Missing Leonardo von Sho-Lin-Na (Ezio/Leonardo, (Altaïr/Malik)) ================================================================================ Kapitel 11: Kapitel 4.2 - Eine lange Reise ------------------------------------------ Graue Wolken zogen über den Himmel und drohten am Horizont mit den hohen Bergen zu kollidieren. Ein starker Wind fegte frisch über die Felder und trug den salzigen Geruch vom Meer mit sich. Für Hochsommer war es ein recht kalter Tag. Ezio zog seinen Umhang enger zusammen und überblickte mit zusammengekniffenen Augen die vor ihm liegende Ebene. Ein leicht metallischer Geruch mischte sich unter die Meeresbrise. Irgendwo in der Nähe musste Blut vergossen worden sein. „Doch eigentlich habe ich keine Zeit dafür. Ich muss schnellst möglich zurück nach Venedig! Und es ist noch immer ein 3-Tagesritt...“ Der nächste Windstoß brachte eine erneute Welle des Blutgeruchs mit sich und Ezios Schimmelstute wieherte unruhig auf, während sie ungeduldig auf der Stelle tänzelte. Harsch zügelte er sie. „Auf der anderen Seite gebietet es mir meine Ehre zumindest nachzusehen, was dort geschehen ist. Immerhin könnte es ein Werk der Templer sein...“ Der Assassine seufzte tief und gab seiner Stute die Sporen. Diese preschte unter erneutem Aufwiehern vorwärts Richtung Blutgeruch. Der Wind peitschte Ezio ins Gesicht und sein Umhang flatterte hinter ihm her. Keine zwei Minuten später entdeckte er schon den Ursprung des Blutes. Es hatte wohl einen Kampf gegeben. Der Weg und die umliegenden Felder waren übersät von Leichen. Eine umgestürzte Kutsche lag halb zerstört am Wegesrand, gezeichnet von unzähligen Schwertspuren. Hie und da lag ein Karren, den Inhalt weit über den Staub verteilt. Überall kullerten Äpfel, Salatköpfe, Brotlaibe und Körbe und Krüge. Der Boden war getränkt von eben jener dickflüssigen Flüssigkeit, die den metallischen Geruch verströmte, der ihn hergeführt hatte. Was war hier nur geschehen? Ezio saß ab und schaute sich genauer um. Vorsichtig und aufmerksam bewegte er sich durch die Reihen der Gefallenen – und er keuchte. Dies war kein Kampf gewesen. Es war das reinste Massaker! Die Toten waren ausschließlich Bauernleute: Frauen, Kinder und die Alten. Keiner war bewaffnet gewesen. Vermutlich waren sie auf dem Weg zum Markt gewesen. Einfache Leute! Wehrlos. Wer tat so etwas? Wer konnte zu einer solchen Gräueltat fähig sein? Banditen? Wegelagerer? Nein. Wer auch immer das getan hatte, war nicht auf Wertgegenstände aus gewesen. Viele der gefallenen Frauen trugen Geschmeide, wenn auch nicht von großem Wert. Doch was war es dann, was jemanden dazu antrieb, wehrlose Leute niederzumetzeln? Und sogar die Kinder... Ezio musste schlucken. Tränen stiegen in ihm auf. Auch wenn er diese armen Seelen nicht gekannt hatte, so erfüllte es ihn mit tiefer Trauer, welch schreckliches Schicksal sie ereilt hatte. Ein schwaches Keuchen erregte seine Aufmerksamkeit. Suchend blickte er über die leblosen Körper. An der Kutsche lehnte ein alter Mann. Sein Brustkorb hob und senkte sich sehr schwach und unregelmäßig. Doch er lebte! Mit nur wenigen Schritten war er bei dem Mann. Sein Assassinenherz schlug ihm heftig bis zum Hals. Wen er auch sonst den Tod zu seinen Opfern brachte, so hoffte er doch inständig, dieses eine Mal das Leben halten zu können. Als der Alte Ezio sah, hob er, sichtbar unter Schmerzen, abwehrend die Arme und wimmerte leise vor sich hin. Aus seinem Mund quoll Blut. „Ganz ruhig. Es ist alles in Ordnung. Ich tue Euch nichts.