Ebbe und Flut von Ayumu90 (Zusammenspiel von Sonne und Mond) ================================================================================ Kapitel 1: Jahresendfeier ------------------------- Eine weiße Schneedecke bedeckte den Schulhof und ließ den, sonst matten, Pflastersteinboden in der Sonne glänzen. Alles in einem war es ein wundervolles Bild der Stille. Das harmonische Läuten der Schulglocken wurde jedoch durch einen dumpfen Aufprall gestört. "Aua!" Eine zierliche blonde Person lag auf dem kalten Erdboden und rieb sich den Hinterkopf. "Himeko!" Ein Mädchen rannte zurück und hielt der Angesprochenen ihre Hand hin. "Wir haben nun wirklich keine Zeit für sowas." lachte sie spöttisch. "Mako-chan! Hör auf zu lachen, das ist unfair!" Himeko rappelte sich mit Hilfe ihrer Freundin auf. "Ausgerechnet in der Abschlussrobe!" Verärgert klopfte sie sich den Schnee von ihrer, elegant fallenden, schwarzen Kleidung. "Na los!" Makoto zog ihre Freundin weiter und gemeinsam rannten sie zu der, eigens für die Abschlusszeremonie bunt geschmückten, Sporthalle. Als sie ankamen, standen die restlichen Schüler bereits in Reih und Glied vor den Sitzbänken und sangen, ebenfalls festlich gekleidet, die Schulhymne. Unter dem ermahnenden Blick der Direktorin suchten die Mädchen ihre Plätze auf und stimmten gerade noch in die letzte Strophe mit ein. Es war eine angenehme, gleichmässige Melodie, die Himeko für einen kurzen Moment Gänsehaut bescherte. Es folgte die Vergabe der Zeugnisse, einige Reden und das lang ersehnte "Wir sehen uns im neuen Jahr", was bedeutete, dass die Schüler nun ihre Ferien antreten durften. Die Schüler verließen eilig die Halle. Himeko stieß einen lauten Seuftzer aus und streckte ihre Arme in die Luft. "Endlich geschafft!" Makoto nickte zustimmend. "Wollen wir feiern, Himeko?" Erwartungsvoll blickte sie ihrer Freundin in die fliederfarbenen Augen. "Ich kann leider nicht. Ich wollte noch in die Stadt, bevor die Geschäfte schließen. Es fährt heute nur noch ein Bus, entschuldige." - "Oh, ich verstehe." Makoto wirkte enttäuscht. Himeko war bewusst, dass keiner der Beiden in irgendein Zuhause zurückkehren und sich dort feiern lassen konnte, denn sowohl Himeko als auch Makoto lebten in einer Wohnsiedlung am Fuße des Berges, auf dem sich die Schule befand. Die Siedlung wurde für Schüler aufgebaut, die keine Familie mehr hatten und dort teilten sich mehrere Schüler kleine Wohnungen. Doch es half nichts - sie musste unbedingt noch in die Stadt. "Es tut mir leid, Mako-chan. Ich... Ich muss jetzt los, der Bus kommt gleich. Ich bringe uns etwas leckeres zum Abendessen mit, in Ordnung?!" Makoto nickte und lächelte so gewollt, dass Himeko ein schmerzvolles Stechen in ihrer Brust vernahm. Dennoch drehte sie sich um und rannte in die Richtung der Busstation. Makoto jedoch machte sich auf den Weg nach Hause. An der Haltestelle musste Himeko noch einige Minuten warten und ihr fiel erst in diesem Moment auf, dass es für diese Jahreszeit ein bemerkenswert warmer Tag war. Als der Bus sie endlich erreichte, suchte sie sich einen Platz, der möglichst weit hinten lag und kuschelte sich an ein Fenster. Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichte sie das Zentrum der Stadt. Mahoroba lag ungefähr zwei Stunden Zugfahrt von Tokio entfernt und war in näherer Umgebung die Stadt mit den meisten Einkaufmöglichkeiten. Krampfhaft überlegte sie nach einer guten Idee für ein Weihnachtsgeschenk für Makoto, was der Grund war Warum sie noch unbedingt die Geschäfte durchstöbern musste, doch bevor sie zu einem Ergebnis kommen konnte, wurde sie schon wieder aus ihren Gedanken gerissen. "Kurusugawa-san? Es kann sehr kalt werden, wenn du einfach so herumstehst." Verwundert drehte sie sich herum. "Oh. Oogami-san." Sie lächelte ihn freundlich an. "Ach was. Ich habe nur etwas geträumt." - "Verstehe. Was führt dich hierher?" - "Mh...ich bin auf der Suche nach einem Weihnachtsgeschenk für Mako-chan." - "Saotome-san? Ich weiß nicht inwiefern ich dir behilflich sein kann, aber was hältst du davon, dass wir gemeinsam suchen?" Ihr müdes Lächeln wurde zu einem Strahlen ihres Gesichtes. "Gerne! Ich habe nämlich noch keine Idee." Sanft erwiederte er ihr lachen. "Wir werden schon etwas schönes finden." Gemeinsam machten sie sich auf den Weg durch die Kleinstadt. Gerade, als sie eine Ampel uberquerten, bog eine junge Frau, mit langen, dunkelblauen Haaren um die Straßenecke. Ihre Wege kreuzten sich an dem Übergang der Ampeln und die Unbekannte stieß leicht mit Himeko zusammen, da es in der Weihnachtszeit vor Fußgängern nur so wimmelte. Ein leises "Entschuldigung." war zu vernehmen und Himeko schaffte in diesem Moment nicht mehr als eine zaghafte Verbeugung und ein "O...okay." Der Klang dieser tiefen Frauenstimme brachte ihr Herz dazu, schneller zu schlagen. So schnell sie sich trafen, so schnell trennten sich ihre Wege auch wieder. Oogami zog sie leicht an ihrer Schulter an sich heran. "Kurusugawa? Alles in Ordnung?" Sie drehte ihren Kopf nach hinten und versuchte vergeblich die junge Frau nocheinmal zu sehen. "Oogami-san. Hast du das auch gespürt?" Ihr Blick haftete noch immer an der gegenüberliegenden Straßenseite. "Nein, ich habe nichts gespürt. Wovon redest du?" - "Schon gut." Ratlosigkeit zeichnete sich in ihrem Gesicht ab. Plötzlich eilte sie zurück zur Ampel. "Oogami-san! Sieh nur!" Sie hob eine dünne Kette auf, an der ein kleiner, orangefarbener Muschelanhänger hing. "Das muss jemand verloren haben." Souma musterte das Schmuckstück. "Es kann schwierig werden, den Besitzer zu finden. Es ist ein schönes Exemplar, behalte es doch einfach." - "Nein. Ich bin mir sicher, dass jemand diese