Missing Leonardo von Sho-Lin-Na (Ezio/Leonardo, (Altaïr/Malik)) ================================================================================ Kapitel 1: Kapitel 1 - Rettung ------------------------------ Ezio Auditore da Firenze erwachte spät an diesem Morgen. Verschlafen drehte er sich auf den Rücken und sanfte Sonnenstrahlen fielen auf sein Gesicht. Er blinzelte. Über ihm an der Decke seines Zimmers in der Auditore Villa konnte er anhand der Schatten ablesen, dass es schon nach Mittag sein musste. Seufzend stand er auf und reckte seine müden Gliedmaßen, ehe er zur Leiter schritt, die als Aufgang zu seinem Dachzimmer diente, und diese hinabkletterte. Schon eilte ihm eine Dienerin entgegen, die sich um die Unordnung in seinem Zimmer kümmern wollte. "Buon' giorno", grüßte er sie freundlich, was sie schüchtern erwiderte und mit gesenktem Blick an ihm vorbei ging. Ezio schaute ihr nach. Sie trug die typische Kleidung eines Dienstmädchens, doch stand ihr diese wirklich gut. Sie betonte ihre schlanke Figur. Ihre dunklen Haare waren in mehreren Zöpfen hochgesteckt und von hübsch glänzenden Klammern gehalten. Ihr Gesicht strahlte jugendliche Naivität aus, was dem Italiener sehr gefiel. Grinsend wandte er sich ab, als das arme Mädchen unter seinen Blicken errötete. Er war schon fast an der Tür, die ihn auf den Flur führen würde, da flüsterte sie leise: "Euer Onkel sucht Euch. Ihr solltet ihn bei Gelegenheit aufsuchen, signore." Ohne sich noch einmal zu ihr umzudrehen, antwortete er: "Habt Dank, bella mia." Schon war er verschwunden und ließ das verlegen drein blickende Mädchen zurück. Er fand seinen Onkel Mario im Kartenraum, wo er vor der Kodex-Wand auf und ab lief. Er schien nervös zu sein und bemerkte seinen Neffen erst gar nicht. "Ihr wolltet mich sehen, Onkel?", machte dieser sich bemerkbar, als er auf seinen Onkel zutrat. Endlich blieb Mario stehen und sah Ezio besorgt an. "Da seid Ihr ja, nipote. Ja, es ist äußerst dringlich. Erinnert Ihr Euch an meinen guten Freund Luigi?" Ezio überlegte. Vor wenigen Wochen war ein Mann in der Villa gewesen, der ausgelassen mit Mario herum gealbert hatte. Nie zuvor hatte er seinen Onkel, einem kleinen Jungen gleich, Streiche spielen sehen. Eine Woche lang musste Ezio aus dem Weg gehen, um nicht Opfer eines solchen zu werden. Doch lag, wann immer er Mario sah, ein vergnügtes Leuchten in seines Augen. Dieser Luigi tat ihm offensichtlich gut. Er war genau wie sein Onkel ein Bär von einem Mann, die Wangen unter einem dichten Bart begraben und stechend blaue Augen, die einen aufmerksam musterten, wenn man mit ihm sprach. "Si. Was ist mit ihm?" "Er ist den verfluchten Borgia in die Hände gefallen!", seine Stimme überschlug sich und er wedelte wild mit seinen Händen, um den Worte mehr Ausdruck zu verleihen, "Ich hatte ihm angeboten, seine Familie hier in Sicherheit zu bringen, doch auf dem Weg hier her wurden sie überfallen. Ich weiß nicht, wie es um sein Weib und Kind steht. Ezio, du musst ihn da raus holen! Ich würde es ja selbst machen, aber... Ich bin nicht mehr von der nötigen Beweglichkeit, die es für diese Aufgabe erfordert. Ich bitte Euch!" Der junge Auditore nickte ernst. "Ich werde ihn befreien, Onkel. Und ich werde seine Familie finden und sicher hier her geleiten." Mario wirkte ein wenig beruhigter. Er wusste, dass er