“, beruhigte Ezio den Verletzten. „Sprecht, wer hat Euch das angetan?“ Langsam trat er auf den Alten zu und kniete sich vor ihn. „Lasst mich mal sehen. Vielleicht kann ich Euch helfen.“ Doch der alte Mann schüttelte nur den Kopf. Unter Aufbringung seiner letzten Kräfte deutete er mit zitternder Hand erst auf Ezio, dann auf eine Frau in ihrer Nähe. „E-es ist zu spät...“, krächzte der Alte kaum hörbar. „Es ist zu spät...“ „Sagt mir, wer das war!“ Die Augen des Mannes fingen an, ihren Glanz zu verlieren. Mit jedem Atemzug hauchte er das Leben aus ihm heraus. „Bitte … rächt … meine Frau … Familie … mich ...“ Sein Kopf knickte zur Seite. „Bleibt bei Euch! Bitte, sagt mir, wer Euch das angetan hat!“, rief der Assassine nun verzweifelt. Doch der Alte machte nur noch Anstalten, die Hand zu heben, ehe sie kraftlos wieder zu Boden sackte. Das letzte bisschen Leben war aus seinen Lungen entwischen. Ezio schloss die Augen und unterdrückte die aufsteigenden Tränen. Er atmete tief durch. Er würde seinem letzten Wunsch nachkommen. „Requiescat in pace.“ Gerade, als er dem Alten die letzte Ehre erweisen und ihm die Augen schließen wollte, fiel sein Blick auf die noch immer halb ausgestreckte Hand. Sie umklammerte einen Fetzen Stoff. Vorsichtig löste er die blutbesudelten Finger von dem Stück. Es war ein Wappenbanner. Es zeigte einen schwarzen Fünfstern aus einer einzigen Linie, der sich selbst immer wieder kreuzte, auf weißem Hintergrund. An den Kreuzstellen war die Linie jeweils unterbrochen. Was war das für ein Symbol? Was hatte das zu bedeuten? „Was wollte der Alte mir damit nur sagen?“, grübelte der Assassine mit in Falten gelegter Stirn. Er hatte dieses Zeichen schon einmal irgendwo gesehen. Doch nur wo? Nachdenklich erhob Ezio sich und pfiff sein Pferd zu sich. Auch wenn dieses Massaker noch so schrecklich war, so konnte er sich dennoch jetzt nicht damit aufhalten. Er musste schnellst möglich zu seinem Freund … Leonardo! Natürlich! Bei dem wissensdurstigen Künstler und Wissenschaftler hatte Ezio dieses Zeichen einst in einem der vielen Bücher entdeckt, als er auf die Fertigstellung seiner mal wieder zerbrochenen versteckten Klinge wartete. Der Künstler konnte ihm gewiss sagen, was es mit dem Stern auf sich hatte! Dieser Gedanke spornte ihn nun nur noch mehr an, zurück nach Venedig zu kommen. Noch einmal sprach er für die armen Seelen, dann wandte er sich ab und saß auf. Erbarmungslos trieb er seine Stute vorwärts, bis ihm der Wind ins Gesicht peitschte und die Kapuze vom Kopf wehte. Hoffentlich war seinem Freund noch nichts passiert! „Halte aus, amico mio. Ich bin auf dem Weg!“ Bis zum Abend war er durchgeritten, hatte auch nicht angehalten, als der Regen losgebrochen war und den Blutgeruch aus der Luft gewaschen hatte. Auch wenn seine Kleidung bis auf die Haut nass gewesen war und die Zähne vor Kälte geklappert hatten, war er unentwegt weiter geritten. Doch nun war es schon fast so dunkel, dass er die eigene Hand vor Augen kaum erkannte. Verärgert zügelte er seine Stute. Er musste eine Bleibe für die Nacht finden und aus den nassen Gewändern heraus. Sonst fing er sich womöglich noch eine Erkältung ein. Wachsam ließ er seine Augen über die in Dunkelheit liegende