Bis dass der Tod uns scheidet... von Galenhilwen ================================================================================ Kapitel 6: Das Geschenk ----------------------- Das sonst ordentlich gekämmte und glatte, blonde Haar stand in schier alle Himmelsrichtungen von seinem Kopf ab, als Deidara verschlafen in Richtung Küche schlurfte. Nicht nur, dass er ohnehin morgens seinen Kaffee brauchte, doch an diesem Morgen erschwerte ihm eine ziemlich beschissene Nacht zusätzlich das Wachwerden. Wie er dieses Streiten mit Sasori hasste. Das wollte er doch gar nicht. Und nun hatte es ihm wichtige Stunden für seinen Schlaf geraubt. Mit seinen ausgelatschten Lieblingspantoffeln, blauen Shorts und einem eher schlecht angezogenen cremeweißen Morgenmantel, dessen verknoteter Gürtel sich im Gehen wieder öffnete, schlich er in die Küche, wo ihm bereits in der Tür ein angenehmer Geruch von frisch gemachtem Kaffee in die Nase stieg. Aus winzigen Augen blinzelte er dem grellen Sonnenschein entgegen und blieb wie angewurzelt stehen, als er Sasori Kaffee trinkend an der Bar sitzend entdeckte. Der Rothaarige hatte die Tageszeitung vor sich ausgebreitet und die restliche Post ordentlich am anderen Ende der Tischplatte auf einem Haufen abgelegt. Ohne aufzusehen knurrte er: „Morgen.“ Deidara war froh, dass Sasori mit dem Rücken zu ihm saß, so dass er rasch seinen Morgenmantel richtete, ordentlich zuband und seine Haare zumindest ein wenig in Ordnung brachte, ehe er an die Kaffeemaschine trat und sich ebenfalls eine Tasse aufbrühte. Während das Gerät lautstark das heiße Koffeingetränk zubereitete, sah er den Profiler von der Seite an. Sasori war bereits ordentlich angezogen, frisiert und schien schon eine ganze Weile auf den Beinen zu sein. Er atmete leise tief durch, ehe er versuchte ein Gespräch zu beginnen, dass hoffentlich nicht ähnlich katastrophal aus dem Ruder laufen würde, wie das vom Vorabend: „Seit wann bist du schon auf? Es ist gerade einmal halb 8...“ Der Rothaarige zuckte nur mit den Schultern, sah weiterhin nicht aus der Zeitung auf, und murmelte: „Ich weiß es nicht genau. Seit 6 oder so. Hidan ist übrigens nicht mehr im Haus. Er hat gesagt, dass ein wichtiges Treffen mit ein paar Investoren hat und heute Abend wieder zurück ist.“ Der Blonde nickte, nahm seine Tasse mit dem fertigen Kaffee unter der Düse der Maschine weg, ehe er einfach neben Sasori Platz nahm und einen Augenblick die weckende Wirkung seines Muntermachers genoss. Er schloss die Augen und versuchte sein aufgeregtes Herz zu beruhigen, das schneller schlug, seit er wusste, dass sie alleine im Haus waren. Irgendwie wollte es einfach nicht auf seinen Verstand hören, der doch wusste, dass es nichts mehr brachte. Es pocherte schier ungeduldig und hoch erfreut, dem Rothaarigen wieder so nahe sein zu dürfen, auch wenn diese Nähe rein physikalisch war. Emotional waren sie wohl so weit voneinander entfernt wie noch nie in ihrem Leben. Er räusperte sich kurz und murmelte unsicher: „Du, Sasori... wegen gestern Abend... Es tut mir echt Leid, ich wollte...“ Forsch wurde er von der monotonen Stimme unterbrochen: „Ich habe übrigens bereits mit dem Profil begonnen. Wir sollten uns gleich einmal hinsetzen und eine Liste mit Verdächtigen erstellen. Ganz offensichtlich geht es diesem Kerl darum dich für ihn zu gewinnen. Er kennt deinen richtigen Namen und deine Arbeiten. Derzeitig vermute ich, dass es sich um einen Verflossenen handeln wird. Wir sollten sie alle einmal auflisten und überprüfen.