Die Gewohnheit brechen von Saiaka (Breaking the Habit) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Mike erinnerte sich an diesen Tag, als wäre er erst gestern gewesen. Und niemals wieder wünschte er sich, in so einer Situation zu sein. So völlig hilflos mit ansehen zu müssen, wie ihm ein Teil seiner Seele einfach entrissen wurde. Von diesem Moment an hatte sich der MC geschworen, alles erdenklich mögliche dafür zu tun, Chester unter gar keinen Umständen mehr in dessen dunkle Vergangenheit zurückfallen zu lassen. Ein Versprechen. Unausgesprochen und doch präsent wie ein unzerstörbares Band zwischen ihnen. Dabei hatte der Tag ganz normal angefangen. Zumindest so normal, wie er für die junge aufstrebende Band namens Linkin Park sein konnte. Nach Monaten des Kämpfens um einen Plattenvertrag, den Strapazen des Non-Stop -Tourens und der täglichen kräftezehrenden Live-Gigs, hatten sie es am Ende doch wirklich geschafft. „Hybrid Theory“ ihr erstes gemeinsames Album mit Chester als neuem Frontmann, war eingeschlagen wie eine Bombe. Aber wie viel jeder von ihnen dafür geopfert hatte, wie viel Rückschläge und Enttäuschungen, Missverständnis und Misstrauen sie auf diesem Weg bis hier hin einstecken mussten, davon wussten wohl nur die Wenigsten etwas. Im Endeffekt waren alle mit ihren eigenen inneren Dämonen allein und führten diesen Kampf stetig fort. Doch manche Dinge saßen einfach zu tief, als das sie sich so einfach in den Hintergrund hatten verdrängen lassen. Dann gab es genau zwei Möglichkeiten. Man konnte sich verkriechen und daran einsam und verlassen zu Grunde gehen oder man brach die Gewohnheit der Verdrängung und ließ zumindest so viel Vertrauen zu, das man ein kleines Stück seines alten Lebens zurück bekam. Und Chester war bereit gewesen, diesen letzten Schritt zu gehen. Wie viel Tausend mal er in seinem Kopf schon versucht hatte, einen sinnvollen Ansatz der Erklärung zu finden, wusste er selbst nicht mehr. Immer wieder mischten sich furchtbare Gedankengänge in sein Unterbewusstsein, wie die Jungs womöglich reagieren würden, wenn sie erfuhren, was genau ihm schon von Anfang an so qualvolle Nächte bereitete. Ekel? Abscheu? Unverständnis? Würden sie ihn sogar zurückweisen? Sich von ihm angewidert abwenden? Das waren nur einige der harmloseren Vorstellungen. Aber Chester war es Leid, dieses dunkle Geheimnis weiter vor seinen Freunden zu verbergen. Er hatte schon lange nicht mehr die Kraft dafür jeden Tag aufs Neue eine Maske zu tragen und Ausreden zu erfinden, warum er fast jede Nacht schreiend aus dem Schlaf erwachte. Die Augen entsetzt aufgerissen und für Stunden nicht ansprechbar. Keine Berührungen, keine Erinnerung. So hatte er sich das eigentlich vorgestellt, aber so war es nie gewesen. In diesen einsamen Augenblicken der Dunkelheit war er wieder ein Kind. Unschuldig, verzweifelt, ausgeliefert. Die Grenzen zwischen Gegenwart und Vergangenheit existierten plötzlich nicht mehr, verschwammen mit den Lügen. Seine Bandkollegen waren neben Sam wie eine zweite Familie für ihn geworden. Akzeptierten ihn, so wie er war. Selbst als sie herausfanden, das er stark drogenabhängig war, waren sie nicht von seiner Seite gewichen. Hatten ihn nicht aufgegeben, denn sie sahen, das er aus diesem Teufelskreis herauswollte. Ganz besonders Mike. Zwar hatte zwischen ihnen allen zuerst eine normale Art von Distanz geherrscht, aber schon binnen weniger Monate war eine feste Freundschaft daraus gereift. Chester war nicht bereit, das alles aufs Spiel zu setzen. Genug des Davonrennens, auch wenn es manchmal so viel einfacherer war. Wie sehr er sich wünschte, begangene Fehler wieder rückgängig zu machen, es half nichts. Mehr als einmal sah sich der Shouter diesen ganzen Konflikten gegenüber gestellt und das war besonders dem MC nicht entgangen. Mittlerweile kannte er seinen Freund gut genug, um einschätzen zu können, ob dieser einen guten oder schlechten Tag hatte. Die Drogen und der Alkohol, das waren einerlei, diese plötzliche Leere und Abwesenheit in den sonst so strahlend kindlichen Augen von Chester etwas völlig anderes. Der MC spürte schon lange, dass da etwas tiefer gehendes zwischen ihm, dem Rest der Band und seinem Freund lag. Aber Mike hatte nie danach gefragt. Wartete stattdessen drauf, das sich der Ältere irgendwann von allein dazu entschließen würde, diese