Shinigami Haken Kyoukai desu - Shinigami Dispatch Society von Frigg ================================================================================ Kapitel 26: Liebe und Lügen --------------------------- Ronald merkte nur zu deutlich, wie ihn alle anschauten, als er durch die Flure der Society ging. Aber an die vielen Blicke hatte er sich in den letzten Tagen gewöhnt. Seit er zurückgekommen war, folgten sie ihm überall hin und er konnte Stimme hören, die leise hinter seinem Rücken tuschelten. Er sagte sich immer wieder, dass er so tun musste, als würde es ihn kalt lassen. Wenn es Gerüchte gab und diese sich so lange hielten, wie diese, dann redeten die Leute eben. So war es auch in der Menschenwelt. Aber irgendwann war auch dort die Luft raus. Seine Schritte beschleunigten sich. Er wollte so viel Abstand wie möglich zwischen sich, Spears Büro und Carry bringen. Vor allen Dingen wollte er so schnell es geht in sein Büro flüchten, bevor die ganze Society von dem Date erfuhr und die Kollegen ihn mit unnötigen Fragen löcherten. Am allerwenigsten wollte er sich mit Sutcliffe auseinander setzen und sich von ihm darüber eine Standpauke anhören müssen. Er konnte seine schrille Stimme schon fast hören und wie er ihm Vorwürfe machte. Es war das Letzte, was er im Moment gebrauchen konnte. Als würde ihm dieser Auftrag nicht schon schwer genug fallen, ohne dass er sich dabei wie eine männliche Prostituierte fühlte. Ein Schauer lief ihm bei diesem Gedanken eiskalt den Rücken entlang und Ronald konnte sich nur mit Mühe zurück halten, auf sein Zimmer zu gehen und sich gründlich von oben bis unten abzuschrubben, so schmutzig fühlte er sich jetzt schon. Dabei war das eigentliche Date noch gar nicht gelaufen. Er verdrängte den Gedanken, wie er sich erst danach fühlen würde. Sein Büro war nicht mehr weit und das Gefühl sich selbst und Lily zu verraten, wurde mit jedem Schritt größer und schien ihn zu erdrücken. Was tat er sich nur an, dass er mit Carry auf ein Date ging? Wie verrückt war das? Wie masochistisch war diese Aktion? Er musste komplett den Verstand verloren haben! Ronald öffnete die Tür zu seinem Büro und schlüpfte durch die Tür. Seine Hände zitterten noch immer. Er war noch nie so aufgeregt gewesen, bei der Frage, ob eine Frau mit ihm ausgehen wollte. Zum Glück war Carry auf sein Liebesgesäusel herein gefallen und hatte zugestimmt. „William…was verlangst du nur von mir…“, nuschelte er und setzt sich an seinen Schreibtisch. „Tut mir leid, Lily…“, seufzte er nach einem kurzen Moment. Es fühlte sich an, als würde er ihr untreu werden, obwohl er nicht mal mit ihr zusammen war. Wieder seufzte er und konnte spüren, wie sich sein Herz zusammen zog. Er vermisste sie. Ronald schloss eine Schreibtischschublade auf und holte ein Buch hervor. Es lag nun vor ihm wie ein unheilvolles Omen. Er musste nicht darin lesen, um zu wissen, was die Worte für Sätze bilden würden. Er kannte den Inhalt ganz genau, Wort für Wort. Sie waren in seinem Geist verankert. Aber es tat gut zu wissen, dass sein Lebensbuch, mit dem hellbraunem Ledereinband, nicht in der Bibliothek stand, sondern, dass ein Gerichtsdiener es ihm persönlich zur Aufbewahrung gegeben hatte. Das Gefühl, dass sein Buch hier lag, hatte gleichzeitig etwas tröstenden an sich. Er schlug es auf und in großen Buchstaben stand sein eigener Name in einer feinen Schrift auf der ersten Seite. In der vergangen Nacht hatte er sich sein Buch zur