Ruby Road von Ling-Chang (Legacy of the Vampire) ================================================================================ Kapitel 5: Tuesday's problems ----------------------------- Mein Wecker riss mich am Dienstagmorgen äußerst unsanft aus dem Schlaf. Ich hatte die Nacht fast komplett durchgemacht und war dementsprechend stark übermüdet. Auch Vampire brauchten ihren Schönheitsschlaf, also hatte ich nicht übel Lust, mich einfach noch einmal umzudrehen und das fiese Ding auszuschalten. Doch ich hatte bereits den Montag blau gemacht und wenn ich heute nicht zur Schule ging, dann würde ich für meine nicht abgegebenen Hausaufgaben ein verfluchtes F eingetragen bekommen. Also stand ich auf. Wenig begeistert, versteht sich. Meine Dusche begrüßte mich mit einem Schauer eiskalten Wassers und ich fluchte. Sobald es auf den Winter zuging, spinnte dieses Gerät gehörig. Warm wurde es erst nach ein paar geschlagenen, viel zu langen, Sekunden. Ich duschte ohne Hektik und trocknete mich in aller Ruhe ab. Dann fuhr ich mir mit dem Kamm durch die Haare und föhnte diese ein bisschen an. Sie würden schon noch trocknen, aber so ging es einfach schneller. Aber zu lange wollte ich mich auch nicht mit ihnen aufhalten, also föhnte ich sie halt nur an. Ich ging zu der Tür hinüber, die das Badezimmer mit meinem begehbaren Kleiderschrank verband und atmete die Luft von Leder ein, als ich in den Raum trat. Er war rechteckig und vollständig mit Schränken, Garderoben oder Kästen zugestellt. An der Wand rechts neben der Tür befand sich ein mannshoher Spiegel, die Längsseite entlang gab es hinter weißen, hölzernen Türchen von T-Shirts über Hemden bis hin zu Hosen aller Art alles zu entdecken. Selbstverständlich besaß ich auch richtige Anzüge, die ich in einer Garderobe gegenüber der Badezimmerwand fein säuberlich hinter weißen Vorhängen verstaut hatte. An der linken Längsseite konnte man in Schubladen Dinge wie Krawatten, Krawattennadeln und –klammern, Fliegen, Ringe, Ketten und sonstige Accessoires. Direkt neben der Tür zum Badezimmer befand sich ein Eckschrank, der sämtliche meiner Schuhe beinhaltete. Ich durchschritt den Raum und holte eine Boxershorts hervor, die ich anzog, bevor ich zu meiner Anzuggarderobe hinüberging. Dort holte ich die Uniform der Oak Tree hervor: Eine schwarze, glücklicherweise relativ eng geschnittene Lederhose, ein blütenweißes Hemd mit steifem Kragen, über das man einen schwarzen Pullunder mit Schulabzeichen auf der Brust ziehen musste und ein Blazer, ebenfalls schwarz mit Schulabzeichen. Die rote Schulkrawatte hatte einen schönen Ton, deshalb hatte sich keiner beschwert, als man sie eingeführt hatte – die Schuluniform war erst seit vier Jahren in Gebrauch. Ich hatte die Umstellung nicht mitbekommen, ich begann schließlich gerade erst mein Senior Year und war somit erst im dritten Jahr. Weil die Oak Tree den reichen Gören der Umgebung aber etwas bieten musste, hatte sie halt anstatt Baumwolle Leder verwendet, die Hemden aus Seide und die Pullunder aus Kaschmir anfertigen lassen. Dementsprechend kostete das gute Stück auch eine ganze Stange Geld. Ich schüttelte mich. Mit einem ergebenen Seufzen vollendete ich den Krawattenknoten gekonnt und zog eiligst meine Schuhe an. Grace behauptete stets, dass sie aussahen wie frisch vom Laufsteg. Ich besah mich im Spiegel und grinste. Wenn man die Krawatte wegließ, das Schulabzeichen abkratzen und die obersten Hemdknöpfe öffnen würde, dann würde das ganze gar nicht mehr