Kette vermissen wird. Es ist doch Weihnachten..." Er lächelte sie hoffnungslos an. "Na gut. Wir überlegen uns einfach etwas,ja?" - "Ja!" Kapitel 2: Mein Schmuckstück ---------------------------- Ihre langen Haare waren in der Mitte zu einem Zopf gebunden. Durch die verdreckten Fensterscheiben im Hausflur traten dezent schimmernde Sonnenstrahlen, die einige Stellen ihrer Frisur in einem dunklen Azurblau aufglänzen ließen. Sie musste kräftig an der Tür rütteln um diese öffnen und in ihre Wohnung eintreten zu können. Ein genervtes Seuftzen begleitete den Wurf ihres Schlüsselbundes in eine Schale, die auf einer älteren, kastanienbraunen Kommode in der Diele stand. Sie entledigte sich ihres Mantels und den hochgeschnürrten Stiefeln und begab sich direkt in die Küche um dort heißes Wasser aufzusetzen. Eine Weile kramte sie in einer kleinen Dose, bis eine leckere Sorte gefunden war. Sie legte den Beutel in eine breite Suppentasse, goß das kochend heiße Wasser darüber und setzte sich ins Wohnzimmer. Sie stellte die Tasse auf den Tisch, um den Tee noch etwas abkühlen zu lassen und griff nach einer Broschüre, die ebenfalls dort lag. "Willkommen in der Ototachibana Oberschule" murmelte die junge Frau vor sich hin. Aus Gewohnheit griff sie nach ihre Kette, um daran herumzuspielen, während sie las. Sie schreckte hoch, ließ die Information fallen und rannte schnellstmöglich zurück an die Garderobe. Sie war nicht zu finden. "Nein! Das gibt es doch nicht." Sie schüttelte ihren Mantel aus, sah sogar in ihren Stiefeln nach. Auch die Küche wurde sorgfältig abgesucht. Das Schmuckstück war nicht zu finden. "Oogami-san! Sieh mal!" Himeko hielt eine dunkelgrüne Wollmütze hoch. "Was denkst du? Ob sie Mako-chan gefallen würde?!" Er schmunzelte sie an. "Bestimmt. Das ist eine sehr süsse Idee." Er ertappte sich selber dabei, wie er sich Makoto mit dieser Mütze vorstellte und dem Gedanken, was für ein süßes Bild das abgeben würde. "Ist alles in Ordnung, Oogami-san? Du bist ganz rot im Gesicht. Geht es dir nicht gut?" Seine roten Wangen verwandelten sich innerhalb von Sekunden in ein bleiches Gesicht. "J-j-j-ja! Alles in Ordnung! N...na los, kaufen wir die Mütze." Eilig drängte er sich an ihr vorbei in den Geschenkeladen, was allerdings nicht mehr verhindern konnte, dass er ihre verwunderten Blicke auf seinem Rücken spürte. Mit einer kleinen, braunen Einkaufstüte verließen die Beiden das Geschäft. "Ich habe nachgedacht." Souma klang sehr ernst. "Was hältst du davon, wenn wir, bevor wir nach Hause fahren, Plakate aufhängen um den Besitzer der Kette zu finden? Ich kenne einen guten Copyshop und um den Bus brauchst du dich nicht zu sorgen - ich bringe dich mit meinem Motorrad nach Hause." Sie blieb stehen und schaute mit leuchtenden Augen zu ihm hinauf. "Das ist eine wundervolle Idee! Vielen Dank!" Gesagt, getan. Bewaffnet mit einem Stapel Fahndungsblätter durchkreuzten sie die Kleinstadt. Fremde Leute bekamen die Zettel in die Hand gedrückt und auch Gegenstände wie die Ampeln, Laternen und Werbesäulen blieben nicht verschont. ' !!! Muschelkette gefunden !!! Besitzer bitte melden unter 3 - 667 - 501 !!! ' "So. Das war der Letzte. Lass und nach Hause fahren, Himeko." - "Ja." Erschöpft machte sich Souma mit seinem Gefährt auf den Weg zur Wohnhaussiedlung in der Makoto und Himeko lebten, um diese dort abzusetzen. Vor ihrem Wohnhaus angekommen, kam ihnen Makoto entgegen. "Himeko! HIMEKO! Wo warst du so lange?! Ich habe mir sorgen gemacht, als du nicht mit dem letzten Bus nach Hause kamst!" - "Mako-chan, ich..." Dann erblickte sie Souma. Eine unheimliche schwarze Aura umgab das Mädchen. "DU! Was hast du mit ihr gemacht?" Sie schnappte sich Himeko und begutachtete sie hastig. "Hat er dich angefasst?! Was hat er getan? Er wird doch nicht... NEIN!!! Hat er etwa?!" - "MAKO-CHAN!" Zwei erschrockene Augenpaare waren auf Himeko gerichtet. "Mako-chan... Er hat mich nur nach Hause gefahren, weil ich den Bus verpasste. Er war sehr freundlich." - "Hmpf. Na gut." Himeko drehte sich noch einmal zu Souma. "Vielen Dank für deine Hilfe. Ich..." Plötzlich wurde sie hochgehoben und mit schnellem Schritt in die Wohnung gebracht. Es war nur noch ein "Tschüüüüss Oogami-san!" von Makoto zu hören. Dem armen Kerl blieb nichts anderes übrig, als völlig verwirrt auf sein Motorrad zu steigen und nach Hause zu fahren. Warum sein Herz plötzlich so schnell schlug, war ihm nicht bewusst. In der Wohnung angekommen, ließ Makoto ihre Freundin wieder herunter und sich auf die Couch fallen. "Makoto... Das war sehr unhöflich. Er hat mir doch nur geholfen." - "Ich weiß... entschuldige. Ich werde immer so schrecklich nervös, wenn ich ihn sehe." Ihren Blick wandte sie nachdenklich aus dem Fenster heraus. "Er weiß wahrscheinlich nicht einmal, dass wir dieselbe Klasse besuchen." Ihre Stimme klang traurig und Himeko nahm sie zärtlich in den Arm nehmen. "Das glaube ich nicht." Sie hätte ihr gern erzählt, dass er ihren Namen wusste, doch dann hätte sie ihr erklären müssen Warum sie über Makoto gesprochen hatten. Also beließ sie es erstmal bei einer tröstenden Umarmung. "Wollen wir was leckeres Essen, Mako-chan?" Sie lächelte sie so zuckersüss an, dass ihrer Freundin nichts anderes übrig blieb, als ebenfalls zu grinsen. "Ja, gerne. Ich habe schon einen Bärenhunger! Raaaawr!" Sie lachten laut los und machten sich ein gemeinsames Abendessen zurecht. Kapitel 3: Neujahr ------------------ Die Nacht war regnerisch und sehr windig. Die wenigen Menschen, die nun noch in Mohoroba anzutreffen waren, hatten es eilig zu ihrem Ziel zu kommen. Gerade in so einem Moment empfanden sie die junge Frau, in ihrem dunkelroten Regencape, als sehr störend. "Entschuldigen Sie mein Herr, aber haben sie eine Kette mit einem Muschelanhänger gefunden?" - "Was?! Mach, dass du nach Hause kommst, Kindchen!" Unermüdlich ging sie zum nächsten Passanten. "Entschuldigen Sie,aber..." Dieser hörte ihr doch noch nicht einmal zu. Sie war am Boden zerstört und machte sich auf den Weg zurück in ihre Wohnung. Sie blieb kurz stehen, denn sie hatte etwas an ihrem Stiefel hängen, dass sie die ganze Zeit mitzog. Neugierig musterte sie den Zettel. "Schelke fun zer te ter ... 