sich auf seinen Neffen verlassen konnte. "Ich danke Euch, nipote. Nun geht, und bringt mir meinen guten Luigi zurück! Ihr werdet ihn hier finden...", er zeigte auf einer Karte auf eine kleine, befestigte Anlage, "und hier in der Nähe fand der Überfall statt.", jetzt fuhr er mit dem Finger in einem Kreis über die Karte und steckte somit das in Frage kommende Gebiet ab. "Va bene. Erwartet mich bei Einbruch der Dunkelheit wieder hier." Mit diesen Worten wandte Ezio sich um und ging mit raschen Schritten auf sein Zimmer zurück, um Vorbereitungen zu treffen. Nur kurze Zeit später eilte eine weiß gewandte Gestalt durch die Straßen Monteriggionis auf die Ställe außerhalb der Stadtmauern zu. Die Kapuze tief ins Gesicht gezogen und die Kodex-Waffen um die Unterarme geschnallt, saß der Assassine auf und preschte los. Die Nachmittagssonne warf noch immer eine gewaltige Hitze über die Toskana und nach nur wenigen Minuten war Ezios Pferd verschwitzt und hechelte. Doch er trieb es gnadenlos weiter über die unbefestigten Wege. Er traf nur auf eine Hand voll Menschen. Bauern, die ihrer Arbeit nach gingen. Sie schauten ihm verwundert nach und fragten sich gewiss, warum er es so eilig hatte. Doch er beachtete sie nicht einmal, sondern ritt gerade wegs auf sein Ziel zu. Von der Kuppe einer größeren Anhöhe aus konnte er besagte Anlage erkennen. Er blieb stehen und studierte aus sicherer Entfernung die Straßenverläufe und Anzahl der Wachen. Es war keine schwer gesicherte Anlage, da man vermutlich nicht annahm, dass einer wie Luigi so mächtige Freunde hatte, die ihn befreien würden. Die Mauern würde er ohne Schwierigkeiten überwinden können und so weit er es sah, waren auf dem hinteren Wehrgang nur zwei Wachen postiert, die er im Handumdrehen ausgeschaltet haben dürfte. Für den Rückweg würde er sich dann den Weg aus dem Haupttor heraus bahnen. Es war ebenfalls nur von vier Männern bewacht, die, von der Hitze dösig, gegen ihre Hellenbarden lehnten. Wahrscheinlich standen auf der Innenseite des Tores auch noch einmal zwei bis vier Wachen, aber auch die sollten kein Problem darstellen. Der Assassine schwang sich aus seinem Sattel, bereit fürs Gefecht. Geduckt schlich er in weitem Bogen um die Anlage herum, bis er auf der anderen Seite war. Dort kniete er sich hinter einen Strauch. Er wartete ab, bis beide Wachen auf dem Wehrgang sich gelangweilt abwandten und zu reden begannen. Jetzt sprang er aus seinem Versteck und rannte leise auf die Mauer zu, sprang an ihr hoch und hielt sich fest. Zum Glück war der Stein rau und besaß einigermaßen große Fugen, sodass er problemlos seine Hände und Füße hineinsetzen konnte, um daran hinauf zu klettern. Schon wenige Augenblicke später hing er direkt unterhalb der Stelle, an der sich die Soldaten befinden mussten. Er lauschte. "Diese Hitze bringt mich noch um! Warum lässt Cesare uns hier halb verrecken?", maulte der Eine. "Du weißt doch, wir müssen diesen Bastard bewachen. Nicht, dass er uns weg laufen würde. Aber er ist ein Freund dieser Assassinenbrut. Er hat sich gegen Cesare gewendet und jetzt muss er dafür büßen. Und seine hübsche kleine Familie wird er nie wieder sehen.", erklärte ihm der Andere. "Ja, ich hoffe, er hat sich gebührend von seinem Weib verabschiedet. Denn die wird bald mir gehören!", lachte der Erste. Ezio biss die Zähne zusammen. Der