so streberhaft aussehen, wie es das jetzt tat. Witzigerweise machte es keinem Lehrer etwas aus, wenn man ohne Krawatte kam, also nahm ich das Teil, das ich mir rein aus Gewohnheit wieder angelegt hatte, ab und öffnete mein Hemd wenigstens bis zum Ansatz des Pullunders. Ohne Krawatte sah ich besser aus, befand ich und schmiss das Seidenstück zurück in die Schublade, bevor ich mich zurück ins Badezimmer begab. Dort putzte ich mir die Zähne und frisierte mich zu Ende. Mit einem Blick zur Uhr über der Spüle wusste ich genau, dass ich das Frühstücken vergessen konnte. Ich war ein bisschen zu spät dran – aber auch wirklich nur ein bisschen. Also schnappte ich mir meinen Rucksack, schmiss meine Hausaufgabe in die Tasche und ein paar Stifte sowie Taschenrechner und Lineal dazu und schulterte sie. Gähnend verließ ich das Haus, nachdem ich Handy, Hausschlüssel, Motorradschlüssel, -papiere und Führerschein eingesteckt hatte. Ich wusste sehr genau, dass noch etwas Geld in meinem Blazer steckte. Meine Schuhhacken knallten auf die Stufen im Treppenhaus, doch ich kümmerte mich nicht um die Lärmbelästigung, die ich dadurch erzeugte. Außer meinem Großvater und mir wohnte hier nämlich niemand – genauer genommen war die kleine Wohnung wirklich meine, während mein Opa sich im restlichen Wohnhaus breit gemacht hatte. Also ging ich hinab in die Kelleretage, schlüpfte durch die schwere Eisentür, nachdem ich dort einen Code eingetippt hatte und ging in die Garage. Sie war nicht sehr groß, höchstens zwanzig Meter lang und zehn Meter breit, aber in ihr konnte man die wundervollsten Gefährte unterbringen, was mein Großvater natürlich erledigt hatte. Auf der linken Seite standen seine Ausstellungsstücke, die er nie benutzte, aber stets sehr pflegte: Zwei Ferraris, deren Namen ich mir nicht merken konnte, eine Corvette Sting Ray Concept, ein SLR McLaren und ein Rolls Royce standen dort. Er fuhr lieber seinen Ferrari 599 GTB Fiorano. Ich seufzte. Angeber. Meine Freunde standen hingegen auf der rechten Seite direkt an der Tür. Mein Baby war natürlich die schwarze Honda CBR1000RR Fireblade, die ich am häufigsten benutzte und die mir sehr ans Herz gewachsen war. Daneben stand mein schwarzes BMW 6er Cabrio. Das benutzte ich eigentlich nur, wenn es unbedingt sein musste, beispielsweise wenn es stürmte. „Guten Morgen“, begrüßte ich meine heißgeliebte Blade und strich einmal über ihren Tank. Erst dann zog ich mir die Motorradjacke über und setzte den Helm auf. Ich schwang mich auf den Sitz und kickte den Ständer weg, dann zündete ich den Motor und atmete befriedigt ein, als das Grollen der Blade meinen Morgen versüßte. Ich gab langsam Gas und fuhr bis zum automatischen Garagentor vor, dass sich nicht schnell genug geöffnet hatte. Ich wartete draußen noch, bis es sich wieder geschlossen hatte, bevor ich alle Geschwindigkeitsbegrenzungen und Verkehrsschilder missachtend in meiner persönlichen Rekordzeit auf dem Parkplatz der Oak Tree ankam und dort parkte. Sehr zufrieden mit mir, beeilte ich mich, noch rechtzeitig zu Mathe zu kommen. Calculus brachte mir immer meine Pluspunkte ein, ich war bei Funktions- und Integralrechnung ein kleines Genie, also wollte ich es mir nicht mit meinem Lehrer verscherzen. Ich konnte nur froh sein, dass heute keine Assembly war, denn die gab es nur Montag, Mittwoch und Freitag, anderenfalls wäre ich viel zu spät gekommen. Ich eilte den Gang hinunter, der mich zu meinem Unterrichtsraum brachte und schlüpfte eilig durch die Tür, als ich Mr. Johnson um die Ecke kommen sah. Grace winkte mir zu und ich schmiss mich neben ihr auf meinen Drehstuhl in der letzten Reihe am Gang. Mein Rucksack fiel zu Boden, wo ich ihn ließ, während ich meine Beine ausstreckte und meine beste Freundin ansah. „Und?