Fünf Dominien von Schneeregen (Herrscher der Elemente) ================================================================================ Kapitel 1: Die stolze Prinzessin -------------------------------- Tief versteckt in den weiten Wäldern der Hagebutte lag die Stadt Liana. Eine stolze und schöne Stadt, aber auch klein und zerbrechlich. Sie war aus Holz und Stein gebaut und ihre Wälle ragten hoch. Am westlichen Ende der Stadt stand ein Schloss, stolz und starr, wie eine Statur, die die Stadt überblickte. Hier wohnte Tristan, der König von Liana und der nahegelegenen Dörfer. Dass er schon viele Kriege geführt hatte, sah man der Stadt zwar nicht an, aber an der gefüllten Schatzkammer des Schlosses konnte man erkennen, dass die Städte, die er besiegte, gnadenlos geplündert wurden. Er strebte nämlich nach Macht und seines Achtens war man nur mächtig, wenn man viele Reichtümer besitzt. Das Land der eroberten Königreiche beanspruchte er meistens für sich, doch wenn ein König sich ergab, ließ er ihnen das Land und nahm nur ihren Besitz mit. Doch wenn es darum ging König Tristan in Eitelkeit zu übertreffen, hatte seine Tochter Eleanor wohl die Nase vorn. Sie liebte es Diener mit sinnlosen Aufträgen hin und her zu schicken und sich bedienen zu lassen. Dies ist der Ort an dem diese Geschichte beginnt, aber ob sie hier auch enden wird, vermag ich nicht zu sagen. Die Wiesen um die Stadt Isona blühten in bunter Farbenpracht. Ein Hauch des Sommers zog über das Land und der Wind wehte schwül. Die Dämmerung hatte schon fast eingesetzt und die Sonne glühte noch im Westen. Von einem der höchsten Türme des Schlosses wehte eine arrogante Stimme herüber: „Wo hast du schon wieder mein Haarband hingetan, Molly? Du bist aber zu nichts zu gebrauchen!“ Oben im Turm saß Eleanor in ihrem Zimmer auf ihrem Bett, während ihre Zofe hektisch  hin und her lief. Sie war genauso alt wie Eleanor und war ihr als Spielkameradin zugeteilt worden. Eleanor strich sich eine braune Strähne aus dem Gesicht. „Wenn du so weiter machst muss ich noch so zur Feier nach unten gehen,“ nörgelte sie. Molly suchte nun in einer Ecke, wo lauter Kisten standen, die mit alten Büchern gefüllt waren. Nicht dass Eleanor sich nicht für Bücher interessiert hätte, denn ihr Regal stand voll mit Büchern. Aber sie interessierte sich nicht für diese langweiligen Bücher über Arithmetik und Alchimie, oder worüber die noch alle waren. Sie interessierte sich hauptsächlich nur für Bücher mit Geschichten über Drachen und andere Fabeltiere, obwohl sie  noch nie eines dieser Tiere gesehen hatte. Ehrlich gesagt hatte sie noch niemals einen Fuß aus der Stadt gesetzt. „ Ich hab’s!“, rief Molly mit piepsiger Stimme aus der Ecke. Eleanor sah auf. Sie hatte die ganze Zeit auf einer ihrer Haarsträhnen gekaut. „Euer hellblaues Haarband. Es war hier zwischen den alten Büchern.“ „Zeig mal her!“, befahl Eleanor ihrer Zofe. Molly eilte zu ihr und legte ihr das Band in die Hände. Eleanor sah sich das Haarband genau an, kniff die Augen zusammen und sagte schließlich: „Nein, Dummerchen! Dies ist das azurblaue! Das passt überhaupt nicht zu meinem Kleid!“ Sie sah hinunter auf ihr mit perlenbesticktes Kleid, hielt das Haarband daneben und es passte perfekt. Eleanor überlegte. „Aber das müsste auch gehen.“, log sie. Eleanor band sich das Haarband ins Haar. „Hab ich noch irgend etwas vergessen?