67 - 501? Ist das ein schlechter Scherz?" Sie bemerkte, dass das Schriftstück abfärbte und nun ein großer Fleck Druckertinte ihre Hand zierte. "Verdammt! Was für ein verkorkster Tag!" Wütend schmiss sie das Papier auf den nassen Boden und ging enttäuscht nach Hause. Währenddessen saß Himeko wartend vor dem Telefon. "Himeko-chan? Hey, du sitzt da nun schon seit dem Essen. Morgen ist Silvester und da sollten wir ausgeschlafen sein. Na los, wir gehen schlafen." - "Aber Mako..." traurig blickte sie auf das Telefon "was, wenn der Besitzer anruft, während wir fest schlafen?" Makoto zeigte auf das Fenster. "Siehst du?" Sie sprach mit einer sehr ruhigen Stimme. "Bei diesem Wetter wird niemand draußen herumlaufen und Flugblätter lesen." Himeko hatte ihr beim Abendessen von den Ereignissen in der Stadt erzählt. Auch, um ihr zu beweisen, dass Oogami sie nicht belästigt hatte. "Ja, du hast wohl recht." Etwas widerwillig erhob sich Himeko von dem Sessel, der am Telefon stand. "Lass uns schlafen, Mako-chan." Sie lächelten sich an, putzen sich gemeinsam und immer wieder lachend die Zähne und begaben sich in ihre Betten. Wie es die Tradition verlangte, gab es zum Abendessen japanische Neujahrsnudeln. Nachdem sie den Tag damit verbracht hatten, zusammen mit ihren Freundinnen, einen Tempel zu besuchen, um ihre Wünsche für das neue Jahr an den Himmel zu schicken, machten es sich Makoto und Himeko nun unter dem warmen Kotatsu bequem. Es blieben noch fünf Stunden bis die Uhr Mitternacht schlagen würde. "Was ziehst du nachher an, Himeko?" Makoto starrte ihr gegenüber erwartungsvoll an, während die Nudeln schmatzend in ihrem Mund verschwanden. "Ich bin mir nicht sicher. Hilfst du mir später?" - "Ja!" Die letzte Stunde des Jahres hat begonnen. Die beiden Mädchen fuhren mit einem speziellen Neujahrsbus zu dem Hauptplatz Mohorobas, wo sich die meisten Menschen der Umgebung versammelten, um gemeinsam den Jahreswechsel zu feiern. Dort angekommen, stellten sie sich zu der großen Menschenmasse, die geduldig vor einer großen Uhr wartete. Sie sahen bezaubernd aus. Makoto entschied sich für einen pastellfarbenen, zitronengelben Yukata, der elegant ihre Knöchel umspielte. Ihre Haare waren wie immer an der linken Seite geflochten. Himeko trug ebenfalls ein leichtes Baumwollkleidin einem matten Grünton. Ihre blonden Haare fielen offen auf ihre Schultern. Die Aufmerksamkeit der Leute zog allerdings eine junge Frau auf sich, dessen blaue Haare zu einer lockeren Hochsteckfrisur frisiert waren, aus der einzelne Srähnen fielen. Sie trug einen roten Kimono. Grüne Ranken waren darauf zu sehen, die mit einer schwarzen Rose endete. Sie war atemberaubend schön. Himeko und Makoto standen wenige Meter entfernt von ihr, doch bekamen sie von den Bewunderungen der Anderen nichts mit. Zu groß war die Vorfreude auf das neue Jahr. "...6,5,4,3,2..." Der Jubel war groß. Unweit der Menge began ein prächtiges, farbenfrohes Feuerwerk. Die Leute fielen sich um den Hals und feierten das gelungene Fest. Mittendrin Himeko, Makoto und die wunderschöne Fremde. Kapitel 4: Der Rosengarten -------------------------- Die ganze Stadt sprach noch Tage später von der Neujahrsfeier, die ein großer Erfolg war. Die Tage darauf verbrachte Himeko damit, gemeinsam mit Makoto, das Geld, welches sie über die Feiertage von Verwandten als Geschenk erhalten hatte, an die Leute zu bringen. Sie kauften unter anderem neue Schulltaschen. Himeko entschied sich für ein sehr kindliches Model, mit detailreichen Verzierungen, während Makoto die sportlichere Variante bevorzugte. Nun waren sie bereit für das neue Schuljahr. Der letzte Ferienabend brach an. Die beiden Freundinnen saßen zusammen unter ihrem Kotatsu und genossen die letzten Stunden der Ruhe. "Hach", seuftze Makoto laut vor sich hin, "Morgen geht der ganze Stress schon wieder los. Klausuren, Hausaufgaben... Eigentlich kann man sich nur auf den Sportunterricht freuen." Ein großer Schweißausbruch zierte Himekos stirn. "Ja, Makoto. Sportunterricht... sicher." Es folgte ein unsicheres Lachen und ein noch größerer Seuftzer, als der, den Makoto einige Sekunden vorher von sich gab. Makoto schielte misstrauisch zu Himeko hinüber. "Du hörst mir gar nicht zu, hab ich recht? Los, erzähl, was hast du? Und womit spielst du da eigentlich die ganze Zeit herum?!" Himeko hob ihren Kopf und schaute auf die gefundene Kette. "Es hat sich niemand gemeldet, weißt du. Es macht mich traurig, dass jemand ein, vielleicht kostbares, Schmuckstück verloren hat und es gar nicht bemerkt." Ihr Stimme wurde bei jedem Wort leiser. "Soll ich dir verraten wie ich darüber denke, Himeko?!" Sie kroch zu ihrer Freundin und nahm ihr die Kette ab. "Ich denke, wenn sich niemand melden, war dieser Schmuck für den Besitzer vielleicht gar nicht so wichtig,hm?!" Während sie sprach, legte sie Himeko die Silberkette um und der orangene Muschelanhänger zierte ihr Dekolleté. "Sehr hübsch." sagte Makoto zufrieden. Himeko fühlte sich sichtlich unwohl, doch nach ein paar Komplimenten und aufbauenden Worten Makotos, entschloss sie sich dazu, die Kette weiterhin zu tragen. Wäre doch Schade, wenn so ein schönes Stück einfach in den