“, wollte sie von mir aufgeklärt werden, doch ich konnte ihr nicht aufmunternd oder triumphierend zulächeln, weil ich nichts herausgefunden hatte. Dabei war ich seit Samstag nur am Rotieren. Bars, Discos, Freizeitbäder, Sporthallen, ZOBs. Ich hatte sie nicht finden können und an ihrer Schule auftauchen, wollte ich nicht. Sie war nicht umsonst einfach so verschwunden. „Nix und. Fehlanzeige“, murmelte ich zurück, weil Mr. Johnson gerade den Unterricht anfing. Sie stöhnte und seufzte gleichzeitig, dann meinte sie: „Ich kann’s einfach nicht fassen, Zac! Dein Großvater hat drei Leben hinter sich gebracht, bevor er deine Großmutter kennenlernte und in deine Situation kam. Nicht zu sprechen von deinem Vater, der sechs oder sieben Leben gebraucht hat, um in Israel seine große Liebe zu finden und das Legat zu verlieren. Scheiße, Zac! Und du brauchst verfluchte achtzehn Jahre!“ Ich erwiderte nichts, weil ich ihr nur Recht geben konnte und das wollte ich nicht, denn diese ganze Sache verletzte mich schon in meinem Stolz. Seit ich vierzehn war, war ich ein sexuell aktiver Vampir und hatte schon einige Beziehungen, Affären und One-Night-Stands hinter mich gebracht, aber so ein heißes Eisen wie am Freitag war mir noch nie untergekommen. Und gerade dieses verfluchte Mädchen hatte mich auf das Übelste verbrannt, weil ich meine Finger nicht von ihr lassen konnte! Und jetzt steckte ich in der Klemme! Nach dem Vampirgesetz war es meine Pflicht, sie über ihre Umstände aufzuklären und mein Möglichstes zu tun, um einen Verlust des Legats zu verhindern. Außerdem hielt ich es so ganz nebenbei auch noch für richtig, meiner Familie diesen riesigen GAU zu verschweigen aus Angst, dass ich Dinge ins Rollen brachte, die ich nicht aufhalten konnte. „Ich helfe dir, so gut ich kann. Lass uns Freitag noch einmal ins „Heels“ gehen“, schlug mir Grace mitleidig vor und ich schnaubte. „Als ob sie da wieder auftauchen würde! Sie hat mich sitzen lassen, Grace! Und das mit voller Absicht. Die kommt nicht mehr zurück.“ „Da haben Sie Recht, Mr. Cole. Diese Funktion geht tatsächlich ins Unendliche und kommt nicht mehr zurück. Sie ist also keine Asymptote.“ Ich zuckte dermaßen zusammen, dass die Schüler um mich herum hinter vorgehaltener Hand leise lachten. Grace senkte ihren Blick auf das Mathebuch vor ihr und ich grinste meinem Calculus-Lehrer zu, der sich zwinkernd abwandte. Ein Glück, nahm er meine geistige Abwesenheit gelassen. „Also. Wir sehen hier die Messung eines Tanks. Wir möchten aber bloß zwischen diesem Wert und diesem hier wissen, wie viel der Tank dort fasst und wie lange das braucht. Wie soll das also gehen?“, fragte er in die offene Runde. Die Köpfe der Mädchen versanken hinter Büchern, Heften oder vorgehaltenen Händen – an dieser Schule zeigte sich eines der am weitesten verbreiteten Klischees: Mädchen waren gut in Sprachen und schlecht in Naturwissenschaften, während es bei den Jungs genau andersherum war. Obwohl demnach alle jungen Männer in diesem Raum die Lösung wussten, schauten auch sie aus dem Fenster oder schrieben prätentiös von der Tafel ab. Keiner nahm seinen Taschenrechner heraus, um so zu tun, als rechne er. Ich grinste. Ich liebte die Oak Tree – von wegen Streber und reiche Snobs! Meine Hand hob sich und Mr. Johnson verschnaufte sichtlich erleichtert. „Ja, bitte?