Hürde zu nehmen. Aber die Kluft zwischen ihnen schien sich einfach nicht schließen zu wollen. Chester umgab sich mit noch dickeren Wänden, ließ nicht zu, das sie Risse bekam. Doch dann geschah etwas, womit Mike nicht gerechnet hatte. Leise vibrierend machte sich sein Handy in der Hosentasche bemerkbar, als er gerade auf dem Weg zu seiner Wohnung war. Nach der zuletzt extrem stressigen Zeit, hatte die Band eine etwas längere Auszeit bekommen, worüber jeder glücklich war. Familien und Freunde wurden endlich wieder besucht und auch einmal ein bisschen Abstand von einander zu bekommen, bevor es bald wieder ins Studio ging, um das zweite Album vorzubereiten, war ziemlich passend. Mike selber hatte den Tag damit verbracht, zu zeichnen und in der Stadt einkaufen zu gehen. Verrückt, das ihn jetzt einige Menschen auf der Straße ansprachen, Fotos haben wollten und um Autogramme baten. Aber daran würde er sich gewöhnen müssen. Etwas mit dem Lenkrad schlingernd zog er das Handy schließlich heraus und sah auf das Display um abzuwägen, ob das Gespräch warten konnte oder nicht: Chester’s calling... Keine Sekunde später hatte er auf den grünen Knopf gedrückt und lächelte automatisch in den Hörer. „Hey Chaz! Wie geht’s dir, alles klar?“ „Mike...?“ Chesters Stimme klang seltsam brüchig und auf irgendeine beunruhigende Art und Weise sehr weit entfernt. Sofort beschleunigte sich Mikes Puls. Sein Herz begann heftig zu schlagen und seine Brust verkrampfte sich. Wie ein Blitz bahnte sich plötzliche Sorge einen Weg in jede Vene. „Chaz? Was ist los? Wo bist du?“ Nervös wartete der MC auf eine Antwort, doch auf der anderen Leitung blieb es eine ganze Weile still. Es waren nur Sekunden, doch Mike kamen sie vor wie Stunden. Aber dann antwortete der Ältere doch mit schleppender Stimme. „Mike...ich bin...zu Hause. Mir geht’s nicht sehr gut. Kannst...kannst du bitte...“ Der MC hätte fast das Handy fallen gelassen, reagierte jedoch im letzten Moment instinktiv und versuchte seine mittlerweile bebende Stimme so ruhig wie möglich klingen zu lassen. „Natürlich, bleib ganz ruhig Chaz, okay? Ich bin in fünf Minuten da.“ „Mike...“ Jähe Panik stieg in dem MC auf und er musste sich ziemlich konzentrieren, den Weg durch die Straßen klar zu erkennen. Seine Gedanken galten einzig und allein seinem Freund. Was war nur los? Warum hatte er so ein schlimmes Gefühl. Da war etwas in Chesters Stimme, was ihm einen grauenvollen Schauer über den Rücken kriechen ließ. Auf jeden Fall hatte der den Shouter noch niemals so gehört. „Chaz, hör mir zu okay? Hör mir bitte ganz genau zu. Ich werde nicht auflegen! Ich will, das du mit mir sprichst, hast du das verstanden? Erzähl mir etwas, irgendwas, egal was du willst. Denn du jagst mir gerade eine ziemliche Angst ein!“ Das letzte hatte Mike mit einem unbeholfenen Lachen gesagt, doch die Situation war ganz und gar nicht komisch, das wusste er. Die Panik verwandelte sich langsam in Adrenalin um und im halsbrecherischem Tempo jagte der MC die Straßen von L.A. entlang. Nur widerwillig hielt er an roten Ampeln, doch es nütze ihm nichts, wenn er jetzt noch einen Unfall baute. Leise, unendlich leise, aber immer noch so weit entfernt hallte Chester’s Stimme in seinen Ohren wider. „Mikey...ich höre dich.“ Mikey. Für einen kurzen Augenblick nahm der Jüngere den Fuß vom Gas. Obwohl sie sich jetzt schon eine ganze Weile kannten, benutzte Chester diesen Kosenamen nur sehr selten für seinen Bandkollegen, was den MC schlagartig etwas ruhiger werden ließ. Denn diese Seltenheit ergab sich nur in ganz bestimmten Momenten der Vertrautheit zwischen ihnen. „Hey Chazy Chaz.” Mike mochte diesen Spitznamen. Er passte zum Shouter, der manchmal oder wohl eher sehr oft, aufgedreht wie ein Flummi durch die Gegend sprang. Ein echtes Energiebündel, voller Leben und Leidenschaft eben. Mit quietschenden Reifen bog er schließlich um die letzte Kurve und hielt abrupt vor einem Haus, in dem Chester momentan mit Sam in einem kleinen Appartement wohnte, bis sie genug Geld hatten, um sich ein Eigenheim zu leisten. Zum Glück wohnten alle Bandmitglieder nicht weit auseinander und trotzdem hatte Mike diese halsbrecherische Tour in nur bei Nahe drei Minuten hingelegt. Noch immer hielt er sein Handy fest umklammert und fest an sein Ohr gedrückt. Eilig stieg Mike aus und lief über ein kurzes