Medieval Chronicles von Joukko ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- Das Abendblau des Himmels, durch den sich ein breiter Riss zog, der das kommende Ende eines weiteren Tages ankündigte, ließ die ruhigen Wogen des kleinen Sees schimmern und zeichnete, mit der Ankunft des Mondes, ein Spiel von silbrigem Licht und Schatten auf die ruhige Wasseroberfläche. In einem Atemzug lag der Sonnenuntergang, gleichermaßen wie das Erwachen der Nacht und das Kristallisieren des ersten Tropfens Tau auf einem jungfräulichen Grashalm. Der unverwechselbare, süße Geruch von Blut erfüllte die Umgebung und mischte sich mit dem fauligen Gestank ungewaschener, lebloser Leiber. Und ganz weit weg, jenseits der Hügel, denen die Sonne so eifrig entgegen sank, lag der angenehme Duft von frischer Saat in der Luft. Ein Plätschern durchbrach die anhaltende Stille und ließ die Vögel erschrocken einen Schrei ausstoßen, noch während sie alle zusammen, wie eine Person, aus den Baumkronen empor stiegen. Sich vom Ort des Geschehens, vom kleinen See inmitten einer Waldlichtung, entfernten, wissend, was sich noch wenige Minuten zuvor abgespielt hatte. Die stille Wasseroberfläche wurde von einer Hand durchstoßen, schickte wellige Massen des kühlen Nass zu allen Seiten und wurde durch das Blut Fremder getrübt. Der Stoff sog sich mit der Leben spendenden Flüssigkeit voll und machte das Gewebe schwer, dass es bereits dem Grund entgegen sank. Zartgliedrige Finger schoben sich unter das Leinen, verhinderten das Verschwinden des Kleidungsstückes und beseitigten die letzten Flecken aus dem Hemd. Mit einem Mal wurde es aus dem Wasser gezogen, ließ große Tropfen kalten Wassers auf die aufgewühlte Oberfläche des Sees fallen und fand sich schließlich, auf einem Ast hängend, in den letzten Strahlen der untergehenden Sonne. Blut, menschliche Überreste und die feuchten Fußspuren im Gras, die vom Wasser weg führten, zeugten allein vom drohenden Unheil. Die Vögel erfüllten die windstille Luft mit ihrem Gesang, dass es eine Freude war dieser friedvollen Melodie zu lauschen. Die Baumkronen wölbten sich und bauschten sich auf. Die einzelnen giftgrünen Blätter wurden von einer Böe des warmen Frühlingswindes erfasst, über die trockenen Felder getragen und sanken schließlich auf die rissige Burgmauer nieder. Der Schatten der Ballista fiel in die Zinne, in der eines der Blätter zur Ruhe gekommen war, schwärzte das Grün und kündigte die hereinbrechende Nacht an. Die Hellebarden patroullierten im Gleichschritt im Wehrgang. Die Bogenschützen spähten, auf der Vorburg kauernd, in die Ferne. Mit dickem Leder gesicherte Männer belagerten die Wehrtürme, die heißen Teer und Streitäxte beherbergten und mit Schwertern bewaffnete Ritter liefen den Zwinger auf und ab. Der schwache Schein einer Kerze, die die Dunkelheit erhellte, ließ einen menschlichen Schatten an die Wand fallen, zeichnete die Umrisse einer jungen Frau an den kalten Stein und flackerte schließlich im Wind, der die Flamme zu ersticken drohte. Ciara unterbrach ihre Tätigkeit, die darin bestand ihre Habseligkeiten in eine dafür vorgesehene Ledertasche zu verstauen und hob ihren Blick dem Fenster entgegen. Die große, hundertjährige Eiche, die vor dem Palais aufragte erzitterte, schien im auffrischenden Wind zu frieren und gab einen Schatten preis, der vom Dunkel der Nacht verschlungen zu werden schien. „Lass es sein.