“ „Wir versuchen demnach ein Intervall zwischen dem Anfangswert und dem Endwert zu berechnen. Also ziehen wir die Intervallberechnung zu Rate. Das Intervall von x1 bis x2 beginnt beim ersten Strich …“, begann ich meinem Lehrer die Auflösung der Aufgabe zu diktieren. Neben mir schnaubte Grace und senkte kopfschüttelnd den Blick zurück auf ihr Heft, doch ich ignorierte sie und löste mit Leichtigkeit eine Aufgabe, von der Mr. Johnson gehofft hatte, dass sie uns Schülern die Komplexität der Mathematik bewies. Er hatte sich in mir geirrt. Sie war ziemlich einfach. Nach Calculus bekam ich ein paar Kommentare von meinen Klassenkameraden zu hören, die viele nicht der Oak Tree zuschreiben würden. Dinge wie „Intelligenz-Bestie“ oder „Hyper-Streber“ oder „Mr.-Johnsons-Lieblingskind“ waren dagegen reiner Alltag. Grace neben mir lachte sich schon die ganze Zeit schlapp, obwohl ich sie warnend anfunkelte. Wir verließen den Klassenraum und eilten zu unserem nächsten Kurs, Spanisch. Señor Juaréz war ein Strich in der Landschaft und konnte sich selten durchsetzen, aber wer ihm zuhörte, der konnte ziemlich schnell Spanisch flüssig sprechen. Doch ich gehörte in diesem Fach zu den Leuten, die stets nicht aufpassten. Ich konnte Spanisch, daher hatte ich es nicht nötig. Natürlich hätte ich Französisch wählen können, um noch eine Sprache zu lernen, aber ich hatte noch verdammt viele Menschenleben vor mir, in denen ich jederzeit eine neue Sprache lernen konnte, daher ließ ich es jetzt locker angehen. Grace und ich gammelten also in dieser Stunde in der letzten Reihe vor uns hin und manchmal fragte sie mich: „Hast du dort schon gesucht?“ Ich nickte und bejahte mit einer kräftigen Stimme. Schließlich hatte ich alle Ecken in Emerald Hills abgesucht und war schon halb am Verzweifeln. Ich wusste wirklich nicht, wo ich noch schauen sollte. „Hast du in den heruntergekommenen Vierteln geschaut?“, fragte Grace. „Da wohnen vielleicht irgendwelche Penner aber nicht Ruby Valentine.“ „Man kann ja wenigstens nachschauen!“ „Ich hab dort nachgesehen, aber ich komm nicht in die Wohnhäuser und es gibt mindestens sechzehn Familien dort, die Valentine heißen!“, maulte ich zurück, doch dieses Mal fiel es dem Lehrer nicht auf, denn das Geschnatter und Geschrei meiner Mitschüler ließ meine Stimme untergehen. Wäre Grace keine Vampirin mit stark geschärften Sinnen, hätte sie mich wahrscheinlich nicht verstanden, doch ihre Antwort war wie immer schneidend: „Zac! Da klingelt man und fragt, ob eine Ruby zu Hause ist und entschuldigt sich für die Störung! Es geht um mehr als nur eine dämliche Nacht! Deine Familie, dein Legat, dein Leben hängt davon ab, ob du sie findest oder nicht.“ „Ich hab alles abgesucht!“, rechtfertigte ich mich und ließ in meiner Stimme mitschwingen, dass ich auch noch weitersuchen werde. Grace war zufrieden und meinte bloß: „Vergiss nicht, je länger wir brauchen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie von den Typen aufgegriffen wird oder sie in Gefahr ist.