Sekai no himitsu von Yurika-Ushino (6 junge Mädchen auf der Suche nach ihrem wahren Ich) ================================================================================ Kapitel 8: Wahrheit ------------------- „Also, verschwindet ihr jetzt?“, immer näher kam der Mann. Es schien sich um einen jungen Typen zu handeln. Eine Rüstung zierte seinen muskulösen Körper. So Mitte 20 wenn nicht gar 30 Jahre, älter schätze ich ihn nicht ein. Das Schwert war an seiner Hüfte befestigt. An seiner Rechten befand sich eine Fackel, die seine dunklen, schwarzen Haare eine bedrohliche Ausstrahlung verliehen. Seine Augen schienen ebenfalls schwarz zu sein, ich konnte es nicht genau sagen, da das Licht zu schwach war. Seine Linke haftete an seiner Waffe. Nachdem er nun nur noch einen Meter von mir und Ikiru entfernt war, fragte er nochmals: „Wie kommt ihr hier her, und wer seid ihr?“ Ich wich ihm aus, denn sein Gesicht war mir am Nächsten. Eine kleine Narbe über seinem Auge besagte, dass er vielleicht ein Krieger war, wenn nicht gar ein Ritter. Dann hatten wir ein Problem. Ikiru wollte seine Frage beantworten, aber ich trat ihm auf den Fuß und sprach stattdessen für ihn. „Und wer bist du?“, Ikiru fluchte über seine Schmerzen am Fuß. Ein leichtes Sorry entwich aus meinem Mund, doch der Mann lachte nur. Es war ein grausames Lachen, als ob er sich freute, jemanden zu bedrohen. „Hör zu Kleine: Ich glaube nicht dass du in der Lage bist Forderungen zu stellen. Schon gar nicht, wenn ich dich etwas frage, verstanden? Ich kann euch in Stücke schneiden, bevor ihr überhaupt Hallo sagen könnt. Also frage ich euch noch einmal, wenn ihr da nicht antwortet, dann kann ich für nichts mehr garantieren.“, um seine Drohung noch zu verstärken, ließ er sein Schwert etwas aus der Scheide gleiten. Das Metall schimmerte im Licht der Fackel. Ikirus Blick haftete daran, ich starrte ihn ins Gesicht. Sein Grinsen lag schief und seine weißen Zähne zeigten sich. Er kam näher, während er in mein Gesicht schaute. Nur noch Zentimeter lagen zwischen ihm und mir. „Also?“, er zog das Schwert weiter raus. Ich ergriff das Wort. „Erstens: Tu dein verdammte Maul aus meinem Gesicht. Zweitens behandelt man so keine Dame!“, meinte ich nur. Durch meine robuste Art wich er ein wenig zurück. Doch das hatte nicht mit scheu oder Angst zu tun. Ich grinste wieder schief. Ein höhnisches Lachen war aus seiner Kehle zu hören. „Ach, so eine bist du. Meinst du, durch deine Klappe kommst du hier raus?“, er nahm sein Schwert und kam blitzschnell näher. Ich stellte mich noch vor Ikiru, damit wenigstens er nicht verletzt wird. Doch der Mann wollte uns nicht an die Gurgel, sondern drückte seine Waffe an meine Kehle. Schweiß trat plötzlich aus mir heraus. Er war aus einem anderen Kaliber geschnitzt. Also konnte ich nichts gegen ihn ausrichten. Doch die Hoffnung stirbt zuletzt, naja, dass hoffte ich jedenfalls. „Lass Ikiru da raus, er hat nichts getan!“, meinte ich. „Stimmt, er ist im Gegensatz zu dir der Schlauere und hält sich da raus. Also, wer seid ihr? Das nächste Mal halte ich einen Kopf in der Hand, wenn du nicht antwortest.“, wieder drückte er die Klinge an meinen Hals. „Wir sind hier um Kyosho zu suchen, wir brauchen seine Hilfe!“, schrie Ikiru hinter mir. Aus Angst, er habe etwas Falsches gesagt, nahm er seine Hände über dem Kopf und fiel auf den Boden. „Ist doch schon mal was!