Adventskalender 2011 von Eis_in_Flammen (Eine Kurzgeschichtensammlung) ================================================================================ Türchen 14 - Seltsamer Gast --------------------------- Don't know what to do You're looking for love Calling heaven above Send me an angel Send me an angel Right now … Kratzig legte früh morgens um halb sieben der Radiowecker los und riss mich aus einem traumlosen Schlaf. Bevor ich die Nachttischlampe anknipste, machte ich erst das schlimme Getöse aus. Dann entdeckte ich ihn, auf der Couch, ganz ruhig schlafend. Nur seine blonden Locken schauten unter der Decke hervor. Engelbert hieß er, das war alles, was ich gestern aus ihm herausgebracht habe, und, dass er sich verlaufen habe. Als ich gestern kurz vor Mitternacht von der Arbeit nach Hause kam, habe ich ihn gesehen, gegen einen Baum gelehnt, zitternd und desorientiert. Er hatte gefroren in seinem dünnen, vollkommen durchnässten T-Shirt. Ich mit meinem Helfersyndrom konnte natürlich nicht anders, als ihn – einen Wildfremden! – in diesem Zustand da draußen stehen zu lassen. Nicht ganz ungefährlich, doch er war augenscheinlich harmlos, und er tat mir Leid. Nachdem er geduscht und etwas gegessen hatte, war er sofort eingeschlafen. Das Zweite, was mir einfiel, war, dass ich mich heute völlig umsonst aus dem Bett gequält hatte, denn ich hatte heute seit langen wieder frei. An einem Mittwochmorgen. Aber da ich schon einmal wach war, könnte ich auch gleich noch auf die Toilette gehen. Dort entfuhr mir fast ein Schreckensschrei: Alles weiß draußen! Es hatte mindestens einen Meter Schnee gegeben! Jetzt bereute ich fast, dass ich, blind vor Vorfreude auf das Geld, zusätzlich den Hausmeisterjob angenommen hatte. Denn das, was es wegzumachen galt, waren nicht nur ein paar Meter… Entnervt seufzte ich auf. Jetzt konnte nur noch ein gutes, herzhaftes Frühstück helfen. Doch es lauerte schon die nächste böse Überraschung: Ich hatte so gut wie nichts mehr im Kühlschrank! Nur Essiggurken, Cola, eine halbe Zwiebel und Joghurt, der seit drei Tagen abgelaufen war. Alles andere war gestern im Schlund des dicken Engelbert verschwunden. Ich machte mich also mit wasserfester Kleidung, Schaufel, Streusalz und einem zickigen grummelnden Magen an die Arbeit. Beim Schneekehren konnte ich meine ganze Wut rauslassen. Über mich, weil ich mir von einem Fremden meinen Kühlschrank ausräumen ließ; über den Monteur, der mir gestern eine saftige Rechnung geschickt hatte, über meine beste Freundin, die aus irgendeinem banalen Grund eingeschnappt war, an meine Chefin, die eine Gehaltserhöhung nicht für gerechtfertigt hielt, über den dämlichen Schnee, der mich richtig ins Schwitzen brachte…. Knapp eine dreiviertel Stunde war vergangen und ich war endlich fertig und konnte in die Wohnung zurück. Von Engelbert keine Spur. Dafür war mein Bett gemacht, das Zimmer gelüftet. Kaffeegeruch stieg mir in die Nase, und ich folgte ihm in die Küche. Mit offenem Mund stand ich in der Tür und bestaunte den für eine Person gedeckten Frühstückstisch. Müsli ohne eklige Rosinen, Orangensaft, ein gekochtes Ei, Vollkornbrötchen, Marmelade, Frischkäseaufstrich, eine ganze Schüssel mit saftigen grünen Äpfeln… Mitten auf dem Tisch ein bunter Blumenstrauß in der Vase und eine Kerze. Danke, Lucy stand handschriftlich auf einer blütenweißen Serviette auf meinem Teller. Lächelnd setzte ich mich und dachte an den blonden Lockenkopf, der dafür verantwortlich war. Schade, dass er so schnell weggegangen war. Oder vielleicht sogar….weggeflogen? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)