“ Die Stille wurde durchbrochen. Eine Stimme, leise, jedoch nicht wenig eindringlich, hallte unnatürlich laut von dem kalten Gemäuer wieder und drang schließlich an die Ohren der jungen Elfe, deren bronzenes, wallendes Haar knapp über ihren Kniekehlen endete. Ihre Gestalt wandte sich dem kleinen Fenster zu. Ihre fein geschwungenen Augenbrauen zogen sich auf ihrer Stirn zusammen und ihre Augen suchten die Umgebung nach einer bestimmten Person ab. Misstrauisch trat sie an das Fenster heran, auf dem die Kerze stand und von deren Docht heißer Rauch aufstieg, in kleinen Wolken gegen den Stein prallte und schließlich verpuffte. Anmutig hob die Prinzessin ihren Kopf, schob den vergoldeten Kerzenhalter zur Seite und starrte mit der altbekannten Feindseligkeit in die Nacht hinaus. Ihre Augen begegneten anderen und die Luft schien wie elektrisch aufgeladen. Die Arme vor der Brust verschränkt, am Stamm der Eiche lehnend und ein Bein angewinkelt stand ein junger Mann, als würde der Baum ihn in den Armen halten, auf einem der Äste, der jungen Frau gegenüber. Missfallen zeichnete sich im lieblichen Gesicht der Elfe ab und sie verengte die Augen, als erhoffte sie sich dadurch mehr von der Gestalt ihres erklärten Erzfeindes erkennen zu können. „Was geht es dich an“, fauchte das Mädchen beinahe, wie ein tollwütiges Tier, das erst gezähmt werden musste. Der Schein des Mondes, der durch das Blätterdach des altehrwürdigen Baumes fiel, schien die leicht gebräunte Haut des jungen Mannes zu liebkosen, wanderte mit der Bahn des Himmelskörpers an dessen Körper hinab. Death. Unter diesem Namen war er im ganzen Lande, selbst jenseits der Berge, bekannt. Obwohl niemand seinen wahren Vornamen kannte, leitete sich sein Rufname, an dem so viele Gerüchte hafteten, von diesem ab, klang er doch so ähnlich und war alles, was der junge Drache in Menschengestalt hinterließ, Tod und Verwüstung. Zumindest berichteten das die Erzählungen der Dorfbewohner. Doch selbst, wenn Ciara diese Geschichten nicht vernommen hätte, so wüsste sie, was es mit diesem Unheilbringer auf sich hatte, suchte er doch mit erschreckender Regelmäßigkeit ihr Heim und das Reich des Elfenkönigs auf, um diesen seines Lebens zu berauben. Ishtir kannte die Beweggründe des anderen nicht, doch es interessierte die Königstochter auch nicht weiter. Er stellte sich gegen ihre Familie, die aus dem König alleine bestand und das war Grund genug, ihm den Tod zu wünschen. „Bisher bist du vor einer offenen Konfrontation mit mir verschont geblieben, doch mit der Sekunde, in der du das Gefängnis, das du zu Hause nennst, verlässt, ändert sich das“, riss der junge Mann, der sich vom Stamm der Eiche gestoßen hatte und langsam auf die Älter wirkende zuging, die Elfe mit den langen, braunen Haaren und der porzellanblassen Haut aus ihren düsteren Gedanken, die sich einer Prinzessin nicht ziemten. Deaths Knie berührten die brüchige Haut der Eiche, seine Finger den kalten Stein, der Ciara schon ein Leben lang begleitete und umhüllte wie ein Kokon aus Eis, stützte sich der Drache mit den Händen gegen die Außenwand und lehnte sich somit unwillkommen nahe über die Elfenprinzessin, die jedoch nicht gewillt war auch nur einen Millimeter vor ihm zurück zu weichen. Sie hütete sich offen ihre Angst vor diesem kleinen Jungen, für den sie ihn hielt, zu zeigen. Und selbst, wenn er die Anspannung in jedem ihrer Muskeln sehen, das Zittern fühlen und ihre Furcht riechen konnte, so gab sie auch dann all diese Dinge nicht zu. „Oh, dann sollte ich dir wohl dankbar sein, dass du mein kümmerliches Leben bisher verschont hast“, konfrontierte sie den Drachen, dem ihr Hass galt, mit einer Frage, die nur so vor Verachtung