“, der Typ ging einen Schritt zurück. „Was wollt ihr von ihm?“ „Ist er überhaupt hier?“, entgegnete ich ihm. Er schaute mich an. „Warum braucht ihr seine Hilfe?“, fragte er zurück. „Ist er hier?“, ich betonte jedes Wort. „Vielleicht, also, was wollt ihr von ihm?“ „Wir brauchen seine Hilfe, weil wir jemanden suchen.“, meinte Ikiru, diesmal mutiger, er stand auf und trat ihm entschlossen entgegen. „So? Und wen?“ „Sagst du uns wie wir zu Kyosho kommen und wir sagen dir, wen wir suchen.“, schlug ich vor. „Ich führe euch zu ihm, also wen sucht ihr?“, meinte er dagegen. Kompromisslos würden wir die Sache nicht bestehen. Ein erfahrener Schwertkämpfer, dagegen konnte ich nicht ankommen. Fliegen konnte ich unter der Erde auch vergessen. Wohl oder übel musste ich ihm unseren Grund erzählen. „Meine Freundin Shizuka ist von Rittern gefangen genommen worden, als ich wehgelaufen bin. Ich habe die starke Vermutung, dass sie noch lebt. Deswegen.“ „Wie kam zu der Entführung?“ „Sie waren hinter uns her, als Shizuka mich beschütze und ich lief. Seitdem habe ich nicht mehr über sie gehört.“, darüber, dass ich mich feige verdrückt habe, ballte ich die Fäuste. Ich sah zu dem Mann hoch und er musterte mich. „Deswegen braucht ihr also meine Hilfe?“, fragte er. „Du bist also der Typ?“, fragte ich ihn. Ein Ahnung hatte ich zwar zuvor schon, aber war mir nicht so sicher gewesen. „Was dagegen?“, ein wenig Enttäuschung lag in seinem Ton. „Nein, aber ich hatte mir einen alten Knacker vorgestellt und nicht so ein…einen Jungspund wie du!“, ehrlich beantwortete ich seine Frage, sah ihn dabei tief in seine Augen. Das Schwarz wurde etwas heller, es zeigte sich, dass es kein schwarz an sich war, sondern ein sehr dunkles Braun. „Also, hilfst du uns, sie zu finden?“, fragte ich ihn nach endlosem Schweigen. „Angesichts der Tatsache, dass ich mich erst vor kurzem zur Ruhe gesellt habe und mich dann nicht wieder in Gefahr begeben will…“, ein kleine Pause, er sah zwischen mir und Ikiru hin und her. „Vielleicht!“, sagte er nur und wandte sich zum Gehen. Ging hinaus und hob die Falltür mit Leichtigkeit an, an der wir mindestens Stunden gezogen hatten. Kraft hatte er, wenigstens. Hoffen wir mal, dass er Grips besaß. Nachdem wir uns jetzt in dem Spukwald gemeinsam versammelt hatten, herrschte Stille. Schwiegen breitete sich über uns aus. Ikiru horchte die ihm unbekannten Geräusche des Dschungels. Entweder ihm war so langweilig, dass er versuchte, nicht mehr Angst zu haben, oder er wollte einem Streit zwischen uns und Kyosho aus dem Weg gehen. Ich sah derweilen immer wieder zu Kyosho rüber um mich zu vergewissern, was er jetzt vorhatte. Brauchten Männer immer so lange, wenn sie überlegen wollten? Ich nahm ihm seine Entscheidung ab. „In der Nähe hat es ein Dorf. Vielleicht wissen die Einwohner was.“, meine Stimme brachte ihn wieder aus einer Trance ähnlichen Zustand und er schaute mich auch an, als ich mich in Bewegung setzte. Kyosho hielt mich am Arm fest und schüttelte bedenklich den Kopf. „Niemand wird etwas wissen, wenn du sie fragst. Und selbst wenn sie etwas wissen, wenn sie Informationen hergeben, sei es auch ein Bekannter, werden sie dafür bestraft.“ Sein Blick wurde düsterer, als er ohnehin schon war. Direkter Augenkontakt, und lies mich dann auch wieder los. Nickens stimmte Ikiru ihm zu. „Und was dann?