“ „Ja, ja“, tat ich gelangweilt ab, obwohl ich gerade das eigentlich nicht war. Innerlich zog sich bei dem Gedanken jedes Mal mein Herz zusammen. Wenn ich mir vorstellte, dass dieses schöne, schüchterne Mädchen von diesen Typen angegriffen wurde, dann wollte ich sie sofort beschützen. Ich konnte es demnach nicht länger leugnen, so wie ich es noch Samstag getan hatte: Ich war in sie verliebt und würde mich nicht davon abhalten lassen, ihr wie ein zahmer Köter hinterher zu rennen. Ich war wirklich nicht mehr zu retten! Mit einem bitteren Geschmack auf der Zunge begann ich innerlich noch einmal jeden Ort durchzugehen, den ich bis jetzt abgesucht hatte. Gab es vielleicht Hinweise auf ihren Aufenthaltsort? Sollte ich also doch meiner Nase nachgehen und sie erschnüffeln? Obwohl … Das ließ mein Stolz nicht zu. Ich war doch kein Stalker! Sollte ich sie doch an der Columbus aufsuchen? Aber das wäre ihr sicherlich peinlich und dann würde sie mir nicht zuhören. Das wiederum wäre fatal, denn wenn sie fortlief und man uns zuvor beobachtet hatte, dann würde man sie mit mir in Verbindung bringen und herausfinden, zu wem ihr Legat gehörte. Das wäre schlecht für sie. Sehr schlecht. Übermäßig schlecht. Das „Heels“ war mein einziger Anhaltspunkt. Würde ich also wieder die Nächte durch„feiern“? Eigentlich hatte ich darauf überhaupt keine Lust, weil ich jetzt schon richtig müde war und meine Konzentration mit der Zeit nachlassen würde. Wirkte sich das nicht dann schlecht auf meine Aufmerksamkeit aus? Sie würde mir vielleicht dann nicht auffallen, wenn ich nicht aufpasste! Das wäre noch schlechter als übermäßig schlecht! Ich rieb mir mit der Handfläche über die Stirn und grübelte weiter. Währenddessen vergingen Spanisch, Physik und das Lunch. Dass ich am Nachmittag dann noch Englische Literatur und im Anschluss daran World History hatte, förderte meine geistige Abwesenheit nur noch. Meine Kunst-Arbeitsgemeinschaft, die ich mir wegen den College-Zulassungseinschränkungen hatte aufzwingen lassen, schwänzte ich mit der wenig überzeugenden Ausrede, mir sei übel. Die Sekretärin sah mich an, als ob sie mir gerne einen Vogel gezeigt hätte, doch ich rannte schneller aus ihrem Blickfeld, als sie es schaffte ihre Hand zu heben. Auf dem Parkplatz rempelte ich ein paar Freshmen um, die sich fluchend und Fäuste schwingend wieder aufrichteten, doch ich hörte sie kaum, als ich Grace an meiner Blade stehen sah. Sie winkte mir zu. „Da bist du ja!“ „Wie bist du so schnell hierhergekommen?“, rief ich ihr entgegen. Sie zuckte mit den Achseln und sagte lediglich: „Reine Glückssache! Ich habe dafür das Cheerleadern geschwänzt, Schätzchen. Morgen bekomm ich sicherlich einen Monsteranschiss.“ „Toll, ich hab der alten Mrs. Dew nicht gerade eine Super-Ausrede geliefert. Wenn ich morgen also zum Direktor gerufen werde, wissen wir beide, warum.“ „Wo geht’s jetzt hin?“, lenkte sie vom Thema ab und ich verstaute meinen Rucksack, während ich mich auf mein Motorrad schwang. Ich würde Grace nicht nach Hause bringen, aber das verlangte sie auch gar nicht von mir, denn sie besaß ebenfalls eine Fireblade – bloß älter und nicht komplett in schwarz so wie meine sondern mit ein bisschen Silber hier und da. „Ich zieh mich um und mache da weiter, wo ich gestern aufgehört habe.“ „Du ziehst also wieder durch die Stadt, bis der Morgen graut?“ „Klar, mir ist mein Legat und meine Familie wichtig“, meinte ich bloß und sie grinste. „Du weißt schon, dass das bedeutet, dass du sie heiraten und einen Sohn mit ihr zeugen musst, nicht wahr?“ „Daran will ich jetzt noch gar nicht denken. Erst einmal finde ich sie und dann sehen wir weiter. Immerhin will ich die Probleme vom Tisch haben, wenn mein Großvater wiederkommt.“ „Hat der schon angekündigt, wann er gedenkt, sein Gesicht wieder zu zeigen?