Gegen den Strom des eigenen Blutes von _Shirley ================================================================================ Kapitel 13: „Ich hab nie gezweifelt, Castiel… --------------------------------------------- Kapitel 13. „Ich hab nie gezweifelt, Castiel… …niemals. Ich unterstand Gabriel und Gabriel war ein Erzengel. Man gehorchte ihnen einfach denn so lernten wir es von klein auf. Sie gaben Befehle und wir folgten, blind und gehorsam. Ihre Worte waren schließlich Befehle unseres Vaters. Daher glaubten wir ihnen vorbehaltlos, unseren großen Brüdern. Dachten sie sprächen als einziger die Sprache Gottes, dachten immer nur sie würden verstehen. Den großen Plan, was genau hinter all dem steckt und ja, ich dachte wirklich sie kannten den Weg in die Zukunft. Dann verschwand Gabriel und ich verzweifelte an der Welt. Er war mein Führer, mein Vorbild…er war alles für mich. Doch er verschwand, einfach so und ohne ein Wort. Dann folgte ich Michael, wie es sich für einen Soldaten gehört führte ich seine Befehle ebenso treu aus wie einst die Gabriels. Niemals habe ich gezweifelt, nein ich nicht. Michael sagte mir, unser Bruder wäre schwach geworden und verschwunden. Hätte sich davongestohlen und uns im Stich gelassen. Nie hab ich das geglaubt, es war für mich nur Geschwätz. Als Michael mir meinen alten Posten überließ war ich sehr glücklich. Ich wollte nie etwas anders tun, das war meine Berufung, dafür hat mich Gabriel ausgebildet. Ich dachte wenn ich Gabriel schon nicht mehr treu sein kann, dann immer noch der mir überantworteten Aufgabe. Irgendwann jedoch verstand ich. Sie haben nie die Worte unseres Vaters an uns weitergeleite. Früher vielleicht einmal, doch das war wirklich schon lange her. Nein, sie gaben ihre eigenen, stumpfsinnigen Befehle und wir ahnten es nicht einmal. Noch immer glauben die meisten unserer Geschwister bedingungslos an die Erzengel und an einen Vater der ihnen seine Worte in den Mund legt. Doch ich weiß es jetzt besser. Sie kennen den Weg in die Zukunft genau so wenig wie ich. Sie sagen in allem was sie tun läge der Wille Gottes und unser Weg wäre von ihm geebnet worden. Wenn das so war, dann haben wir das Ende dieser geebneten Straße längst erreicht. Sie glaubten nur in die richtige Richtung weiter zu gehen aber da irrten sie, sie alle. In Wahrheit gibt es keinen richtigen Weg. Hat ein wenig gedauert bis ich das begriffen hatte. Bei dir sicher auch? Doch damals, ich zweifelte zwar am System, an dem was unsere Brüder taten aber niemals, Castiel, niemals zweifelte ich an meiner Aufgabe!“ Ein Hustenanfall folgte diesem energischen Geständnis. Cass der immer noch das kleine Kind in Armen hielt wusste nur zu gut wie sein Bruder sich gerade fühlte. Auch er war bitter enttäuscht worden, auch er hatte lange gebraucht um die Welt mit eigenen Augen zu sehen, so wie sie wirklich war. Ja, die Wahrheit war hässlich! Hässlich und unangenehm. Das Leben hinter dieser großen, den ganzen Himmel umfassenden Lüge war viel leichter gewesen. Dennoch hatte ihn die Wahrheit befreit. Obwohl letzten Endes Cyriac mit seiner düsteren Prognose wohl Recht behalten würde. Sie hatten die Freiheit nur kurz gekostet, den Geschmack zwar durchaus genossen, hatten ihn aber nicht einordnen können. Es schmeckte gut, wie eine Symphonie auf ihrer Zunge, doch keine der Zutaten war ihnen vertraut. Wie sollte man einen Geschmack definieren für den man keine Worte kannte? Das allein war schon schwierig, aber ohne die genauen Zutaten zu kennen den Geschmack erneut zu kosten war ein Ding der Unmöglichkeit. Dafür sorgte jetzt Raphael und wenn nicht er, dann würde es jemand anders tun. Freiheit auf Dauer war keine Option, also was dann? Folgte jetzt wirklich ihr Ende? Der Tod, einfach so? Bezahlten sie ihre Andersartigkeit wirklich mit dem Leben? „Wir waren ungehorsam, weil wir gezweifelt haben. Sag mir Castiel, wer hat in dir die ersten Zweifel geschürt?