Andere prustete los. "Du willst sein Weib? Nein, amico mio, ich glaube Cesare hat andere Pläne mit ihr. Und dem Kind." "Du hast ja recht. Aber lass mir doch meine Träume...", lenkte der Erste ein. Dann herrschte Schweigen. Der Assassine nutzte die Gelegenheit und schwang sich elegant über die Brüstung auf den Wehrgang und stand nun zwischen den beiden Wachen, die ihn mit vor Überraschung aufgerissenen Augen anstarrten. Noch ehe sie auch nur realisiert hatten, was da geschehen war, hatte Ezio ihnen auch schon mit der versteckten Klinge den Hals aufgeschlitzt. Sie waren tot, noch bevor sie auf den Boden aufschlugen. "Ihr Schweine.", murmelte der Assassine mit gerümpfter Nase, während er wütend seine Klinge an der Uniform des einen säuberte. Blut quoll aus dessen Wunde hervor und Ezio erinnerte sich an die Worte seines Onkels, er solle auch seinen Feinden die letzte Ehre erweisen, selbst wenn diese sie ihm verweigern würden. Denn es war das Einzige, was sie noch bekommen würden. "Requiescat in pace.", fügte er leise hinzu und versuchte, sein kochendes Blut zu beruhigen. Dann schaute er vorsichtig über die Mauer hinweg nach unten und sprang. Er landete auf einem etwas niedriger gelegenem Hausdach und lief geduckt weiter in Richtung der Arrestzellen. Lautlos ging er am Rand des Daches in die Hocke. Unter ihm hielten zwei Soldaten Wache. Er atmete tief durch und ließ sich fallen, die versteckten Klingen ausgefahren. Er stach beiden Wachen die Klinge in den Nacken und sie sackten hilflos in sich zusammen. Schnell bückte er sich und durch suchte die Toten nach dem Zellenschlüssel, konnte ihn jedoch weder bei dem einen, noch bei dem anderen finden. Seufzend richtete Ezio sich auf. "Alles muss man selbst erledigen", dachte er und ließ seine Klinge wieder hervor schnellen. Wie ein Einbrecher steckte er sie in das Zellenschloss und bewegte sie leicht hin und her, bis es klickte und die Tür aufschwang. Ezio besah sich die Zelle. Bis auf einen Mann war sie leer. Dieser lag zusammen gekauert in einer Ecke und schien nicht mehr ganz bei Bewusstsein. Tief durch atmend verdrehte Ezio die Augen. Ihm blieb aber auch nichts erspart. Schnell durchschritt er den kleinen Raum und kniete sich vor Luigi. Sachte aber bestimmt rüttelte er ihn an der Schulter und schlug ihm leicht auf die Wange. "Messer Luigi, wacht auf! Ich bringe Euch zu meinem Onkel Mario." Langsam öffnete der Angesprochene die Augen und richtete sich schwach auf. "Wer seid Ihr?", brachte er mit brüchiger Stimme hervor. "Marios Neffe Ezio Auditore. Aber dafür haben wir später noch genug Zeit, jetzt müssen wir Euch erst einmal in Sicherheit bringen!", flüsterte Ezio eindringlich. Doch Luigi machte keine Anstalten auf zu stehen. Stattdessen sah er ihn mit fragenden Augen an, einen flehenden Blick darin. "Was ist mit meiner Familie? Anetta? Pietro?" "Wir werden sie suchen und finden, sobald wir hier draußen sind. Jetzt kommt!" Damit griff er dem Älteren unter die Arme und half ihm beim Aufstehen. Dann führte er ihn stützend aus der Zelle. Der Assassine schaute sich unruhig um und suchte die Häuser nach versteckten Feinden ab. Er hatte ein schlechtes Gefühl im Bauch, das ihm riet, so schnell wie möglich zu verschwinden. "Wir müssen uns beeilen.", sagte er und setzte sich in Bewegung. Auf dem Weg zum Tor drehte er sich immer