Rasenstück zur Eingangstür. Wie so oft, war sie nicht verschlossen, weil wieder irgend jemand vergessen hatte, sie zuzumachen, aber das kam Mike gerade gelegen. Hastig sprintete er die Treppen hoch bis ganz nach oben. Er kannte den Weg in und auswendig. Selbst der Geruch des Flures hatte sich unvergesslich in sein Gedächtnis eingebrannt. Fast schlitternd blieb der MC kurz darauf vor einer einzelnen Tür stehen. Leicht außer Atem stütze er sich für einen Moment auf seine Knie ab, während er endlich das Handy sinken ließ. Das Besetztzeichen war nicht zu hören, also war Chester noch immer in der Leitung. Langsam hob Mike seinen Kopf und sah, das die Tür nur leicht angelehnt war. Also entweder hatte sich der Shouter erst gar nicht die Mühe gemacht, sie zu schließen, weil er hoffte, das Mike kommen würde oder und das war der weitaus schlimmere Gedanke, bei ihm wurde eingebrochen! Doch darauf wiesen keine Spuren auf dem Kunststoff hin. Der MC kannte sich damit nur zu gut aus. Ein Teil seiner eigenen Vergangenheit, an den er nur ungern dachte. Entschlossen schob er die Tür ein Stück weit zur Seite und betrat das Appartement. Es war nicht sehr groß, aber sehr geschmackvoll eingerichtet. Chester hatte ein Händchen dafür. Aber das Schönste daran, war ihr Album, was demonstrativ genau beim Betreten ins Auge stach. Doch das interessierte Mike im Moment herzlich wenig. „Chester?!“ Langsam ging er auf das Wohnzimmer zu, wobei er sich mehr auf seine Erinnerung des Weges verlassen musste, als diesen wirklich erkennen zu können. Alles war nur spärlich erleuchtet und das ein oder andere mal, stieß er unsanft gegen ein Möbelstück. Vorzugsweise einen Schrank. „Chaz?!“ Erst beim zweiten Mal rufen, meinte Mike den Shouter antworten zu hören. Aber ganz sicher war er sich nicht, denn es klang eher nach einem Seufzen. „Chaz? Ich mach das Licht an, okay?“ Wieder keine Antwort. Jetzt weitaus vorsichtiger tastete Mike an der rechten Wand entlang und fand, wonach er suchte. Die Lampe war fast gänzlich gedimmt worden, war aber noch immer hell genug, um das Wohnzimmer zu beleuchten. Chester saß auf der Couch, die Hände um seine Beine geschlungen und starrte schweigend auf irgend einen fernen Punkt. Mike blieb im Türrahmen stehen und ließ die Situation auf sich wirken. Jetzt wo er seinen Freund sah, hatte sich die Unruhe etwas gelegt, aber seine Sorge wuchs mit jedem Detail, was er mehr wahrnahm. Der Shouter war ziemlich blass, seine Augen glasig mit dunklen Ringen umrandet und die Klamotten viel zu weit. Chester war schon immer sehr schlank gewesen, aber jetzt schien er unter seinem normalen Gewicht zu liegen. In der einen Ecke der Couch lag eine zusammengeknüllte Decke, die Kissen waren überall verstreut und am Schlimmsten war die leere Bourbon-Flasche auf dem Glastisch. „Chester was...“ Doch Mike versagte die Stimme. Es tat weh, das zu sehen. Sein Freund hatte sich doch schon soweit zusammengerissen, alles sah gut aus und nun das. Warum hatte er das getan? Sie hatten sich doch nur zwei Wochen lang nicht gesehen... Minuten lang bewegte sich und sagte niemand etwas, bis der Shouter schließlich seinen Kopf etwas zur Seite drehte, als hätte er Mike jetzt erst überhaupt bemerkt. „Hey...“ Dieser zuckte kurz zusammen, weil er nicht damit gerechnet hatte, das Chester in nächster Zeit etwas sagen würde. Statt dessen blickte er nur weiterhin auf die leere Flasche und der Ältere folgte dem Blick, bis er ein trauriges Lächeln zu Stande brachte. „Mike...keine Sorge. Das war ich nicht.“ Nur unter starkem Aufwand seiner Willenskraft, schaffte es der MC sich langsam fortzubewegen. Konnte er das glauben? Man brauchte sich den Shouter ja nur mal anzusehen. Chester hatte seinen Kopf währenddessen wieder abgewandt und fixierte erneut einen unbestimmten Punkt. „Sam hatte neulich ein paar Kolleginnen hier. Ich hatte bis jetzt noch nicht die Lust aufzuräumen. Und sie ist zur Zeit ihre Eltern besuchen.“ „Schon gut.“ Doch das war es überhaupt nicht, dass wussten sie beide. Noch vor wenigen Minuten war Mike fast wahnsinnig vor Angst um seinen Freund gewesen und nun kauerte dieser zusammengesunken in einem stockdunklen Raum. „Chaz, was ist passiert?“ Betont ruhig setzte sich der MC nach einem kurzen Zögern doch endlich neben Chester und wartete auf irgendeine Reaktion. „Ich...ich muss mit dir reden.