“, fragte ich stadtdessen. „Ich werde die Informationen beschaffen, ihr wartet hier, bis ich wieder zurück bin. Sollte ich in den nächsten drei Tagen nicht kommen, sucht euch jemand anders und schaut euch um. Aber kommt mir auf keinen Fall hinterher, verstanden?!“, meinte er und machte sich auf, zu gehen, doch bevor er ganz verschwand, ergriff ich nochmals das Wort. „Was? Drei Tage? Sonst noch Wünsche, wie lange brauchst du denn?“, ich schrie fast. Ungläubigkeit breitete sich über mein Gesicht aus. Doch bevor ich noch etwas einwenden konnte, nickte Ikiru wieder entschlossen und meinte, wir kämen zurecht und warteten hier, bis er wiederkäme. Also genau seinen Plan befolgen, wenn man es überhaupt als Plan bezeichnen konnte. Ich meinte noch ein leichtes Grinsen von Kyosho wahrgenommen zu haben, bevor er sich wieder dem Gehen zuwandte und Ikiru und mich allein in diesem Spukwald zurückließ. „Was sollte das denn?“, ich hielt Ikiru an den Schultern fest und schüttelte ihn leicht. Ich konnte nicht glauben, was er gesagt hatte. Shizuka war meinetwegen gefangen genommen worden. Ich musste sie zurück holen und nicht irgendein dahergelaufener Krieger, der meint, wir bleiben Däumchen drehend in seiner Hütte und warteten, bis etwas passierte. Ich wusste nicht einmal, ob wir ihm trauen konnten. „Beruhig dich mal.“, er nahm meine Hände von seinen Schultern. Schaute mich dabei eindringlich an. „Ich habe dir vertraut, als du uns hierher geführt hast. Ich bin dir dankbar, für das, was du für mich getan hast.“, meinte er. Seine Miene ernst gesetzt. „Was hat das jetzt mit dem hier zu tun?“, ich verstand ihn immer noch nicht. „Vertrau mir. Als ich in seinem Tagebuch geblättert habe, habe ich ein paar interessante Dinge gelesen, die ich dir zeigen will. Ich bin mir nicht sicher, ob wir ihm wirklich trauen können, aber irgendwas sagt mir, dass er uns wirklich helfen wird, deine Freundin zu finden.“, er meinte es wirklich ernst, denn seine Miene hatte sich nicht verändert. Stur starrte er mich an, als ob er so verhindern würde, dass ich Kyosho nachlaufen würde. Ich stieß die Luft aus meiner Lunge scharf aus und atmete auch wieder tief ein. Es bewirkte zwar, dass ich runterkam, trotzdem war ich immer noch auf Hundertachtzig. Sturer Bock. „Also gut, zeig mir mal deinen Fund.“, bereitwillig gingen wir wieder in das unterirdische Zimmer. Gezielt griff Ikiru eine Schublade auf, und holte das Tagebuch heraus. Pustete etwas darüber und gab es mir. Ich wusste nicht was ich damit machen sollte, als ich die Aufschrift sah. Den restlichen Staub wischte ich mit der Hand weg. Die Schrift war ebenso verschnörkelt. Entziffern konnte ich es kaum aber ich versuchte, das Wort zu lesen. „Kannst du es lesen?“, fragte Ikiru nach, nachdem ich angestrengt die Stirn faltete. Doch, irgendwie konnte ich >Geheimnisse< lesen. Welche und wessen Geheimnisse? „Das hatte ich mich auch gefragt.“, Ikiru stand nun neben mir und sah aus den Einband. Als ob er meine Gedanken gelesen hätte, sagte er nun das, was ich gerade eben meinen wollte. „Weißt du es jetzt?“, neugierig blickte ich ihn an. Anstatt zu antworten, nahm er wieder das Buch an sich und blätterte drin herum, bis er die passende Seite gefunden hatte, gab es mir und meinte: „Les.