Bettlektüre gemacht, während die Flure des Wohnhauses still waren und alle schliefen. So vieles war darin, an das er lange nicht mehr gedacht hatte und so vieles, was noch viel zu frisch war. Am meisten hatte ihn jedoch die Stelle fasziniert, als ihm klar geworden war, dass er Lily liebte. Es war ein befremdliches Gefühl gewesen, es aus einer Erzählperspektive zu lesen. Ronald zog eine Schublade auf und nahm sich daraus ein Bonbon, was er sich in den Mund schob. Gelangweilt blätterte er durch das Buch. Bei einem flüchtigen Blick über die Seiten fiel ihm auf, dass ab einem gewissen Alter immer öfter das Wort Frau auftauchte, sowie Verabredung und Bett. Eine Zeit, wo ihm all diese Mädchen und Frauen nichts bedeutet hatten. Eine Zeit, als er nur Spaß haben wollte und sie ihm nichts wirkliches bedeuteten. All diese Mädchen und Frauen, mit denen er einen Abend oder Nacht verbracht hatte, hatten ihm nichts weiter als Vergnügen bedeutet. Sie waren bloß da gewesen, um seine Lust zu befriedigen oder um mit ihm zu flirten und ein paar belanglose Küsse auszutauschen. Aber das war, bevor er Lily begegnet war und ihm bewusst geworden war, dass es mehr als diese belanglosen Nächte gab, wo er bereits die Namen der Frauen schon wieder vergessen hatte. Er klappte das Buch wieder zu und versuchte seine Gedanken zu verdrängen. Seien Konzentration sollte auf die Verabredung heute Abend liegen und nicht bei den Frauen von früher. Es würde nicht mehr lange dauern bis er Carry abholen würde und er musste noch Wein und ein paar Blumen besorgen. Auch hatte noch einmal vor zu duschen und sich frische Sachen anzuziehen. Ein Seufzen verließ seine Lippen. Die Entscheidung mit Carry auszugehen und den Auftrag anzunehmen, war ihm nicht leicht gefallen. Es würde ihn in ein paar Stunden einige Mühe kosten, sich auf seine Rolle, die er ihr vorspielen würde, zu konzentrieren. Er schüttelte geistesabwesend den Kopf und überlegte, ob er Lily schon seit ihrer ersten Begegnung liebte. Nach allem, was geschehen war, konnte er es nicht genau sagen, dennoch hatte er noch genau vor Augen, wie sie sich kennen gelernt hatten. Ronald konnte noch genau sagen, wie die Sonne auf ihr Gesicht gefallen war, wie blass sie gewirkt hatte und wie die Angst in ihren Augen gewirkt hatte. Er konnte sich auch genau daran erinnern, wie sich ihre Blicke gekreuzt hatten. Sie hatte schnell fort gesehen und auch er hatte schnell den Blick abgewandt gehabt. Sein erster Gedanke war gewesen, das sie gar nicht sei Typ von Frau sei, doch inzwischen musste er sich eingestehen, dass er sich das von Anfang an nur eingeredet hatte, damit er die Arbeit bekam. Er hatte sich selbst belogen und etwas vorgemacht, um mit ihr arbeiten zu können, während sein ganzes Unterbewusstsein nur sie wollte. Langsam erklärte sich auch, wieso ihn die Feiern keinen Spaß mehr gemacht hatten und auch die Frauen, mit denen er kurz danach zusammen war. Es war alles unbefriedigend für ihn gewesen. Er schob den Frauen die Schuld zu und hatte sich deshalb Carry gesucht, in der Hoffnung, dass es dann besser wäre. Aber nun wusste er, es hatte an ihn gelegen und die Tatsache, dass er im Hinterkopf an Lily gedacht hatte. Wenn das kein echter Betrug war. Er fragte sich nur, wie er sich hatte nur selbst belügen können. Dabei wollte er nicht mehr als ihr nahe zu sein, so wie vor einigen Wochen. In dieser Nacht war er ihr so nah gewesen, wie er es sich nicht hatte träumen lassen. Ronald