“ Sasori wusste, dass es nicht nett war Deidara einfach zu unterbrechen. Aber wenn es eines gab, was er vermeiden wollte, dann waren das diese ewigen Ausflüchte des Blonden. Die hatte er einfach zu oft schon in seinem Leben gehört. Viel zu oft. Und scheinbar hatte sich an diesen Ausreden rein gar nichts geändert. Im Grunde überraschte es ihn nicht, auch wenn eine ganz leise Stimme in ihm klar machte, dass sie es anders erhofft hatte. Sein Herz? Egal. Das hatte schon lange nichts mehr zu melden. Zu oft hatte es ihn in Schwierigkeiten gebracht. Zu oft hatte es ihn Entscheidungen treffen lassen, die einfach nur schmerzhaft geendet waren. Seufzend nickte Deidara: „Schön, wie du meinst. Falls du aber doch deine Sturheit mal beiseite legen und mit mir reden möchtest, dann komm einfach zu mir.“ Da Sasori in keiner Weise reagierte gab der Blonde vorerst auf und widmete sich dem gewünschten Thema: „Du meinst also, dass es ein Ex sein könnte. Wie kommst du da drauf?“ Ein Knurren ertönte, ehe der Ermittler den Rest seines Kaffees trank und sich von dem Hocker gleiten ließ: „Komm mit, ich zeige es dir.“ Deidara nahm seinen Kaffee mit und folgte Sasori in das verhältnismäßig kleine Arbeitszimmer. Bisher war er noch gar nicht hier drin gewesen. Vor der Fensterfront stand ein Eckschreibtisch aus dunkler Eiche, der an der Wand zu ihrer Rechten weiterlief. Ein bequemer Ledersessel stand davor. Rechts von ihnen vor dem Schreibtisch standen zwei hohe Schränke, die mit Büchern und allen nötigen Büroutensilien gefüllt waren. Links von ihnen stand eine Couch. Eine Decke, ein Bettlaken und ein Kissen lagen ordentlich darauf. Offenbar schien es eine Schlafcouch zu sein. Daneben befand sich ein kleiner Glastisch, auf dem eine Leselampe stand. Sasori ließ sich in den Sessel fallen und breitete ein paar Blätter auf der Arbeitsfläche des Schreibtisches aus, die sich vor der Wand befand. Auf der Fläche zum Fenster hin fanden sich ein Monitor, eine Tastatur und eine Computermaus mit Mousepad. Deidara stellte sich rechts von Sasori hin und stützte sich auf die Tischkante, während er mit dem Kaffee in der Hand über die ausgebreiteten Blätter blickte. Eine Art Mindmap entstand aus den einzelnen Teilen. In der Mitte befand sich ein Blatt, auf dem groß „XX“ geschrieben stand. Darum angeordnet reihten sich Zettel auf, die mit bisherigen Erkenntnissen und Informationen, mitsamt Belegen, beschrieben waren. Der Rothaarige deutete auf die Zettel und begann monoton zu erklären: „Also. Wir wissen von dem Täter, dass er deinen richtigen Namen kennt, was eindeutig aus den bisher gefundenen Briefen hervorgeht. Das kann nur zweierlei Schluss zulassen: Entweder er stammt selbst aus Japan, kennt dich von dort und ist dir in die Staaten gefolgt, oder aber er stammt aus den Staaten und hat verdammt gute Quellen zu dir gefunden, die ihrerseits eine Verbindung zu dir und Japan haben müssen. Ich habe nachgeschaut und kann alles andere ausschließen. Du tauchst weder im Wikipedia noch sonstwo im Netz als ein und dieselbe Person 'Deidara' und 'Bangart' auf.“ Nickend seufzte der Blonde: „Gut. Oder auch nicht. Ich wüsste einfach niemanden, der er sein könnte... Um ehrlich zu sein fehlen mir so einige Erinnerungen an die fast 3 Jahre vor meiner Abreise. Der Einzige, an den ich mich wieder erinnern kann ist Kiba...“ Skeptisch hob Sasori eine Augenbraue und knurrte: „Wenn du das sagst... Jedenfalls muss der Täter gute Verbindungen haben und diese intelligent nutzen.