“ Und das tat ich auch, doch was ich zu lesen bekam, stockte mir der Atem: 3. Tag der Kriegsjahre Ich bin ausgehungert. Mein Magen bekam in den letzten zwei Tagen nichts Anständiges mehr zu Essen. Der Fürst, dem wir ewig Treue schwören, ließ uns im Stich. Das habe aber zu spät bemerkt. Einige meine Kameraden und ich gelang uns die Flucht, während andere immer noch wie besessen weiterkämpfen, nur um den Fürsten nicht fallen zu lassen. Dem, der sich ihm widersetzt, gilt die Todesstrafe. Meine Narben an meinem gesamten Körper bezeugen es. Gnade ist ein bloß ein Wort für ihn. Der Schmerz der Peitschenhiebe, den ich seit letzter Woche in mir trage, ist unerträglich. Und trotzdem zwang er mich, zu kämpfen. Lora ist schwach, er hat hohes Fieber, aber wir keine Medizin. Der Winter bricht an. Dadurch müssen wir nicht nur gegen die Kälte, sondern auch gegen die Natur kämpfen. Es sind erst zwei Tage vergangen, nachdem wir uns retten konnten, doch bisher haben es nur noch Lora, ich und Terik geschafft. Von zwanzig, nur noch drei übrig. Lora droht der Tod, wir können ihm nicht mehr helfen. Leider, wenn ich könnte, würde ich es ja gerne, aber ich bin kein Arzt. Terik ist nach draußen gegangen, um etwas Essbares zu holen, aber ich bezweifle, ob er jemals wieder zurückkehrt. Jetzt bin ich allein. Das Atmen von Lora ist schwächer geworden, er ist Tod. Seine Leiche verstauten wir in der Höhle und verbrannten ihn, sodass niemand uns folgen konnte. Selbst wenn Terik es schafft, und heil irgendwo ankommt. Er wird nicht zurückkehren, nur um mich zu holen. Er wird es nicht tun. Da bin ich mir sicher. Meine Gedanken halten mich warm. Auch wenn ich keine Familie habe, nie welche haben werde, hätte ich gerne eine gehabt. Ich selbst kann nichts mehr tun, um den Tod zu entweichen. Mein Schicksal ist besiegelt. Die Kriege, die seit mehreren Jahrhunderten zwischen den Ländern stadtfinden, sind nicht nur grausam. Sie sind schrecklich. Ich bin noch jung, aber mit meinen siebzehn Jahren verpflichtet, als Kämpfer in die Schlacht zu ziehen, ohne richtige Rüstung. Nachdem ich endlich die Augen geöffnet habe, wird mir klar, dass diese Insel die reinste Hölle ist. Kleine Kinder, vor allem Jungen, werden von ihren Eltern weggezerrt, nur um mit schon vierzehn Jahren ins Kriegsgeschehen mit einzubeziehen. Die richtigen Kämpfer, die sogenannten Ritter, unternehmen nichts dagegen, leider. Ich bin wirklich dumm, dass mir das nicht schon früher aufgefallen ist. Aber jetzt ist es zu spät. Erschrocken über Kyosho´s Eintrag sah ich Ikiru an. Er starrte mir in die Augen. „Wenn du das schon als grausam siehst, dann lies mal das hier durch.“, Ikiru blätterte wieder in dem Buch herum und offenbarte mir einen weiteren Text. Die Neugierde trieb mich an, aber mein Unterbewusstsein zog es vor, nicht hinein zu gucken. Doch letzten Endes tat ich es doch und las: 7. Tag der Kriegsjahre Nachdem ich nichts etwas von Terik hörte, und Lora starb, blieb ich allein in der Kälte zurück. Mir blieb nichts anderes übrig, als weiterzulaufen und zu hoffen, dass mir irgendjemand begegnete, und ich bei ihm Unterschlupf fand. Doch die letzten Tage waren hart und anstrengend gewesen. Niemand traf mich. Ich konnte keine Nahrung ausfindig machen, da der Schnee, der letzte Nacht so zahlreich gefallen war, alles verdeckte, was eventuell essbar war. Aber nicht nur die Natur war mir nicht wohl gesonnen, sondern ich hatte auch ein