Exitium von Hiead ================================================================================ Kapitel 6: Kapitel V -------------------- ~ Kapitel V ~ Mühevoll quälte sich Haseo aus dem Bett. Die Müdigkeit schien ihn doch für ein, zwei Stunden übermannt zu haben und er wünschte sich, es wäre nicht so gewesen. Keinen Schlaf konnte er besser ertragen, als nur kurzen. Träge schlurfte Haseo durch den Raum zu einer kleinen Kommode und entnahm ihr Kleidung. Gleichzeitig betrachtete er sein Haar, welches wild in alle Richtungen abstand, in einem kleinen Spiegel. Er sah ausgelaugt aus. Dies wunderte Haseo jedoch nicht im geringsten nach dem gestrigen Tag. Er konnte sich nicht entsinnen jemals ein solches Chaos durchlaufen zu haben. Doch der schwerste Gang sollte ihm noch bevor stehen. Lustlos versuchte er sein langes Haar zu bändigen und band es im Nacken zu einem lockeren Zopf, sodass einzelne Strähnen wieder heraus fielen und sich an sein Gesicht schmiegten. Ein derart unordentliches Auftreten sah dem sonst so peniblen Assassinen selbst am frühen Morgen nicht ähnlich. Dessen war er sich bewusst. Doch wenn seine Verfehlungen des gestrigen Tages erst einmal publik werden, würde er ohnehin zum Gespräch der ganzen Gilde werden. Auf einen Fehltritt mehr oder weniger kam es jetzt auch nicht mehr an. Sein makelloses Image würde angekratzt bleiben. Missmutig betrachtete Haseo seine Reflektion im Spiegel und erschrak. Er blickte in seine eigenen tiefroten Augen und fühlte - nichts. Keinen Hass, keine Abscheu, keinen Ekel über seine Existenz. Lediglich leere Gleichgültigkeit. Ob dies als Steigerung seines Selbstwertgefühls einzustufen war vermochte Haseo nicht zu sagen. Es war das erste mal seit Jahren, dass er sein Abbild, ohne den Wunsch es zu zerstören, betrachten konnte. Wie war es möglich, dass diese eine gestrige Begegnung ihn so verändert hatte? Oder hatte er sich gar nicht verändert sondern nur einen längst verloren geglaubten Teil seiner Persönlichkeit wieder gefunden? Doch egal was es war, Haseo verstand es nicht. Seufzend neigte er den Kopf von links nach rechts und ließ sein Genick knacken. Es hatte keinen Sinn sich darüber noch länger den Kopf zu zerbrechen. Haseo atmete einige Male tief ein und aus und versuchte einen kühlen Verstand zu bewahren. Er musste sich jetzt eine plausible Erklärung für sein Scheitern zurechtlegen. Doch wie er es auch drehte und wendete, es würde unangenehme Konsequenzen haben. Mit gesenktem Haupt ging Haseo durch die leeren Flure des Gebäudes. Nur ab und zu kreuzte ein anderer Assassine seinen Weg, doch Haseo sah nie auf. Er wollte keinen Blickkontakt, am liebsten überhaupt keinen Kontakt zu niemandem. Er fühlte sich wie ein Verurteilter auf dem Weg zur Exekution. Ihm war klar, dass seine Strafe weniger drastisch ausfallen würde, doch als Assassine seinem Stolz beraubt zu werden kommt dem Tod schon sehr nahe. Vor den Türen, die Haseo noch von seinem Gildenmeister trennten, hielt er inne und ging noch einmal in sich bevor er klopfte. Das leise “Herein”, das folgte, ließ sein Herz schier einen Schlag lang aussetzen und mit einem flauen Gefühl im Magen trat Haseo ein. Sein Meister, ein eher unscheinbarer Typ, saß hinter einem schweren Tisch aus Holz. Vor ihm mehrere Stapel Papier, ordentlich sortiert. Vermutlich Anfragen für Aufträge durch Dritte, sie verrichteten meistens solche Arbeiten. Ein weiteres Mal wurde Haseo die Banalität seiner Existenz bewusst. Er, sowie alle anderen Assassinen, waren Werkzeuge. Perfekt funktionierende Marionetten, gesteuert durch die Hände fremder Menschen. Zu absolutem Gehorsam und Disziplin erzogen, konnte Individualität nicht geduldet werden. Mangelhafte Exemplare mussten eliminiert werden. Haseo musste schlucken, als er auf seinen Befehlshaber zuging. “Verzeiht die Störung, Meister”, Haseo verneigte sich kurz vor ihm, “Sie wissen sicher