Müll käme. Zur gleichen Zeit bereitete sich auch die junge Unbekannte auf ihre Zeit in der neuen Schule vor. Sie packte nervös ihre Tasche und achtete sehr genau darauf, auch ja nichts zu vergessen. Diese Blamage wollte sie sich doch ersparen. Die Suche nach ihrem Anhänger hatte sie nun schon lange aufgegeben. Es leben nun doch zu viele Menschen in dieser Stadt um herumzufragen und eine kleine Muschel zu finden. Spät in der Nacht legte sie sich in ihr Doppelbett, was für sie allein mehr als zu groß war, und fiel nach einigen Minuten in einen unruhigen Schlaf. Nun war der Tag gekommen. Unzählige Schüler betraten einzeln und in kleinen Grüppchen die Schüler. Neuzugänge sammelten sich in der Eingangshalle, während die alten Hasen zielsicher in ihre Klassenräume liefen. Jedem Schüler fiel die schlanke Frau auf, die ratlos vor dem Raumplan der Schule stand. Irgendwann fasste sich eine Älteste ein Herz und sprach sie an. "Entschuldige? Bist du neu hier? Kann ich dir vielleicht weiterhelfen?" Ein entzückendes Lächeln begleitete ihre fragen. "Ja..." zaghaft drehte die Unbekannte ihren Kopf zur Seite. "Himemiya, Chikane ist mein Name. Ich suche den Klassenraum der U - 203. Kannst du mir da weiterhelfen?" - "Oh!" Erstaunt begutachtete die Älteste den Neuzugang. "U - 203? Dann bist du ja gar kein Neuling, was? Du hast die Schule gewechselt und machst nun hier ab der zweiten Klasse weiter, richtig?!" - "J..ja, genau." - "Dann mach dir keine Sorgen. Da bist du nicht die Einzige. Komm, ich begleite dich zu deinem Klassenraum. Ich bin im dritten Jahr und dein Raum liegt auf demselben Flur." Chikane nickte ihr dankend zu und folgte dem Mädchen. Währenddessen trafen auch Makoto und Himeko, pünktlich, in der Schule ein, wechselten ihre Schuhe, begrüßten ihre Freundinnen und begaben sich, laut sprechend und lachend, in ihre Klassenzimmer. Als sie ankamen, fiel ihnen sofort die Menschentraube auf, die sich um einen Pult sammelte. Sie fragten "die Neue" aus. Name, Herkunft, Alter, Nudelsuppe oder doch Miso?! Es war ein heilloses Durcheinander, was letztendlich durch die hereinkommende Lehrerin aufgelöst wurde. Diese holte die junge Dame auch gleich nach Vorne an die Tafel, damit diese sich offiziell vor der Klasse vorstellen könne. Chikane erhob sich von ihrem Platz und stellte sich neben das Lehrerpult. "Hallo. Mein Name ist Himemiya, Chikane. Ich bin 18 Jahre alt und vor einigen Wochen von Tokio nach Mohoroba gezogen. Aus privaten Gründen. Ich habe das erste Oberschuljahr bereits dort erfolgreich beendet und bin nun an dieser Schule, um meine Ausbildung hier zu fortzusetzen. Ich freue mich euch kennenzulernen." Die Klasse war still. Sie sind überwältigt von der Ausstrahlung, die dieses Mädchen an den Tag brachte. Erneut rettete die Leherin die Situation. "Vielen Dank, Himemiya. Wir freuen uns, dass du in unserer Klasse bist. Bitte nehme wieder Platz, damit wir fortfahren können, ja?" Chikane verbeugte sich und ging zurück an ihren Platz. Der ganze Unterricht wurde von flüsternden Leuten begleitet, die immer wieder ermahnt werden mussten. Als es zur großen Pause klingelte, war Chikane die Erste, die den Raum verließ. Sofort sammelte sich wieder ein Großteil der Schüler, um über sie zu sprechen. Einige waren begeistert von ihrer Art, während Andere nur abfällige Kommentare abgaben. Das alles interessierte Himeko nicht. Sie war immer froh, wenn sie den Schultag hinter sich lassen und zurück zu Makoto in ihre Wohnung konnte. Makoto wurde in diesem Schuljahr eine andere Klasse zugeteilt, damit sie sich gezielt auf ihr Sportstudium vorbereiten konnte. Das war ihr großes Ziel. Nun war sie umgeben von gleichgesinnten, denn mit Sport konnte sich Himeko noch nie anfreunden. Von Mathe ganz zu schweigen. Da sie nun andere Pausenzeiten hatten, verließ Himeko das Schulgelände. Sie kannte einen geheimen Ort, an dem man völlig ungestört die Pause verleben konnte. Und nur Makoto und sie kannten dieses Versteck. Sie stand vor einer riesigen Rosenwand, die mit Hilfe eines Zauns, in einem Rondell wuchs. Inmitten dieses Rondells stand ein, momentan noch kahler, Kirschbaum, der im Frühjahr prächtig blühte. Sie schaute sich noch einmal um und verschwand plötzlich zwischen den ganzen Rosen. Sie krabbelte durch die Blumen und kam schließlich in der Konstruktion wieder heraus. Inmitten der Rosen stand der Baum und eine kleine Grünfläche, auf der man ungestört Zeit verbringen konnte. Ungestört? Jedenfalls dachte sie das. Als Himeko aufstand und ihre Kleidung abklopfte, traf ihr Blick aufeinmal ein anderes Augenpaar, welches genauso erschrocken dreinblickte. "Nanu?" Himeko legte den kopf schief. "Himemiya, richtig? Was ... Wie... Also ich dachte nicht, dass noch jemand diese Stelle kannte und..." - "Entschuldige!" Schnell stand Chikane auf um ihre Sachen zusammenzupacken. "Es tut mir leid. Ich wusste nicht, dass dieses kleine Paradies schon vergeben ist. Ich habe durch Zufall das Loch gefunden und... Naja, entschuldige." Sie nahm ihre Tasche, verbeugte sich freundlich und lief auf Himeko zu, die noch immer vor dem Loch stand. Diese schüttelte jedoch eifrig den Kopf. "Nein, nein, nicht nötig! Also... ich bin heute sowieso allein. Ich würde mich freuen, wenn ich in Gesellschaft essen könnte. Ist das okay?" Chikane starrte sie, erstaunt von so viel Mut, an. "Ähm...Ja. Ja, natürlich,gerne! Danke." - "Na klar." Himeko lächelte sie freundlich an und zusammen setzten sie sich unter den Baum. Sie hatten sofort Gesprächsthemen und unterhielten sich prächtig. Die Zeit verging und plötzlich riss sie die Stimmen mehrerer Menschen aus der Unterhaltung. "Was zum... ?!" Himeko krabbelte zum Loch und steckte