Dorf gesehen, dass dem Krieg zum Opfer gefallen war. Das Feuer hätte mich zwar gewärmt, und ich hätte vielleicht Überlebende getroffen, aber ich sah Feindliche Truppen, die nach Nahrung und Wertvollem suchten. Eigentlich war es nicht das erste Dorf, das mir begegnete. Die anderen lagen verbrannt da, Leichen verstreut auf dem Boden. Ich hatte einen Kameraden getroffen, dessen Leiche zurückgeblieben war. Ich erkannte ihn durch das Wappen des Fürsten. Doch er war nicht der einzige gewesen. Die Hälfte der Opfer waren Kämpfer gewesen. Als ich mich noch umsah, entdeckte ich einen Überlebenden, der mir in seinen letzten Lebensminuten die Situation schilderte. Er meinte, Fürstliche Truppen hätten das Dorf niedergebrannt und alle Frauen mitgenommen. Viel Hoffnung hatte ich nicht. Wiederrum hatten sie kein Widerstand geleistet, sich nicht gewehrt, trotzdem, keine Gnade. Andere Überlebende erzählten mir das Selbe, bis sie schließlich in meinen Händen starben. Nun hatte ich Recht gehabt, die Fürsten sind es, die diese Insel in die Unterwelt stürzten, nicht das Volk. Die Könige und hohen Tiere kümmerte sich ein Dreck um ihre Untertanen. Sei dieser Krieg nur zur Unterhaltung gedacht? Wahrscheinlich ja. „Der Kerl hat einiges durchgemacht, nicht wahr?“, fragte Ikiru nach, während ich die letzten Zeilen nochmals durchlas. Zur Vergnügung wurden Kriege geführt? Das war das aller letzte. Ich schwieg, unfähig, etwas darüber zu sagen. Kyosho hatte die Situation erkannt, nicht nur er, sondern sicher auch andere, aber sie wagten es nicht, sich gegen die Terroristen zu wehren, sonst droht ihnen der Tod. Und davor hatten sie Angst. „Das war aber nicht das, was interessant war!“, meinte Ikiru und nahm das Buch an sich. Ich dachte Ikiru wollte mir etwas über Kyosho’s Leben verraten, oder dass ich weiß, wo ich hier überhaupt gelandet bin. Aber es gab noch mehr? „Sieh hin!“; er zeigte mir die letzten Seiten. Ich zog das Buch aus seinen Händen und las ein weiteres Kapitel durch: 9. Tag der Kriegsjahre Endlich. Eine Stadt. Ich bin nahe den Grenzen von Soretsu. Und verlasse nun Waru. Ich hoffe, nun hier ein anderes Leben aufbauen zu können. Doch das wird schwieriger als erwartet. Als ich nun ein paar Tage hier bin, kam ich schließlich in einem Laden an. Als ich eintrat, bekam ich eine Gänsehaut, ich erkannte sie Besitzerin. Sie war hübsch, entsprach meiner Wunschfrau. Und doch kam es so… Schließlich ein Jahr danach kam meine Tochter auf die Welt. Ich dachte, alles würde wieder gut werden. Ich könnte ein friedliches Leben führen. Doch die feindlichen Truppen kamen irgendwie in die Stadt und zerstörten sie. Meine Frau floh mit meiner Tochter, und ich blieb…. Ich runzelte die Stirn. Dieser Teil des Tagebuchs passte nicht zu den anderen Abschnitten. Ikiru schien meinen verwirrten Blick zu verstehen und jetzt wusste ich, was seltsam war. Vorher hatte er über die Kriegsumstände geschrieben, im Nächsten über seine Familie, das ging so plötzlich. „Ist dir was aufgefallen?“, fragte Ikiru nach, sodass ich ihn ansah. „Naja, dieser Abschnitt ist so….“, ich suchte das passende Wort. Ikiru beendete meinen Satz: „anders?“, ich nickte auf seinen Vorschlag. „Aber warum? Auf einmal hat er eine Familie, zuvor hatte er kaum überlebt?“, immer noch verwirrt bekam meine Stirn mehr Falten. „Sieh mal genauer hin!