte sich neben ihn. Heiteres Geschenke auspacken, Heiterkeit, Heiterkeit.

„Edward? Machst du ein paar Fotos?“, wurde ich nun auch mit eingespannt. Ich hatte förmlich darauf gewartet, während ich mit Emmett den Frühstückstisch deckte.

„Ich übernehme das“, bot Emmett mit einem breiten Lächeln zu der erfreuten Runde vor dem Kamin und einem vielsagenden Blick zu mir an. Wahrscheinlich stand es mir auf der Stirn geschrieben, dass ich gerade nicht in Stimmung war. Den beißenden Blick meiner Mutter, den ich eindeutig in meinem Nacken spürte, ignorierte ich. Es war wohl schwer zu verstehen, wie man das erste richtige Weihnachten des eigenen Kindes so wenig wertschätzen konnte – aber nichts anderes, als der endgültige Verlust von Bella ging mir durch den Kopf. Der Schmerz war noch viel intensiver und tiefer gegenüber damals, als sie nach Deutschland zurückgeflogen war. Da blieb die Hoffnung und die Gewissheit, dass sie mich liebte und es irgendwann zwischen uns klappte. Jetzt war beides weg. Genau vor einer Woche begann ich diesen Fehler-

„Komm, wir machen ein Foto“, lächelte Tanya mich an. Sie hatte mich bei der Hand genommen und mit sich gezogen, sodass ich mich dem allgemeinen Willen und Wunsch nach Harmonie beugte.

Ich hatte den Fehler schon weit vor Collins Geburt gemacht, indem ich mit ihr zusammenblieb ohne jegliches Gefühl. Und das Schlimme war, ich hatte nicht daraus gelernt. Denselben Fehler beging ich seit Jahren. Immer und immer wieder. Nun hatte ich die Quittung bekommen. Sogar so, dass Bella sich mit anderen Typen traf… und feiern ging. Das war nicht sie, aber wer kann es ihr verdenken… es war immerhin meine Schuld…

Emmett zog mich nach dem Foto zur Seite. „Kannst du uns allen bitte mal den Gefallen tun und wenigstens etwas schauspielern? Keine Ahnung, was wieder mit dir abgeht, aber man, wenigstens wegen Collin“, grummelte er.

Ich funkelte ihn an. „Collin geht es prächtig“, knurrte ich. „Du hast doch keine Ahnung.“

„Ja, wie immer, will ich auch gar nicht, aber reiß dich zusammen und tu nicht so!“, fauchte er abseits des Kamins mit dem großen Geschenke auspacken.

Es half nichts. Er würde mich nicht verstehen, selbst wenn ich es ihm erzählen würde. Ich hatte das bislang niemandem erzählt… Ich konnte es ja selber kaum glauben.

„Ich mach’ das Frühstück“, murrte ich nur zu ihm und ließ ihn stehen.
 

Collin kauerte auf meinem Schoß, kuschelte sich an meinen Bauch, während ich ohne viele große Bewegungen ein paar leise Töne auf dem Klavier spielte. Sachte streichelte ich hier und da seinen Rücken und spielte weiter.

„Ganz schön anstrengend Weihnachen, huh?“, flüsterte ich zu ihm und drückte ihm einen Kuss auf sein Haar, während er schlief oder zumindest döste. Seine Sorglosigkeit genoss ich, wenn ich auch, wenn man das so nenne durfte, neidisch darauf war. Noch einmal Kind, keine Verantwortung, keine Fehler machen, die man nicht ausbügeln konnte.

Ich hatte in den letzten Minuten beinahe ernsthaft darüber nachgedacht, aufzuspringen und einfach zu Bella zu fahren. Entweder war sie zu Hause oder bei ihrem Vater in Forks, dessen Adresse ich allerdings nicht mal wusste. Im Zweifel war sie bei diesem anderen Typen… aber das glaubte ich nicht, das war nicht ihre Art. Und vor allem wollte ich es aus tiefstem Herzen nicht.

Ich beendete das Stück und nahm Collin hoch, um ihn zum Mittagsschlaf hinzulegen. Danach blühte mir wieder meine überglückliche Familie…
 

Tanya lag mit dem Rücken seitlich an meinem Oberkörper, die Beine von sich gestreckt, und verfolgte das Fernsehprogramm, während meine Mutter und Carmen die traditionelle Weihnachtstorte laut schnatternd backten. Meine Geschwister hatten sich verzogen und mein Vater saß bei uns und blätterte liegengebliebene Post und Zeitschriften durch. Hier und da gluckste Tanya über die Fernsehsendung und hielt meine Arm an sich gekuschelt.

„Schau mal, Edward, vielleicht etwas für dich? Muss ja nicht direkt mehrere Monate sein“, hörte ich meinen Vater sagen und nahm die Annouce entgegen. Tanyas Blick fiel ebenfalls darauf, da sie sofort sagte: „Davon hab ich schon gehört. Eine Freundin von mir wollte da mal Kurse machen, nur Kurse, nicht mal ein Studium, und hat es nicht geschafft.“

Ich überflog die wenigen Zeilen dieser Werbeseite des „Berklee College of Music“, die Auditions für Talente aber auch Stellen für Dozenten anboten.

„Da kannst bestimmt selbst du noch was lernen“, sagte mein Vater mir zuzwinkernd. „Gerade diese ‚Summer Studies’ klingen gut. Alleine schon wegen der Zeit“, sagte er und deutete etwas weiter unten auf einen kleinen Text. Ja, alles andere ging über Monate und Jahre. Ja, es klang gut, alles… interessant… aber…

„Berklee ist wirklich großartig, mein Abschlussarbeitsdozent hat dort promoviert und erzählt ständig davon… ich meine, die Uni ist immerhin eine der Besten der Welt“, plapperte Tanya.