vorsichtig den Kopf heraus. Die Schüler verließen die Schule und machten sich auf den Weg nach hause. Panisch nahm sie ihren Kopf zurück um sich zu Chikane zu drehen. "Chikane-chan! Wie spät ist es?!" Diese zückte ihre Uhr. "Es ist 15.34uhr... Was?!" Ihre blasse gesichtsfarbe wurde zu einem kräftigen Rot. "Ch...chan? Was?" - "Oh gott! Wir haben den Unterricht verpasst! Wir werden großen Ärger bekommen, Chikane-chan! Chi...Chikane-chan?! Ist alles in Ordnung?!" - "J...ja. Ich... Ich habe mich nur erschrocken, weil wir die Zeit vergessen haben." - "Achso. Das ist wirklich doof. Aber keine Sorge, ich werde uns da morgen schon herausreiten." Ihr bezauberndes Lächeln ließ Chikane keinen Zweifel daran, dass Himeko die Situation schon aufklären würde. "Nun... ich werde dennoch nach Hause gehen. Ich wohne in einer Wohngemeinschaft und ich bin heute mit dem Kochen dran. Es hat mich sehr gefreut dich kennenzulernen, Chikane-chan." - "Ja... Ja, mich hat es auch sehr gefreut." Himeko verbeugte sich zum Abschied und schenkte ihr noch einmal das schönste Lächeln, das sie jemals gesehen hat. Kapitel 5: Resortträume ----------------------- Die ersten Tage des neuen Schuljahres vergingen schnell und ohne große Ereignisse. Himeko sah Makoto fast nur noch Abends, wenn dann beide zuhause in ihrer Wohnung waren. So auch an einem der ersten warmen Frühlingstagen. Himeko lief nach der Schule allein durch Mohoroba um etwas durch die Geschäfte zu bummeln. Sie begutachtete die Kleidung durch die Schaufenster der Läden und sah dann ,durch eine Fensterscheibe eines kleinen Cafés, Chikane, die eine weiße Rüschenschürze über ihrer Schuluniform trug und gerade einen Gast bediente. Sie schenkte ihm frischen Kaffee ein und schien sehr freundlich mit ihm zu reden. Plötzlich trafen sich die Blicke von Himeko und Chikane, welche sie sofort anlächelte und mit einer Handbewegung zu sich bestellte. Himeko errötete leicht und betrat zaghaft das Café. Es war klein und überschaulich. Die Wand war in einem hellen Braunton gestrichen und Bilder von verschiedenen Kaffeesorten wurden dekorativ an ihre befestigt. Chikane kam, noch immer lächelnd, auf sie zu und packte sanft ihre Hand. Himekos Körper fühlte sich schlagartig heißer an. "Himeko! Wie schön, dass du hier bist. Hier kommen so selten Leute in unserem Alter herein!" Sie kicherte leise und führte die zierliche Blondine zu einer kleinen Bank am Fenster. Sie rückte ihr den Stuhl zurecht und schien wirklich sehr erleichtert über ihren Besuch. "Ähm... Wie lange arbeitest du denn schon hier?" Schnell bemerkte sie, wie schwer und langsam diese Worte aus ihr herauskamen. Was war denn nur los mit ihr?! Chikane setzte sich ihr gegenüber. "So ungefähr fünf Wochen. In den Winterferien habe ich angefangen." - "Achso. Und ähm... Macht es dir Spaß?" - "Naja...", sie streckte ihre Arme über den Tisch, "Es bringt halt Geld ein." Sie kicherte erneut und zwinkerte ihr frech zu. Sie sah dabei unglaublich süss aus. Himekos Stimme stockte erneut. "Ähm... und...und Warum?" - "Warum? Warum es Geld bringt?!" Nun lachte sie etwas lauter und hielt sich ihre Hand dabei vor den Mund. "Nein!" Himekos Wangen zierte nun endgültig ein sattes Rot. "Warum musst du denn geld verdienen?! Lebst du nicht mit deinen Eltern zusammen? Ich hoffe diese Frage ist nicht zu persönlich. Ich..." - "Nein,nein! Es ist so, dass ich..." - "CHIKANE!" Beide Frauen schreckten kurz zusammen. Der Inhaber des Cafés streckte den Kopf durch einen Spalt im Küchenzugang und war sichtlich erbost. "Ich bezahle dich nicht dafür, dass du mit den Gästen einen privaten Plausch hältst!" - "Entschuldige, Kenai-san!!" Chikane stand auf und verbeugte sich entschuldigend vor Himeko. "Tut mir leid, dass du das mit anhören musstest. Möchtest du etwas trinken? Vielleicht ein stück Kuchen essen?" Himeko stand ebenfalls auf und griff nach ihrer Schultasche. "Nein,danke. Ich werde mich wieder auf den Weg machen. Ich wohne oben auf dem Berg und muss den Bus erwischen. Entschuldige..." - "Oh..." Chikane wirkte traurig und spielte mit einer Haarsträhne herum. "Du brauchst dich nicht entschuldigen, da kann man ja nichts machen." Sie lächelte sie erneut freundlich an und verschwand dann, nach einer trockenen Verabschiedung, in der Küche. Himeko verließ den Laden und machte sich auf den Weg zurück in ihre Wohnung. Makoto war bereits zuhause und empfing ihre Freundin mit einem köstlich duftenen Abendessen. Himeko zog nur ihre Schuhe aus und setzte sich dann dankend zu Makoto an den Tisch in der gemeinsamen Küche. Sie führten Smalltalk und lachten gemeinsam, doch Makoto bemerkte schnell, dass Himeko etwas auf dem Herzen lag und hakte nach. "Himeko? Du warst in der Stadt, nicht wahr? Hast du etwas schönes gefunden?" - "Oh ja. Ich habe einige schöne Stücke gefunden. Ich werde sie dir später zeigen!" Makoto nickte vor sich hin. "Soso. Und sonst? ist irgendetwas vorgefallen?" Himeko schaute sie verwundert an. "Nein, nicht das ich... Oh, doch. Ich habe Chikane getroffen." - "Chikane?" Makoto kannte viele der neuen Schüler noch nicht, da sich ihre Klasse überwiegend in den Sporträumen aufhielt. "Ja. Chikane Himemiya. Sie ist in diesem Schuljahr neu in unsere Klasse gekommen. Sie... sie ist sehr freundlich und bat mich heute zu sich in ein kleines Café, wo sie arbeitet." Da war es wieder. Das sanfte Rot auf ihren Wangen. Makoto zog eine Augenbraue nach oben und starrte ihre Freundin an. "Sehr freundlich also." - "Ja. Ich habe in dem kleinen Rosengarten das erste Mal richtig mit ihr gesprochen und..." - "Im Rosengarten? In unserem Versteck?!" - "Ja, aber ich habe es ihr nicht gezeigt! Ich fühlte mich in der Pause allein und wollte