wieder nervös um. Er spürte Blicke auf sich ruhen, ihn verfolgen, doch er konnte niemanden sehen. Endlich kam das Tor in Sicht und er beschleunigte seine Schritte noch einmal, so gut es ging, mit seinem Balast von Luigi. "Halt! Wo wollt Ihr hin? Wer seid Ihr?", fragte einer der Wachen barsch, der sie entdeckt hatte. Doch Ezio schwieg nur und trat vor ihn, während Luigi sich gegen eine Hauswand lehnte. Ezio zog sein Schwert und stellte sich kampfbereit vor die Wachen. Es waren fünf. Zwar mehr, als er erwartet hatte, aber immer noch kein Problem. Auch diese zogen nun ihre Waffen und traten ihm entgegen. Der erste griff an, doch Ezio tänzelte nur einen Schritt zur Seite und der Mann fiel, durch seinen eigenen Schwung, der ins Leere traf, zu Boden. Ezio beendete mit einem gezielten Stoß sein Leben. Noch im gleichen Atemzug wirbelte er herum und warf eines seiner Wurfmesser dem Nächsten mit tödlicher Präzision in den Hals. Schon wandte er sich den Überbliebenen zu, die verunsichert einen Schritt rückwärts machten. Fast taten sie ihm schon leid. Aber eben auch nur fast. Jeden aus den Augenwinkeln beobachtend, stand Ezio in der Mitte zwischen den drei Wachen und wartete darauf, dass sie angriffen. Sein Atem ging ruhig, er fühlte sich nicht in Gefahr. Endlich führte der links von ihm stehende Mann einen Schlag aus, der jedoch wirkungslos an Ezios Unterarm abglitt, den er zur Parade erhoben hatte, ohne sich sonst auch nur einen Milimeter zu bewegen. Sein metallener Armschutz, den er unter dem Ärmel trug, hatte ihn davor bewahrt, den Arm zu verlieren. Der Mann sprang verwirrt zurück. "Meine Klinge kann Euch nichts anhaben?! Ihr seid ein Dämon!", schrie er auf und im nächsten Moment schepperte seine Waffe auf den Boden, während er keuchend die Flucht ergriff. Auch seine beiden Kameraden sahen sich verängstigt an, ehe sie ihm folgten. "Gut gemacht, Junge!", rief Luigi schwer atmend von seinem Platz an der Wand. Ezio neigte nur leicht den Kopf und ging zu dem scheinbar Verwundeten. "Geht es Euch gut?", fragte er und suchte nach Zeichen einer Verletzung, konnte jedoch keines finden. "Es geht schon. Macht Euch keine Sorgen um mich.", antwortete Luigi, verzog aber im nächsten Moment qualvoll das Gesicht. Schnell legte Ezio einen Arm um den Mann, um ihn zu stützen. Zusammen gingen sie zum Tor und Ezio stieß es mit einem kräftigen Tritt auf. Die vier Soldaten wirbelten überrascht herum, nur um eine Klinge in ihrem Hals wieder zu finden. Noch ehe auch nur einer von ihnen ein Wort heraus brachte, waren sie tot und der Weg war frei. Ezio führte den Freund seines Onkels die Anhöhe hinauf, von wo aus er die Lage erkundet hatte. Sein Pferd stand ein wenig abseits vom Weg und graste. "Es ist nicht fort gelaufen", stellte er erleichtert fest. Denn ihm war erst viel zu spät aufgefallen, dass er es nicht festgebunden hatte. Wäre es fort gelaufen oder vor Schreck geflohen, dann hätte Ezio den Mann den ganzen, weiten Weg bis hoch nach Monteriggioni tragen müssen. "Könnt Ihr reiten?", fragte er, Luigi zugewandt. Dieser schnaubte verächtlich. "Natürlich kann ich reiten. Was glaubt Ihr, wer ich bin?" "Ich meine jetzt, in Eurem Zustand.", gab Ezio ruhig zurück. Die Miene Luigis hellte sich sofort wieder auf und er machte eine Geste, um sich bei Ezio zu entschuldigen. "Ja, ich denke schon." Damit