hatte nie geglaubt, dass er ihr so nahe sein würde, während er gleichzeitig ihr Mentor war. Er hatte den Duft ihrer Haare riechen können und sein ganzes Inneres sehnte sich danach, das Gesicht in den blonden Schopf zu vergraben und den Geruch tief einzuatmen. Seine Arme wollten sie umschlingen und nie wieder los lassen. Sein ganzer Körper wollte sich an ihren pressen. Er wollte sich mit ihr in seinem Bett herum wälzen und mit den Fingerspitzen langsam über ihr Gesicht streichen. Zuerst die Schläfe entlang, die Wange hinunter und über den Hals und dabei so vorsichtig sein wie bei Schmetterlingsflügeln. Ihre Haut sollte empfindlicher werden und jedes einzelne Haar sich bei seiner Berührung aufstellen. Ganz langsam und zärtlich wollte er ihr die die Haare hinters Ohr streichen, als wären seine Finger eine Feder. Behutsam wollte er ihr die Brille abnehmen und ihr in die grün-gelben Augen sehen. Er wollte darin sehen, wie sehr sie ihn liebte, ihn begehrte und nicht mehr gehen lassen wollte. Ronald zuckte zusammen, als er plötzlich Schritte auf dem Flur und vor seiner Tür hörte. Eine Stimme von einem männlichen Kollegen drang an sein Ohr und er verstand nur einzelne Wortfetzen. Es ging um Lily und wie gut es sei, dass sie fort war. Er konnte nicht mit Sicherheit sagen, ob er es richtig verstand, aber Ronald glaubte zu hören, wie sein Kollege sagte, dass er gerne mal eine Nummer mit ihr auf seinem Schreibtisch geschoben hätte. Wütend schüttelte er darüber den Kopf. Inständig hoffte er, dass dieses Gerede aufhören würde, sobald Carrys Lebensbuch in Williams Händen war und dieses Weib vor Gericht stand. So könnte er endlich Chancen bei Lily haben und ihr nach der Prüfung alles sagen, was er fühlte. Dann würden seine Gedanken vielleicht auch wahr werden und sie würde ihn mit diesem Blick ansehen, der ihm sagte, dass sie ihn genauso lieben würde wie er sie liebte. Ronald wollte diesen Blick aus ihren grün-gelben Augen sehen, die von den dichten Wimpern umrandet waren und darin versinken. In seinen Gedanken beugte er sich über sie und küsste ihren Mund mit seinen Lippen. Seine Zunge fuhr langsam über ihre Lippen und tauchte langsam in die warme Mundhöhle ein. Er stupste ihre Zunge an und spielte mit dieser, während sie leise in den Kuss stöhnte. Ungeduldig wanderten seine bisher unschuldigen Hände tiefer an ihrem Körper entlang. Er konnte die Hitze spüren, die von ihr ausging. Ronald schluckte schwer, als sich seine Gedanken verselbstständigten und einen eigenen Willen entwickelten, den er nicht stoppen konnte oder wollte. Genau wusste er es nicht. Es fiel ihm jedoch schwer, sich dem Nebel von Gefühlen und Trägheit, den diese Fantasien auslösten, zu befreien. Ihm blieb kaum eine andere Wahl als sich treiben zu lassen. Geübt wie er als Charmeur war, löste er langsam den Knoten der Krawatte und zog ihr den schwarzen Stoff vom Hals. Er öffnete jeden einzelnen Knopf der Weste und des Hemdes, während er mit der Zunge ihres Hals entlang fuhr. Ihr Körper wandte sich unter dieser Berührung und er konnte das starke Klopfen ihres Herzens spüren, als er ihr Dekolleté küsste. Es schlug fast genauso schnell wie seines und in ihren Augen sah er Unsicherheit. Er lächelte sie aufmunternd an. Langsam beugte er sich zu ihr und küsste ihren Mund, nur um kurz danach an ihrem Ohr zu knabbern. Ihr warmer Atem kitzelte an seinem Ohr und er hörte sie leise keuchen. Seine Hände wanderten ihren Körper weiter entlang und schoben den Rock höher. Doch nur kurz, denn sie glitten gleich wieder über ihre Hüfte zurück nach oben zu ihrer Brust. Behutsam fuhr er den unteren Teil entlang und spürte durch den weichen Stoff ihre warme Haut. Seine Finger fuhren über die ganze Brust und massierten sie langsam. Lily keuchte in sein Ohr und flüsterte dabei, wie sehr sie ihn liebte. Sein Herz machte einen Salto rückwärts als ein lautes Krachen ihn aufschrecken ließ. „Grünschnabel!