dort zu Mittag essen und als ich dort ankam, saß sie bereits unter unserem Baum. Wir unterhielten uns dann sehr lange und vergaßen völlig die Zeit und verpassten dann den gesamten Unterricht." Himeko blickte beim Sprechen strickt nach unten, spührte aber sehr voll die Blicke ihrer Freundin auf sich. Diese jedoch konnte sich ein grinsen nicht verkneifen. "Und... du magst sie, richtig? Diese Chikane." - "Nein! Also ja, aber ich kenne sie ja noch gar nicht lange und dich habe ich immer viel lieber!" Makoto lachte laut auf. "Ach Himeko-chan! Darum ging es mir doch gar nicht!" - "Was... aber... Ich verstehe dich nicht. Was meinst du denn?!" - "Ach..." Makoto stand auf, nahm die leeren Teller und lächelte Himeko noch einmal liebevoll an. "Nicht so wichtig. Vielleicht irre ich mich ja. Ich hoffe, dass du noch ganz viele neue Leute kennenlernst. Ich habe keine Angst, dass du eine neue beste Freundin findest, denn das werde ich gar nicht zulassen. Ätsch!" Sie streckte ihr die Zunge raus, kümmerte sich um den Abwasch und ließ Himeko mit einem haufen Fragezeichen über dem Kopf sitzen. Am nächsten Morgen konnte Himeko es nicht erwarten in die Schule zu kommen. Warum wusste sie allerdings nicht. Dort angekommen begrüßte sie ihre Freundinnen, welche gerade Pläne für einen gemeinsamen Urlaub schmiedeten. "Himeko!" Ein Mädchen, mit kurzen, dunkelroten Haaren, setzte sich auf Himekos Pult und hielt ihr ein Prospekt hin. "Guten Morgen, Miyu. Was ist das?" Sie nahm die broschüre entgegen und laß sich die Überschrift durch. 'Kyoto Holiday Resort'?" - "Ja! In zwei Tagen haben wir doch verlängertes Wochenende und da wollten wir zusammen verreisen! Was hältst du davon?! Kommst du mit?" Drei weitere Mädchen stellten sich um ihren Tisch herum. "Bittteeeeeeeeee?!" Zuckersüß lächelten sie Himeko an. Diese kicherte kurz und legte dann bedauerlich den Kopf schief. "Tut mir leid, aber ich kann nicht! Ich habe Makoto bereits versprochen, dass wir an diesem Wochenende endlich wieder etwas gemeinsam unternehmen und nun haben wir schon Karten für den Vergnügungspark in Tokio." - "Wie schade. Wir hätten uns wirklich sehr gefreut, wenn du... Hey! Hey Chikane, da bist du ja!" Miyu hüpfte verspielt von dem Pult und drehte sich nocheinmal kurz zu Himeko herum. "Wirklich schade." Sie lächelte sie kurz an und machte sich dann mit den drei Mädchen auf den Weg zu Chikane. Himeko konnte nicht hören, was genau sie sprachen, doch an den Reaktionen der Mädchen konnte sie erkennen, dass auch Chikane eingeladen wurde und wohl auch zusagte. Himeko überkam das Gefühl von schlechter Laune und, obwohl sie sich eigentlich so auf den Unterricht gefreut hatte, wünschte sie sich nun nur noch, dass er so schnell wie möglich vergehen würde. Die Schulglocke ertönte und das lange Wochenende wurde damit begrüßt. Miyu stieß die Arme in die Luft und war sichtlich aufgeregt. "Es geht looooos, Mädels! Wir sehen uns um 17.oo uhr am Bahnhof!" Freudestrahlend tänzelte sie aus dem Klassenraum. Himeko schmiss ihre Schulsachen in ihre Tasche und packte dann genervt ihren Kopf darauf. Natürlich freute sie sich auf die Zeit mit Makoto, doch es passte ihr aus unerfindlichen Gründen gar nicht, dass diese Mädchen nun in den Urlaub fuhren. "Ähm...Himeko? Geht es dir nicht gut?" Sie blickte auf und sah Chikane an ihrem Pult stehen. "Nein,nein!... Also ja. Ähm... es ist alles in Ordnung!" Sie setzte sich auf, legte sich ihre Tasche um und ging an wortlos an Chikane vorbei. Diese packte Himeko jedoch am Handgelenk, bevor sie an ihr vorbeistapfen konnte. "Hey, was habe ich dir denn getan? Ist es wegen dem Vorfall im Café?! Ich hätte wirklich noch gerne mit dir gesprochen!" Himekos Herz schlug schneller und schneller. "Nein, es ist nichts!" Sie drehte sich mit dem Kopf zu Chikane und lächelte sie freundlich an. "Ich habe es nur eilig. Ich wünsche dir schöne Feiertage und viel Spaß im Resort!" - "Ok... danke. Ich wünsche dir auch..." Doch Himeko verließ den Raum ohne Chikanes Worte abzuwarten. Makoto und Himeko verbrachten am Tag darauf eine wunderbare Zeit im Vergnügungspark. Sie machten unzählige Bilder, hörten irgendwann auf, bei dem ganzen Süßkram, Kalorien zu zählen und deckten sich mit den verschiedensten Kuscheltieren ein, die sie bei Glücksspielen gewannen. Es war eine schöne Zeit, doch irgendwas schien Himekos Stimmung immer wieder nach unten zu drücken. Makoto legte liebevoll ihren Arm um ihre Freundin. "Himeko-chaaan. Wollen wir mit dem Riesenrad fahren?!" Sie zeigte auf ein Riesenrad, welches direkt vor ihnen hoch in den Himmel ragte. "Ein Runde dauert 35minuten. Was meinst du?!" - "Sehr gern. Los,komm!" Gesagt, getan. Sie stellten sich an dem Riesenrad an und kamen dann auch bald an die Reihe. Die Wagons bewegten sich langsam fort und machten immer wieder kleinere Pausen. Die Aussicht war atemberaubend. Man hatte eine unglaublich gute Sicht auf Tokio. Der Tokio Tower stand in voller Pracht und auch einige Berge waren zu erkennen. Himeko schaute begeistert aus dem Fenster. "Makoto! Das war eine wundervolle Idee. Was für eine schöne Aussicht!" Makoto lächelte sie freundlich an, doch bald darauf wurde ihr Gesichtsausdruck sehr ernst. "Himeko? Himeko, können wir reden?" Himeko drehte sich zu ihr herum. "Natürlich. Was ist denn los?" - "Das möchte ich gern von dir wissen. Ich habe heute so viel Spaß wie lange nicht mehr und endlich können wir wieder gemeinsam etwas unternehmen, doch ich habe das Gefühl, dass du dich nur durch den Tag quälst. Habe ich irgendetwas falsch gemacht? Habe ich dich verletzt? Magst du mich nicht mehr?!" Himekos riss ihre Augen auf und legte lauthals widerspruch ein. "Nein, so ein Unsinn! Ich