nickte Ezio und half dem Älteren auf sein Pferd. Er selbst nahm sich die Zügel und führte das stolze Tier auf den Weg zurück. "Reitet ins nächste Dorf und sucht einen dottore auf. Wartet dort auf mich. Ich werde mit Eurer Frau und Eurem Sohn zurück kehren.", wies er dem verletzten Mann an. In dessen Augen konnte er die Dankbarkeit sehen. "Ich werde dir deine Hilfe nie vergessen, junger Auditore." Mit diesen Worten zog er sein Reittier am Zügel herum und ritt in die Richtung, aus der Ezio gekommen war davon. Es dämmerte bereits, doch Ezio hatte noch immer keinen Hinweis auf den jetzigen Aufenthaltsort der Frau und ihrem Kind. Wer wusste schon, ob sie überhaupt noch lebten? Aber er würde nicht eher aufgeben, als dass er sie gefunden hatte. Lebendig, oder tot. Er war ja für Ersteres und würde alles daran setzen, sie auch so zu retten. Jedoch benötigte er hierfür erst einmal eine Spur. An dem Ort, an dem sich laut Mario der Überfall abgespielt haben sollte, waren zwar Kampfesspuren gewesen und jene, die davon zeugten, dass der arme Luigi bewusstlos über den Boden hinter den Soldaten her geschleift worden war, höchst wahrscheinlich bis zu der Anlage hin. Auch Blut war zu finden gewesen, jedoch niemand, zu dem es gehören könnte. Und Mutter und Kind blieben wie vom Erdboden verschluckt. "Das kann doch nicht sein. Niemand verschwindet einfach ohne Spuren zu hinterlassen.", murmelte der Assassine ungläubig. Seit einigen Stunden nun schon suchte er nach Hinweisen. Er war sogar ins nächste Dorf geschlichen, auf den Marktplatz und hatte sich umgehört. Aber niemand schien von dem Überfall gehört zu haben, geschweige denn Informationen dazu zu kennen. So war ihm nichts anderes übrig geblieben, als auf eigene Faust weiter zu suchen. Jetzt lag er in einem kleinen Wäldchen auf Fährtensuche. Ihm war eine kleine Gruppe Soldaten aufgefallen, die sich wegen eines vermasselten Auftrags stritten und dabei zu Pferd in den Wald eilten. Unsichtbar wie ein Schatten war er ihnen gefolgt. Die Erde war viel zu trocken, als dass auf ihr Fußabdrücke zurückbleiben würden. Es war die Toskana! Hier regnete es nur sehr selten. Doch in dem Strauch neben Ezio hatte sich ein kleiner Streifen Stoff verfangen. Vorsichtig zog er ihn heraus und betrachtete ihn. Er war von blauer Farbe, verziert mit schöner Stickerei in gold. Ohne Zweifel ein Stück eines Frauenkleides. Eines aufwendig gearbeiteten Frauenkleides. Die arme Frau, zu deren Kleid der Fetzen gehörte, musste auf der Flucht vor etwas oder jemandem gewesen und hier im Strauch hängen geblieben sein. Gut möglich, dass es sich dabei um die von ihm Gesuchte, Anetta, handelte. "Wo bist du hingelaufen? Wo versteckst du dich?", murmelte er vor sich hin, während er die Gegend mit seinen Augen absuchte. Der Waldboden war von lauter Wellen durchzogen, wie ein eingefrorenes Meer, aus dem Bäume ragten. Es gab tausende Mulden, in denen man sich verstecken konnte. Es war unmöglich, alles zu überblicken. Er musste sich beeilen, sie zu finden, bevor es der Reitertrupp tat, der hier immer noch ganz in der Nähe war. Schnell schlich der Assassine leichtfüßig weiter und warf sich hinter ein Gestrüpp, als er Hufschläge auf sich zu galoppieren hörte. Die Soldaten ritten direkt an ihm vorbei und Ezio hielt den Atem an, bis sie wieder außer Höhrweite waren. Erleichtert