The side I want to hide von LadyShihoin ================================================================================ Kapitel 36: Menschlich ---------------------- Carina stürzte regelrecht durch die Tür nach draußen. Wie sie es vermutet hatte regnete es mittlerweile bereits in Strömen, das kühle Nass verteilte sich rasend schnell auf ihrer Haut. Sie seufzte erleichtert auf, als die verätzten Stellen ihres Armes aufhörten zu brennen. Hatte sie das gerade wirklich getan? Hatte sie Tobias und ihren Eltern wirklich einen Teil ihres Hollows präsentiert? Vollkommen verwirrt über sich selbst rannte sie weiter, wusste nicht einmal wohin. Sie wollte nur weg. Von Tobias, von ihren Eltern, von der eiskalten Realität. Der Blick von Tobias hatte mehr wehgetan, als die Verletzungen, die er ihr zugefügt hatte. Ihre Mutter hatte sie noch nicht einmal ansehen können. Dabei hatten sie doch nur einen winzig kleinen Teil gesehen. Wie würden sie erst bei der Maske reagieren? Sie blieb stehen, klatschnass und frierend. Die Shihoin versuchte einen klaren Gedanken zu fassen, doch dieses eine Gefühl überwältigte sie. Scham. Sie schämte sich für das, was passiert war. Als sie in die Soul Society zurückgekehrt war, hatte sie sich geschworen, diese Seite niemandem zu zeigen. Und jetzt? Was hatte sie nur getan?! Carina hob den Kopf, als sie das Reiatsu ihrer Mutter erkannte, das sich ihr näherte. Nur wenige Sekunden später tauchte Yoruichi hinter ihr auf, auch sie war vom Regen vollkommen durchnässt. „Das darf doch wohl nicht wahr sein“, dachte Carina und drehte den Kopf in eine andere Richtung. „Kann ich dir helfen?“, fragte sie versucht monoton, doch ihre Stimmlage war ungewohnt hoch und zittrig. „Du würdest mir schon helfen, wenn du meine Hilfe annehmen würdest.“ Yoruichi klang ebenfalls anders als sonst. Bestimmend. In einem gewissen Maße konnte man heraushören, dass sie adelig war. Carina antwortete ohne sie anzusehen. „Niemand kann mir helfen. Ich bin anders, als Shinji und die Anderen. Dad wird irgendwann vielleicht eine Methode finden, sie zu heilen, aber ich werde immer so bleiben. Einfach aus dem Grund, dass ich so bin wie ich bin.“ Yoruichi schwieg nicht lange. „Tobias hat dich gefragt, ob es der Hollow war, der dich so verändert hat. Ich glaube nicht, dass das der Fall ist. Ich glaube viel eher, dass du ihn nur als Vorwand nimmst, damit niemand merkt, wie viel Angst du eigentlich hast.“ Carina konnte nicht anders, als trocken aufzulachen. „Angst? Ja, ich habe Angst, aber das kannst du nicht verstehen. Du weißt nicht wie es ist, vor sich selbst Angst zu haben. Wenn man eine tickende Zeitbombe ist, die jederzeit explodieren kann.“ Ohne, dass Carina es gemerkt hatte, war sie wütend geworden. Sie drehte sich zu ihrer Mutter um und nun brach ein Schrei aus ihr heraus. „Sieh mich doch an. Ich bin ein Monster, verdammt noch mal!!“ Es klatschte, als Yoruichi Carina eine Ohrfeige verpasste, die sich gewaschen hatte. Erschrocken fasste sich die 15-Jährige an die Wange, die sich beinahe sofort gerötet hatte. Noch nie hatte ihre Mutter sie geschlagen. Das einzige Mal, wo sie derart gemaßregelt worden war, war von Kukaku gewesen, als die Sache mit Tyson passiert war. Yoruichi keuchte, dieser Schlag hatte sie seltsamerweise einiges an Kraft gekostet. Doch auch sie war wütend. „Wenn du es je wieder wagen solltest, so etwas zu sagen, dann schwöre ich dir, dass sich deine andere Gesichtshälfte gleich auch noch einen Schlag abholen kann. Du bist kein Monster. Du bist vielleicht anders, aber das heißt nicht, dass du schlecht bist. Du hast gelernt, diese Kräfte zu kontrollieren, nicht wahr? Du bist nicht wie diese Arrancar, Carina.