finde es total schön mit dir hier zu sein, Mako-chan! Ich habe mich so auf diesen Tag gefreut!" - "Was ist denn dann mit dir los?" Plötzlich wirkte Himekos Mimik traurig. "Ich... ich weiß es nicht." - "War jemand gemein zu dir?" - "Nein..." - "Bist du verliebt?" "Ich...ich weiß es nicht." Ihre Stimme zitterte und ihre Augen glänzten, denn es sammelten sich Tränen darin. Makoto setzte sich auf die andere Bankseite und nahm ihre Freundin fest in den Arm. "Du weinst ja... Ist es denn so schlimm?!" Plötzlich konnte sie sich nicht mehr zusammenreißen und dicke Tränen liefen Himeko über die Wangen. "Es geht nicht,Makoto. Ich darf nicht. Ich..." Immer wieder musste sie unterbrechen, weil die Tränen ihre Stimme schluckten. "Sie ist doch eine Frau... das geht doch nicht." Es hörte nicht mehr auf. Ihr Atem wurde schnell und stockte mehrmals. Es war ein einziges Schluchtzen. "Himeko..." Makoto sah mitfühlend an ihr entlang. "Himeko, meinst du Chikane?" Für einen kurzen Moment verstummten die Tränen. Es war nur ein ungleichmäßiges Atmen zu hören. Doch nur wenige Sekunden später brach Himeko im Arm ihrer besten Freundin zusammen und ließ ihren Gefühlen freien lauf. Makoto streichelte sanft über ihren Hinterkopf. "Ich verstehe." Kapitel 6: Muschelmelodie ------------------------- Es war eine Qual. Zwar handelte es sich nur um ein verlängertes Wochenende, doch für Himeko schien die Zeit stillzustehen. Nach dem Ausflug in den Vergnügungspark und der Offenbarung gegenüber Makoto, war diese so liebevoll wie nie. Himeko wurde um- und versorgt mit allerlei Kleinigkeiten, die alles in einem einen großen Beweis der Freundschaft der Beiden darstellten. Für Makoto gab es in dieser Zeit nichts, was annähernd so wichtig sein könnte, wie Himeko. Und bald hatte sie es ja überstanden. Der Tag begrüßte die Schüler der Ototachibana Oberschule mit einem gewaltigen Gewitter und eimerweise Regen, der mit einer unverschämten Geschwindigkeit vom Himmel prasselte. Die unauffälligen Schuluniformen wurden von bunten Regencapes verdeckt und der Schulhof glich einem Regenbogen. Himeko ließ sich auf ihren Stuhl fallen und löste den Zopf, den sie auf dem Schulweg trug, damit ihre Haare nicht allzu nass wurden. Aus dem Augenwinkel konnte sie die Mädchengruppe sehen, die den Ausflug wohl genossen haben. Jedenfalls war nicht zu überhören was sie alles unternommen hatten. Von ausgiebigen Massagen bis hin zu Cocktailnächten und, angeblich, heißen Flirts. Auch Chikane stand dabei und lachte über jede der Ereignisse. Was hat sie in den Tagen gemacht? Hat sie auch jemanden kennengelernt? Mit ihm geflirtet? Als sich ihre Blicke trafen, wandte Himeko den Kopf weg und wünschte sich, dass sie augenblicklich im Erdboden versinken würde. Wie kam sie dazu Chikane so lange und gedankenverloren anzustarren?! "Ähm...Himeko?" Die Angesprochene erstarrte und glich innerlich einer Eisskulptur. "J...ja?" Langsam fuhr sie herum und sah direkt in diese unfassbar glänzenden, blauen Auge, die sie erwartungsvoll ansahen. "Himeko... Können wir nach der Schule reden? An unserem geheimen Ort?" - "Also...eigentlich habe ich keine Zeit. Ich muss..." - "Ich bitte dich!" Himeko zuckte leicht zusammen. Mit einem Widerstand hatte sie nicht gerechnet. "O...okay,ja. Nach dem Unterricht." - "Danke..." Für beide ging der Unterricht nur schleppend voran. Die Wörter, die die Lehrer von sich gaben und die sich eigentlich in den Köpfen der Mädchen hätten verankern sollen, klangen so trocken und langweilig. Viel zu voll war der Kopf mit den verschiedensten Erwartungshaltungen. Der erlösende Glockenschlag. Beide fuhren von ihrem Stuhl auf, blickten sich für einige Sekunden bestätigend an um dann getrennt den Raum zu verlassen. Wenige Minuten später kroch Himeko durch den Rosenstrauch in das geheime Fleckchen Paradies. Chikane stand bereits am Baum. "Danke, dass du gekommen bist." - "Ja. Was gibts denn?" Chikane neigte den Kopf hinunter und blickte sich einige Sekunden wortlos auf die Schuhe. "Habe ich irgendetwas falsch gemacht, Himeko? Du gehst mir aus dem Weg, bist abweisend und ich weiß nicht Was ich getan habe. Ich dachte eigentlich, dass wir uns gut verstanden haben an dem Nachmittag hier." Himeko schaute sie erstaunt an. Sie macht sie Gedanken über ihre Freundschaft. Hieß es das nicht?! "Chikane... Nein. Nein, du hast nichts falsch gemacht. Es war ein schöner Nachmittag, aber ich habe für mich entschieden, dass ich mit dir als Person nichts anfangen kann." - "Verstehe." Chikanes Augen fingen an zu glänzen. Tränen? Himekos Kopf wurde schwer und ihr Herz tat ihr weh, schien sie anschreien zu wollen. Doch für sie war es der beste Weg, die Gefühle für Chikane verlieren zu können. Einfach nicht mehr mit ihr sprechen, sie so wenig wie möglich sehen. Ja, dass war sicherlich ein guter Plan, davon war sie überzeugt. Chikane nahm ihre Schultasche und ging schweigend an Himeko vorbei. Plötzlich blieb sie stehen und ließ ihre Tasche fallen. "Meine Kette!" Sie nahm den Anhänger, der um Himekos Hals hing, in die Hand und schaute abwechselnd zu diesem und Himeko. "Woher hast du ihn, Himeko?!" Himeko brauchte einen Moment um zu realisieren was gerade geschah. Sie nahm die Kette ab und gab sie Chikane. "Ich habe sie vor Weihnachten..." - "...In Mohoroba gefunden. Richtig?!" - "Ja." Sie konnte nicht an sich halten. Chikane warf sich um Himeko und fing ungehemmt an zu weinen. "Oh ich danke dir, Himeko! Vielen, vielen Dank! Du ahnst nicht was mir diese Kette bedeutet!" Der Körper der Blonden erhitzte sich innerhalb weniger Sekunden und ihr Herz began zu rasen. "Gerne... Ähm... kannst du mich wieder loslassen, bitten?" Chikane wich zurück und verbeugte