bereits, weshalb ich sie aufsuche.” “Um mir von deinem Scheitern zu berichten.”, erwiderte der braunhaarige Mann prompt und ohne zu Haseo aufzusehen. “Solche Nachrichten verbreiten sich wie ein Lauffeuer.” Haseo sah betroffen zu Boden. “Ich bin enttäuscht.” Ja, das war es, was Haseo erwartet hatte. “Ich hatte Großes von dir erwartet, doch wie man sieht…” der Gildenmeister legte die Papiere beiseite und sah Haseo an, “… bist auch du nichts als reine Zeitverschwendung!” Diese Worte trafen Haseo wie ein Dolch, dessen rostige Klinge infektiöse Wunden in sein Fleisch riss. All die Jahre hatte er der Gilde hervorragende Dienste geleistet doch letztlich würde man ihn nur an diesem einen Fehltritt messen. Es hätte ihm so klar sein müssen. Wer nicht funktionierte, war wertlos. Er war wertlos. “Ich befürchte, ich werde dir in naher Zukunft keine Missionen anvertrauen können.”, sagte sein Meister nüchtern und versank erneut in die Schriftstücke, die sich vor ihm auftürmten, als ob nichts geschehen wäre. Die vernichtenden Worte, die er Haseo noch kurz zuvor entgegengeschleudert hatte, schienen ihn in keiner Weise zu grämen. Nur ein weiterer Beweis dafür, dass nicht einmal ihr Meister sie als Menschen zu sehen schien. Es war ihm egal, ob das Individuum vor ihm an seinen Worten verzweifelte. “Geh’ jetzt!” Mit einem Wink seiner Hand bedeutete er Haseo den Raum zu verlassen und Haseo tat, wie ihm geheißen. “Bitte entschuldigen Sie die…” “Spar dir den Atem!” Angespannt presste Haseo die Lippen aufeinander. Jedes weitere Wort schien fatal zu sein und so verneigte er sich erneut und verließ stumm das Zimmer. Als die Tür ins Schloss fiel seufzte der Gildenmeister hörbar. “Findest du, es ziemt sich, die Gespräche anderer zu belauschen?” Ein leises Lachen ertönte aus dem scheinbar leeren Raum. “Er war schließlich mein Schüler”, ertönte eine Männerstimme, “Seine Verfehlungen sind auch meine.” Allmählich nahmen die Schatten Gestalt an und gaben einen zwar jungen, aber offensichtlich vom Leben gezeichneten, Mann preis. Er war wie Haseo Assassine Cross. Das weiße Haar fiel ihm tief ins Gesicht, doch darunter konnte man deutlich seine gelben Raubtieraugen leuchten sehen. Sein plötzliches Erscheinen ließ den Meister jedoch kalt. Vermutlich gewöhnte man sich mit der Zeit an diese Fähigkeiten. “Was willst du?”, fragte der Meister den Eindringling forsch, “Ich glaube nicht, dass du nach so langer Zeit wieder kommst, nur um deinen ehemaligen Schüler in Schutz zu nehmen.” Der Fremde lachte erneut. “Sie tun mir Unrecht. Was ist so falsch daran seinem wertvollen Schützling unter die Arme greifen zu wollen?” Der Assassine lächelte unschuldig doch der Meister durchschaute seine Scharade. “Was führst du wirklich im Schilde, Kagami? Dich wird wohl kaum die reine Sehnsucht nach ihm hierher geführt haben?” Kagamis Lächeln wandelte sich zu einem hämischen Grinsen und seine Augen weiteten sich. “Haseo scheint während meiner Abwesenheit ganz schön abgebaut zu haben.” Der Gildenmeister horchte bei Kagamis Worten auf. “Ich dachte, ich sollte ihm vielleicht mal wieder etwas ’Training’ zukommen lassen.” Mit noch immer weit aufgerissenen Augen starrte Kagami seinen Meister an und erwartete dessen Reaktion. Doch er zögerte. “Seht doch nur, was für ein Mann aus ihm geworden ist unter meiner Führung! Dieser prächtige Körper dieses einst so schmächtigen Jungen. Ein weiteres Mal wird zu aller Nutzen sein!” Er wusste nicht, was es war, doch Kagami hatte eine gespenstische Art an sich, die selbst seinen eigenen Gildenmeister schauern ließ. Kagamis sogenannte Trainingsmethoden waren moralisch mehr als nur fragwürdig, doch sein Erfolg ließ kaum einen Zweifel zu. Haseo war ein zu wichtiges Mitglied der Gilde, als dass er ihn einfach so fallen lassen konnte. Trotz der erfolglosen Mission musste er sich eingestehen, dass Haseos Fähigkeiten noch immer außergewöhnlich