“ - „Wie? So wie der schreibt kann der doch nicht bis 3 zählen...“ - „Falsch. Wenn man bedenkt, dass er die Kritiker bereits ausgeschaltet hat, noch ehe ihre Artikel in der Zeitung standen. Wie soll ein Idiot dann an die Informationen gekommen sein? Nein, der Kerl ist verdammt gerissen und intelligent. Auch die Tatsache, dass er sich Zugang zu deinem Anwesen und dem Haus verschafft hat deutet klar darauf hin. Immerhin verfügt das Gelände über eine Alarmanlage, die er offensichtlich zu umgehen fähig ist.“ Plötzlich wurde Deidara blass. So hatte er das noch gar nicht betrachtet. Er schluckte schwer und nickte: „Okay. Das ist gar nicht gut... Aber wie kommst du dann auf meine Ex-Freunde?“ - „Die Art wie seine Briefe verfasst sind und was darin steht, mit dem Wissen, was für Taten er begeht. Er ist sehr leidenschaftlich in dem was er schreibt und tut. Es stecken sehr viele Emotionen dahinter, die er von dir erwidert haben will. Natürlich kann es auch sein, dass es sich um einen Fan handelt, der Gefühle entwickelt hat, aber das halte ich für unwahrscheinlich.“ - „Wieso?“ - „Ganz einfach. Er weiß sehr persönliche Dinge über dich, die das Wissen eines Fans eigentlich überschreiten. Da wäre als Erstes der Hinweis in dem Brief, der auf der Party mit den Vergifteten gefunden wurde. Er ist davon ausgegangen, dass du nach der Aktion im Atelier zu Hause bleiben würdest, weil es dich so mitnimmt. Alleine Hidan hat dafür gesorgt, dass du aus dem Haus gehst.“ Deidara nickte. Das war wohl wahr. Wenn er deprimiert war, dann zog auch er sich gerne zurück. Schon immer. Nur wenige konnten das wissen, da er überall immer als gutgelaunter Sonnenschein erschien. Sasori räusperte sich und fuhr fort: „Dann die Hinweise in einem früheren Brief, dass er bereits so viel für dich getan habe und dass dir Beliebtheit, Berühmtheit und ein Beschützer wichtig für dich sind. Nur jemand aus deiner unmittelbaren Umgebung kann wissen, dass du immer unsicher gewesen bist, was Kritiken anging, und dass du... na ja...“ Der Blonde sah den Profiler fragend an: „Und was?“ Dieser seufzte: „Nun, dass du jemanden gesucht hast, der dir deine Scheinwelt aufrecht erhalten konnte, dich vor der Realität beschützte.“ Empört stemmte Deidara die Hände in die Hüfte: „Was soll das denn heißen? Ich habe niemals gesagt, dass mir irgendwer die Kritiker durch Mord vom Halse halten sollte und dass ich in einer Scheinwelt lebe ist mir auch neu! Lässt du dich da jetzt nicht ein bisschen aus persönlichem Groll zu waghalsigen Theorien hinreißen?“ - „Keineswegs. Klar greife ich auf meinen persönlichen Erfahrungsschatz zurück, aber immerhin kannte ich dich sehr gut. Du hattest den Blick für die Realität verloren.“ - „So ein Blödsinn! Wann soll das bitte gewesen sein?“ Wütend richtete der Rothaarige sich auf und zischte: „Als ob du das nicht wüsstest! Hör auf mit dieser blöden Amnesie-Nummer!“ - „Verdammt, Sasori! Ich weiß es WIRKLICH nicht mehr! Seit ich Kiba aus der Wohnung geschmissen habe, übrigens DEINETWEGEN, weiß ich bis zu meiner Ausreise GAR NICHTS mehr!“ - „Ach?! Wirklich? Dann hilft dir DAS ja ein wenig auf die Sprünge...