Umgebung wandern. In einiger Entfernung kamen hinter dem Ausläufer eines Berges einige schummrige Lichter in Sicht. Ein Bauerndorf. Erleichtert lenkte er sein Pferd einen schmalen, gewundenen Pfad entlang in Richtung der Lichter. Es dauerte nicht lange, da hatte er das kleine Dorf erreicht. Es war nicht groß, es bestand nur aus sechs, sieben Häuschen und einer großen Hütte, in der vermutlich die Vorräte gelagert wurden. Die Häuser waren in einem groben Kreis angeordnet, in dessen Mitte ein freier Platz mit Brunnen war. Nur ein Haus stand etwas abseits. Die Straßen waren menschenleer und nur das monotone Trommeln des Regens war zu hören. Allein die Lichter verrieten, dass dieses Dorf noch bewohnt war. Ezio saß ab und seine Stiefel gruben sich tief in den vom Regen aufgeweichten, schlammigen Boden. Er nahm seine Stute bei den Zügeln und führte sie vor ein Haus, welches wohl eine Gaststätte war. Von Innen drangen Musik und Gelächter zu ihm hinaus. Er hoffte, hier ein Lager für die Nacht zu finden. So band er sein Pferd an einem Pfosten fest und betrat die zwielichtige Spelunke. Sie wirkte ziemlich herunter gekommen. Doch angesichts der Zeiten und der wirtschaftlichen Lage war dies nichts Außergewöhnliches. Sofort wandten sich alle Augenpaare auf den eintretenden Fremden. Ezio zählte vielleicht fünfzehn betrunkene Männer, die ihn teils neugierig, teils angriffslustig anstarrten. Keiner sagte mehr ein Wort, auch die Musik hatte aufgehört zu spielen. Scheinbar war man hier Fremden gegenüber sehr misstrauisch. Ohne den rauen Empfang zu beachten, trat der Assassine auf den Tresen zu. Jeder seiner Schritte war laut und dumpf zu hören. Die Augenpaare folgten ihm. „Habt Ihr eine Unterkunft für die Nacht?“, fragte er den Wirt mit fester Stimme. Dieser war ein kugeliger, untersetzter Mann in den besten Jahren, mit dicken Backen, die von der Gischt gezeichnet waren. Auf seinem Kopf trug er ein schmutziges, weißes Tuch, welches wohl seine Glatze verbergen sollte. Mit grimmigen Gesicht polierte er seine Gläser und starrte ihn nur misstrauisch an. „Fremde, die mit der Kapuze im Gesicht mitten in der Nacht umher streunen, haben etwas zu verbergen. Habt Ihr etwas zu verbergen?“ „Nein. Ich bin nur auf der Durchreise.“, entgegnete Ezio freundlich. „Das sind Diebe auch. Seid Ihr ein Dieb? Für Diebe haben wir hier keine Bleibe!“, blaffte der runde Mann. „Nicht doch. Ich bin nur auf dem Weg zu einem guten Freund in Venedig. Doch wenn ich hier nicht erwünscht bin, werde ich natürlich sofort weiter reisen.“ „Va bene. Ich glaube Euch. Es ist nur so, dass Euer Gewand Euch nicht gerade vertrauenswürdig aussehen lässt. Viele Wanderer kommen durch dieses kleine Dorf und versuchen uns auszunehmen, nur, weil sie denken, dass wir wehrlos sind. Ihr könnt Euch nicht vorstellen, was für Gestalten schon den Mumm hatten, hierher zu kommen und zu meinen, uns überfallen zu müssen! Wisst Ihr, einst war unser Dorf für seine Gastfreundschaft bekannt. Doch dann kamen diese Wanderräuber und nutzten unsere Gutgläubigkeit aus...“ Auf einmal war der bis eben noch misstrauische Wirt sehr geschwätzig und seine Miene hatte einen fröhlich freundschaftlichen Ausdruck angenommen. Welch kurioser Gegensatz! Auch die Saufkumpanen hatten sich wieder ihren Gesprächen und Getränken zugewandt. Scheinbar war Ezio nicht mehr interessant für sie, sobald der Wirt ihn als keinen schlechten Menschen eingestuft hatte. „Nun, messer. Was kann ich für Euch tun?