“ Bei diesen Worten krampfte sich Mikes Brust wieder fest zusammen. Seine Worte klangen so unglaublich niedergeschlagen. Was war nur so schlimm, das es den Shouter schier zu zerbrechen drohte? Egal was es auch war, dieses Gespräch würde nicht sehr angenehm werden. Also ließ der MC seinem Freund Zeit. „Ich...will ehrlich zu dir sein, Mike. Und am Liebsten wäre ich völlig betrunken, dann würde mir das hier alles viel leichter fallen.“ Ein weiterer Schauer rann über dessen Rücken, aber er schwieg weiterhin und nickte nur stumm zum Zeichen, das er verstanden hatte. „Aber ich wollte bei klarem Verstand sein, wenn ich es dir erzähle...“ Mikes Herz setzte für einen Schlag aus. Sollte er etwas erwidern oder nicht? Warum war er auf einmal so unsicher? Um die Situation für einen kurzen Augenblick zu überbrücken, zog er sich schließlich etwas unbeholfen die Jacke aus, schmiss sie ebenfalls in irgend eine Ecke und schaute seinen Freund dabei weiter an. Chester nahm das Rascheln kaum wahr und schien tief in Gedanken versunken. Man merkte nur zu gut, das er versuchte, die richtigen Worte für das, was er sagen wollte, zu finden, aber es schien weitaus schwieriger als erwartet. „Danke...das du da bist...Mike.“ Endlich fand der MC seine Stimme wieder und wollte Chester sanft an der Schulter berühren, was er jedoch im letzten Moment sein ließ. „Ist doch klar. Nur...ich mache mir ziemliche Sorgen um dich, Chaz. Du siehst schlimm aus.“ Wie sollte er es auch anders ausdrücken? Doch dem Shouter waren die leisen Entgleisungen in dessen Stimme nicht entgangen. „Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, wann ich das letzte mal eine Nacht durchgeschlafen habe...“ „Hmm, ich weiß, was du meinst.“ Daraufhin drehte Chester seinen Kopf wieder etwas in die Richtung des Jüngeren und streifte ihn mit einem kurzen, wissenden Blick. Der sich jedoch abrupt änderte. Von einer Sekunde auf die anderen sprang der Shouter plötzlich auf und rannte in die Küche. Völlig perplex saß Mike da und sah Chester nur mit großen Augen hinterher. „Chaz?!“ Keine Antwort. Stille breitete sich über das ganze Appartement aus, bis Mike ein leises auf und ab gehen vernahm. „Chaz, ist alles okay?“ Immer noch keine Antwort. Schließlich richtete sich der MC fahrig auf und ging auf die Küche zu. Dort angekommen blieb er schon zum zweiten mal an diesem Tag wie zur Salzsäule erstarrt stehen. Sein Gesicht wirkte im schwachen Licht der Lampe plötzlich genauso kalkweiß, wie das von Chester. Nur mit dem Unterschied, das dieser jetzt aussah wie ein wandelndes Gespenst. Krampfhaft hielt der Shouter sich an der Arbeitsfläche fest, das seine Knöchel weiß hervorstachen, die Augen schmerzlich zusammengepresst. „Oh Gott, Chester, was...?!“ Doch Mikes Ruf war kaum mehr als ein entsetztes Flüstern und kurz darauf hatte der Ältere den MC fest umarmt. Dieser wusste weder was er tun, noch was er denken sollte. Also tat er das einzige, was ihm logisch vorkam. Er erwiderte die Umarmung und spürte dabei deutlich, wie viel Chester wirklich abgenommen hatte. Der Shouter hielt weiterhin die Augen geschlossen, festigte aber seinen Griff um den Körper seines Freundes, als sein eigener plötzlich begann zu zittern. „Mir ist so schlecht, Mike.“ Die Stimme des Älteren klang gequält und mit einem mal fühlte sich der MC so hilflos wie ein Kind. Er hielt seinen besten Freund in den Armen, der unter irgendetwas furchtbarem litt und er konnte absolut nichts machen. „Chaz, was, was soll ich tun?!“ Doch Chester schüttelte nur mit dem Kopf. „Bleib einfach hier, bitte. Lass mich nicht allein.“ Und Mike blieb. Niemals hätte er Chester jetzt alleine gelassen. Nach wie vor standen sie in der Küche, aber dann löste sich der Ältere aus der Umarmung und streifte wieder ruhelos umher. Zuerst lief er zurück ins Wohnzimmer, kam dann aber nach ein paar Sekunden wieder zurück, hielt sich kurz an der Arbeitsfläche fest und setzte sich schließlich wieder auf die Couch. Unsicher trat Mike näher und setzte sich ebenfalls. Woraufhin sich Chester nach links sinken ließ und somit quer über Mikes Schoß lag. „Ich hab Angst.