“ {Flashback} Sasori betrat das kleine Kaffee, in dem er sich immer mit Deidara zum Reden getroffen hatte. Eine Woche war sein Geburtstag nun her und nach unzähligen Anrufen und Mails, SMS, Nachrichten auf der Mailbox und dem AB hatte er sich zu einem Treffen breitschlagen lassen, in dem sie die Vorkommnisse klären wollten. An ihrem Stammplatz, in der Ecke hinter der Garderobe, entdeckte er die blonden Haare und steuerte auf die kleine Nische zu. Zwei Tassen frischen Kaffees standen bereits auf dem Tisch. Er dampfte noch. Seufzend ließ er sich auf die schmale Bank gegenüber von Deidara gleiten und sah diesen wortlos an. Der Blonde sah schrecklich aus. Dunkle Ringe gruben sich unter den Augen in das sonst so rosige Gesicht. Die azurblauen Augen musterten ihn deprimiert. Als Deidara zu sprechen begann, war seine Stimme heiser und kratzig: „Danke, dass du hergekommen bist. Ich glaube, wir sollten uns unterhalten...“ Sasori nahm einen Schluck aus seiner Tasse, ehe er nickte. Er sah nicht besser aus. Noch immer brannten seine Augen höllisch, waren rot und geschwollen. Er hatte kaum 10 Stunden Schlaf in der ganzen Woche gefunden, was man ihm mehr als deutlich ansah. Die Ringe unter seinen Augen waren noch dunkler und tiefer, als die Deidaras. Seine Haut wirkte stumpf und käsig. Er war kaum in der Lage die Tasse zu heben, da er kaum gegessen hatte, was auch gut an seinen deutlich schmaler gewordenen Fingern zu sehen war. Seufzend sah Deidara auf und raunte: „Wieso... wieso bist du einfach abgehauen und hast mein Geschenk weggeworfen?“ Der Rothaarige wich dem Blick aus und knurrte: „Das mit dem Geschenk tut mir Leid. Alles andere ist nicht so wichtig...“ - „Doch, ist es! Wir haben uns noch nie so gezofft! Ich weiß, dass ich dir das mit Kiba hätte sagen sollen... Aber mit dem ist eh Schluss.“ Irritiert sah Sasori auf: „Was meinst du?“ - „Er hat sich über dich lustig gemacht, da habe ich ihn in Unterwäsche vor die Tür gesetzt.“ Ein leichtes Lächeln umspielte die schmalen Lippen des Rothaarigen: „Hätte ich ja zu gerne gesehen...“ - „Lenk nicht vom Thema ab, bitte. Gib es doch zu, dass du sauer warst, dass ich dir nichts von ihm erzählt habe.“ Sasori hielt inne. Scheinbar hatte Deidara wirklich keine Ahnung von dem wahren Grund, weil er ihn nur als Freund sah. Innerlich seufzte er. Was brachte es, sich ein zweites Mal lächerlich zu machen? Der gesagte Grund war so gut, wie jeder andere. Also nickte er: „Gut, ja. Ich war deswegen sauer. So ein Tunichtgut passt auch nicht zu dir.“ Deidara schloss die Augen. Wie sehr hatte er gehofft, diese Antwort nicht zu bekommen. Doch es war wohl wahr, dass Sasori ihm vorschreiben wollte, wie er zu leben hatte. Das konnte und wollte er nicht hinnehmen: „Hör mir mal gut zu! Genau DESWEGEN habe ich dir nichts gesagt! Du bist mein bester Freund, und mit wem ich zusammen bin oder nicht, das geht dich gar nichts an!“ Geschockt weiteten sich die rotbraunen Augen und Sasori schüttelte ungläubig den Kopf: „Sag mal... geht’s noch? Ich möchte doch nur nicht, dass du dich unglücklich machst! Ich... ich dachte, dass dir meine Meinung wichtig ist...“ - „Das ist sie auch, aber du hast an JEDEM etwas auszusetzen. Mir scheint es, als seist du eifersüchtig und dass du es nicht ertragen kannst mich zu teilen.“ Sasori glitt die Tasse aus der Hand, die ihren Inhalt auf dem Tisch verteilte. Entsetzt hauchte er: „Was redest du denn da? Du hast nur einfach kein glückliches Händchen, was deine Partnerwahl angeht... ich will dir doch nur helfen...“ Der Blonde fauchte aufgebracht: „Auf diese Art von Hilfe kann ich aber verzichten, okay?! Meine Partnerwahl ist allein MEINE Sache! Du weißt wie wichtig mir meine Freiheit ist und bisher habe ich gedacht, dass du das respektierst. Aber deine ewige Einmischerei zeugt vom genauen Gegenteil. Ich brauche keine 'Freunde', die mich einengen! Wenn du nicht wärst, dann wäre ich noch immer zufrieden und glücklich mit Kiba zusammen!