“, forderte mich mein Begleiter auf. Ich sah genauer auf die Buchstaben, den Text, doch mir blieb verschleiert, was Ikiru mir nun zeigen wollte. Doch dann sah ich es. Der letzte Teil seines Tagebuchs, darin befand sich der Text. Wenn man genau hinsah, erkannte man Klebespuren. Der Text wurde zwar von Kyosho geschrieben, aber zusammengeklebt. Die einzelnen Textstellen wurden zusammengefügt, um etwas geheim zu halten. Er wollte nicht, dass etwas oder jemand es in die Hände bekam und auch nicht, dass diese Informationen in Falsche Hände gerieten. Aber welche Informationen könnten so wichtig sein? „Wenn man etwas nachdenkt, erkennt man, dass er über seiner Familie nicht viel geredet hat. Außerdem hatte er immer von Feinden gesprochen, aber welche hatte er nicht erwähnt. Auch nicht, wann diese Kriege stattgefunden hatten. Kyosho hatte zwar Daten hingeschrieben, sie aber nicht gedeutet. Denn Kriege gibt es heute noch. Das heißt, es könnte dieses als auch das letzte Jahrzehnt gemeint sein. Verstehst du jetzt?“, Ikiru kam auf mich zu und schüttelte wie ich ihn zuvor an der Schulter. „Und die nächste Frage: Warum ist er hier geblieben? Er konnte ebenso auch in einer Stadt sein!“, Ikiru redete immer weiter, sodass ich mein ohnehin schon weniges Vertrauen an Kyosho noch weiter verringert wurde. Was war an dem Kerl so komisch? Irgendwie war er ein Rätsel pur, aber jetzt hatte ich immerhin eine Ahnung, dass er vielleicht nicht zur Seite der Fürsten wechseln wird. Das war ein Vorteil, doch ob wir ihm trauen können, war fraglich. „Aber warum hat er einfach so beschlossen, uns zu helfen? Schließlich weiß er ja nicht mal, wer wir sind.“, diese Frage blieb unbeantwortet. Ikiru legte das Tagebuch wieder an seinen vorherigen Platz, und drehte sich zu mir um. Seine Miene hart wie zuvor, doch das Problem, ob wir nun hier belieben und auf Kyosho, oder lieber verschwinden und auf eigenen Weg nach Shizuka suchen, war deutlich erkennbar. Leicht schüttelte ich den Kopf, denn ich wusste selbst nicht, was jetzt getan wurde. Ikiru ging an mir vorbei und suchte die Falltür. Schließlich trafen wie uns oben wieder und ich setzte mich hin. Das Gras war zwar etwas feucht und glitschig, aber ich hatte keine Lust, noch weiter mir die Beine in den Bauch zu stehen. Mein Freund allerdings schaute streng in den Dschungel, und verblieb die nächsten Minuten auch so. Wie eine Statue stand er da, und wartete, dass etwas geschah. Als es mir zu ruhig wurde, wollte ich wieder einen heiteren Witz erzählen, aber als Antwort bekam ich nur ein Schnauben zu hören. Ich nervte ihn weiterhin mit meinem ironischen Ton, um ihn ein wenig aufzumuntern, doch das >Mm< wurde immer lauter, bis er mir einen wütenden Blick zuwarf, der mich verstummen lies. Ich zog eine Braue gen Himmel und drehte den Kopf etwas, wollte wissen was jetzt schon wieder mit ihm war. Seit er sich wieder von seiner Platzwunde erholt hatte, fuhr er mit seinen Gefühlen Achterbahn. Jedenfalls kam es für mich so vor. Versuchen ihn zu verstehen, das hatte ich inzwischen als Unmöglich abgestempelt. Da ich allgemein dafür bekannt war, dass ich Flöhe im Hintern hatte, stand ich auf und durchforstete die Umgebung. Das Haus kannte ich zwar noch nicht ganz, aber die Natur erwies sich als ebenfalls interessant. Ich entdeckte kleine Pflanzen, sie wundervoll in diesem dürsteten Wald blühten, noch