Shugo Tenshi von Yuks (Schutzengel - SasuNaru) ================================================================================ Kapitel 1: Shugo Tenshi ----------------------- Shugo Tenshi „Scheiße!“ Sasuke trat mit voller Wucht auf das Bremspedal und wurde durch das plötzliche Anhalten nach vorne geschleudert. Seine Stirn knallte gegen das Lenkrad und er fragte sich, ob die tanzenden Sterne ihren Ursprung im Aufprall oder im Alkohol fanden. Benommen ließ er sich gegen die Autotür fallen, drückte den Öffner nach unten und glitt auf die Straße, die ihn mit nassem Asphalt herzlichst begrüßte. Kurz hatte der junge Mann das Gefühl ertrinken zu müssen, bis ihm auffiel, dass er festen Boden unter sich hatte und lediglich der Regen unbarmherzig und sintflutartig auf ihn hinabprasselte. „Scheiße.“ Er versuchte sich aufzurichten, doch seine Arme und Beine zitterten so stark, dass er sich nicht einmal hinknien konnte. Nur mit größter Mühe schaffte er es, sich auf den Rücken zu drehen und, alle viere von sich gestreckt, auf einen Krankenwagen oder auf den Tod zu warten, je nachdem, wer zuerst bei ihm war. Mit pochenden Kopfschmerzen schloss er die Augen und wartete, wartete auf irgendjemanden, der ihm endlich einen Regenschirm vors Gesicht halten könnte, damit diese nervigen Tropfen endlich aufhören würden wie kleine Pistolenkugeln Wangen und Stirn zu treffen. Er wartete darauf, dass ihm endlich jemand ein Sandwich bringen würde, mit Schinken und Käse, dazu ein Getränk, am besten etwas Nichtalkoholisches, nein, Alkohol wollte er nie wieder anrühren, so wie er es sich jedes mal nach einer Party schwor. Warum kam denn niemand mit dem Sandwich? Sasuke drehte den Kopf zur Seite, Blut sickerte aus seiner Schläfe, viel Blut, zu viel Blut, er hob langsam die Lider und erkannte nach zwei verschwommenen Sekunden einen grellen, unnatürlichen Lichtschein und blaue Turnschuhe. Anstatt zu fragen: Wer steht denn neben mir und könnte mir helfen? dachte er nur: Mann, sind die hässlich. Um den Albtraum in Blau nicht mehr sehen zu müssen, schloss er seine Augen und driftete in ein viel angenehmeres Schwarz, sodass er gar nicht merkte, wie der Regen schon längst aufgehört hatte. “Glaubst du an Engel, Sasuke? Glaubst du, dass es Wesen gibt, die über uns wachen und auf uns aufpassen?“ Das Licht war grell, als Sasuke seine Augen wieder öffnete. Sehr grell. Zu grell. Aber er lag weich. Und es war warm. Stöhnend drehte er den Kopf zur Seite, dabei rollte sämtlicher Kopfinhalt von der einen auf die andere Seite und drückte unangenehm gegen seine Stirn, eine nette Nebenerscheinung des Alkohols. Auch der Rest seines Körpers fühlte sich schwer und geschunden an, was sicherlich nicht auf den Alkohol zurückzuführen war, jedoch auf die Folgen des heimtückischen Destillats. Sasukes Augen trafen auf eine weiße Wand, Zentimeter für Zentimeter pures, klares Weiß, als würde er sich in der Antarktis an einen Eisbären kuscheln, so fühlte er sich, die Decke drückte ihm auf die Rippen, auf die Beine, auf die Füße, er glaubte, alles gebrochen zu haben. Er atmete tief ein und in diesem Moment wurde ihm klar, wo er war. Der penetrante Geruch von Desinfektionsmitteln brannte ihm in der Nase und das konnte nur eins bedeuten: Er war an dem Ort gefangen, den er sich geschworen hatte nie wieder zu betreten, ganz egal, wie schlecht es ihm ging. „Oh, du bist wach.“ Eine junge Krankenschwester huschte an sein Bett, überprüfte den Infusionsbeutel und die dazugehörige Nadel, die mit Pflastern und Verband befestigt in Sasukes Vene steckte. „Ich habe dir ein stärkeres Schmerzmittel gegeben, das könnte etwas brennen.“ „Es sind schon ganz andere Sachen durch meine Adern geflossen…“, murmelte der junge Mann, kniff trotzdem die Augen zusammen, als die Flüssigkeit durch seine Blutbahn strömte und ein unangenehmes Kribbeln hinterließ. Die Krankenschwester überhörte seinen Kommentar und begutachtete ihn. „Ist dir nicht zu kalt?