“ Cass sah seinen Bruder lange an. „Dean Winchester“, antwortete er dann wahrheitsgemäß. „Vielleicht wirst du mich noch besser verstehen als ich ohnehin schon dachte.“ Diese Aussage verstand Castiel nicht. Er war auch viel zu Müde um sich jetzt groß Gedanken zu machen was hinter diesem Satz möglicherweise verborgen lag. „Wenn dieser Dean dich zum zweifeln gebracht hat, dann nur weil da bereits ein Band zwischen euch bestand. Glaub mir Bruder, kein Mensch kann auch nur ein Wort aussprechen, das einen Engel zum zweifeln bringt. Das ist nicht möglich, diese Macht besitzen sie nicht und ihre Sprache ebenso wenig. Ihr Geist ist klein, wie ihr Wortschatz. Nein, niemals würde einer von ihnen genügend Einfluss auf einen Engel ausüben können um uns vom rechten Weg, von unserem Glauben abzubringen. Dafür sind wir zu mächtig. Gott hat dafür gesorgt. Er wollte nicht das wir wie die Menschen sind, wir sollten dieser seiner Schöpfung nicht ähneln. Wir sollten niemals Zweifeln oder irgendwie fehlerhaft sein. Nein, wir sind perfekt. Perfekte Soldaten, perfekte, brave, kleine Soldaten. Mehr nicht. Also sag mir, wie kann ein Mensch trotzdem Zweifel in uns wecken? Wie?“ Nach diesen Worten schwieg Cass eine Weile. Er dachte angestrengt nach und kam doch zu keinem rechten Ergebnis. „Ich hab Dean aus der Hölle gerettet, ihn von meinem Licht, von meiner Gnade gegeben. Ich bin ein Engel, ich bin reines Licht, Leben in seiner höchsten und reinsten Vorm. Als ich einen winzigen Teil meiner Selbst auf ihn übertrug, schuf ich einen Art Verbindung. Ich kann sie spüren, dieses Band das mich an ihn Bindet, ihn zu etwas besonderen macht. Meinst du das, Bruder? Die Tatsache das Dean auf ewig und unauslöschbar einen Teil von mir in seiner Seele trägt?“ „Genau, das meine ich. Du kennst dieses Gefühl also. Es ist da, immer. Ganz egal was du tust, du kannste es nicht abstellen, nicht unterdrücken! Mit jedem weiteren Tag wird es schlimmer und du weißt irgendwann macht es dich verrückt! Man möchte raus aus seinem Körper, man möchte es nicht mehr spüren!“ Cyriac stoppte und blickte Cass durchdringend an. Auch wenn er jetzt nicht mehr auf die Engelsfähigkeiten zurückgreifen konnte war es Castiel so, als sehe sein Bruder ihm direkt in die Seele. „Ich habe recht, nicht war? Du fühlst ebenso?“ Langsam nickte Cass, sein Kopf rutschte an der steinernen Wand entlang und seine Wange brannte dabei. Sprechen konnte er nicht, seine Kehle war nach diesen Worten ausgetrocknet und rau. Nie hätte er es für möglich gehalten das einer seiner Brüder wusste was in ihm vorging und es dann auch noch so perfekt in Worte zu fassen vermochte. „Es gibt einen Weg, ich bin ihn gegangen“, flüsterte Cyriac und hustete erneut. Sein Körper schüttelte sich unter den heftigen Krämpfen. „Bitte“, flehte Castiel, „Bitte Bruder erzähl es mir! Wenn du dieses Leid kennst dann sag mir wie ich es kurieren kann!“ Das flehen in der müden Stimme war deutlich zu hören und Cyriac hatte direkt Mitleid mit seinem Bruder. „Zurück zu meiner Geschichte, wie versprochen. Hinterher wirst du verstehen und vielleicht wird es dir dann leichter fallen deinen eigenen Weg zu wählen.