atmete er auf. In dem Moment drang ein leises Wimmern an sein Ohr, fast schon zu leise um es wirklich zu hören. Augenblicklich hielt er inne und horchte, von wo das Geräusch kam. Doch eine Zeit lang hörte er nichts, außer seinen eigenen, pulsierenden Herzschlag. "Komm schon, wo bist du?", murmelte er erneut vor sich hin. Und da sah er eine rasche Bewegung am Rande seines Blickfeldes. Nur eine ganz leichte, sie hätte auch vom Wind stammen können, der ein Blatt vom Baum wehte. Doch er ging aufmerksam in die entsprechende Richtung, bedacht darauf, kein Geräusch zu verursachen. Er beobachtete mit geschärften Sinnen jeden noch so kleinen Grashalm und wartete auf eine Reaktion seines Näherkommens. Und da! - endlich erblickte er einen braunen Haarschopf hinter der Wurzel eines alten, knotigen Baumes. Zwei dunkle Augen sahen ihn furchtsam an. Er hob langsam die Hände, um dem Kind zu zeigen, dass er ihm nichts tun würde. Dann legte er einen Finger vor die Lippen, damit der Junge nicht unbedacht aufschrie. Langsam einen Fuß vor den anderen setzend, ging Ezio auf den Kleinen zu. Er mochte höchstens 8 Jahre zählen und zitterte am ganzen Körper. Als der junge Auditore nur noch wenige Schritte entfernt war, kniete er sich vor dem Kind auf den Waldboden und hob wieder die Hände. "Ich komme im Auftrag deines Vaters. Ich soll dich und deine Mutter beschützen und zu ihm bringen.", flüsterte er dem Jungen zu, dessen Augen sich weiteten und vor Tränen glänzten. Der Kleine hauchte ein "Papa", ehe er ohne Vorwarnung zu Ezio rannte und sich an ihn schmiegte, während er seinen Tränen freien Lauf ließ, wenn auch still. Ezio, erst überrumpelt von der plötzlichen Anhänglichkeit des Kleinen, legte schützend seine Arme um ihn und streichelte sanft dessen Rücken. "Shh-shh", machte er, um ihn zu beruhigen. "Wo ist deine Mutter?" Der Gefragte zeigte mit dem kleinen Finger hinter den Baum, der ihm als Versteck gedient hatte und nun trat eine verängstigte Frau aus dem Halbschatten vor Ezio. "Signora Anetta." Er deutete eine Verbeugung an, sofern dies möglich war mit dem Knaben in seinen Armen. Auf ihr besorgtes Gesicht legte sich ein leichtes Lächeln, wenn dieses auch nicht die Augen erreichte. Ihr blaues Kleid war schmutzig und an vielen Stellen aufgerissen, das blonde Haar lag ihr in einem schweren Zopf über der linken Schulter. In ihren braunen Augen lag Verzweiflung und Angst. Angst um ihren Sohn. Deutlich bildeten sich Sorgenfalten auf ihrer Stirn ab. Sie musste Mitte dreißig sein, doch ließen ihre schlaflosen Nächte sie viel älter wirken. Und dennoch war sie zweifelsohne eine wunderschöne Frau. "Danke, dass Ihr hier seid. Ich bin mir sicher, dass diese Schergen von Cesare Borgia uns bald gefunden hätten." "Das kann uns leider noch immer passieren, madonna. So lasst uns schnellst möglich aufbrechen.", drängte Ezio in sanften Ton. "Wie denn? Sobald wir aus dem Wald draußen sind, werden sie uns sehen!" Der Assassine grinste. "Könnt Ihr reiten, Anetta?" Sie sah ihn nur verständnislos an, doch er war schon aufgesprungen, wobei er den immer noch weinenden Pietro bei seiner Mutter abstellte. "Wo geht Ihr hin?", wollte diese wissen. Anscheinend dachte sie, er würde sie allein zurück lassen und folgte ihm einige Schritte. Er kehrte sich zu ihr um und sah ihr in die müden Augen. "Ich besorge uns