“ Drei simple Worte und doch so grausam, das sie Mikes Welt aus den Fugen rissen. Der MC kam sich vor wie in einem Alptraum, nur dass das alles real war. Er war noch immer hier mit Chester in dessen Appartement und ergriff wie mechanisch seine Hände. Sie waren kalt und feucht. Für einen kurzen Moment unterbrach er den Kontakt, aber nur um die Decke zu ergreifen und sie über den Shouter zu legen. Dieser hatte wieder die Augen geschlossen und begann heftig zu zittern. Mikes Hände suchten die seines Freundes und lösten sie von der Starren Umklammerung des weichen Stoffs. Dann beugte Mike sich etwas vor, damit er mit seinem Gesicht direkt über dem von Chesters war. „Hey Chazy Chaz. Sieh mich an, okay? Sieh mich an, alles ist okay, ich bin hier.“ Chester atmete immer noch völlig unregelmäßig spürte aber genau, das jemand da war. „Ist okay, das wird schon wieder. Sieh mich an Chaz.“ Und schließlich traf Braun auf Braun. Zwinkernd versuchte der Shouter den Drang wieder aufzuspringen niederzukämpfen, doch das war ein Kampf der mal so und mal so ausging. „Mike...ich hab Angst.“ „Ich weiß, schon gut. Ich bin hier, ich lass’ dich nicht allein.“ Wieder schloss Chester seine Augen. Versuchte seine Atmung zu kontrollieren, doch plötzlich rannen dem Älteren Tränen über die Wangen und er setzte sich ruckartig wieder auf. Achtlos warf er die Decke zu Boden und stand auf. Ging wieder durch das Wohnzimmer, begann die Finger ineinander zu verschränken und krümmte sich immer wieder. „Scheiße...“ Mike saß fassungslos da. „Chaz...“ Bevor der MC weiter etwas sagen konnte, hatte sich Chester erneut hingesetzt und ihn umarmt. „Ist okay...Mike. Wird schon wieder.“ Der Jüngere vertraute auf die Worte seines Freundes, auch wenn es momentan nicht so aussah, als würde sich eine gewohnte Normalität nie wieder einstellen. „Willst du dich hinlegen?“ Da Mike nichts einfiel womit er weiter helfen konnte, außer dem Shouter beruhigend zuzuflüstern, versuchte er ihn wenigstens so etwas abzulenken. Für ein paar Minuten blieben die beiden noch eng einander festhaltend, bevor Chester langsam auf den Rücken sank und wieder in der gleichen Position dalag, wie vorher. „Soll ich dich wieder zudecken?“ „Nein. Mir ist nicht kalt. Das Zittern hat damit nichts zu tun.“ Daraufhin hielt Mike wieder Chesters Hände. „Warum Chaz? Warum hast du denn nichts gesagt?“ Wieder flossen Tränen über dem Älteren seine Wangen, doch dieses mal sprang er nicht auf. „...Weißt du, weil. Ich wusste, das du und die anderen dir Sorgen machen würden. Du wahrscheinlich sogar am Meisten.“ „Ist das nicht auch verständlich?“ „Sicher, aber...“ Erneut verkrampften sich Chesters Hände, doch der MC drückte ebenso dagegen. „Nein, bitte nicht...“ Das Flehen des Shouters zerbrach Mike fast das Herz und schon hätte er sich dafür schlagen können, das er dem Älteren gerade Vorwürfe gemacht hatte. „Ich bin hier, sieh mich an, Chaz.“ „Ich weiß, Mikey. Ich weiß...“ Langsam verebbte das Zittern in Chesters Körper und seine Muskeln entspannten sich allmählich. Das Problem war aber, das es immer wieder zu jeder Zeit anfangen konnte. Dann wurde dem Älteren wieder schlecht, er bekam Angstzustände und Panik. „Ich bin krank Mike...sehr sogar.“ Beruhigend fuhr der MC dem Shouter durch die Haare. Das er ernsthaft litt, war wohl kaum zu übersehen, aber trotzdem spürte Mike, das etwas im Begriff war, sich zwischen ihnen zu verändern. „Das hat alles angefangen, seit ich darüber nachgedacht habe, euch die Wahrheit zu sagen...oder besser gesagt: dir zuerst...“ Jetzt schaute der Jüngere wirklich überrascht und lockerte für einen Augenblick seinen Griff, was er sofort bereute, nachdem Chester seine Augen wieder fest aufeinander presste und weitere Tränen eine salzige Spur auf dessen Gesicht hinterließen. „Chaz, du musst nicht...“ „Nein, schon gut. Ich bin lange genug davor weggerannt und habe euch belogen. Es tut mir so Leid, Mike!“ Dieser wusste überhaupt nicht, was er sagen sollte, also zog er es vor, Chester einfach weiter reden zu lassen, strich ihm dabei aber weiter durch die blonden kurzen Haare. „Hätte ich mir nicht die ganze Zeit was vorgemacht, hätte ich jetzt nicht diese Panikattacken. Als wir auf Tour waren da hatte ich Ablenkung, verstehst du? Ich war nicht allein. Nur in den Nächten.“ Es war nur eine minimale Veränderung der Augen, doch Mike erkannte sofort, das der Shouter drohte erneut in die Vergangenheit abzurutschen. Zu tief. „Chaz bleib hier. Sieh mich an. Was heißt das, mit den Nächten?