Reflection von queermatcha (In my heart just keep on bleeding, I can't stand myself too long...) ================================================================================ Kapitel 2: ----------- An sich war Takas Job im Supermarkt gar nicht so schlecht. Sein Boss meckerte zwar öfters herum, aber das tat er nicht nur bei Taka, sondern auch bei seinen ganzen Kollegen. Man gewöhnte sich daran. Inzwischen arbeitete Takahiro schon seit zwei Wochen dort. Das ständige Schleppen der Kartons und Paletten hatte ihm zwar ziemliche Rückenschmerzen beschert, aber genau wie an das Meckern des Chefs gewöhnte man sich auch irgendwann daran und der Rücken schmerzte nicht mehr so schlimm wie nach den ersten Tagen. Glücklicherweise waren seine Kollegen alle sehr freundlich. Außer ihm arbeiteten noch zwei Männer und drei Frauen in dem Supermarkt im Schichtdienst. Der junge Sänger arbeitete eigentlich immer Vormittags, nur manchmal am Wochenende half er Abends aus, wenn der Ansturm zu groß war. Aber das kam recht selten vor. Takas Lohn war nicht übel. Nicht die Welt, aber gar nicht übel. An einem seiner freien Tage hatte er sich auf die Suche nach einer kleinen Wohnung gemacht. Den ganzen Tag war er von einer Besichtigung zur nächsten getingelt. Es hatte ihn sehr viel Überwindung gekostet, diese ganzen Vermieter zu kontaktieren. Als er noch bei seinen Eltern gelebt hatte, hatte er so etwas nicht gekannt. Auch Geldprobleme hatte er niemals gehabt, auch, wenn er sehr bescheiden war. Aber wenn er etwas gebraucht hatte, dann war es eigentlich kein Problem gewesen, das von seinen Eltern finanziert zu bekommen; die beiden schwammen im Geld, hätten wohl die meisten in Takas Alter gesagt. Aber schlussendlich hatte Taka das auch nicht viel gebracht. Was brachte einem Geld, wenn man ganz allein war? Wenn es niemanden gab, der einen liebte, dem man vertrauen konnte, mit dem man lachen und weinen konnte, wenn einem danach war? Die Einsamkeit fraß den jungen Mann beinahe auf. Er hatte noch nie viele Freunde gehabt, aber ein paar recht gute Bekannte waren dabei gewesen, bevor er alles hinter sich abgebrochen hatte. Und seine Mutter. Oh, wie sehr er sie vermisste. Masako war immer die wichtigste Person in Takahiros Leben gewesen. Bis vor diesem Zwischenfall nach seinem Ausstieg bei News hatte sie auch immer hinter ihm gestanden, hatte ihn auch oft verteidigt, wenn sein Vater ihn mal wieder in die Mange genommen hatte. Aber jetzt war auch das vorbei. Dieser Verrat seiner Mutter war eigentlich das, was den Brünetten am meisten schmerzte. Es verging eigentlich kein Abend, an dem er am Fenster seines kleinen Zimmers in der Jugendherberge saß und Masako vermisste. Aber es half alles Nichts. Es war einfach vorbei. Also hatte Taka sich mehrere Zeitungen gekauft und jede zu vermietende Einzimmer-Wohnung angestrichen. Dann hatte er einen Teil seines Lohnes darauf verwendet, sich Guthaben auf sein Handy zu laden, und hatte jeden einzelnen Vermieter angerufen. Acht Besichtigungstermine in verschiedenen Stadtteilen hatte er ausmachen können und diese dann auch wahrgenommen. Als er todmüde dann am späten Abend in sein Zimmer zurück kam, war er ziemlich ernüchtert und unglaublich enttäuscht. Wohnungen waren mit seinem kleinen Gehalt nicht zu finanzieren. Die meisten kosteten das Doppelte an dem, was Taka überhaupt verdiente, und er brauchte ja auch noch Essen, Trinken und die Nebenkosten waren da auch noch nicht dabei. Selbst mit zwei Jobs war das nicht zu stemmen. Und selbst wenn er die günstigste Wohnung nehmen würde, dann würde er sich gerade so über Wasser halten können. Und das wollte Taka nicht. Er wollte Gesangsunterricht nehmen, und das kostete nun