“ Eine Kellnerin wischte den Kaffee vom Tisch auf und murmelte etwas davon, dass sie einen neuen bringen würde, nachdem sie die umgefallene Tasse an sich genommen hatte. Sie war bereits wieder weg, als Sasori sich erhob und sauer raunte: „Du spinnst doch! Aber schön, ich brauche nämlich auch keine Freunde, die mich beleidigen und meine Aufrichtigkeit anzweifeln! Such dir doch einen anderen, der dich unterstützt! Mal sehen, ob sich einer diese Mühe macht für dich!“ - „Da gibt es mehr als genug, glaube mir! Die mir darüber hinaus keine Vorschriften machen!“ - „Ja, weil ihnen dein Wohlergehen am Arsch vorbei geht und sie sich nur mit dir abgeben, weil du Künstler bist! Wie oberflächlich bist du eigentlich?“ - „Du bist ein neidischer Egoist, mehr nicht! Machst hier einen auf Moralapostel, nur weil du zu spießig bist, um die Welt der Künstler zu verstehen!“ Das reichte! Wütend packte Sasori Deidara am Kragen und knurrte: „Ohne mich wäre deine erste Ausstellung doch nie zustande gekommen! Ohne mich würdest du noch immer zweifelnd auf deinen Bildern hocken! Ohne mich wärst du nie in diese Künstlergemeinschaft aufgenommen worden! Und ohne mich wirst du schnell merken, was für eine grausame Welt das ist! Wer, glaubst du, sorgt dafür, dass die richtigen Kritiker über dich berichten? Wer sorgt für die richtigen Gäste? Wer erklärt deinem ach so tollen Manager Hidan, wie der seine Arbeit zu tun hat, während er selber noch zusehen muss einen Studienplatz zu bekommen, weil er auch einen Traumberuf hat, den er für dich ganz, ganz weit nach hinten gestellt hat?!“ Deidara wich seinem Blick nur aus und schwieg. {Flashback Ende} Mittlerweile hatte sich Deidara auf die Couch fallen gelassen und saß auf der aufgeplusterten Decke. Sein Blick verharrte auf dem Fußboden. Ja, er erinnerte sich wieder und war entsetzt, dass er solche Dinge gesagt hatte. Und ja, er hatte wirklich in einer Traumwelt gelebt. Er konnte wirklich nicht mehr nachvollziehen, wieso er so einen Unsinn geglaubt hatte. Seufzend sah er auf und musterte Sasori, der rein äußerlich die Ruhe selbst war. Aber wie früher bereits verrieten die rotbraunen Augen ihm, dass das nicht stimmte. Sie waren zornig, enttäuscht und verletzt. Leise hauchte er: „Es tut mir Leid. Wirklich! Ich... wieso um alles in der Welt weiß ich das alles nicht mehr?!“ Gelangweilt zuckte Sasori mit den Schultern: „Was weiß ich denn? Aber ich beneide dich drum. Ich wünschte, dass ich das alles...“ Er stockte. Wieso sagte er das denn jetzt?! Es ging ihm doch gut! Es gab nichts, das Deidara den Eindruck bescheren könnte, dass es ihm schlecht ging! „Ach, nicht so wichtig. Wir sollten uns lieber auf die Arbeit konzentrieren.“ - „Tu doch nicht so! Ich sehe es genau, dass es dir nicht gut geht!“ - „Wäre ja mal etwas Neues. Ich muss dich aber 'leider' enttäuschen: mir geht es prima!“ Er wandte sich zur Tür. „Ich gehe besser. Und schaue mir das Atelier mal persönlich an...“ Plötzlich sprang Deidara auf und hielt den Rothaarigen am Handgelenkfest: „Sag das nochmal!“ Irritiert riss Sasori sich aus der Berührung und fauchte: „NICHT ANFASSEN! Ich sagte, dass ich mir das Atelier ansehen werde...“ - „Nein, nein. Davor!“ - „Wir sollten uns auf die Arbeit konzentrieren...“ - „Danach!“ - „Was willst du eigentlich?!“ - „Das war nicht alles, was in dem Café passiert ist! Also du sagtest, dass du bessern gehst, da fiel es mir plötzlich wieder ein!