“ Der Shouter schluckte einmal schwer, drückte Mikes Hände und sein Blick klärte sich wieder etwas. „Was? Die Nächte? Mike, ich hasse die Nächte. Besonders die Stunden, in denen ich einschlafe. Es ist immer wieder da. Es wiederholt sich. Immer und immer wieder. Mike, ich war doch noch ein Kind!“ Vorsichtig lehnte sich der MC weiter nach vorne, legte seine Unterarme auf Chesters Schlüsselbein und den Kopf auf seine rechte Schulter. Gesicht an Gesicht. Selbst die warmen Tränen gingen auf den Anderen über. „Es war...ich weiß nicht...ich wusste nicht wie ihr reagieren würdet. Ich hatte Angst. Panische Angst. Es hat Jahre gedauert. Mike, es tut so verdammt weh und immer wieder reißen diese scheiß Wunden auf! Manchmal reichen Worte, einfache Gesten, Bilder und schon ist es wieder wie damals. Egal wie sehr ich versuche, alles zu verdrängen. Sie gehen einfach nicht weg....Mike, irgendetwas habe ich im Inneren verloren und ich will es wieder haben!“ Schweigen. Keiner wusste die richtigen Worte. Gab es die überhaupt in so einer Situation? Mike hatte eine wage Vermutung, welches Martyrium Chester durchlebt hatte, aber es schmerzte zu sehr, um es wirklich auszusprechen. Mehr als alles andere, was er je im Leben hatte durchleben müssen. „Deshalb also die...?“ „Ja. Deshalb die Drogen. Meine Eltern haben sich scheiden lassen, hatten keine Zeit sich richtig um mich zu kümmern. Wie auch, mit drei weiteren Geschwistern? In so einer Phase ist man froh über jeden „Freund“ den man hat...“ Chesters Blick richtete sich in die Ferne und langsam lehnte auch er seinen Kopf an den von Mike. „Du meist deine Skaterfreunde?“ Doch der Shouter schüttelte seinen Kopf und Mike erkannte zu spät, worauf Chester eigentlich hinaus wollte. Wütend biss er sich auf seine Unterlippe, bis sich ein einzelnes Rinnsal bildetet. „Nein, meine ich nicht. Meine Eltern haben mich oft bei meinem Onkel gelassen, wir verstanden uns sehr gut. Manchmal glaube ich sogar, das ich eine stärkere Bindung zu ihm, als zu meinen Eltern hatte. Er hat mir viel beigebracht, während zu Hause persönliche Kriege ausgetragen wurden. Ich verbrachte immer mehr Zeit mit ihm. Mein Fehler. So dachte ich. Ich mache mir heute solche Vorwürfe. Hätte ich es erkennen können? Gab es Anzeichen?“ Mittlerweile sprach der Shouter mit einer Wut in seinen Worten, die er sonst nur sehr selten zeigte. Mike blieb weiterhin ruhig, spürte aber jede kleine Veränderung in Chesters Haltung. Er war wieder angespannt. Sein Herz klopfte laut und schnell gegen seinen Brustkorb. „Vier Jahre lang Mike. Vier gottverdammte Höllenjahre...Was habe ich denn nur falsch gemacht?...“ Mikes Kopf war leer. Er wusste nicht, wie viel er noch verkraften konnte, von dem, was er hörte. Warum nur? Warum nur hatte man Chester so etwas angetan? Wie krank musste man sein, um zu so etwas fähig zu sein? „Es tut mir so Leid, Chaz.“ Jetzt liefen auch dem MC die Tränen über das Gesicht und versanken lautlos im weichen Stoff seines T-Shirts. „Mir auch Mike. Mir auch. Ich habe euch so lange angelogen, wusste nicht, wem ich mich anvertrauen konnte. Irgendwann jedenfalls wurden die Spuren wohl zu sichtbar. Meine Eltern stellten Fragen und wenig später brach ich unter der ganzen Last zusammen. Im Krankenhaus fanden sie es schließlich heraus. Meine Eltern waren schockiert. Er wurde ins Gefängnis gesteckt, aber von dieser Zeit weiß ich nicht mehr viel. Mit 14 nahm ich zum ersten Mal Pot, danach ging es steil bergab. Drogen jeglicher Art und Alkohol. Ich fand neue Freunde und verlor sie wieder. Mike, hast du schon mal jemanden vor deinen Augen sterben sehen?“ Stumm schüttelte der MC den Kopf. Die Frage traf ihn völlig unvorbereitet und hart. „Ich schon. Mehr als einen Freund. Mal ein Unfall, mal eine Überdosis. Ich hasste mich. Für alles, was in meinem Leben schief gelaufen war. Innerlich bin ich ein Wrack gewesen oder immer noch und einige Dinge sind unwiderruflich zerbrochen. Doch dann kam Sam und kurz darauf dein Anruf. Ihr wisst gar nicht, wie viel mir das bedeutet hat. Ihr seit diejenigen gewesen, die mich mit aus diesem Teufelskreis rausgeholt haben. Ob bewusst oder unbewusst, denn viel habe ich euch nie, bis heute, über mich erzählt. Aber für euch war das in Ordnung, ihr habt mich niemals gedrängt.