“, kam es von einer lauten Stimme, die ihm nur allzu sehr bekannt vorkam. Ronald zuckte zusammen und setzt sich so schnell anständig in den Schreibtischstuhl. Er war tatsächlich eingeschlafen und sein Traum war mehr als heiß gewesen. Verlegen räusperte er sich und wischte sich über den Mundwinkel, nur für den Fall, dass er gesabbert hatte. „Grünschnabel, hast du etwa geschlafen?“, fragte sein Kollege Grelle Sutcliffe verwirrt und musterte ihn aufmerksam. „Nein…nein…ich hab mich nur ein wenig ausgeruht…“, antwortete er schnell und richtete seine Brille. „Ah ja?“, fragte der rothaarige Shinigami skeptisch. „Dafür hast du aber ganz schön gesabbert und echte Glückslaute von dir gegeben. Von was hast du geträumt? Hast du etwa einen kleinen süßen Todesengel geimpft?“ Ronald merkte, wie sein Gesicht zu glühen anfing und wich dem Blick von Grelle aus. „Von wem hast du geträumt?“, fragte er grinsend. „Von Niemanden.“ „Carry?“ „Nein!“ „William?“ „Nein!“ „Von mir?“ „Nein!“ „Lily?“ „NEIN! Ich meine…nein…“ Grelle zog erschrocken die Luft ein. „Das ist nicht dein ernst, oder Kollege?“ Ronald sah verlegen zur Seite. Niemals hätte er gedacht, dass er so schnell auffliegen würde. Es war schon schlimm genug, dass Alan Bescheid wusste, aber jetzt wusste es auch Grelle Sutcliffe! Ronald überlegte schnell, wie er sich aus dieser Situation retten konnte. Wie sollte er Grelle seine Reaktion erklären? Wie sollte er vor ihm jetzt die Gerüchte rechtfertigen, wenn es doch zum Teil stimmte? Wie sollte er seine Widersprüche erklären? Er glaubte nicht, dass Grelle es verstehen würde. Sein Kollege würde nicht zuhören oder ihm nicht glauben. „Grünschnabel, wie kannst du nur so unsensibel sein?“, fauchte Grelle ihn plötzlich an. „Wie kannst du dich nur auf Carry einlassen, währen du die ganze Zeit jemand anderen liebst! Wie kannst du dich nur selbst so sehr belügen und uns andere mit? Wie kannst du nur behaupten, dich interessieren keine Frauen mehr oder Feiern, wenn es doch gelogen ist? Wieso lügst du dich selbst an und uns mit?“ Ronald setzt zum Sprechen an, wurde aber sogleich von Grelle unterbrochen. „Und wieso lässt du dich jetzt wieder auf Carry ein? Ist McNeil es nicht mal wert, dass du dir anständige Sorgen um sie machst? Gibst du sie so schnell auf und suchst Trost bei der Nächstbesten?“ Grelle gab ein lautes Geräusch von sich, was er nicht wirklich definieren konnte. Es war eine Mischung aus Hicksen und Nase hoch ziehen. „Sutcliffe, ich…“ „Grünschnabel, ich wusste ja schon immer, wie du hinter jedem Weiberrock her bist, aber das hier ist selbst für deine Verhältnisse schäbig!“ Wütend schlug er die Faust auf den Schreibtisch und ein paar Stifte vibrierten und schlugen gegeneinander. So außer sich hatte er seinen Kollegen noch nie gesehen. Sein Gesicht war wütend und gleichzeitig vorwurfsvoll. „Deinetwegen zerläuft mir jetzt auch noch mein Make up!“, schniefte Grelle und wendete sich von ihm ab. „Sutcliffe, ich…“ „Erspar es dir, Ronald Knox…Ich glaube, Shinamoto hatte doch recht, dass er dir nicht glaubt.