strotzte, obwohl sie sich in diesem Moment schutzloser und schwächer fühlte, als ein Kleinkind es wohl konnte. Diese Aussage rief eine Reaktion in dem Drachen ihr gegenüber hervor, die die Ishtir nicht erwartet hatte und für einen Moment zog sie, in ihrer Verunsicherung gefangen, die Unterlippe zwischen ihre ebenmäßigen, weißen Zähne. Ein hinterhältiges - ja - fast verruchtes, Grinsen breitete sich auf den jugendlichen Zügen des vermeindlichen Menschenjungen aus und ein leises, beinahe gehauchtes, Lachen erreichte Ciaras empfindliche Ohren. Death kam der anderen noch ein Stückchen näher, berührte beinahe ihre Porzellanhaut und sprach so leise, dass sie ihn kaum verstand und wohl gedacht hätte, er hätte geschwiegen, hätte sie nicht seinen heißen Atem an ihrem Nacken gefühlt. „Genau.“ Das Herz der Königstochter setzte aus und in ihr begann sich unbändigende Wut aufzubauen, wollte sie ihm doch zeigen, dass er sich eine solche Frechheit nicht heraus nehmen durfte. Er war ihr Feind! Und er sollte ihr nicht so nahe kommen, sollte nicht mit ihr sprechen, wie sie es nur unter Bauern kannte und sollte sie nicht zu einer solch Gottes lästernden Stunde in ihren eigenen Schlafräumen heimsuchen. Doch die Elfe war wie erstarrt, erkannte nur schemenhaft wie sich das todbringende Wesen zurück zog und schließlich in einer eleganten, flüssigen Bewegung vom Ast der Eiche rutschte. Als hätte Death einen Bann über sie gesprochen, blinzelte die junge Frau, schüttelte sie anmutig ihr edles Haupt und versuchte in der Dunkelheit der Nacht etwas erkennen zu können, doch der Drache war verschwunden. Warum hatte er nicht, wie er es sonst tat, versucht ihren Vater zu töten? Er konnte doch unmöglich nur ihretwegen den weiten Weg zum Schloss des Elfenkönigs aufgenommen, die Sicherungs- und Wehranlagen, die unzähligen Gefolgsleute des Herrschers umgangen und den Baum erklommen haben, nur um ein Gespräch mit ihr zu führen. Regen. Schnell, lautlos und unerwartet brach er über das Reich der Elfen aus. Kein Wind. Die zarte Gestalt einer Elfe neigte ihren Kopf dem Himmel entgegen. Mit geschlossenen Augen genoss Ciara das sanfte, beruhigende Prasseln auf ihrer Haut. Das entspannende Geräusch von dicken Wassertropfen, die, im Bann der Schwerkraft, auf bislang unberührte Blätter trafen, zu allen Seiten perlten und schließlich im lockeren Erdboden versickerten. „So, als würde der Himmel weinen.“ Dieser Satz hatte sich in ihr Gedächtnis gebrannt und er hallte in ihren Gedanken immer dann wieder, wenn sie, wie jetzt, schutz- und reglos auf dem Hof des Burgfriedes, direkt unter der alten Eiche stand und soweit sie konnte in der Zeit zurück dachte, um den Erinnerungen zu erlegen, an denen sie sich festklammerte. Vor ihrem inneren Auge sah sie eine weibliche Gestalt, die mit einem liebevollen Lächeln auf sie hinab sah. Die Augen konnte sie nicht erkennen. Die Haare waren kurz und schmiegten sich an die aschfahle Haut der jungen Frau, die sich nun auf Ciaras Höhe begab. Eine Kapuze versperrte ihr die Sicht auf die obere Gesichtshälfte ihres Gegenübers, das ihr so seltsam vertraut war, dass Ishtir sich bereits davor fürchtete. Eine kalte, schlanke Hand legte sich an ihre Wange und die Elfenprinzessin wusste, dass sie wohl ein kleines Kind war, wenn sie nach der Größe der Finger ging. Volle, rote Lippen berührten ihre Stirn und hinterließen ein Gefühl von sanftem Kribbeln, das sie aufkichern ließ. „So als würde der Himmel weinen, mein Kind. Als würde er mit mir weinen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)