“ Erneut trat Stille ein, während von draußen erst langsam und dann immer rhythmischer Regentropfen gegen die Fenster prasselten. Es hatte etwas beruhigendes an sich. Lange hörten die beiden Freunde dem Klang zu und verbannten zum ersten mal an diesem Abend alle Gedanken aus ihren Köpfen. Versuchten einfach den Moment des Friedens zwischen ihnen fest aufzubewahren. Mike fuhr Chester weiterhin durch die Haare, bis er irgendwann wieder anfing zu sprechen. „Da war etwas. Die ganze Zeit. Irgendwie hatte ich das Gefühl, das etwas zwischen uns stand. Schon immer. Manchmal da hast du so eine Eigenart an dir, das du plötzlich ganz weit weg bist mit den Gedanken. Wenn ich jetzt an die letzte Zeit zurück denke, hab’ ich das Gefühl, als wäre es die ganze Zeit direkt vor meinen Augen gewesen, aber ich war zu blind, um es zu erkennen. Du hast es uns und den Fans ja bei Nahe jeden Abend ins Gesicht geschrien.“ Leise seufzend streckte sich der MC kurz und legte sich schließlich ebenfalls auf den Rücken, unterbrach den Kontakt mit Chester aber nur widerwillig. Dieser rührte sich nicht, hatte die Augen geschlossen und atmete langsam und gleichmäßig. Fast hätte man denken können, er würde schlafen, doch dann öffnete er seine Augen wieder. „Weißt du noch, wie wir die Texte zu Hybrid Theorie zusammen geschrieben haben?“ Der Shouter erinnerte sich nur allzu gut daran. An den merkwürdigsten Orten waren ihnen neue Passagen eingefallen, Melodien entstanden und alles schien auf gleicher Ebene abzulaufen. Emotional wie auch gedanklich. Doch mittlerweile wusste Mike, das sie sich in genau diesen Punkten weiter von einander wegbewegt hatten, als irgendwie möglich. „Oft haben wir uns nur angesehen und jeder wusste, wie es weiter ging. Jeder von uns hatte seine eigenen Gedanken, sein eigenes Lied, doch es hat alles so gut gepasst, das ich gar nicht daran dachte, was du wirklich mit diesem oder jenem sagen wolltest. Gott, ich war so naiv. Worte sind nicht nur Worte. Du hast etwas ganz anderes damit verbunden, als ich. Papercut, One Step Closer, In The End, Pushing Me Away…und auch Crawling. An diesem Song haben wir so lange gesessen. Uns die Nächte um die Ohren gehauen, weil wir einfach an manchen Stellen nicht weiterkamen. Du aus einem ganz anderen Grund als ich...“ Es war schwer für Mike die volle Wahrheit zu ertragen. Ihre Musik war ehrlich, darauf war der MC immer besonders stolz. Doch jetzt kannte er Chesters Beweggründe besser und konnte kaum akzeptieren, wie er das alles hatte übersehen können. „Mike?“ ,,Hmm.“ Trübselig schloss der Jüngere seine Augen und versuchte den nagenden Kopfschmerz, der sich langsam entwickelt hatte, zu verdrängen. „Danke.“ „Wofür?“ „Für alles. Euer Vertrauen, eure bedingungslose Unterstützung. Ich wüsste nicht, was ich ohne euch gemacht hätte. Ihr habt so viel für mich riskiert.“ Vorsichtig drehte sich Mike auf die Seite, um Chester genau ansehen zu können. „Weißt du, damals, vor ein paar Jahren, da war ich mal ziemlich übel drauf. Meistens aus Langeweile, jedenfalls drohte ich komplett abzurutschen. Einbruch, Diebstahl, such dir was aus. Der Tiefpunkt war definitiv das Erlebnis, als ich von der Polizei verhaftet worden bin und meine Eltern mich abholen mussten. Ich hätte locker eine Jugendstrafe bekommen können, aber soweit kam es nicht. Noch am selben Abend sagte mir dann mein Vater etwas, was ich nie vergessen habe: „Jeder fällt mal im Leben Mike, das ist ganz normal. Erst wenn du wirklich einmal ganz unten warst, weißt du dein Leben zu schätzen. Jetzt bist du gefallen. Nun steh wieder auf.“ Genauso war es dann auch. Ich widmete mich ab diesem Moment meiner größten Leidenschaft, der Musik. Das Leben ist ein Risiko, Chaz und wir wollten dich weder aufgeben, noch verlieren.“ Der Shouter wusste nicht, was er sagen sollte. Mike redete nur selten von seinen „Jugendsünden“, aber umso mehr dankte ihm Chester nun dafür. Der MC hatte Recht. Die Kunst bestand darin, wieder aufzustehen. „Du hast Recht Mike und endlich habe ich das Gefühl, das eine tonnenschwere Last von meinen Schultern weg ist. Auch wenn ich wahrscheinlich nie wirklich darüber hinwegkommen werde, was passiert ist, habe ich damals trotzdem einen Weg gefunden. In unsere Stadt gab es einen Radiosender, der sich für missbrauchte Jungen einsetzte. Eine Zeit lang habe ich dort mitgeholfen und bin auch heute noch mit einigen von dort in Verbindung. Weißt du, was meine größte Angst war, in den ganzen Monaten?