“ {Flashback} Die Kellnerin räusperte sich und Sasori ließ von dem Künstler ab. Sie stellten den neuen Kaffee auf den Tisch und sah die beiden fragend an. Der Rothaarige zückte sein Portemonnaie aus der hinteren Hosentasche, wobei der Ärmel seiner Jacke ein Stück nach oben rutschte. Während er der Kellnerin Geld gab, starrte Deidara auf das, was er an dem schmalen Handgelenk entdeckte: SEIN Freundschaftsarmband. Nachdem die Bedienung sich zufrieden verzogen hatte, sah Sasori ihn an und hauchte: „Ich gehe besser. Das habe ich nicht nötig...“ Doch Deidara griff rasch nach dem Handgelenk, um welches das Band gebunden war, und hauchte: „Du trägst es ja noch...“ Seufzend nickte der Rothaarige: „Ja... natürlich. Es ist dein Geschenk.“ - „Warte!“ Der Blonde hob sein Bein an, stützte sich mit dem Fuß auf der Bank ab und hob das Hosenbein ein Stück an, bis auch sein Band zum Vorschein kam. Er sah zu Sasori auf und hauchte: „Ich will nicht, dass wir uns streiten... Das haben wir nie getan! Es tut mir Leid, was ich gesagt habe. Bitte geh nicht, das würde ich nicht ertragen...“ Die azurblauen Augen flehten Sasori an, bettelten um Versöhnung. Sein Kopf riet ihm zu gehen, doch sein Herz zerrte seinen Körper auf die Bank zurück. Er setzte sich hin und sah Deidara an. Er würde es ja selbst nicht ertragen können nun zu gehen, auch wenn es vielleicht das Richtige gewesen wäre. Aber er konnte nicht. Wer außer ihm würde sich wirklich um Deidara kümmern? Wer würde ihn beschützen? Ernsthaft bewahren? Wohl niemand. Hidan war zu blöd dazu. Und die Anderen waren nicht an Deidara, dem einfachen jungen Mann, sondern nur an Deidara, dem aufsteigenden Stern am Künstlerhimmel interessiert. Und ihn in solche Hände zu geben, dafür schlug sein Herz noch viel zu sehr für den Blonden. Er seufzte und lächelte gequält: „Frieden?“ Die blauen Augen strahlten glücklich: „Frieden!“ {Flashback Ende} Scheinbar unbeeindruckt sah Sasori ihn an und raunte: „War das alles? Scheint ja nichts eklatant wichtiges für den Fall gewesen zu sein. Wenn du mich also entschuldigst: ich bin jetzt im Atelier. Arbeiten.“ Fast fluchtartig verließ er das Zimmer. Wenn es wirklich stimmte, dass Deidara keine Ahnung mehr hatte was alles geschehen war, dann würde er dafür sorgen, dass so einige Dinge auch vergessen bleiben würden. Sie mussten nach dem Stalker und einen Verflossenen suchen. Eine gewisse Zeit in ihrem Leben könnte und sollte daher unangetastet bleiben. Er stieg in den Aufzug und drückte ungeduldig mehrmals auf den Knopf, in der unsinnigen Hoffnung, dass es dadurch schneller gehen könnte. Er seufzte. Er wollte diese Zeit nicht noch einmal durchleben müssen. Für keinen Job und kein Geld dieser Welt! Deidara sah dem Rothaarigen irritiert hinterher. Schon wieder tauchte eine gute Erinnerung auf und Sasori reagierte höchst merkwürdig darauf. Es gab genau zwei Dinge, die Deidara sehr stutzig machten. Erstens war da die Tatsache, dass er sich an die beinahe letzten 5 Jahre nicht erinnerte, wenn überhaupt nach einem bestimmten Denkanstoß. Ansonsten lag alles im Dunkeln. Und zweitens war Sasoris Verhalten verdächtig. Dieser schien sich genau zu erinnern, also wieso wollte er mit ihm zusammen diese Liste an Exfreunden erstellen? Er müsste diese dann ja eigentlich kennen, besser als der Blonde selbst im Moment. Irgendetwas versuchte Sasori ganz offensichtlich geheim zu halten, doch Deidara hatte keine Ahnung, was dies sein könnte. Offenbar war mehr passiert damals, als er in den letzten zwei Jahren gedacht hatte. Doch wenn der Rothaarige meinte, das ihm sporadische Erinnerungen reichten, dann hatte dieser sich schief gewickelt! Er würde schon noch herausfinden was passiert war, und zwar alles! Welch schlechtes Licht es auch auf ihn werfen mochte. Diese Sache würde er aus der Welt schaffen, es war seine letzte Chance dafür... „BIN WIEDER DAHAAAAAA!