“ Cass setzte sich so bequem wie möglich hin, drückte den Körper des Kindes an seine warme Brust und legte schützend einem Arm um das kleine Wesen. Seinen Bruder nicht aus den Augen lassend wartete er auf den Beginn seiner Erzählungen. Cyriac starrte ins Leere aber die Bilder liefen wie in einem Film vor seinen Augen ab. „Es ist schon viele Jahre her und doch scheint es mir als wäre kaum ein Tag verstrichen. Ich hab die Menschen beobachtet, diejenigen markiert welche es zu überwachen galt. Als ich allein, als letzter Engel auf meinem Posten verblieb, war das so einfacher. Ich wusste immer wo sich die Menschen aufhielten deren Seele besonders genug war um einen Nephilim zu gebären. So reine Menschen sind seltener geworden und ich glaubte dies wäre ein gutes Zeichen. Wie sich heraus stellte war das einzig die Zeit die sich geändert hatte. Die Menschen verloren ihren Glauben, ihre Lebensfreude ging in der Hektik des Alltags unter, wurde begraben von Massenmedien und Nichtigkeiten. Sie wurden immer gewaltbereiter und die Gewalt immer präsenter. Misstrauen wurde in ihren Herzen geboren, Angst und Wut übernahmen langsam auch den letzten Rest gutes in ihren Seelen. So gibt es sie kaum mehr, die Menschen mit so reinem Gewissen das sie eine Verbindung zu uns Engeln herstellen können. Nina war etwas besonderes, in jeder Hinsicht. Der Zufall wollte es so, das ich gerade in ihrer Nähe war. Regelmäßig flog ich zwischen den betreffenden Menschen von Kontinent zu Kontinent und überwachte sie. Nina war gerade einkaufen gewesen, als sich ihr ein Dämon näherte. Keine Ahnung was er eigentlich wollte, ich ließ ihm nicht genügend Zeit sich zu erklären. Als ich ihr zum ersten Mal sichtbar gegenüber stand war das schon seltsam. Noch nie hatte ich mich einem Menschen gezeigt. Ich wusste sie würde meine Andersartigkeit spüren, meine wahre Gestallt unter der Hülle erkennen. So wie ich ihre reine Seele zu spüren vermochte, wusste sie doch instinktiv das vor ihr kein gewöhnlicher Mann stand.“ „Hast du ihr verraten was du bist?“ fragte Castiel verwundert. Er konnte sich das nicht recht vorstellen. Gut, er war nie ein Schutzengel gewesen und auch auf der Erde war er nie zum Schutz eines oder mehrerer Individuen abgestellt worden – Dean natürlich ausgeschlossen – daher war ihm diese Situation nicht vertraut. Die Regeln jedoch erlaubten es unter keinen Umständen sich einem Menschen als Engel zu offenbaren. Dean gegenüber war es allerdings nötig gewesen und auch Teil seines damaligen Befehles. Als Jäger hatte dieser natürlich mit den Information auch anders umzugehen gewusst. Schließlich hatten sie Dean gebraucht und nur aus diesem einen Grund war überhaupt der Befehl geboren worden, den jungen Jäger aus der Hölle zu holen. Innerlich doch neugierig wie ein normaler Mensch wohl auf einen Engel reagieren würde, vielen Castiel die vielen Romane über die Engel wieder ein. Als reiner Mensch musste Nina sich bestimmt gefreut haben ein himmlisches Wesen kennen zu lernen. „Nein, wo denkst du hin, Bruder?! Alles was ich ihr erzählte war bedeutungslos. Geschwätz zur Ablenkung. Sie war mir dankbar, lud mich ein. Ich lehnte ab, doch sie bestand darauf. So ging ich mit ihr, bekam einen Tee und Kuchen vorgesetzt und wir begannen uns zu unterhalten. Nie hätte ich geglaubt mit einem Menschen ein anregendes Gespräch führen zu können. Nina war einfach anders, sie war intelligent und vor allem gutmütig. Als wir uns voneinander verabschiedeten empfand ich Freude über das Schicksal, welches mir diese angenehme Erfahrung zugedacht hatte. Wenig später kehrte ich zu meinem regulären Report in den Himmel zurück. Wie immer berichtete ich Michael und er lobte mich. Zufrieden mit meiner Arbeit erlaubte er mir einige Zeit im Himmel zu verbringen, bevor ich auf meinen Posten würde zurückkehren müssen. Wieder unter meinen Geschwistern fühlte sich das Leben so