“ Sie sah sich im Zimmer um. Das Licht der untergehenden Sonne tauchte das Zimmer in oranges Licht. Eleanor atmete tief durch. Öffnete die schwere Tür. Ihre Tür war im Gegensatz zu den anderen Holztüren des Schlosses mit Metall beschlagen. „Es wird dir einmal noch nützlich sein“, hatte ihr Vater ihr einst gesagt. Eleanor hatte keine Ahnung was er damit gemeint hatte. Wie immer verließ sie das Zimmer. Molly schloss hinter ihr die Tür. Ohne sich umzublicken ging Eleanor die Wendeltreppe des Turms herunter. Dabei versuchte sie, nicht über ihr langes Kleid zu stolpern. Sie hörte wie die Kirchenglocke zu schlagen begann, einmal, zweimal. Eleanor begann zu rennen. Sie kam zu spät! Sie erreichte die Tür des Rittersaals vor dem siebten Glockenschlag. Eigentlich hätte sie schon vor einer halben Stunde hier sein müssen, aber sie hatte es irgendwie versäumt. Die zwei Wachen waren an der Tür postiert, wie immer wenn eine große Feier stattfand. Sie grüßten sie als sie die Tür passierte. Molly folgte ihr schon lange nicht mehr. Sie war zu den Bediensteten in die Küche zurückgekehrt, denn schließlich waren mindestens 100 Leute im Rittersaal zu Gast. Sie schritt in den Saal. Er war voll mit Gästen, die sich unterhielten und schwatzten. Hauptsächlich waren es Könige, Herzöge und Fürsten, die an dieser Feier teilnahmen. Überall liefen Diener  umher die für den Nachschub von Wein zuständig waren. Das Essen stand schon auf den Tischen. Alles mögliche, Fleisch, Brot, Gemüse. Einfach alles was es überhaupt an Essen gab. Eleanor entdeckte ihren Vater, der am Ende einer besonders großen Tafel saß und Mengen von Wein in sich hinein goss. Neben ihm saß ein Mann mit dunklem Haar und einem ziemlich langen wildaussehenden Bart. Dieser Mann war eindeutig Feroze, von dem Eleanors Vater ihr schon viel erzählt hatte. Heute sollte endlich der langjährige Krieg zwischen den beiden Königreichen Isona und Liana zu Ende sein. Isona war das Reich Ferozes. Viele Leute sagten, es sei das schönste überhaupt. Doch das war nun nicht mehr so. Ihr Vater hatte nun schon zwei Jahre einen erbitterten Krieg mit Isona geführt. Doch heute, heute war der Tag gekommen wo das alles vorbei sein sollte. Feroze hatte aufgegeben. Die beiden würden einen Friedensvertrag unterzeichnen. Eleanors Vater bemerkte sie und rief: „Eleanor, komm ich stelle dir Feroze vor!“ Sie reagierte nicht und sah sich die Gäste an, die auch noch an der langen Tafel saßen. Ein Mädchen mit langen blondem Haar, die ungefähr so alt sein mochte wie sie selbst, und fünf dunkelhaarige Jungen. Offensichtlich waren sie Ferozes Söhne. Alle lachten und amüsierten sich. „Eleanor!“, rief ihr Vater noch mal. „Ja, ja...“, sagte Eleanor genervt und ging zum Tisch und ließ sich auf den noch einzig freien Platz neben ihrem Vater und dem blonden Mädchen fallen. „Eleanor, benimm dich!“, raunte ihr Vater ihr ins Ohr. „Ach, die Kinder heut zu Tage!“, sagte Eleanors Vater laut und grinste dabei schleimerisch. Eleanor hasste es, wenn ihr Vater so war, doch sie sagte lieber nichts. Ihr Vater begann nun zu Lachen und Feroze stimmte ihn sein Lachen ein. „Ach ja, Tristan!“, sagte Feroze nachdem er sich von seinem Lachkrampf erholt hatte. „Ich dachte mir, dass wir deine Tochter zur Feier des Tages mit einem meiner Söhne vermählen sollten. Wie wäre das?“ Eleanor stockte der Atem. Sie? Vermählen mit einem von denen? Alle sahen stark und muskulös aus, mindestens ein Zentner Muskeln, doch hübsch waren sie alle nicht. Na ja, nicht alle. Der fünfte von ihnen sah sehr klein aus. Höchstens neun Jahre alt; und das war eindeutig zu jung! Er sah nicht auf. Er war zu tief in seine Gedanken versunken. Feroze wandte sich an Eleanor: „Na? Such dir einen aus!“ Er sah in die Runde. Eleanor überlegte fieberhaft, was sie antworten sollte. Sie wollte niemanden von denen heiraten. Keiner konnte sie dazu zwingen! Niemand! Der Druck war einfach zu groß für sie. Alle sahen sie erwartend an. Doch Rettung kam, auch wenn sie nicht wirklich hilfreich war. Tristan hatte wieder angefangen mit Feroze über die Hochzeit zu diskutieren und das Mädchen mit den blonden Haaren beugte sich zu Eleanor rüber und flüsterte ihr leise ins Ohr: „Nimm Markus, der sieht am besten aus. Es ist der mit den ganz dunklen Haaren.“ „Mit den ganz dunklen Haaren?“, entgegnete Eleanor etwas hysterisch. „Die haben doch alle die gleiche Haarfarbe!