“ Die Spitze seines Bleistiftes brach durch den schreckhaften Druck ab und Sasori knurrte. Dieser Brüllaffe! Er sah auf die Uhr und stutzte. Es war bereits nach 18 Uhr. Seit er das Atelier verlassen hatte, waren geschlagene 5 Stunden wie im Fluge vergangen. Immerhin hatte Deidara ihn in Ruhe arbeiten lassen, auch wenn er nicht viel weiter gekommen war, und sich wohl eher versteckt, als gearbeitet hatte. Doch nun war mit der Ruhe wohl Schluss. „Ich hab was vom Japaner mitgebracht! Lecker Fressalien von zu Hause!“ hörte er Hidan vor der geschlossenen Tür in Richtung Küche keifen. Das Knurren seines Magens verriet ihm, dass diese Idee wirklich nicht schlecht war. Außer Kaffee, viel Kaffee!, hatte dieser noch nichts zum Verdauen bekommen. Seufzend erhob er sich aus dem Bürostuhl und schaute vorsichtig aus dem Zimmer, nachdem er die Tür einen Spalt breit geöffnet hatte. Azurblaue Augen funkelten ihn an: „Ich wollte dich gerade fragen, ob du mitessen möchtest.“ Sein Appetit verabschiedete sich augenblicklich wieder. Aber er musste etwas essen. Also nickte er: „Hidan war kaum zu überhören.“ - „Komm, wir essen im Wohnzimmer!“ Resignierend folgte er Deidara ins Wohnzimmer, wo Hidan bereits Teller aus der Küche abstellte und die mitgebrachten Leckereien auspackte. Sofort fiel dem Rothaarigen ein Paket auf, das auf dem Sofa lag: „Was ist das denn? Ich hatte die Post doch heute morgen reingeholt...“ Hidan sah, mit einem dicken Klumpen Reis im Mund, auf und prustete: „Daff lag for der Ffür. Iff haffs mal mifgeffrafft.“ Sasori nahm das Paket an sich und drehte es in alle Richtungen, bis ein weißer Umschlag zum Vorschein kam, der daran befestigt war. Etwas zerknirscht sah er den Manager an: „Hast du dir das Ding mal richtig angesehen? Das ist ohne Absender, Adresse und Briefmarke.“ Deidara, der sich inzwischen hingesetzt hatte, schluckte schwer: „Also von dem Unbekannten.“ Sasori nickte: „Sieht wohl ganz danach aus. Wenn du erlaubst würde ich den Brief gerne öffnen...“ - „Sicher. Du brauchst doch nicht zu fragen...“ - „Doch, weil ich als Detective für widerrechtliche Handlungen gefeuert werden kann, was das Missachten des Postgeheimnisses mit einschließt.“ Er ignorierte den belämmerten Blick der beiden anderen und öffnete den Umschlag, aus dem er einen Brief zog. Diesen faltete er auseinander und las laut vor: „Liebster Deidara! Verzeih mir diesen fatalen Fehler, dass du verhaftet wurdest! Das war ganz sicher nicht meine Absicht!!! Sei mir nicht böse, ich habe dir auch ein Geschenk besorgt! Bitte nimm es an! Ich weiß doch, wie sehr du so etwas magst! Es ist ein Geschenk mit tiefer Bedeutung! Solche, wie auch DU immer verschenkst! ICH hätte mich damals ja über das Armband gefreut! Scheuche diesen Schnüffler aus dem Haus!! Ich mag ihn nicht! Ich mochte ihn noch nie!!! So einen hast du nicht nötig! Der wird mich eh nicht kriegen! Ich gehöre ja nur dir... ~XX~“ „Fuff!“ entwich es aus Hidans vollem Mund. Deidara warf seine Stäbchen auf den Tisch und fauchte: „Scheiße, jetzt habe ich keinen Hunger mehr! So ein Arschloch!