unbeschwert an. Du kennst Ratje? Er ist Ratgeber und mein bevorzugter Gesprächspartner. Mit ihm zu diskutieren war mir stets ein Vergnügen. Und während die Tage im Himmel verstrichen, kam mir oft der Gedanke was wohl Nina zu manch einem Themen zu sagen gehabt hätte. Mein Interesse an ihrer Meinung wuchs und als ich auf die Erde zurückkehrte, besuchte ich sie erneut. Wir sprachen die ganze Nacht, unterhielten uns und diskutierten die unterschiedlichsten Themen. Ich war von ihr fasziniert. Von ihren Gedanken, ihrer primitiven und doch herzlichen Art ihre Welt zu sehen. Je öfters wir uns trafen desto schwerer viel es mir Abschied von ihr zunehmen. Wann immer ich in den Himmel zurückkehrte, blieben meine Gedanken stets bei ihr. Ich vermisste sie, auch wenn mir das zu diesem Zeitpunkt noch nicht völlig klar war. Erst als ich begriff, dass ich ebenso gerne auf Erden bei Nina war wie Zuhause im Himmel bemerkte ich welch große Veränderung in mir begonnen hatte. Jeder Engel weiß das Gefühle nicht gestattet werden. Zu behaupten das ich panisch wurde als ich mir meiner Verfehlung bewusst wurde, wäre untertrieben gewesen. Ich befürchtete meine Geschwister könnten mir die Unreinheit direkt ansehen und sobald ich zurück zitiert werden würde, hätten sie es bemerkt. Aber ich irrte mich! Man hat uns damit nur Angst eingejagt. Es war nichts weiter als eine Gruselgeschichte für uns Kinder. Wir sollten erst gar nicht daran denken und dies glaubten die Erzengel mit Furcht erreichen zu können. Niemand bemerkte die Veränderung in mir und das erschien mir seltsam. Ich hätte es nicht Hinterfragen sollen, tat es aber trotzdem. Anstatt mich zu freuen das mein schändliches Verhalten unbemerkt geblieben war, stellte ich Fragen. Auf keine davon erhielt ich eine akzeptable Antwort und da wurde es mir klar. Niemand hatte je diese Fragen gestellt, deshalb gab es keine Antworten! Wirklich keiner unserer Geschwister wusste etwas darüber! Als ich dann zu ihr zurückkam, fühlte ich mich sicher. Keiner hatte mich verdächtigt oder sich über mich gewundert. Die Zeit war also gekommen Nina die ganze Wahrheit über mich zu erzählen. Sie glaubte mir, was im Nachhinein ein wirkliches Wunder war. Da war weder angst noch Unverständnis in ihren großen Augen, die mit jedem meiner Worte größer und leuchtender zu werden schienen. Anfangs befürchtete ich ja, sie könnte sich von mir abwenden. Wenn sie mir beispielsweise nicht geglaubt hätte, wäre ich ihn ihren Augen doch nur irgendein Verrückter gewesen. Möglicherweise sogar gefährlich und sie wäre vor mir geflüchtet. Aber keine von meinen Befürchtungen trat ein. Sie schien sogar erfreut, ja irgendwie glücklich zu sein. Meine Gegenwart genoss sie nach meinem Geständnis sogar noch mehr.“ „Was hat das zu bedeuten? Jeder Engel weiß das man sich von den besonderen Menschen fern halten sollte. Warum hast du ihre Gegenwart gesucht obwohl du all das wusstest?“ „Ich konnte nicht mehr zurück. Ohne sie fühlte ich mich einsam, unverstanden. Meinen Geschwistern konnte ich schlecht mein Herz ausschütten, wenn niemand da ist der einen versteht, dann ist das wie du wohl weißt sehr schwierig. Nina gehörte zu den besonderen Menschen, sie konnte meine wahre Stimme hören, ja sie konnte sogar mein Wahres ich erkennen. Das war überwältigend!“ Cass gab einen seltsamen Laut von sich und Cyriac blickte ihn fragend an. „Mir kam gerade meine erste Begegnung mit Dean wieder in den Sinn. Ich hab ihn an der Schulter gepackt und aus der Verdammnis gezogen. Wenn dieser Mensch also so wichtig ist, dann dachte ich er wäre einer von diesen auserwählten Menschen die die wahre Gestallt der Engel zu erkennen vermögen. Doch er war kein besonderer Mensch, ich hatte mich geirrt. Es war nur sein Blut, mehr nicht. Nur deshalb musste es Dean Winchester sein. Genau genommen ist es wie ein Fluch der auf seiner Familie lastet und sich mit dem Blut Adams durch die Zeit zieht. Eigentlich war er völlig unschuldig, er konnte nie etwas dafür.