“ Das Mädchen sah sie finster an, als oh sie dachte, Eleanor wolle sich über sie lustig machen. Eleanor war nicht aufgefallen, das sie etwas zu laut gesprochen hatte, denn alle sahen sie nun an, nur der kleine Junge nicht. Eleanor fiel wirklich nicht ein was er hatte, aber es kümmerte sie auch nicht wirklich. Feroze sah sie leicht lächelnd an. „Und?“, fragte er ungeduldig. „Wen jetzt?“ Der Druck wuchs in Eleanor und sie schaffte es einfach nicht, ihren Ärger zu verbergen. „Ich werde keinen von denen heiraten!“, rief Eleanor laut, so dass es der ganze Rittersaal mitbekam. Die ganze Gesellschaft schien geschockt. Alle sahen sie ungläubig an und einige Alte Damen begannen zu tuscheln. „Ich werden keinen von denen heiraten“, sagte sie noch einmal deutlich. Mit 10 Jahren heiraten? Das geht doch nicht?, schoss ihr in den Kopf. „Aber warum nicht, Schätzchen?“, fragte ihr Vater mit einem leicht schmeichelhaften Ton. „Weil...“, fing Eleanor an. Ihre Hände zitterten und sie war den Tränen nahe. Sie konnte ihrem Vater nicht in die Augen sehen und so sah sie hilfesuchend durch die Runde. Da bemerkte sie, dass der Junge, der sich schon eben nicht für das geschehen interessiert hatte, nur leeren Blickes in Richtung Fenster starrte. Eleanor folgte seinem Blick und sah, dass draußen die Sonne langsam schon fast verschwunden war. Es war ein schönes Bild. Die Baumwipfel der Tannen und die orange-glühende Sonne. Sie überlegt, was wäre, wenn sie jetzt da draußen wäre. Weg, weg von dem wütenden Vater weg von der Welt in dem der kleinste Fehler reicht, um Verachtung zu erhalten. Doch ihr Vater riss sie aus den Gedanken. „Eleanor, sei leise und iss weiter!“, raunte sie ihr Vater ein. „Du wirst das tun, was ich dir sage!“ Eleanor wandte sich betrübt ihrem Teller zu, wilde Gedanken durchschwirrten ihren Kopf. Wenn sie nichts tat würde sie sich unwiderruflich ihrem Schicksal fügen müssen. Sie könnte...Ein regelmäßiges klirrendes Geräusch lenkte sie von ihren Sorgen ab. Sie sah auf und sah, das Ferozes Hand in dem er den Löffel hielt ununterbrochen zitterte. Der Löffel schlug regelmäßig gegen den Rand der Schüssel. Jetzt bemerkte Eleanor erst, dass das Tuscheln der anderen Gäste im Saal verstummt war. Eine beklemmende Stille lag nun auf dem großen Raum. Plötzlich legt Feroze seinen Löffel zur Seite und sah Tristan mit einem vernichtenden und vor Wut glühenden Blick an. „So eine Frechheit wie deine Tochter besitzt habe ich im meinen ganzen Leben nicht erlebt!“, knirschte er durch die aufeinander gepressten Zähne. „Feroze...ich werde später mit diesem Mist...meiner Tochter abrechnen.“ Tristan warf einen Eleanor einen kalten Blick zu, der so viel hieß wie: das wirst du ausbaden müssen, egal wie. Eleanor fühlte sich in ihrer Haut überhaupt nicht mehr wohl. Sie spürte wie sie selbst sich im Stuhl immer kleiner machte um den Donnerwetter ihres Vaters in irgendeiner Weise zu entkommen. „Tristan, das ist das Maß aller Dinge!“ Feroze schlug mit der Faust auf den Tisch, sodass die Teller und Becher klirrten. „Ich verbiete mir von einem kleinen Mädchen sagen zu lassen, was sie machen will! Hast du ihr keinen Respekt vor einem Mann beigebracht, Tristan? So wird deine Tochter nie einen Mann finden und dein Königreich wird in Schutt und Asche versinken, da es keinen Erben haben wird! Ich für meinen Teil werde jetzt gehen.“ Ferozes Stimme war nun so kalt wie Eis und langsam sprach er weiter. „Und du wirst sehen, was du davon hast. Der Krieg zwischen Isona und Liana wird weiter gehen, dann werden wir ja sehen wer die größere Macht besitzt. Auch wenn ich die erste Runde verloren habe, die zweite wird an mich gehen. Auf nimmer Wiedersehen!