waren. Der Gildenmeister ließ sich lange Zeit bevor er Kagami eine Antwort gab. Doch am Ende sah er sich gezwungen, seinem Wunsch nachzugeben. “Du hast freie Hand…” Als müsse er seine Erregung unterdrücken, biss sich Kagami auf die Unterlippe und lächelte. Im selben Moment fürchtete sein Meister, eine Bestie, die lange geschlafen hatte, wieder erweckt zu haben. Doch vielleicht war es genau das, was Haseo brauchte. Zumindest versuchte er sich dies einzureden und sein Gewissen zu beruhigen. “Sie werden es nicht bereuen!”, sagte Kagami mit freudig erregter Stimme und verschwand ohne eine Reaktion abzuwarten wieder in den Schatten. Der Meister der Assassinen seufzte erneut und fuhr sich durch die Haare. Für einen Moment schien er in Gedanken versunken zu sein doch dann schüttelte er den Kopf, als wolle er sich selbst von seinen Zweifeln befreien und widmete sich wieder seiner Arbeit. Mit hängenden Schultern schlurfte Haseo seinem Zimmer entgegen, sich fragend, ob dieser Tag noch schlimmer werden konnte. Obwohl er aus Erfahrung wusste, dass diese Frage vollkommen überflüssig war, denn nach unten schien es keine Grenze zu geben. Auch wenn er seinem Leben nie irgendeine Art von Bedeutung zugewiesen hatte, fühlte sich Haseo im Moment noch wertloser als bisher. Ein Assassine der keine Aufträge bekam war lediglich Platz- und Zeitverschwendung. Sein Meister hatte Recht. Kaum angekommen verschloss er die Tür hinter sich und ließ sich voll bekleidet aufs Bett fallen. Er war müde. Mit dem Kopf im Kissen schloss Haseo die Augen. Ja, es wäre das Beste, wenn er diesen furchtbaren Tag einfach verschlafen könnte. Er wollte nichts mehr hören oder sehen, an nichts mehr denken. Er wollte sich nur noch dem süßen Nichts hingeben und in tiefen traumlosen Schlaf fallen. Schon bald spürte Haseo wie ihm die Sinne schwanden und ihn eine angenehme Dunkelheit umgab. Vielleicht sollte ihm tatsächlich dieser eine Wunsch gewährt werden. Das Bild war verschwommen, als würde er durch einen Schleier blicken. Er war am Boden und sein Rücken pulsierte vor Schmerzen. Unter ihm Sand. Sand und Blut. So entsetzlich viel Blut, dessen penetranter Gestank die Übelkeit in ihm aufstiegen ließ. Er wollte aufstehen, wegrennen, doch sein Körper verweigerte ihm den Dienst. Kraftlos ließ er seine vernebelten Augen von links nach rechts wandern und wünschte sich sofort, er hätte es nicht getan. Nur eine Armlänge entfernt lag ein rothaariges Mädchen. Sie war Archer. Ihre großen blauen Augen waren weit aufgerissen und ohne jeden Glanz. Aus einer Wunde rann Blut und färbte ihr hellblaues Gewand dunkelrot. Der Junge am Boden wusste nicht was schlimmer war, der abartige Gestank oder das offensichtlich tote Mädchen vor seinen Augen. Doch er hätte keine Kraft gehabt sich zu übergeben, selbst wenn er es gewollt hätte. Er wandte den Blick ab, mehr konnte er nicht tun. Immer wieder drohte er ohnmächtig zu werden doch er zwang sich bei Bewusstsein zu bleiben. Würde er jetzt die Augen schließen wäre alles vorbei. Er wollte nicht, dass sein junges Leben so endete. Doch was hatte er schon für Chancen? Allein im Dreck mit einer klaffenden Wunde. Es wäre so viel einfacher aufzugeben. Sein Leiden endlich zu beenden. Hoffnung gab es ohnehin keine mehr. Gib auf! Ja. Es ist vorbei. Der Junge spürte, wie seine Lider immer schwerer wurden. Nur noch wenige Augenblicke voll Qualen, dann würde es vorbei sein. Nur noch ein Bisschen. “Ha… o…!” Plötzlich schien ein neuer Funken Lebenswille in ihm aufgeflammt zu sein. Mit neuer Kraft öffnete er die Augen und sah, wie sich jemand näherte. Er war zu kraftlos, um den Kopf zu haben und so sah er nur die gepanzerten Stiefel seines Retters. Ein Knight? “Ha… seo!” Da war es wieder. Diese vertraute Stimme, die aus der Ferne seinen Namen zu rufen schien, obwohl er doch so nah war. Er war wirklich gekommen, um ihn zu retten. Er war