“ „Das klingt nach viel Mitgefühlt, Bruder.“ „Mitgefühl? Warum, ich kann doch ohnehin nichts für ihn tun. Dieses Kreuz wurde nicht von mir auf seine Schultern gelegt. Ich helfe ihm nur es zu tragen. Aber sag mir Cyriac, wie konnte es bei dir zu einer Verbindung kommen? Du sagst du Leidest wann immer du nicht bei ihr bist, du vermisst sie und dieses Gefühl ist stark. Wunderbar und Quälend zugleich macht es dich verrückt. Ja, auch ich leide, ich empfinde ebenfalls so. Doch bei mir kommt dieses Gefühl aus der Verbindung zu Dean. Unser Band formte sich in den Tiefen der Hölle und auch wenn der Abdruck meiner Hand als körperliches Symbol dieser Verbundenheit zurückgeblieben ist, so ist doch der Bund mit seiner gepeinigten Seele um ein vielfaches stärker. Wenn auch unsichtbar, aber so stark das selbst andere Engel es fühlen können. Sag mir, wie hast du und Nina dieses Band geschlossen?“ „Das war völlig unnötig.“ Cyriac sah auf das schlafende Kind. „Sie war in der Lage mein wahres Ich zu sehen und deshalb stand sie unter meiner Bewachung. Sie und alle anderen Menschen die diese Fähigkeit besitzen. Was glaubst du warum man Engel zur Überwachung solcher Menschen eingesetzt hat? Damit keiner von uns seinen Schwächen erliegen und sich mit solch einem Menschen verbinden konnte. Aber da ich als einziger noch übrig war, gab es niemanden der mich überwachte. Keiner der verurteilte was ich tat. Ich brach meinen Schwur, trotzte meinen Befehlen weil sie es mir wert war. Weil meine Zweifel überwogen und sie mir die Geborgenheit und die Sicherheit schenkte, die ich im Himmel verloren hatte!“ Cass schwieg. Die Worte seines Bruders brachten ihn erneut dazu einige Dinge zu überdenken. Ihm war es ja genauso ergangen. Enttäuscht und verraten hatte er sich gefühlt als er die Wahrheit zum ersten Mal gehört hatte. Cyriac war es sicher nicht besser ergangen als er feststellten musste das die Erzengel nicht mit Vaters Stimme sprachen. Verständlich war es also auch, das sein Bruder sich die Geborgenheit und Sicherheit die er verloren hatte wo anders suchte. Genau das hatte er auch getan. Er war zu Dean gegangen, hatte von ihm viel gelernt und auch erkannt wie stark er als Stütze für seine gebrochene Seele war. Nach der Apokalypse als er wieder in den Himmel zurückgekehrt war, da war es auch ihm bewusst geworden. Die Zeit bei den Menschen hatte ihn verändert. Ein Effekt der auch seinen Geschwistern nicht entgangen war und ihn irgendwie zu einem Außenseiter machte. Seine Geschwister spürten einfach das er jetzt anders war und anders wurde zwar Toleriert aber nicht Akzeptiert. So vermisste er sein altes Leben, er vermisste Dean und sehnte sich zurück. Nur deshalb war er so oft bei ihm gewesen, unsichtbar hatte er von weitem das Leben des Jägers beobachtet. Mit dem Verbot sich einzumischen hatte er sich nur schwer abfinden können. Tja, letzten Endes hatte er wieder einen Befehl missachtet und alle Regeln gebrochen. Er war zurück zu Dean, rebellierte gegen Raphaels Herrschaft und ja, jetzt war er hier. Womöglich am Ende seiner Reise, gar seines Lebens. „Ich verstehe dich“, flüsterte Castiel und sah seinen Bruder wieder durchdringend an. Dessen Blick haftete noch immer auf dem schlafenden Kind. „Liebe, Castiel. Weißt du was dieses Gefühl bedeutet? Ich meine wirklich, nicht die Definition