sich gedemütigt. "E..entschuldige bitte." Himeko nickte. Sie nahm ihre Tasche und drehte Chikane den Rücken zu. "Freut mich, dass ich dir helfen konnte. Versprich mir bitte als Gegenleistung, dass du mich in Zukunft nicht mehr ansprechen wirst. Ja?" Ohne eine Antwort abzuwarten verließ Himeko den kleinen Ort. Chikane sah ihr noch lange hinterher, obwohl sie durch die Rosenhecke gar nichts sehen konnte. Tränen rannen über ihre Wangen. Erleichtert schaute sie auf ihre Kette. Sie klappte einen kleinen Haken an der Seite des Anhängers ein und plötzlich ertönte eine harmonische Melodie. "Ich kann dir das nicht versprechen, Himeko." Melodie des Anhängers: http://www.youtube.com/watch?v=uKGe3vjI1-w Kapitel 7: Sonnenschein und Kinderlachen ---------------------------------------- Es verging ein gutes halbes Jahr. Die Bäume trugen wieder eine gewaltige Krone aus sattem Grün und die Hitze des Sommers verbreitete sich erbarmungslos über das Land. Ihre feuchte Haut glänzte aufgrund der feinen Schweißperlen, die ihre blonden, weichen Haare fest an ihrem Körper hielten. Mit gleichmäßigen Bewegungen fächerte sie sich mit einer gefalteten Papierserviette Luft zu. Das transparente Sommerkleidchen hing locker an ihr und erlaubte einen verführerischen Einblick auf ihren schwarzen Bikini. "Himeko?! Träumst du?!" Neugierig zog das blonde Mädchen ihre Sonnenbrille etwas höher um ihre Freundin ansehen zu können. Makotos lächeln war von Glück erfüllt und es war unschwer zu erkennen, dass sie gerade aus dem Meer kam. "Du riechst nach Fisch." Wortlos und erstaunt starrte Makoto ihre beste Freundin an. Als sie endlich ihre Sprache wiederfand, klang sie enttäuscht und besorgt zugleich. "Also ehrlich, Himeko... Wir haben alle so lange dafür kämpfen müssen, dass Fräulein Tsetsu mit uns für eine Woche ans Meer fährt. Keine andere Klasse macht zur Klassenfahrt etwas vergleichbares! Und du sitzt hier rum und bläst Trübsal. Was ist denn mit dir in letzter Zeit nur los?!" Himeko blickte gekränkt um sich, doch bevor sie irgendetwas antworten konnte, fiel die Aufmerksamkeit beider Mädchen auf eine Gruppe laut kreischender Mitschülerinnen. Schnell erkannten sie den Grund für dieses Verhalten. Chikane trat im Volleyball gegen drei Mitschüler an. Sie spielte allein, doch schlug sie sich sehr gut. Aufgeregt zupfte Makoto am Kleid ihrer Freundin. "Komm, Himeko-chan! Die Jungs machen wir fertig!" Doch Himeko schüttelte nur sanft den Kopf und lächelte gekünstelt. Makoto sah sie noch eine Weile an, doch als sich ihre Freundin daraufhin wegdrehte, war es ihr zu mühselig. "Himeko... Ich liebe dich, dass weißt du, aber ich erkenne dich gerade nicht wieder. Rede mit mir, wenn es dir mit deiner Entscheidung bezüglich Chikane nicht gut geht. Oder lasse es. Aber was auch immer du tust, du sollst wissen, dass wir alle deine unbeschwerte Art, unsere Himeko, vermissen." Sanft strich sie über das Knie der Blonden und lächelte ihr nocheinmal zu, bevor sie dann ebenfalls auf das Spielfeld rannte. Die Mitschülerinnen jubelten nun noch lauter und Chikane umarmte sie herzlich. "Na endlich Unterstützung!", sagte sie lachend und lies ihren Blick kurz suchend über die Anlage fliegen. Die Liege, auf der Himeko gerade eben noch lag, war leer. Das Spiel war für sie vorbei. "Leute, ich bin völlig kaputt. Macht erstmal ohne mich weiter. Wir haben ja jetzt Maktoto!" Suchend lief Chikane in der Hotelanlage herum. Sie suchte Himeko. Warum und was sie zu ihr sagen wollte, wenn sie sie gefunden hatte, wusste sie nicht. Das letzte längere Gespräch führten die Beiden damals im Winter im Rosengarten. Es verging eine gefühlte Ewigkeit bis Chikane ihre Mitschülerin endlich fand. Diese lehnte an einem Baum und beobachtete eine Gruppe kleiner Kinder, die unbeschwert am Wasser spielten. "Das waren noch Zeiten,was?!" Himeko erschrak, als sie plötzlich Chikane neben sich zu stehen hatte. Diese jedoch sprach unbeirrt weiter. "Was würde ich nicht alles geben um für ein paar Stunden noch so sorglos leben zu können wie diese kleinen Kinder." Lächelnd drehte sie den Kopf in die Richtung, in der Himeko stand. Doch diese war fort. Aufgeregt sah sich Chikane um und sah das blonde Mädchen den kleinen Hügel zum Hotel hinauflaufen. "Hey! Was soll das?! Willst du mich verarschen?! HIMEKO!" Langsam reichte es ihr. Sie hatte doch gar nichts getan. Wütend nahm sie die Verfolgung auf. "Himeko! Warte! Ich möchte doch nur kurz mit dir sprechen, verdammt!" - "Ich möchte aber nicht mit dir sprechen! Geh' weg!" - "Nein!" Chikane war schneller und schon bald auf derselben Höhe wie Himeko. "Bitte, hör' mir zu!" Gerade, als sie Himeko packen wollte, rutschte diese aus. Sie versuchte sich an Chikane festzuhalten, doch zog sie ihre Mitschülerin dadurch nur mit hinunter und gemeinsam rutschten beide zurück zum Beginn der Erhöhung. Unten angekommen realisierte Chikane schnell, dass sie auf dem Rücken der Anderen lag und kniete sich hastig hin. "Hey... Alles in Ordnung?", fragte sie zögernd. Ein leises Geräusch war aus Himekos Kopfgegend zu vernehmen und Chikane war heilfroh, als sie hörte, dass es sich um ein herzliches Lachen handelte. Da war wieder die Himeko, die sie so vermisst hatte. Langsam hob sie den Kopf und ihre blonden, langen Haare hingen ihr zersaust ins Gesicht. Sie konnte einfach nicht aufhören zu lachen. "Du Idiot!", brachte sie mühevoll heraus. Auf einmal verstummte das Lachen. Ihre Augen wurden groß und matt und ihr Bauch kribbelte heftig. Chikane drückte sie an sich heran und vergrub ihre Hände fest in ihrem Haar. "Himeko... Ich halte diese Distanz nicht aus. Ich brauche dich bei mir." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)