“ Sie zog die Decke etwas höher. „Warte, ich schüttel‘ dein Kissen auf.“ Wie ein tüchtiges Hausmädchen zog sie den Stoff unter seinem Kopf hervor, der selbst bei dieser kleinen Bewegung zu explodieren drohte, und schüttelte es vor dem Fenster auf. Sasuke stellte sich einen irrwitzigen Augenblick lang vor, wie Schnee aus den Bezügen rieselte, die Welt langsam in ein sanftes Weiß tauchte und das Mädchen zur Belohnung für ihre harte Arbeit mit Gold überschüttet wurde. Seine Mundwinkel verzogen sich zu einem Grinsen. Danach käme der Prinz auf dem weißen Schimmel, würde sie aus diesem sterilen Gebäude ins Märchenland entführen und dort um ihre Hand anhalten. „Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.“ Die Krankenschwester legte ihm das Kissen zurück unter den Kopf. Sein Nacken entspannte sich allmählich. „Das ist doch das Ende eines jeden Märchens, oder?“ Sie lächelte ihn an. „Ich mag Märchen unheimlich gerne. In meiner Fantasie war ich immer eine Prinzessin, die in größter Not von ihrem Prinzen gerettet wird. Der Prinz symbolisierte meine zweite Hälfte, mit der ich mich endlich komplett fühlte. Er war mein rettender Engel.“ Sasuke schluckte. „Und nach der Hochzeit bauten wir uns ein Haus aus Marmor und lebten glücklich bis an unser Lebensende. Wenn wir nicht gestorben sind, natürlich.“ Sie kicherte wie ein kleines Mädchen. „Was ist mit dir? Magst du Engel?“ „Nein, ich hasse Engel.“ Sein rechtes Bein war gebrochen, einige Rippen angeknackst, Kratzer und Blutergüsse überzogen seinen gesamten Körper, doch nach Angaben des Arztes „hatte er richtig Glück gehabt.“ „Glücklicherweise hat einer der Sanitäter bereits Ihre Kopfwunde versorgt, sonst wären Sie wahrscheinlich noch am Unfallort verblutet.“ „Er muss dein Schutzengel sein und nicht gewollt haben, dass du stirbst“, hatte die Krankenschwester noch hinzugefügt. Sasuke brachte nur ein verächtliches Schnauben zustande, mehr ließ sein viel zu trockener Mund sowieso nicht zu. „Nein. So etwas wie Engel gibt es nicht. Wir müssen auf uns selbst aufpassen.“ Der blonde Junge sah ihn erst schockiert, dann wütend an. „Also ich glaube an Engel! Wir sind doch viel zu klein, wir können noch gar nicht auf uns aufpassen. Wir brauchen Beschützer.“ Er nahm Schwung und sprang auf die Schaukel, die an der großen Eiche hing. Einige male schaukelte er vor und zurück, betrachtete den Himmel und lächelte nach einer Weile wieder. „Du bist viel zu erwachsen, Sasuke.“ * „Das hätte schlimm ausgehen können.“ „Zum Glück hat jemand auf mich aufgepasst.“ „Zum Glück hat er dich noch rechtzeitig gesehen und gebremst.“ „Du bist viel zu realistisch, Sasuke.“ Der Schwarzhaarige hob eine Augenbraue. „Jetzt bin ich also zu realistisch? Bisher war ich immer zu erwachsen.“ „Naja, jetzt sind wir ja auch fast erwachsen. Ich meine, wir gehen fast auf die Oberschule!“ „Wer hätte gedacht, dass du es soweit schaffst.“ Der Blonde sah ihn schmollend an. Seine blauen Augen leuchteten in der Sonne. „Du bist…“ Sasuke lachte und zog den Kleineren liebevoll, dennoch bestimmt zu sich. „Und du bist einfach wundervoll…“, hauchte er und drückte seine Lippen auf die seinen. * „Er muss sofort ins Krankenhaus! Aus dem Weg!“ Blut. Überall. Sasuke kämpfte sich durch die Menge. „Halt, du kannst da nicht…“ „Halte durch, hörst du? Du kannst jetzt nicht sterben!“ Der Blonde lächelte schwach. Es kostete ihn Kraft, Kraft, die er nicht mehr hatte. Er hustete Blut und Speichel. „Verdammt, Naruto.“ Sasuke kniete sich neben ihn, hielt mit einer Hand Narutos Kopf, mit der anderen streichelte er über seinen Handrücken. „Ich werde auf dich aufpassen…“ „Hör‘ auf so zu reden!“ „Mir…bleibt nicht viel…“ „Sie bringen dich ins Krankenhaus. Dort wirst du wieder gesund.“ Sasuke versuchte den dicken Kloß in seinem Hals hinunter zu schlucken. „Du kannst jetzt nicht gehen!“ „Ich…werde auf dich…aufpassen…“ „Nein…“ „Du musst...für uns beide…weiterleben…“ „Ich kann nicht.“ „Ich bin…immer…bei dir…“ „Versprochen?