mal eine Stange Geld. Also beschloss er, einfach weiter in der Jugendherberge zu bleiben, bis sich irgendetwas ergab… oder auch nicht. Seine Zukunft war ziemlich unsicher, aber darüber wollte der junge Mann sich keine allzu großen Gedanken machen, sonst würde er wahrscheinlich vor Angst kein Auge mehr zu machen. Obwohl Taka sich mit seinen Arbeitskollegen im Supermarkt gut verstand – manchmal gingen sie sogar in der Mittagspause gemeinsam essen – hatte er noch keinen einzigen Freund gefunden. Der Auszug aus dem Haus seiner Eltern war nun schon zwei Monate her und inzwischen kam der Sänger ganz gut zurecht. Nur die Einsamkeit verschwand nicht, im Gegenteil. Sie wurde immer schlimmer. Natürlich, seine Kollegen waren sehr nett – vor allem zwei von den Frauen schienen einen regelrechten Narren an dem niedlichen 16-Jährigen gefressen zu haben, denn sie nannten ihn nur ‚Takachan‘ und brachten ihm regelmäßig Bentos mit – aber sie behandelten ihn alle wie ein Kind, nahmen ihn nicht ernst. Das merkte der junge Sänger jeden Tag. Sie waren auch alle mindestens zehn Jahre älter als er und hatten Familie. Manchmal wurde eine seiner Kolleginnen von ihrem Mann und ihrem zuckersüßen, zwei Jahre altem Sohn abgeholt und wenn er das sah, wurde Taka immer richtig schwer ums Herz. Er sehnte sich nach einer Familie, einem Zuhause, das ihm Geborgenheit gab. Eines Abends war Taka in der Fußgängerzone nahe seiner Jugendherberge einkaufen. Es gab ein paar kleine Gemüseläden, wo man das Gemüse vom Vortag für den halben Preis bekam, und diese Angebote nutzte er sehr gern. Er kaufte täglich ein und es machte ihm nichts aus, wenn sein Gemüse mal eine Druckstelle oder ähnliches hatte, wenn er es dafür günstiger bekam. Jeden Yen, den er so sparen konnte, brachte er zur Bank. Er hatte zwei Konten eröffnet - eines für sein Tagesgeld und ein Sparkonto, wo er Geld für Gesangsunterricht sammelte. Es ging sehr langsam voran damit, weil die Lebenserhaltungskosten trotz günstigen Gemüses in Tokyo sehr hoch waren. Aber Taka war zuversichtlich. Er musste einfach nur so weiter machen, die Zähne zusammen beißen und sehr sparsam leben, dann würde das schon werden. Zum Glück war der Brünette ein Optimist und meilenweit davon entfernt, einfach so aufzugeben. Er hatte sich also gerade mit Karotten, ein paar Kartoffeln, Tomaten und etwas Lauch eingedeckt, als er gegenüber des Lebensmittelgeschäftes ein Café erblickte. Das war an sich nichts Besonderes; von solchen kleinen Cafés wimmelte es nur so in dieser Gegend. Aber etwas im Schaufenster hatte die Aufmerksamkeit des jungen Mannes erregt. Er überquerte die enge Straße und las ein Schild, das im Fenster des Cafés hing, das ‚Pianobar‘ hieß. !! Aushilfe dringend gesucht !! Wir suchen eine Aushilfe (Studenten oder Schüler auch sehr gern gesehen!) für Teilzeitarbeit Arbeitszeit wäre Montags bis Freitags von 20:00 bis 22:00 Uhr Bezahlung nach Vereinbarung Interesse? Sprechen Sie unser Personal an! Der Sänger machte große Augen. Das klang eigentlich Ideal. Er arbeitete Montag bis Freitag nur bis 14 Uhr im Supermarkt. So hätte er noch genug Zeit, Besorgungen zu machen und dann Abends im Café zu arbeiten. So würde er sehr viel schneller das Geld für seinen Gesangsunterricht zusammen bekommen… Ohne zu zögern betrat Taka das Café und sprach eine sehr sympathisch wirkende Kellnerin an, verbeugte sich leicht. „Entschuldigung.“, sagte er und lächelte. „Ich habe draußen Ihren Aushang gelesen und wäre an der Teilzeitstelle interessiert!“ Die junge Frau, die fast einen ganzen Kopf kleiner war als Taka – und er war ja schon nicht groß – strahlte ihn an. „Oh, wirklich? Das freut mich! Ich bringe Sie zu meinem Vater, ihm gehört die Pianobar. Folgen Sie mir doch bitte!