“ Ein wenig spöttisch sah Sasori zu ihm herüber und hob das Paket wieder hoch: „Willst du gar nicht wissen, was dir dein Verehrer zur Versöhnung schenkt?“ Wütend sprang der Blonde auf und keifte: „Deinen Sarkasmus kannst du dir sparen! Ehrlich! Aber JA: mach das beschissene Paket auf, damit ich den Dreck wegwerfen kann...“ Schulterzuckend öffnete Sasori das Paket, wie angeordnet. Es war ziemlich schwer, aber ohne großes Zierwerk verpackt. Rasch konnte er es aufklappen und holte einen großen, schweren Rosenquarz daraus hervor. Skeptisch hob er eine Augenbraue: „Ich wusste gar nicht, dass du auf... Mineralien stehst.“ - „Tue ich auch nicht, baka! Keine Ahnung, was das schon wieder soll!“ Plötzlich sah Hidan erstaunt auf: „Scheiße, Alter! Was redest du denn da? Du hast doch auf deinen Reisen in Europa immer solche komischen Steine mitgebracht. Als wir in die Staaten geflogen sind hast du sie dann plötzlich alle weggeworfen.“ Energisch schüttelte Deidara den Kopf: „Das kann nicht sein, das wüsste ich doch! Das... scheiße, habe ich das auch vergessen?!“ Er raufte sich die Haare. „Ich drehe so langsam durch! Ich weiß nichts von irgendwelchen Europareisen und schon gar nichts von irgendwelchen Steinen! Werde ich verrückt?!“ Seufzend betrachtete Sasori den Stein in seiner Hand. Deidara machte wirklich nicht den Eindruck, als spiele er ihm etwas vor. So langsam kam auch ihm diese Amnesie sehr merkwürdig vor. Er raunte: „Ich denke nicht. Wieso auch immer du dich an nichts erinnerst... ER weiß es noch. Sehr genau. Ich gehe mal schauen, ob ich etwas über den Rosenquarz herausfinden kann...“ Hidan sah ihn irritiert an: „Über wen?!“ - „Über den Stein, du Idiot! Diese Halbedelsteine werden oft mit bestimmten Eigenschaften esoterischer Herkunft verbunden. Das lässt sich schnell herausfinden...“ Er schritt auf den Flur zu. Deidara folgte ihm entschlossen: „Warte, ich komme mit.“ Leise seufzte der Rothaarige. Er wollte zwar nicht, aber immerhin war es Deidaras gutes Recht. Sie betraten das mittlerweile dunkle Arbeitszimmer. Sasori machte die Tischlampe an und setzte sich in den Sessel. Der Rechner war noch auf Standby, so dass ein Klick auf die Maustaste genügte, um den Desktop zum Aufleuchten zu bringen. Routiniert öffnete er den Browser und hämmerte das Suchwort in den Balken der Suchmaschine, um schließlich mit einem satten Druck auf „Enter“ die Suche zu starten. Keine zwei Sekunden später erschienen auch bereits unzählige Seiten, die ihre mehr oder weniger sinnvollen Informationen anboten. Er wählte der Einfachheit halber Wikipedia aus, klickte den Link an und wartete, bis der neue Tab geladen war. Neugierig scrollte er bis zum Abschnitt „Esoterik“ herab und las gemeinsam mit Deidara, was dort unter Quellenangaben geschrieben stand: Rosenquarz stand für Liebe und Fruchtbarkeit. Ihm wurde eine heilende Kraft bei körperlichen und geistigen Problemen des Liebeslebens nachgesagt, sowie eine positive Wirkung auf das Herzchakra. Die beiden tauschten einen Blick aus und wussten, dass ihnen wohl derselbe Gedanke durch den Kopf schoss. Wenn sie es nicht besser wüssten, dass das nicht sein konnte, so hätte dieses merkwürdige Geschenk auch gut von Sasori sein können. Deidara schluckte schwer und biss sich auf die Unterlippe. Das komische Verhalten bei schönen Erinnerungen. Die „Arbeit“ alleine im Atelier. Das Holen der Post. Wusste er es denn wirklich besser...? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)