hier. Haseo spürte, wie etwas fest auf seinen Rücken gepresst wurde, bevor ihn sein Retter vorsichtig zu sich heranzog und seinen Kopf auf seinem Schoß bettete. “Bleib bei mir! Es wird alles gut!”, sagte der junge Knight mit mühsam ruhiger Stimme, doch seine grünen Augen verrieten den Horror, der in ihm herrschte. Sein halblanges weißes Haar fiel wirr, doch das kannte Haseo nicht anders von ihm, und klebte strähnig im Angstschweiß auf seiner Stirn. Seine zitternden Hände hatte er unter Haseos Kinn und auf seine Wange gelegt, während er seine Worte immer und immer wieder wiederholte. Haseo fühlte Erleichterung, wenn nicht sogar Glück. An seiner Seite würde er in Frieden sterben können. Er hätte ihm so gerne alles gesagt. Wie glücklich er war, in diesem Moment nicht allein zu sein, und wie sehr er ihn dafür und für so viel anderes liebte. Doch ihm blieb keine Zeit mehr. Er würde gehen ohne es jemals ausgesprochen zu haben und sein Herz füllte sich ein letztes Mal mit Trauer, als es dunkel um ihn wurde. Wie vom Schlag getroffen saß Haseo kerzengerade und schweißgebadet im Bett. Sein Atem ging schnell und flach und sein Herz raste mit besorgniserregender Geschwindigkeit. Es dauerte einen Moment bevor er wieder realisieren konnte wo er sich befand. Unter Stöhnen ließ er sich zurück ins Kissen fallen. Wie lange war es jetzt her, dass ihn dieser Traum das letzte Mal heimgesucht hatte? Zu lange, als dass sich Haseo daran erinnern konnte. Allmählich normalisierte sich seine Atmung und sein Herzschlag wieder, als sich eine unvermeidliche Frage aufdrängte. Wieso war dieser Traum plötzlich zurückgekehrt? Obwohl es viel weniger ein Traum, als viel mehr eine Erinnerung war. Die einzige, die immer wieder schwach in Haseos Unterbewusstsein aufkeimte und ihm nicht nur den Schlaf, sondern auch den Verstand raubte. Es begann und endete immer an der selben Stelle. Und immer wieder wurde Haseo mit den selben konfusen Emotionen und Eindrücken zurückgelassen. Der Gestank des Bluts, das tote Mädchen und der Knight, den er so innig zu lieben schien und an dessen Namen er sich dennoch nicht erinnern konnte. Erneut schloss Haseo die Augen, um seine Gedanken zu sammeln. Irgendetwas war dieses Mal anders. Es fühlte sich anders an. Doch was? So sehr es ihm auch davor graute, so musste sich Haseo doch jedes Detail noch einmal in Erinnerung rufen. Er ging alle Einzelheiten durch, doch nichts geschah. Er wollte schon aufgeben, es als einmaliges Phänomen abschreiben, als er sich auf den jungen Knight besann. Diese Augen. Dieses strahlende Grün, Haseo war sich sicher, es erst kürzlich gesehen zu haben. Und er wusste auch wo. Sofort manifestierte sich ein neues Bild vor seinem inneren Auge. “Zey…?” Sie hatten zweifellos die selbe Ausstrahlung und weckten die selben Gefühle in Haseo. Seit diesem Vorfall mussten mindestens acht Jahre vergangen sein, es war also nicht weiter verwunderlich, dass Zey in dieser Zeit zum Lord Knight aufgestiegen war. Außerdem deckte es sich mit Zeys Geschichte. Einzig seine Haarfarbe passte nicht. Haseo hatte sich über solche Oberflächlichkeiten nie Gedanken gemacht, doch er wusste, dass es in Großstädten wie Prontera durchaus üblich war Haarfarbe und Frisur nach Lust und Laune zu ändern. Verzweifelt vergrub Haseo sein Gesicht in den Händen. Wieso musste er diesen Traum haben? Wieso musste sich plötzlich alles zu einem Bild zusammenfügen? Er hatte sich doch geschworen Zey für immer zu vergessen. Nicht mehr an ihn zu denken und ihn erst recht nicht wiederzusehen. Doch all seine Vorsätze brachen in sich zusammen wie ein Kartenhaus im Wind. Wie hätte Haseo jetzt einfach aufgeben können? Er war sich sicher, nachdem er dieses erste Puzzleteil gefunden hatte, würde es für ihn kein Zurück mehr geben. Er wollte es wissen. Er wollte alles wissen! Den Respekt seines Meisters hatte er ohnehin schon verloren. Jetzt ein Verbot