“ Die Worte ihrer Mutter rührten etwas in ihr, sie konnte spüren, wie eine Last von ihren Schultern abfiel. Trotz des Regens wussten sie Beide, dass die nächsten Tropfen, die zu Boden fielen, keine Regentropfen waren. „Carina“, flüsterte Yoruichi sanft, Angesprochene schlug sich eine Hand vor den Mund. Ehe sie sich versah, lag sie auch schon in den schützenden Armen ihrer Mutter und wurde von ihr festgehalten. Den Kopf in dem nassen Oberteil vergrabend konnte sie endlich wieder einen klaren Gedanken fassen. „Ich…ich hab dich so vermisst, Mama.“ Die ältere Shihoin lächelte und strich ihrem Kind sanft über den Kopf. „Es ist alles in Ordnung“, murmelte sie beruhigend und Beide genossen die ungewohnte Nähe. Vergessen waren die Wut, der Schmerz und die Streitereien. Carina konnte nur daran denken, dass ihre Mutter sie nicht für ein Monster hielt. Das war das Einzige, was für sie momentan zählte und so blieben sie einige Minuten einfach nur so stehen, die der Jüngeren aber viel länger vorkamen. Doch urplötzlich entflammte ein derart intensiver Schmerz in ihrem Arm, dass Carina die Augen aufriss und nach Luft schnappte. Ihre Muskeln verkrampften sich und Yoruichi, der dies keinesfalls entging, schreckte von ihrer Tochter zurück. „Carina?“, fragte sie alarmiert, Angesprochene versuchte zu sprechen, doch kein Wort verließ ihre Lippen. Das Letzte, was sie sah, bevor sich ihre Augen nach innen drehten und sie zusammenbrach, war das Entsetzen auf dem Gesicht ihrer Mutter. Als sie die Augen wieder aufschlug, spürte sie als erstes die Hitze. Ihr war heiß, die Luft um sie herum schien in Flammen zu stehen. Erst, nachdem sie wenige Minuten später wieder halbwegs bei Sinnen war, realisierte sie, dass nicht die Luft glühte, sondern ihr Körper. Das Mädchen versuchte ruhig zu atmen, doch selbst das fiel ihr schwer. Was war nur passiert? Hatte man sie etwa angegriffen, während sie nur für wenige Momente ihre komplette Schutzbarriere hatte fallen lassen? Die 15-Jährige schaute sich um und erkannte ihr Zimmer im Shop ihres Vaters. Genau in diesem Moment öffnete sich die Tür und eben genannter trat ein, um sich anschließend lautlos neben sie zu setzen. „Was ist passiert?“, flüsterte die Vizekommandantin schwach, denn das Sprechen stellte eine noch größere Anstrengung dar, als das Atmen. Kisuke hob vorsichtig ihren linken Arm hoch und Carina erkannte zwei gerötete Stellen, die aber gut zu verheilen schienen. „Die Säure deines Freundes kann mehr als nur verätzen. Es ist wie Gift, das durch die Adern strömt. Nachdem Yoruichi dich hier hergebracht hat, konnte er dir allerdings helfen, da er ein Gegengift bei sich trug. Du hattest Glück, dass er es dir sofort verabreicht hat.“ Carina blinzelte verwirrt. Tobias hatte ihr…geholfen? Nach alldem, was zwischen ihnen passiert war? Nach alldem, was sie getan hatte? Die Shihoin versuchte sich aufzurichten, aber allein schon der Versuch ließ sie aufstöhnen. „Du hast Fieber und während du bewusstlos warst auch einige Muskelkrämpfe. Ruh dich lieber aus.“ Als hätte ich eine andere Wahl, hätte sie am liebsten geantwortet, hielt aber den Mund. „Jetzt weiß ich, warum Alice mir immer gesagt hat, dass ich mich nicht mit ihm anlegen soll“, dachte sie. Die Erinnerung an Alice tat sogar noch mehr weh, als ihre körperlichen Beschwerden. Gegen ihren Willen sammelten sich Tränen in ihren Augen. Ihr Leben war ein einziger Scherbenhaufen, den man nicht mehr zusammensetzen konnte. „Ich bin so ein Idiot“, dachte sie und schloss die Augen, wodurch die Tränen über ihr Gesicht liefen. Doch es dauerte nicht lange, da wurde sie abrupt aus ihren Gedanken gerissen. Erschrocken keuchte sie auf, als sie von ihrem Vater in eine Umarmung gezogen wurde. „Wir bekommen das schon irgendwie hin“, flüsterte er in ihr Ohr, Carinas Augen weiteten sich. Wir. Nur dieses eine Wort hatte es gebraucht, damit sie sich besser fühlte. Um ihr zu zeigen, dass sie nicht alleine war. Ihre Finger krallten sich in seinen grünen Mantel, sie vergrub den Kopf an seiner Brust. Ihre Eltern liebten sie. Und allein dieser Gedanke ließ sie sich menschlich fühlen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)