Mag sein, aber ich hatte andere Sachen im Kopf und kommentierte das nur mit „ich schaue es mir mal an“, damit sie Ruhe gaben. Mein eigentliches, vorrangiges Problem war nicht meine berufliche Zukunft. Selbst wenn ich nicht die ganz große Karriere machte, war ich mit meinem Lehrauftrag und den Konzerteinsätzen derzeit sehr zufrieden. Wenn ich ehrlich war, besaß ich momentan auch nicht die Kraft mich für etwas anderes zu motivieren.

Tanya widmete sich wieder dem Fernseher und mein Vater dem Rest des Papierstapels, während meine Gedanken abschweiften. So gering meine Motivation und mein Aktionismus beruflicherseits waren, so groß etwas zu tun, um… um was? Sie zurückzubekommen. Nein, das nicht, das war vorbei, dessen war ich mir bewusst. Aber ich wollte, dass sie verstand… dass sie wusste… ich wollte es einfach alles sortieren und mich vor allem in erster Linie bei ihr entschuldigen. Verloren hatte ich sie so oder so… oder?

„Wo gehst du hin?“, fragte Tanya irritiert, als ich sie von mir schob und relativ schnell aufstand.

„Auf die Toilette“, sagte ich zwar, dachte aber „einen Brief schreiben“. Ich hoffte so sehr… ich musste es einfach versuchen.
 

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Von:  sabbs
2014-01-31T06:04:47+00:00 31.01.2014 07:04
Ich bin begeistert die Story ist total mitreißend =) hoffentlich gehts bald weiter
Von:  vamgirly89
2013-12-13T15:40:54+00:00 13.12.2013 16:40
Wow. Ein interessantes Kapitel. Bin schon gespannt wie es weiter geht. Bitte schnell weiter schreiben. Freue mich schon drauf
Von:  emina
2013-12-13T08:53:04+00:00 13.12.2013 09:53
ah das Kapitel ist so traurig ;___;
ich habe immer die Hoffnung gehabt, dass sie es schaffen werden, aber es sieht nicht gut aus, dass macht mich sehr traurig

ich frage mich wie das Ende sein wird, schreib bitte schnell weiter
Von:  Newjersey
2013-09-30T09:53:10+00:00 30.09.2013 11:53
Mal wieder habe ich deine FF´s rund um Bella und Edward innerhalb weniger Tage (oder Stunden?) verschlungen und bin echt erstaunt, dass ich doch ganz schön lange nicht mehr bei animexx drin war und schon DREI!!! Kapitel verpasst habe -.-
Richtig, richtig gut gemacht und ich freue mich immer wieder, wenn ich mehr von dir lesen kann! Du inspirierst mich zwischendurch mal selber an einer Geschichte zu schreiben :))
Spannend, ich glaube die Situation um Tanya und Edward rum hat was mit Collin zu tun ;)

Ich freue mich riesig über das nächste Kapitel!
Von:  Newjersey
2013-09-30T09:53:04+00:00 30.09.2013 11:53
Mal wieder habe ich deine FF´s rund um Bella und Edward innerhalb weniger Tage (oder Stunden?) verschlungen und bin echt erstaunt, dass ich doch ganz schön lange nicht mehr bei animexx drin war und schon DREI!!! Kapitel verpasst habe -.-
Richtig, richtig gut gemacht und ich freue mich immer wieder, wenn ich mehr von dir lesen kann! Du inspirierst mich zwischendurch mal selber an einer Geschichte zu schreiben :))
Spannend, ich glaube die Situation um Tanya und Edward rum hat was mit Collin zu tun ;)

Ich freue mich riesig über das nächste Kapitel!
Von:  vamgirly89
2013-08-26T19:44:49+00:00 26.08.2013 21:44
Oh wow. Ein tolles Kapitel. Was geht denn jetzt ab? Bella mit Mitch im Bett und nicht verhütet. Wow. Du machst des echt spannend. Schreib bitte schnell weiter. Freue mich schon auf das nächste und dann kommt raus das sie gar nicht im Bett zusammen Sex hatten oder Edward steht im Zimmer. Bin schon auf deinen Einfall gespannt.
Von:  Twilight-Nicki
2013-08-25T21:47:59+00:00 25.08.2013 23:47
Oh wei oh wei......
Was für ein Drama in einem Kapitel!!!
Das mit Tanya.... Ich glaube, das hat etwas mit den Salmonellen zu tun.
Darum war sie auch in der Uni und die ganze Sache mit Edward.
Aber nein, Bella muss ja WIEDER EINMAL sofort davon laufen.
Und dann landet sie auch noch mit Mitch im Bett!!! HALLO????????????
Ohne Verhütung??????????
Hat sie denn mit Edward verhütet?
Oder bahnt sich da das nächste Drama an?
Oh wei oh wei.......... Lass das nicht passieren.
Bella darf nicht von dem Typen schwanger werden!!
Von:  tiggergirl
2013-07-19T16:30:58+00:00 19.07.2013 18:30
richtig toll schreib bitte ganz schnell weiter
Von:  Daisy2004
2013-06-23T10:00:58+00:00 23.06.2013 12:00
Klasse schreib schnell weiter

Von:  vamgirly89
2013-06-16T19:37:54+00:00 16.06.2013 21:37
Wow. toll das du weiter geschrieben hast. Bitte schnell weiter schreiben. Freue mich schon wenn es weiter geht



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