Adventskalender 2011 von Eis_in_Flammen (Eine Kurzgeschichtensammlung) ================================================================================ Türchen 10 - Katzenjammer ------------------------- „Finn…“, seufzte Pia müde und lehnte sich gegen die Glaswand, „ich will nach Hause.“ Sie standen an der Haltestelle, und es war fast Mitternacht. Noch zwei Minuten, bis die Straßenbahn kam, die sie nach Hause bringen würde. Schneeflcken fielen vom Himmel, und sie fror, trotz den gefütterten Stiefeln und dem Pelzmantel, und wusste nicht, was schlimmer war: die eisige Kälte oder die Müdigkeit. „Erst Weihnachtsmarkt und dann noch Kino. Der Tag heute war der Schönste seit langem!“, lächelte sie. Ihr Ehemann trat nahe an sie heran, zog den Schal von seinem Hals und wickelte ihn ihr um. „Das hättest du nicht tun müssen.“ „Doch. Du kannst krank werden, ich nicht mehr.“ Sie wusste nicht, was er damit meinte. Finn lächelte, kam ihrem Gesicht näher und drückte seine Nasenspitze gegen ihre. „Du bist so kalt wie ein Schneemann! Du bist eine Schneefrau.“ Pia lachte. „Ich hab ja einen Eisbär, der mich wärmt.“ Die Straßenbahn kam und sie stiegen ein ins Halbdunkel. Pia war froh, dass sie nicht alleine war, lehnte den Kopf gegen Finns Schulter, der den Arm um sie gelegt hatte. Alles war schön, warm, so perfekt; sie atmete seinen Geruch und fühlte sich geborgen. „Abend, Frau Deger“, grüßte ihre Nachbarin sie im Treppenhaus, und Pia wunderte sich über deren besorgte Miene. „Wie geht es Ihnen?“ „Sehr gut, danke der Nachfrage“, antwortete Pia, ging an ihr vorbei zu ihrer Wohnungstür und schloss auf. Finn folgte ihr. Etwas kroch um ihre Beine. „Zorro, du bist noch wach?“ Sie bückte sich, um den schwarzen Kater zu streicheln. Doch Zorros Fell war gesträubt, er hatte die Krallen ausgefahren und fauchte. „Was hast du denn?“ Pia setzte sich auf die Couch und nahm Zorro auf ihren Schoß. Finn nahm neben ihr Platz. „Katzen kann man nicht täuschen, Pia, ich dürfte nicht mehr hier sein“, sagte er und es klang so viel Traurigkeit in seiner Stimme mit. „Nicht mehr hier sein? Rede keinen Quatsch, du gehörst doch hierher!“ „Ich muss zurück, Pia“, sage Finn sanft. „Ich liebe dich, und dir zu begegnen war das Schönste, was mir im Leben passiert ist.“ Sie starrte ihn voller Angst an. Die Furcht war noch viel schlimmer als die Müdigkeit und die Kälte vorhin; die Furcht, ihn noch einmal zu verlieren. „Bitte, Finn, bleib hier!“ „Nichts lieber als das.“ Er drückte sie an sich, strich ihr über die Haare. „Frohe Weihnachten.“ Als sie die Augen öffnete, war er weg. Sie saß immer noch auf der Couch, den Kater auf dem Schoß, der sich nun beruhigt hatte und sein Fell leckte. Plötzlich kehrten die grässlichen Kopfschmerzen von wochenlanger Schlaflosigkeit zurück, in denen sie noch immer nicht die furchtbare Wahrheit verarbeitet hatte. Finn war tot, gestorben bei einem Feuerwehr-Einsatz vor zwei Wochen. Die 4-köpfige Familie hatte er noch retten können. Ihre Blicke fielen auf ihre gemeinsamen Fotos an der Wand. Finn war ihr Held und würde es immer bleiben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)