davon. Weißt du was ich glaube, ich glaube du liebst genau so sehr wie ich. Nur das du es dir noch nicht eingestanden hast. Am Anfang unseres Gespräches sagtest du mir wie sehr du unter deinen Gefühlen leidest, die du zu definieren nicht in der Lage bist. Genau das ist Liebe. Du wolltest wissen wie man dieses Leiden kurieren kann, das dich Tag für Tag begleitet? Gib ihm nach, das ist die einzige Chance die du hast. Dann und nur dann wird es verschwinden und dir als Gegenleistung mehr Glück bescheren das du dir je zu erträumt gewagt hast. Machst du das nicht, so wird es dich auf Ewig quälen. Glaub mir, es wird niemals vorbei sein. Nicht mal nach Deans Tod wird sich für dich etwas ändern. Erst mit deinem Ende der Existenz wird der Schmerz vergehen. Nina und ich formten unsere Bindung in einer wundervollen Nacht. Von da an wich ich nicht mehr von ihrer Seite und lebte still und heimlich mein Leben mit ihr. Niemand hätte es je bemerkt, alles wäre gut gegangen wenn nicht dieser alte Mann gewesen wäre.“ „Welcher alte Mann?“ fragte Cass, verwundert welche Richtung diese Geschichte jetzt wohl nehmen würde. „Zum Glück war ich gerade im Himmel, ich bekam also alles mit. Wohl wissend dass auch bald die ersten Dämonen auftauchen würden, musste ich meine Familie beschützen. Ich kehrte ein letztes Mal als Engel zu ihr zurück. Schweren Herzens erklärte ich ihr was geschehen war und was noch kommen würde. Mit all meiner Macht verbarg ich meine Anwesenheit in Ninas Leben. Ich entfernte alle Bilder von mir, von uns und unserer Tochter. Alles was Aufmerksamkeit erregen könnte und irgendeinen Hinweis zu liefern vermochte. Sogar das Kinderzimmer versiegelte ich und verbarg die Tür auf das sie keiner unsere Feinde je würde finden können. Offenbar war ich nicht so gründlich wie ich gehofft hatte. Du fandest mich und ich weiß auch dass Timotheus Nina gefunden hat. Obwohl ich ihre Erinnerungen löschte und sie keine Hilfe war um mich zu finden hat es ihr letzten Endes doch nicht das Leben gerettet.“ Die letzten Worte waren Cyriac hörbar schwer gefallen und wahrscheinlich lag es an seinem geschwächten Zustand das ihm tatsächlich Tränen die Wangen hinab liefen. Aber ein Moment gnadenloser Ehrlichkeit und Cass wurde sich bewusst das es ihn wohl auch mit voller Wucht treffen würde, wenn Deans sterben würde. Im Gegensatz zu Cyriac war Cass aber immer noch ein Engel und Engel konnten nicht weinen. Dies war eine Gabe die nur die Menschen besaßen. „Glaub mir Bruder, ich kann mir vorstellen wie schwer es für dich ist. Dean zu verlieren wäre…es wäre mein Ende“, gestand Castiel offenherzig. „Du hattest von Anfang an Recht, ich verstehe dich. Vielleicht wirklich als einziger unter all den vielen Engeln. Ich leide, auch mit dir. Dein Rat mag gut gemeint sein aber um ihn zu befolgen müsste auch ich fallen. Selbst wenn mein Schmerz aus der Liebe zu Dean entwächst, wie sollte ich mir seiner Gefühle sicher sein? Würde er mich je lieben können, ob als Engel oder als Mensch? Selbst wenn ich es wüsste kann ich es nicht, ich könnte als Gefallener nicht existieren. Schwach und kränklich, jeglicher Fähigkeiten beraubt. Vielleicht sehe ich das eines Tages anders, vielleicht verändert jeder weitere Tag den Dean auf sein unausweichliches Ende hin durchschreitet meine Meinung. Bis dahin kann ich jedoch nicht warten! Es gibt im Moment noch so viel anderes was ich von dir wissen muss. Welcher alte Mann? Wie kamen die Dämonen auf eure Spur und warum? Was hat Raphael vor, für was hast du deine Gnade aufgespart und…“ „Langsam“ bat Cyriac und hustete erneut. „Das gibt es erst noch etwas anderes. Etwas wichtigeres das keinen weiteren Aufschub mehr duldet. Je länger wir hier beisammen sitzen, desto näher kommen uns unsere Brüder. Ich weiß nicht mit welchem von Raphaels Schlägern du eine Konfrontation hattest, aber Timotheus tötet meine geliebte Nina und Sophus wird als Liebling unseres Anführers ebenfalls nach uns suchen.