ein Pferd.", meinte er grinsend und damit war er hinter dem nächten Baum verschwunden. Es dauerte nicht lang und er fand die Reiter. Sie hatten sich aufgeteilt, was ihm zu Gute kam. Zwei von ihnen waren alleine unterwegs. Er kletterte auf einen Baum und ließ von oben herab seinen Geldbeutel fallen. "Was war das?", fragte einer der Beiden sofort und hob alamiert den Kopf in Ezios Richtung. Langsam kamen sie auf ihn zu, die Augen nach etwas Ausschau haltend. Sie waren vorsichtig - aber nicht vosichtig genug. Sie schauten nicht nach oben. Was ihnen das Leben kostete. Schon hatte Ezio zwei Wurfmesser aus seinem Gürtel gezogen und mit tödlicher Zielsicherheit geworfen. Der eine griff sich überrascht an die Brust, aus der wie aus dem Nichts ein Messer steckte, aus seinem Mundwinkel rann ein Tropfen Blut. Dann erlosch der Glanz in seinen Augen und er rutschte vom Pferd und blieb reglos liegen. Sein Gefährte war glücklicher dran: Ihn traf das Messer genau zwischen die Augen. Er war sofort tot, ohne es zu merken. Ezio ließ sich von seinem Ast herab und hielt die Pferde, die sich for Schreck aufbäumten, an den Zügeln fest und beruhigte sie wieder. Dann führte er die Reittiere durch die Bäume zurück zu Anetta. "Wie habt Ihr...?", rief sie sprachlos aus, während sie die schönen Tiere bewunderte. "Sagen wir, ihre Vorbesitzer brauchen sie nun nicht mehr.", erwiderte der Assassine mit einem leichten Lächeln. "Kommt, ich helfe Euch aufsteigen." Anetta ließ sich immer noch verwirrt von ihm helfen. Doch als er Pietro zu ihr aufs Pferd heben wollte, sträubte sich dieser. "Nein, nein! Ich will bei Euch mitreiten!", quängelte er. Erstaunt ließ er den Jungen los, der sofort zu dem zweiten Pferd eilte. Seine Mutter lachte auf. "Es scheint mir, junger Mann, dass mein Sohn Gefallen an Euch gefunden hat. Ihr könnt Euch glücklich schätzen, er schließt nur wenige Menschen in sein Herz.", erklärte sie. Ezio schaute den Kleinen an. "So? Ist das wahr? Dann fühle ich mich geehrt." Ezio verneigte sich vor dem Jungen, welcher daraufhin freudig kluckste. Der Florentiner ging gutmütig lächelnd auf ihn zu und hob ihn in den Sattel. "Jetzt bist du sogar größer als ich", meinte Ezio nur, woraufhin das Kind strahlte. Dann zog auch er sich auf das Pferd und hielt den Jungen sicher vor sich, während er um ihn herum nach vorne griff, um die Zügel aufzunehmen. "Wollen wir?", sagte er an Anetta gewandt, diese nickte nur und sie ritten los. "Eines müsst Ihr mir jedoch noch verraten", meinte er schließlich nach einer Weile, in der sie schweigend neben einander her geritten waren. "Wieso vertraut Ihr mir, wenn Ihr noch nicht einmal meinen Namen kennt?" Sie sah lächelnd zu ihm hinüber. "Jemandem, der eine solche Frage stellt, kann man vertrauen.", sagte sie keck. Nach einer Weile dann: "Mein Pietro vertraut Euch. Das reicht mir mehr als genug." Die Nacht war inzwischen hereingebrochen. Sie hatten Luigi in dem Dorf abgeholt und ritten nun weiter in Richtung Monteriggioni. Doch aufgrund seiner inneren Verletzungen, wie ihm vom dottore gesagt wurde, und des kleinen Jungen vor Ezio kamen sie nicht schnell voran, sondern waren gezwungen, Schritt zu reiten. Luigi war außer sich vor Freude gewesen, als er seine Frau und seinen Sohn wohlbehalten wieder in die Arme schließen konnte und dankte Ezio mit Tränen in den