in Farben, bei denen ich vermutet hätte, dass es sie hier nicht gäbe. Dass mich Blumen so faszinierten, wusste ich ebenfalls nicht. Naja, besser wie der Zeitvertreib von Ikiru, stur in das Nichts zu starren, und zu warten. Leiser lächelte ich, sah zu Ikiru herüber. Eigentlich war das keine Schadenfreude und auslachen wollte ich ihn ebenfalls nicht, doch ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Nachdem mindestens schon zwei Stunden rum waren, beäugte ich Ikiru immer noch, er stand wieder da, so wie vor zwei Stunden eben. Nein nicht ganz, er hatte seine Arme verschränkt. Irgendwie kam er mir wie ein Bodyguard vor. Ich bin die kleine gefährdete Prinzessin, die in einen gefährlichen und abscheulichen Wald eingesperrt wurde, weil sie verfolgt wurde und Ikiru ist der ständiger Begleiter, der mich vor allen Gefahren beschützt. Selbst meine Fantasie übertreibt in dieser Welt maßlos. „Hey, alles klar?“, informierte ich mich bei hm, doch er stand immer noch stur wie ein Bock da. Als ich wartete und von ihm nichts kam, hatte ich ihn bepackt und geschüttelt, immer noch keine Reaktion. Ich hatte ihm sogar eine Ohrfeige verpasst, aber er regte sich keineswegs. „Jetzt komm doch mal zu dir!“, schrie ich ihn an, rüttelte ihn, bis er das Gleichgewicht verlor und zu Boden stürzte. Zuvor fing ich ihn auf und schlug ihm wieder eine. Plötzlich öffnete er die Augen. Weit aufgerissen starrte er in den Himmel, seiner Pupillen völlig geschwärzt. Er flüsterte etwas leise und sanft. Ich beugte mich vor, um ihn zu verstehen: „Ich habe verstanden! Ja, Kyosho.“, ich sah ihn fragwürdig an. Träumte er etwa von Kyosho. „Nein, nicht Yukino lauf!“, rief er auf einmal, sodass ich mich vor Schreck zusammenzog. Sah mir mal einer, was in seinen Träumen vor sich ging. „Hey Hilfe, es brennt! Nein nicht, Yukino, nein! NEIN!! HILFEEEEEEE!“, schreiend wandte sich Ikiru hin und her in meinem Schoß. Ich hatte seinen Kopf darauf gelegt, aber jetzt drohte mir eine zu pfeffern, wenn ich ihn noch weiter in den Armen hielt. Wie auch seine seltsame Art gekommen war, verschwand sie wieder, bevor ich nun wirklich eine gescheuert bekam. Ich reib mir meine wunde Wange, als Ikiru wieder aufwachte und sich umsah, als ob er noch nie hier gewesen war. „Na du hast wirklich seltsame Albträume!“, durch meinen Kommentar bekam ich einen Blick zu spüren, der nicht zu identifizieren war. „Was ist denn mit dir passiert?“, fragte er mich voller außer sich. Wusste er wirklich nichts mehr? „Ich wollte dich aufwecken, aber dann wolltest du mir weiß machen, wie an einen Wecker ausstellt und mir eine gescheuert.“, ich rieb mir meine Wange immer noch. „Entschuldige, ich wollte dich nicht…schlagen.“, er schien sich ein Grinsen zu verkneifen. Ich aber bin alles andere, als heiter aufgelegt. Eigentlich schon, aber ich wusste nicht, was mit Ikiru passierte, geschweige denn würde ich gerne wissen, was er in seinen Gedanken gesehen hatte. „Was hast du denn? Wachst du immer so erschrocken auf?“, fragte ich ihn ironisch. „War etwas mit mir?“, ich glaubte nicht, das zu hören, als diesen Satz sprach. Er wusste es also nicht. Na klasse. Ich ließ den Kopf schief hängen. Was passierte mir denn hier sonst noch? Ikiru lächelte mir zu, sagte aber nichts, also das werden drei schwierige drei Tage…. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)