“ „Ich weiß, Sophus und ich hatten bereits ein Gespräch miteinander. Er wird wütend sein und ja, er sucht nach uns. Doch wir werden von hier verschwunden sein ehe er…“ „Dein Mut in allen Ehren aber du überschätzt dich. Das kann gefährlich werden, ich bin der Beweis dafür. Sophus ist treu, er ist stark und erbarmungslos! Bitte fordere ihn nicht heraus!“ „Warum? Weil er mich sonst tötet? Raphael hat den Befehl für meine Vernichtung sicher bereits gegeben. Vielleicht hast du auch damit Recht und wir zögern das unausweichliche nur hinaus. Möglicherweise steht unser Ende kurz bevor. Doch ich werde nicht einlenken, hörst du? Ich werde kämpfen!“ „Ich mache mir nicht um deinetwillen sorgen. Sophus wird dich töten, aber zu erst wird er Dean Winchester leiden lassen. Bitte vergiss das nie, Dean ist nur ein Mensch und er ist deine größte Schwachstelle. Du kannst nicht Planen ohne ihn mit einzubeziehen und das ist etwas was wir Soldaten nie gelernt haben. Kollateralschäden sind zwar nicht erwünscht aber durchaus akzeptabel. Vergiss das bitte nie!“ Cass schluckte. Die Warnung seines Bruders hatte gesessen und ließ ihn wieder ein wenig auf den Boden der Tatsachen zurückkommen. Er war immer noch geschwächt und zu dritt von hier zu fliehen würde wohl den Rest seiner Kraft verzehren. Doch er war optimistisch, denn er hatte eine Aufgabe, etwas wofür es sich zu kämpfen lohnte! „Du hast natürlich Recht und ich danke dir für deinen Rat. Aber jetzt zurück zum Thema, was ist es das du von mir willst, bevor du mir all meine Fragen beantwortest?“ „Ein Versprechen, du musst mir ein Versprechen geben!“ Nicht nur Trauer sondern auch eine Spur von Unsicherheit war in diesem letzten Satz zu hören. „Was immer du willst“, versprach Cass deshalb sofort. „Du musst meine Tochter beschützten Castiel, mit allen dir zu Verfügung stehenden Mitteln! Hörst du?“ Cass sah das Kind an, es schlief unruhig und wirkte sehr schwach und zerbrechlich. Als er das kleine Wesen aufhob und ihm seine Hand auf die Brust legte da lächelte Cyriac glücklich. Das Kind erwachte von einem unglaublichen Schmerz der durch den geschwächten Körper jagte. Laut schreiend quittierte es den Schmerz den ihr der Engel bereitete. Denn ihre Rippen Brannten wie Feuer das sie zu verzehren suchte. „Jetzt wird keiner unserer Geschwister sie mehr finden. Sie ist sicher und natürlich verspreche ich dir auf sie auf zu passen. Ich werde sie beschützen!“ „Ich danke dir, von ganzem Herzen. Wohl wissend das du alles tun wirst um dieses Versprechen zu halten. Auch wenn es nicht einfach werden wird. Sie werden euch jagen…sie alle!“ „Warum?“ frage Cass erneut und über das Schreine des Kindes hinweg. Das kleine Mädchen zappelte in seinen Armen und schrie unablässig. Nicht wissend wie er darauf reagieren sollte hob er das Kind hoch um es dem Vater zu übergeben. Der würde sicher wissen wie man ein Kind zu Ruhe brachte, schließlich war es ja das seine. Cyriac machte jedoch keine Anstallten seinem überforderten Bruder das schreiende Kleinkind abzunehmen. Sein Kopf ruhte auf seiner linken Schulter und sein geschundener Körper war in sich zusammen gesackt. Ein Lächeln war auf seinen Lippen zu einer Grimasse ewigen Glückseeligkeit gefroren. Cass musste nicht einmal seine Engelskräfte benutzen um zu wissen das sein Bruder tot war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)