“, fragte dieser gerade. „Ich benötige ein Lager für die Nacht und etwas Essen. Morgen ziehe ich weiter. Des Weiteren wäre ich Euch sehr verbunden, wenn Ihr Euch meines Pferdes annehmen könntet. Ich habe es draußen an einen Pfosten gebunden.“ „Si, si. In Ordnung. Multo grazie, signore. Meine Tochter wird Ihnen gleich Euer Zimmer zeigen. Doch lasst Euch nicht von ihr verunsichern. Bitte fühlt Euch bei uns wie zu Hause und zögert nicht, solltet Ihr eine Bitte an uns haben.“ Der Assassine war verwirrt. Hier sickerte wohl die Gastfreundschaft durch, die der Wirt erwähnt hatte. Kopfschüttelnd sah er dem kauzigen Mann hinterher. „Maria! Maria! Wo steckst du schon wieder?! Wir haben einen Gast!“, rief dieser, schon außer Sichtweite, durch das gesamte Dorf. 'Gebrüllt' traf es eher. Wenn Ezio gefragt würde, er hätte geschworen, dass der Wirt auch noch in Neapel zu hören war. Nur einen Augenblick später tänzelte ein hübsches Mädchen in den Raum. Sie mochte vielleicht siebzehn Jahre zählen und hatte ein freudestrahlendes Gesicht. Ihre langen, blonden Haare waren in einem schweren Zopf geflochten. Sie trug ein einfaches Bauernkleid, doch minderte es ihre Schönheit nicht. Sie strahlte wie eine Prinzessin. Lächelnd trat sie auf Ezio zu. „Ihr müsst unser Gast sein. Wie erfreut! Folgt mir bitte, ich zeige Euch Euer Zimmer.“ Und schon tänzelte sie wieder in den Flur zurück, aus dem sie gekommen war. Sie führte ihn eine alte Holztreppe hinauf. „Ihr seid nicht aus dieser Gegend, oder?“ „Nun, nicht direkt, nein. Warum fragt Ihr?“ „Ich merke es Euch an. Und“, sie wandte sich im Gehen zu ihm um und lächelte ihn keck entgegen, „so hübsche Männer wie Euch gibt es hier nicht.“ Verwundert über die gnadenlose Direktheit dieses Mädchens blieb der Assassine stehen. „Ihr nehmt kein Blatt vor den Mund.“ „So ist es. Ich sage, wie es ist. Verurteilt mich dafür, wenn Ihr mögt, doch ich finde, es macht so vieles leichter.“ Innerlich stimmte er ihr zu. Redete man zu viel um den heißen Brei, verschwamm die Aussage undeutlich, bis hin zu Missverständnissen. „Ich verurteile Euch doch nicht. Nein, ich mag das. Das ist gut.“ „Ich bin Maria. Wenn Ihr mich mögt, ich könnte die Nacht bei Euch verbringen.“ Ezio schüttelte grinsend den Kopf. Maria war ein Mädchen nach seinem Geschmack. Keck und sie wusste, was sie wollte. „Nun, wie soll ich da nur Nein sagen?“ Die ersten Sonnenstrahlen des nächsten Tages kitzelten Ezio auf der Nase. Verschlafen öffnete er die Augen. In seinem Armen schlief immer noch das Mädchen, Maria. Er lächelte. Auch wenn er schon viel erlebt hatte, so leicht hatte es ihm bisher noch kein Mädchen gemacht. Langsam erwachte Maria und sah zu ihm auf. „Buon' giorno, Maria.“ Überraschung legte sich in ihre Augen. „Was ist los? Überrascht, wo anders aufgewacht zu sein, als erwartet?“, er grinste. „Nein. Doch Ihr habt Euch meinen Namen behalten.“ Jetzt strahlte sie wieder übers ganze Gesicht. „Nun, das gebietet doch der Anstand, nicht wahr?“ „Scheint wohl so. Va bene, jetzt können wir heiraten.“ „Hei-heiraten?!“, stieß Ezio entsetzt aus. „Si.“ Schon war Maria aus dem Bett gestiegen, griff sich ihre Kleider und tänzelte summend aus dem Raum. Zurück blieb ein fassungsloser Ezio. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)