“ Der Brünette nickte und folgte der jungen Frau. Sie brachte ihn zu einem Hinterzimmer, das wohl das Büro ihres Vaters war. „Papa, ich habe einen Bewerber für die Aushilfsstelle.“ Eine tiefe Stimme war zu hören. „Bring ihn herein.“ Die junge Frau trat zur Seite. „Immer herein spaziert.“, lächelte sie und zwinkerte dann. „Viel Glück!“ Höflich bedankte Takahiro sich und trat ein. Er hoffte, dass er mit seinen Einkäufen hier aufschlug, brachte ihm keine Nachteile. Aber er wollte keine Zeit verlieren – solche Stellen waren äußerst begehrt und meistens sofort weg, wenn man sich nicht beeilte. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Hinter einem massiven, dunklen Schreibtisch saß ein sehr nett lächelnder Herr mittleren Alters. Sein Haar wurde an den Seiten seines Kopfes schon leicht grau und er hatte tiefe Lachfalten im gesamten Gesicht. Er wirkte sofort sehr sympathisch auf den jungen Sänger, der sich recht tief verbeugte. „Guten Tag. Vielen Dank, dass ich so kurzfristig bei Ihnen vorsprechen darf.“ Der Besitzer der Pianobar nickte lächelnd und wies auf einen Stuhl, der vor seinem Schreibtisch stand. „Hallo. Setz dich doch bitte.“ Und das tat Taka. Er stellte die Papiertüte mit seinen Einkäufen zu seinen Füßen ab und verschränkte dann die Hände im Schoß, konnte nicht verhindern, dass er recht nervös war. „Nun.“, sagte der Herr. „Warum mochtest du denn bei uns arbeiten?“ Er hatte wohl sofort erkannt, dass Taka noch sehr jung war. Es störte ihn auch nicht, geduzt zu werden, das fand er sowieso irgendwie persönlicher. „Ich möchte Geld verdienen, um mir einen Traum zu verwirklichen.“, sagte er dann ehrlich und der Chef hob ein wenig die Brauen. „Ach ja? Und welcher Traum ist das, wenn ich fragen darf?“ Taka lächelte und nickte. „Ich möchte mir Gesangsunterricht nehmen, weil es mein Traum ist, zu singen.“ Diese Ehrlichkeit schien den Besitzer der Bar zu beeindrucken. Er nickte und sein Lächeln wurde noch breiter. „Weißt du was? Dann würdest du perfekt in unsere Bar passen.“ Da machte Takahiro große Augen. „Tatsächlich?“ Ein erneutes Nicken. „Ja, tatsächlich.“, schilderte der ältere Herr. „Jeden Abend, von Montag bis Freitag, treten bei uns junge Künstler aus Tokyo auf. Sie bekommen eine Plattform, ihre Musik zu präsentieren und unser Café hat dadurch einen regelrechten Kundenandrang. Und deswegen suchen wir für genau diese Abende auch eine Aushilfe, weil meine Töchter das allein nicht mehr schaffen.“ Taka strahlte. Das klang, als wäre es perfekt für ihn! „Das klingt wirklich großartig! Ich würde wirklich sehr, sehr gern für Sie arbeiten!“ Da erhob sich der Mann und Taka tat es ihm gleich. „Okay, also – wie heißt du eigentlich?“, lachte er. „Morita Takahiro.“, gab der Sänger zurück. „Gut, Takahiro.“, sagte der Barbesitzer. „Ich bin Yamada Kazuhito. Und ich würde dich gern zu einem Probearbeiten einladen. Hast du morgen Abend von 19 bis 22 Uhr Zeit?“ Eifrig nickte der Brünette. „Natürlich habe ich das!“, strahlte er. „Gut. Dann bitte ich dich, morgen pünktlich um 19 Uhr hier zu sein. Wir – meine Töchter und ich – werden dir eine kleine Einweisung geben und dann kannst du beim morgigen Musikabend direkt zeigen, was du drauf hast.“ Der Sänger musste sich zusammen reißen, vor Freude nicht direkt in die Luft zu springen. Ein breites Lächeln zierte seine Lippen und seine dunklen Augen leuchteten richtig. „Ich werde da sein! Vielen Dank, Sie werden es nicht bereuen!“ So verabschiedeten sie sich und Takahiro machte sich breit grinsend auf den Weg nach Hause. Diesen Job würde er sich unter den Nagel reißen, komme da, was wolle! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)