“ „Nope“, stieß ich aus und setzte meinen Helm auf, nachdem ich mir zuvor die Lederjacke übergeworfen hatte. Das war nun wirklich eine meiner größten Sorgen! Wenn der alte Vampir zurückkam und ich Ruby bis dahin nicht aufgespürt hatte, blühte ihr und mir ein Überlebenskampf. Mich würde er wahrscheinlich auf Anhieb verprügeln und sie zu unangenehmen Dingen zwingen. Meine Aufgabe war es also, sie davor zu beschützen, indem ich sie dazu brachte, sich in mich zu verlieben – und sie dann heiratete. Aber das kam erst später. Der Blutbund musste ausgetauscht werden, damit ich dieses Mädchen an mich binden konnte und sie keine Chance mehr hatte, sich von mir loszusagen. Das klang alles härter, als es war. Ich würde vollkommene Verantwortung für diese Situation übernehmen und ihr immer treu bleiben, das wusste ich. Bis zu ihrem Tod und vielleicht auch noch weiter, denn schließlich konnte ich auch in diesem Moment spüren, wie mein Herz hastig schlug allein beim Gedanken an sie. Grace hörte es sicherlich auch, denn sie klopfte mir auf die Schulter. „Das wird schon, Zac“, stieß sie aufmunternd hervor und vergrub ihre Hände in ihrer Jackentasche. Ich stimmte ihr innerlich nur zaghaft zu. Ganz so optimistisch war ich nun doch nicht, aber ich hoffte, dass sie Recht behielt. „Hoffentlich endet das nicht in so einer Katastrophe wie bei meinen Eltern“, erwiderte ich trocken und Grace zuckte zusammen – aus gutem Grund. Ich sprach selten über meine Mutter oder das, was mit ihr geschehen war und wenn ich es tat, dann meistens nicht aus eigenem Antrieb heraus. Dass ich das dieses Mal nicht tat, erstaunte Grace sichtlich, doch ich hatte nicht vor, auf ihre Antwort zu warten. „Allein der Gedanke daran, dass Ruby am Ende so endet wie meine Mom, gefällt mir nicht. Vater ist immer noch am Boden zerstört und ihm fällt es schwer, sich auf irgendetwas zu konzentrieren. Ich will nicht am Ende noch so aussehen wie er. Das ist doch pathetisch!“ „ZAC!“, ermahnte mich Grace lautstark und ich fuhr zu ihr herum. Sie funkelte mich wütend an. „Sag das nicht nochmal! Ein gebundener Vampir ohne seinen Bindungspartner ist wie eine leere Hülle! Dass dein Vater überhaupt noch lebt, ist allein schon pures Glück. Die meisten Vampire bringen sich sofort nach dem Tod ihrer Geliebten um!“ „Sch!“, wollte ich sie beruhigen, doch sie schüttelte den Kopf und ließ mich gar nicht erst zu Wort kommen. „Dein Vater und dein Großvater! Die beiden sind wirklich bewundernswerte Männer! Nur, weil sie etwas abwegig geworden sind nach dem Tod ihrer Frauen, heißt das nicht, dass sie schwach waren! Dass du dich jetzt über sie lustig machst, zeugt doch von null Geschmack!“, fauchte sie und ich schaute sie aus schuldbewussten Augen an. Ich hatte mich nicht darüber lustig gemacht. Eigentlich wollte ich damit nur sagen, dass ich Ruby beschützen würde, egal was passierte. Doch der letzte Part meiner Aussage war wohl Streitauslöser genug gewesen. Ich wusste natürlich, dass meine Vorgänger wirklich bemerkenswerte Männer gewesen waren, aber ich hoffte innerlich, dass ich nicht auf diese Weise die Aufmerksamkeit der Vampirwelt auf mich zog. „Scheiße, Grace. Es tut mir leid. Ich muss jetzt los“, brummte ich und schoss auf meiner Fireblade davon. Ich hörte sie noch wütend aufschnauben, doch ich kümmerte mich nicht darum. Meine primäre Aufmerksamkeit lag jetzt auf der Suche nach Ruby. Ich musste sie finden! Ohne sie würde ich natürlich leben könne, aber mein Herz sagte mir, dass das kein schönes Leben werden würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)