“ Mit den Worten wandte er sich zu seinen Söhnen nickte ihnen zu, die sich drauf hin erhoben. Auch das Mädchen neben Eleanor erhob sich mit einem trüben Blick. Nur der jüngste Sohn, wie Eleanor auffiel hatte sich nicht erhoben. Er starrte immer noch aus dem Fenster und Eleanor starrt ihn an. Ein plötzlicher Schlag ließ Eleanor aus ihrer starre erwachen. Feroze hatten den Jungen am Schopf gepackt und seinen Kopf gegen die Stuhllehne gehauen. Ein kurzer Schmerzensschrei erfüllte die Luft und Feroze zog nun den Jungen, der die Hände um den schmerzenden Kopf gelegt hatte, von dem Stuhl. „Hör endlich auf zu Träumen und komm!“, fauchte Feroze. „Lass mich los!“, rief der Junge mit vor Schmerz verzerrtem Gesicht und schlug die Hand seines Vaters weg. Feroze ließ ihn schnaubend los, warf Tristan noch einen überlegenden Blick zu und bahnte sich dann seinen weg zur Tür der Saals. Kurz bevor er die Tür erreicht hatte drehte er sich und rief mit einem Blick der tiefste Verachtung ausdrückte: „Dafür wirst du bezahlen Tristan!“ Damit wandte er sich um und verließ mit großen Schritten den Saal, seine Kinder im Schlepptau. In dem großen Raum herrschte Totenstille, doch als sie die Tür des Saales sich schloss begann das Tuscheln erneut. Tristan wandte sich bebend an Eleanor und fuhr sie mit einem bösen zischen an: „Eleanor, was hast du jetzt wieder angestellt?“ „Ich...ich hab nichts gemacht...“, stotterte Eleanor. Sie wollte am besten so schnell wie möglich hier weg. Langsam ließ sie sich von ihrem Stuhl gleiten. Doch ihr Vater holte schon mit der Hand aus um ihr eine Ohrfeige zu verpassen. Eleanor duckte sich blitzschnell. „Wenn du mit mir nicht zufrieden bist, dann schaff‘ dir nächstes mal eine bessere Tochter an!“, reif sie mit zornigem Blick und rannte an ihm vorbei in Richtung Tür. Tränen rangen ihr über das Gesicht, als sie die Wächter an der Türe passierte. Ihr Vater rief ihr etwas nach, doch sie hörte es gar nicht mehr. Sie rannte durch die verlassenden Gänge, fast blind vor Tränen, und ihre Schritte hallten an den kalten Steinwänden wieder. Eleanor konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Was hatte sie nur getan? Wieso war sie so ausgerastet? Heftig schüttelte sie ihren Kopf. Dies war nicht alleine ihre Schuld gewesen. Feroze hatte sie ja regelrecht provoziert, doch... Sie fühlte sich leer, nur ein innerer Schmerz war geblieben, der sich durch ihr Herz bohrte. Es war nur die Schuld ihres Vaters gewesen! Er hätte eingreifen sollen oder sonst irgend etwas tun sollen oder... Sie hielt inne, denn  ein schreckliches Bild durchzog ihre Gedanken. Ihr Vater mit diesem wutverzerrten Gesicht. Normaler Weise war er immer freundlich gewesen. Nur manchmal war er ausgerastet. Doch so schlimm wie heute war es nie gewesen. Tränen liefen ihr über die Wangen. Eleanor stand vor der schweren Tür zu ihrem Zimmer. Langsam und knarrend drückte sie sie auf und betrat nun den kalt wirkenden Raum. Dann schloss Eleanor die Tür wieder hinter sich und lehnte sich vorsichtig gegen sie. Sie atmete tief durch und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Langsam und mit zitterigen Beinen ging sie hinüber zu ihrem Bett und setzte sich. Mit leerem Blick sah sie zu dem kleinen Fenster in der steinernen Wand. Es war geöffnet. Ein frischer kühler Sommernachtswind wehte herein und trocknete ihre Tränen, die immer noch unaufhaltsam über ihre Wangen liefen. Eleanor vergrub das Gesicht in den Händen. Sie wusste nicht was sie machen sollte. Sie fühlte sich leer. Sie fühlte nichts mehr außer eine gellende Leere in ihrem Körper. Langsam ließ Eleanor sich in die Kissen fallen und starrte an die Decke. Sie überlegte ob sie zu ihrem Vater gehen sollte, ums ich zu entschuldigen. Nein! Schließlich hatte er sie angeschrien, nicht sie! Immer musste er sie zurecht weisen! Es war ihr Leben! Sie konnte machen was sie wollte! Er sollte sich gefälligst entschuldigen kommen. Sie prustete einmal durch und schloss dann die Augen. In der Zeit bevor sie einschlief dachte sie nochmal über den heutigen Abend nach und wurde ihr klar, dass es vielleicht doch ihre Schuld gewesen sein könnte... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)