“ Doch eine Antwort bekam er nicht. Nicht mehr. Es war zu spät, als der Mann in Weiß die Decke über ihn legte. * Die Beerdigung fand im kleinen Rahmen statt, dauerte viel zu lange und war doch nicht genug, um sich zu verabschieden. Sasuke fand die viel zu prächtigen Blumen lächerlich, geradezu grotesk. „Wo wart ihr Schutzengel?“, rief er gen Himmel und lief vor dem Grab auf und ab. „Konntet ihr euren verdammten Job nicht ordentlich machen?“ Er stampfte wütend auf, Tränen liefen ihm über die Wangen. „Und was ist mit dir, Naruto? Du hast mir immer gesagt, dass es Schutzengel gibt, die über uns wachen und die auf uns aufpassen. Warum hat dann niemand auf dich aufgepasst?“ Zitternd wartete er auf eine Antwort, die er nie erhalten würde. „Warum hat denn niemand auf dich aufgepasst?“, schrie er. Schweißgebadet wachte Sasuke auf. Einen kurzen Moment wusste er nicht, ob er noch immer träumte oder ob er wirklich in der Dunkelheit lag. Ganz leicht drehte er den Kopf und sah die leuchtende Anzeige des Funkweckers. 3:21 Uhr. Mitten in der Nacht. Dann brachen die Erinnerungen auf ihn ein wie eine gigantische Tsunami-Welle. Die Erinnerungsfetzen drohten ihn schier zu überwältigten und sein pochender Kopf schien nun vollends zu explodieren. Er griff sich an die Brust und versuchte, ganz ohne Alkohol, die Leere zu vergessen, die seit drei Jahren sein treuer Begleiter war. „Willst du deinem Schutzengel denn gar nicht danken?“ Zwei Wochen nach seiner Einlieferung befand ihn der Arzt wieder gesund genug, um das Krankenbett zu verlassen. Er stand am Fenster und beobachtete den Verkehr, der sich zum Feierabend hin verdichtete. „Ich meine, willst du gar nicht wissen, wer deine Kopfwunde versorgt hat?“ So sehr diese Krankenschwester ihm auch auf die Nerven ging, er wollte nicht unhöflich sein. „Dann gehe ich kurz bei ihm vorbei. Wo finde ich ihn?“ „Draußen auf der Bank.“ Sasuke nahm seine Krücken und bewegte sich Richtung Ausgang. „Alles Gute und trink‘ nicht mehr zu viel!“, rief ihm die Prinzessin hinterher. „Hm.“ Er wusste, dass er spätestens morgen wieder eine Flasche in der Hand hielt, denn einen Grund, die Schmerzen ohne Alkohol durchzustehen, gab es nicht. Draußen begrüßten ihn die ersten Sonnenstrahlen seit Tagen, doch freuen konnte er sich darüber nicht. Er fühlte sich elend, wie konnte die Sonne es wagen, so fröhlich zu lächeln? So weit bist du also schon, dass du dem Wetter vorwirfst, mit Absicht heiter zu sein, um dir eins auszuwischen…bravo, Sasuke… Langsam humpelte er weiter und hielt Ausschau nach seinem sogenannten „Schutzengel“. Etwas abseits entdeckte er die Bank, auf der der Sanitäter mit dem Rücken zu ihm gewandt saß. Bestimmt ist er ganz stolz, einem Menschen das Leben gerettet zu haben…, dachte er und betrachtete den Blondschopf, der in der Sonne glitzerte. Unter der Bank erkannte er die hässlichen blauen Turnschuhe. Kein Zweifel, das musste er sein. „Hey“, rief er. Der Junge ignorierte ihn. „Hey!“ Als Sasuke die blauen Augen erblickte, dachte er, er würde wieder oben im Krankenbett liegen und mit Schmerzmittel zugedröhnt werden. Er musste noch träumen, anders war das nicht zu erklären. Ganz starr beobachtete er den Blonden, der ihn liebevoll anlächelte und neben sich auf die Bank deutete. Er selbst stand auf, ging einige Schritte auf den Rasen, streckte die Arme aus, als wolle er sich vom Wind tragen lassen und verschmolz mit einem hellen Sonnenstrahl. Sasuke blinzelte, doch der Junge war verschwunden. „Scheiße…“ Am ganzen Körper zitternd ging er zur Bank und entdeckte einen Zettel, auf dem nur ein einziges Wort stand. Versprochen. ----------------------------------- Ein kleiner OS für Zwischendurch ;D Zur Erklärung der Flashbacks: Bei der ersten Erinnerung sind die beiden um die 6 Jahre alt, bei der zweiten zwischen 16 und 17 (vielleicht auch schon 18!) und bei der letzten 23. Danke fürs Lesen! ^-^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)