Adventskalender 2011 von Eis_in_Flammen (Eine Kurzgeschichtensammlung) ================================================================================ Türchen 3 - Verlockender Duft ----------------------------- Tee ist mein Lebenselixier, meine Inspiration und meine Muse. Ich heiße Lilly Cloverleaf, bin Britin und residiere gerade in einer kleinen Gasse in London, für die sich noch nicht mal jemand die Mühe eines Namens gemacht hat. Dennoch platzt mein kleiner Teeladen oft fast aus allen Nähten. Vor allem in der Weihnachtszeit kann ich mich vor Kunden kaum retten. Was mein Geheimnis ist? Die Leute munkeln, dass meine Teemischungen sie verzaubern. Ich sage, dass ist Unsinn. Tee ist Tee, wenn auch von Meisterhand aus frischen Zutaten kombiniert. Der ganze Zauberkram ist natürlich im Gebäck. Womit wir bei meinem zweiten Steckenpferd der Alchemie wären und dem Tag, an dem die Menschen in London gezwungen waren mich kennen zu lernen. Es war an einem jener Dezembertage, die mich fast zum Verzweifeln brachten, da niemand meinen Tee kaufen wollte. Das lag weniger an meiner Verkaufsstrategie, als viel mehr daran, dass niemand meinen Laden fand. Wer geht auch gern freiwillig in eine namenlose dunkle Gasse? Jedenfalls beschloss ich an diesem schicksalhaften Tag, mein altes Buch der angewandten Alchemie für meine Zwecke zu verwenden. Mir schwebten Kekse mit so verführerischem Aroma vor, das die Leute ihrer Nase nach direkt zu meinem Laden laufen würden, selbst wenn ihnen ein Troll den Weg versperren sollte. Also stieg ich die groben, steinernen Stufen in meinen feuchten, alten Keller hinunter. Ich fachte das Feuer an und hievte den riesigen alchemistischen Kessel darüber. Bald schon blubberte die Grundsubstanz wie ein kochender Lavasee vor sich hin. Schlug riesige Blasen, die wie Sirup, träge wieder in sich zusammenfielen. Erst als die Masse ein giftiges Grün erreichte konnte ich beginnen die Zutaten für mein Werk hinzuzufügen. Acht Vanilleschoten für die Wärme im Herzen, zwei ausgepresste Zitronen für die gute Laune – aber Vorsicht, nicht einen Tropfen mehr, sonst wird aus dem Lächeln ein gequältes Grinsen. Vier Stangen Zimt für das Gefühl von Geborgenheit, dazu noch der Staub einer gläsernen Christbaumkugel, ein Tannenzweig und natürlich eine Taubenfeder für den Frieden. Das Gebräu verfärbte sich in ein kräftiges Weinrot. Danach zog ich meine eineinhalb Meter lange Schöpfkelle hervor und begann zu rühren. Zweimal rechts herum, einmal links, dann noch dreimal in der Mitte auf den Kesselboden klopfen und einmal in die Hände klatschen. Doch genau in diesem Augenblick passierte es. Wie ein Schuss knallte es im Feuer unter dem Kessel und ein brennender Span schoss im Zickzack durch den Raum. Er veranstaltete ein Höllenspektakel, als er auf die großen Pfannen traf, die an der Wand hingen, pfiff zweimal dicht an meinem Kopf vorbei, nur um kurz darauf den Stützbalken an der Decke zu treffen und zielsicher in mein alchemistisches Gebräu zu plumpsen. Kurz darauf veränderte sich die Farbe der blubbernden Masse von weinrot zu gallengelb und dann zu schwarz mit glühenden roten Punkten. Voller Panik ergriff ich die Flucht, die Fehlreaktion wäre nicht mehr aufzuhalten gewesen. Ich schaffte gerade noch die schwere Kellertür hinter mir zu schließen und vier Stufen der Kellertreppe hinauf zu springen, als ein dumpfer Knall die Wände zum Erzittern brachte. Fast im selben Moment erinnerte ich mich an das offene Kellerfenster, das zum Hof führte. Hoffentlich würden die Dämpfe der alchemistischen Katastrophe niemanden verletzen. Doch meine Befürchtungen wurden nicht bestätigt – im Gegenteil. Kaum blickte ich, etwas verschämt und ängstlich, aus meinem Schaufenster hinaus, da sah ich die ersten Männer und Frauen glücksselig auf meinen Laden zuschweben. Sie wedelten mit ihren Händen Luft an ihre Nasen und seufzten voller Genuss ob des himmlischen Geruchs, der die Umgebung erfüllte. Bald schon war mein Laden voll von Kunden, die meinen Tee und vor allem auch das Gebäck begehrten, dass ich seit jeher zu meinen Mischungen anbot. Und so kam es, dass Clover’s Teacup sich zu einem florierendem Geschäft entwickelte und ich, Lilly, die Alchemistin so manchen Einfluss auf der Geschick der Menschen nehme. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)