mehr oder weniger zu brechen würde keinen Unterschied machen. Er wusste es bereits vor acht Jahren und Haseo weiß es auch heute wieder - in Zeys Armen würde er glücklich sterben können. Sollte dies also der Preis für ein, wenn auch nur kurzes, Leben in Klarheit sein, so würde er es bereitwillig akzeptieren. Schnell entledigte er sich seiner verschwitzten Kleidung und zog neue an. Haseo würde nicht länger warten. Missionen hatte er in nächster Zeit sowieso keine zu erwarten, was sich plötzlich als durchaus hilfreich erwies. Vielleicht begann sein Leben sich dank Zey tatsächlich zum Besseren zu wenden. Er würde ihm dafür danken müssen. Auch dass er sich gestern in Zeys Wohnung einladen ließ bereute Haseo nun in keiner Weise mehr. All dies würde ihm nun zu Gute kommen. Zum ersten Mal in seinem Leben würde sich Haseo gegen die Gilde auflehnen und er musste zugeben, dass es einen gewissen Reiz auf ihn ausübte. Verbotene Früchte schmeckten bekanntlich immer am süßesten. Ohne große Umschweife verließ Haseo sein kleines Zimmer und bahnte sich zielstrebig seinen Weg zum Ausgang. Während seine Füße ihn wie von selbst zu tragen schienen verfiel er unwillkürlich in Gedanken. Nach seinen Erinnerungsfetzen und Zeys Erzählungen zu schließen waren sie damals so etwas wie ein Paar. Bei dieser Vorstellung musste Haseo kurz innehalten. Mit seinen nunmehr dreiundzwanzig Jahren hatte er noch nie eine Beziehung geführt, was bei seiner Profession nur wenig verwunderlich war. Dennoch fiel es ihm schwer zu glauben, dass er bereits acht Jahre zuvor, mit fünfzehn, eine intakte Beziehung gehabt haben soll. Sie waren damals beide jung. Vielleicht war ‘alles was sie hatten’, wie Zey es nannte, nur jugendliche Neugier. Doch was genau hatten sie? Wie weit waren sie tatsächlich gegangen? Haseo spürte wie ihm die Röte ins Gesicht stieg. Obwohl er ein erwachsener Mann war, hatte er nie wirklich über dieses Thema nachgedacht oder sich gar selbstbefriedigt. Die Vorstellung, dass er bereits in so jungen Jahren so lüstern gewesen sein konnte, war ihm peinlich. Doch damals war seine Welt noch in Ordnung. Damals ahnte Haseo noch nicht, welches Leid ihm nur knapp ein Jahr später durch einen anderen Mann zugefügt werden sollte. Doch damals ahnte er so vieles noch nicht. Die schmerzlichen Erinnerungen raubten ihm den Atem. Der Gedanke an die Berührungen dieses Mannes jagten Haseo Schauer über den Rücken. Doch bei Zey war es anders. Egal wie unerwartet Zey ihn auch berührt hatte, Haseo hat es nie als unangenehm empfunden. Ganz im Gegenteil. Zwar war es nicht so, dass es unanständige Gedanken in ihm auslöste, doch die Sehnsucht nach nur einer weiteren Berührung war stark. Haseo war sich noch nicht sicher, doch er glaubte, dass er sich Zey irgendwann öffnen konnte. Sie waren bereits durch ein inniges Band miteinander verbunden, das keiner von ihnen leugnen konnte. Haseo wollte daran anknüpfen und es noch vertiefen. Nach seinem eher unfreiwilligen Stopp nahm er seine Schritte wieder auf. Zum Glück kreuzten nur wenige Assassinen seinen Weg und auch von Rika war weit und breit keine Spur. Eines ihrer Kreuzverhöre hätte Haseo jetzt gerade noch gefehlt. Er war noch nie gut darin sich glaubwürdige Ausreden einfallen zu lassen und so stand ihm die Erleichterung förmlich ins Gesicht geschrieben. Nur noch wenige Meter bis er die verschlungenen Wege des Gildengebäudes endlich hinter sich gelassen hatte. Er konnte den brennenden Wüstensand schon förmlich riechen, als Haseo eine Stimme hinter sich vernahm. “Wohin des Weges?”, tönte eine Männerstimme. Augenblicklich erstarrte Haseo. Diese Stimme! Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, dass er sie nicht mehr gehört hatte, doch es bestand kein Zweifel. Der Mann, von dem er gehofft hatte, ihn nie wieder sehen zu müssen, war zurück. “Kagami…” Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)