“ Aufmerksam zuhörend schüttelte Mike den Kopf. „Das ihr es von irgend jemand anderen erfahren könntet, außer von mir persönlich. Sobald wir gesehen haben, das unsere Musik im Begriff war, beliebt zu werden, kam ja auch die Presse. Einer wühlt immer im Leben anderer herum. Das Schlimmste wäre gewesen, ihr hättet eines Tages die Zeitung aufgeschlagen und es wäre euch geradewegs entgegen geflogen. Das hätte ich nicht ertragen. Also wuchs der Druck. Ich kam nicht mehr klar, bis eben heute.“ „Warum eigentlich? Ich meine, gab es einen speziellen Grund, warum du es mir eben genau heute sagen wolltest?“ Leicht runzelte der MC die Stirn und stütze seinen Kopf auf seinen rechten Ellebogen ab. Der Shouter atmete einmal tief durch und drehte sich dann auf die Seite, um Mike ebenfalls anzusehen. „Ja und nein. Schwer zu sagen. Ich hatte es mir ja schon einige Zeit vorgenommen, doch nie den richtigen Moment dafür gefunden. In den letzten 14Tagen aber hatte ich, leider, um genau zu sein, genug Zeit mich mit all diesen Dingen sehr intensiv zu befassen. Und eines stand für mich sehr schnell fest: ich will weiter mit euch Musik machen. Diesen Traum leben, aber ohne, dass das zwischen uns steht. Keine Lügen mehr.“ Und plötzlich, wenn auch ganz leicht nur und fast kaum zu erkennen, lächelte Chester zum ersten Mal seit einer Ewigkeit wieder. Ja, das war es, was Mike an dem Älteren so liebte. Dieses kindliche Lachen, welches er so gerne sah und noch mehr liebte, zu hören. Wann immer er traurig war, wenn der Shouter lachte, lösten sich auch die dunkelsten Gedanken auf. Das zeichnete seinen besten Freund aus. Und wie aus einem Impuls heraus musste nun auch Mike grinsen. Wann waren sie das letzte mal so unbeschwert gewesen? Warum brauchte es manchmal erst etwas wirklich Schlimmes, bevor man sich wieder frei fühlen konnte? Egal. Es zählte nicht, war nicht wichtig. Nicht jetzt, nicht zu dieser Zeit. „Das habe ich vermisst.“ Überrascht zog der Shouter eine Augenbraue hoch und musterte den Jüngeren, obwohl er genau wusste, wovon dieser sprach. „Was denn?“ Mike gab dem Älteren einen kleinen Klaps auf den Hinterkopf. „Versprich mir einfach wieder so zu lächeln.“ „Einverstanden, wenn du mir auch etwas versprichst.“ Gespielt nachdenklich überlegte Mike eine ganze Weile, bis er sich wieder seinem besten Freund zuwandte „Wenn sich irgendwann die Gelegenheit bietet, würdest du es dann den anderen erklären?“ Mit einem Mal verschwand wieder der Frieden und der MC sah den Shouter aufmerksam an. „Du willst, dass ich das tue?“ Ein Nicken. „Mike, bei dir ist es mir schon unheimlich schwer gefallen, die richtigen Worte zu finden. Ich mag so was nicht besonders, dass weißt du.“ „Gut, wenn du das willst, doch den Fragen wirst du nicht ausweichen können. Die Anderen werden sich ebenfalls Sorgen machen.“ „Das ist mir klar, aber ich möchte nicht die gleichen Selbstvorwürfe in ihren Augen sehen, wie bei dir. Denn das war wirklich schmerzhaft...“ „Schon gut, Chazy.“ Was nun kam, würde sich erst zeigen, darüber war Mike sich im Klaren. Die Fronten zwischen ihm, Chester und der Band waren geklärt, wenn auch durch Details, die er lieber nie erfahren hätte. Und trotzdem fand Mike keine Ruhe. Selbst als der Ältere endlich eingeschlafen war und eng neben ihm lag, grübelte der MC weiterhin. Eigentlich hatte er schon genug Kopfschmerzen und Hiobsbotschaften für ein ganzes Leben an nur einem Tag erfahren. Aber eines wollte er für Chester noch tun, egal wie lange er dafür brauchen würde. Vorsichtig, um den Shouter nicht aufzuwecken, kletterte Mike über diesen hinweg und lief zu einem nahen Schrank. Er wusste, das der Ältere dort seine Schreibsachen aufbewahrte und nahm sich Block und Stift. Dann ging er zurück zur Couch, hob die zerknüllte Decke auf und legte sie über seinen Freund, bevor auch er sich wieder neben ihn legte. Woher der MC die Worte so genau kannte, die er brauchte, um seine Entschuldigung zu formulieren, das wusste er selber nicht. Vielleicht war es Chesters entspanntes Gesicht im Schlaf, Erinnerungen. Was es auch immer gewesen sein mag, in dieser Nacht fand Mike keine Ruhe und wollte sie auch nicht. Dann begann Mike zu schreiben und „Breaking the Habit“ wurde geboren. Eine Entschuldigung von ihm an Chester. Seinen besten Freund, um den es sich mehr als alles anderen zu kämpfen lohnte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)