Augen aus tiefsten Herzen. "Wenn es irgendwann einmal etwas geben sollte, wobei Ihr meine Hilfe braucht, so lasst es mich wissen! Ich werde unverzüglich da sein." Doch seit sie aufgebrochen waren, hatten sie alle kaum ein Wort gewechselt und der kleine Pietro war vor Erschöpfung bei den schaukelnden Bewegungen des Pferdes eingeschlafen. Ezio hielt ihn fest, damit er nicht abrutschte und seine Mutter ritt lächelnd neben ihnen. Zu ihrer anderen Seite ritt ihr Mann, der ihre Hand hielt. "Das scheinen sich zwei gesucht und gefunden zu haben.", lächelte Luigi an Anetta gewandt. Diese nickte zustimmend. Ezio sah auf den Kleinen vor sich und strich ihm durch die Haare. Er erinnerte ihn an seinen verstorbenen kleinen Bruder Petruccio. Früher hatte er so vor ihm auf dem Pferd gesessen, während sie langsam in den Sonnenuntergang geritten waren und er ihm eine Geschichte erzählen musste. Mutter war immer ganz krank vor Sorge, wenn sie so lange fort blieben und schimpfte ihn gehörig aus, wenn sie dann zurück kamen. Doch das hielt die beiden nicht davon ab, es wieder zu tun. Denn dies waren immer die schönsten Stunden für den Kleinen, da er aufgrund einer Krankheit nur selten das Haus verlassen konnte. Er seufzte. Nun war sein kleiner Bruder nicht mehr am Leben. Hinweg gefegt von den Templern. Genau wie sein älterer Bruder Federico und sein Vater. Doch Ezio würde sie alle rächen. Bis er den letzten Templer aufspürte und seine Rache vollendet war. Ein grimmiges Lächeln legte sich auf seine Lippen. "Seht nur, da sind die Lichter der Stadt!", rief Luigi aus und zeigte einen Hügel hinauf, der gerade hinter der Biegung zur Sicht kam. Und tatsächlich erhob sich vor ihnen nun Monteriggioni. Sie hatten es fast geschafft. Auch der kleine Pietro hob seinen Kopf und sah ganz fasziniert zu den hohen Mauern hinauf. Dann drehte er sich im Sattel um und fragte neugierig: "Wohnst du da?" Es waren die ersten Worte, die er zu Ezio sprach und er konnte in seiner Stimme die Ehrfurcht erkennen. Er lächelte den Jungen an und nickte. "Es wird dir dort gefallen", meinte er, "Es gibt viele verwinkelte Gassen, Treppen und Durchgänge. An der Hauptstraße entlang ist ein Geschäft neben dem anderen und viele Menschen sind dort unterwegs. Alle sind freundlich und fast wie eine Familie. Aber über allem thront die mächtige Villa, die meinem Onkel Mario gehört. Sie ist wirklich riesig, du wirst schon sehen. Man kann sich sogar darin verlaufen. Ich könnte mir keinen besseren Ort als Spielplatz vorstellen. Und ganz neben bei", er zwinkerte dem Jungen zu, "kann man da super Streiche spielen. Meine Schwester Claudia ..." Luigi lachte und seine Frau fragte mit warmer Stimme: "Ihr scheint vertraut zu sein mit Kindern. Habt Ihr selbst welche?" Das ließ Ezio erschrocken aufblicken. "Oh, nein, nein! Ich habe keine Kinder. Ich habe noch nicht einmal eine Frau. Nein, ich hatte einen kleinen Bruder, an den mich Pietro übrigens sehr erinnert.", sagte er schließlich und verwuschelte dem Kleinen liebevoll mit einer Hand die Haare. Anetta blickte überrascht auf. "Ihr hattet? Was ist geschehen?" "Anetta, amore mio, lass gut sein...", wandte Luigi ein, als er den betroffenen Gesichtsausdruck des jungen Auditore sah. Für den Rest des Weges schwieg Ezio, in Gedanken versunken. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)