“ Grelle schüttelte den Kopf. „Dabei hatte McNeil versucht ihm zu erklären, dass du eigentlich ganz anders bist. Wenn sie das erfahren würde, würde sie mit Sicherheit gehen. Ist es das was du willst? Willst du, dass sie geht, damit du sie haben kannst oder was soll deine Aktion jetzt bringen? Hast du denn gar nichts gelernt? Für so dämlich hab ich dich nicht gehalten, Kollege…“ Grelle seufzte enttäuscht. „Ein Date mit Carry…ich kann es immer noch nicht fassen…“ „Wenn du aufhören würdest, mich anzufauchen, kann ich es dir auch erklären, Kollege!“, erwiderte Ronald bissig. „Es gibt für alles eine Erklärung!“ „Und die wäre?“ „Ja, es stimmt, dass ich euch belogen habe, aber nach allem was mit Carry war, wollt ich nicht noch mehr Ärger, wenn rauskommt, dass ein Teil davon stimmt. Ich wollte Lily und auch mir nicht noch Ärger machen.“ Ronald seufzte und fuhr sich verlegen durch die Haare. „Aber ich habe nicht gelogen, als ich gesagt habe, mich interessieren keine Frauen mehr. Das tut es auch nicht. Mich interessiert nur eine Frau und das ist Lily. Deswegen gehe ich auch auf keine Feiern mehr und schleppe dort die Mädchen ab!“ Grelle wandte sich ihm wieder zu. Seine Arme waren verschränkt und er musterte ihn aufmerksam, nickte jedoch zu seiner Erklärung. „Ich habe also auch meine Lektion mit Carry gelernt! Da mach dir keine Sorgen, Kollege! Es gibt also keinen Grund für dich, wie ein wildes Nashorn hier in mein Büro zu platzen.“ „Und wieso hat Carry mir dann persönlich erzählt, sie hätte ein Date mit dir?“ Grelle bohrte ihm einen Finger in die Brust. Ronald seufzte ergeben. „Was denkt die sich nur dabei?“ „Also stimmt es, Kollege?“ Grelles Blick verfinsterte sich augenblicklich. „Also habe ich doch recht! Du hast McNeil schon aufgegeben! Dabei dachte ich, du liebst sie. So wie du eben reagiert hast!“ „Sei still, Sutcliffe! Du hast keine Ahnung!“, fauchte Ronald wütend und sprang vom Stuhl auf. „Ich würde es auch nicht tun, wenn es nicht wichtig wäre und es nur den Hauch einer Chance ist, dieses ganze Theater zu beenden! Denkst du, ich denke nicht daran, dass ich damit meine eigenen Gefühle hintergehe? Hältst du mich für so sprunghaft?“ „Kollege, komm runter!“ Grelle hob abwehrend die Hände. „Warum tust du es dann? Warum lässt du dich erneut auf sie ein?“ Ronald atmete kurz ein und aus, langsam und gleichmäßig. Er setzt sich wieder zurück auf den Stuhl. „Wenn es nach mir ginge, würde ich Lily suchen gehen. Ob William dazu die Erlaubnis erteilen würde oder nicht. Mir ist es auch egal, ob meine Wunde erst heilen muss, aber ich würde sie lieber suchen gehen, anstatt hier rum zu sitzen und heute diese Verabredung zu haben.“ Grelle ließ sich auf den zweiten Stuhl nieder und schlug die Beine übereinander. „Wie meinst du das, Kollege? Was soll das bedeuten?“ „Ich muss es tun. Verstehst du? William hat mir diesen Auftrag gegeben. Ich soll damit versuchen an das Lebensbuch von Carry zu kommen. Denn es ist nicht in der Lebensbücherei und die Ausleihliste besagt, dass sie ihr eigenes Buch ausgeliehen hat. Carry wird es aber solange nicht raus rücken bis Lily aus der Society geflogen ist oder der alte Zausel sie umgebracht und in einen Straßengraben liegen gelassen hat.“ Ronald seufzte und legte den Kopf auf den Tisch ab. „Und deswegen sollst du das Lebensbuch beschaffen, damit eure Unschuld bewiesen ist? Denn in deinem würde drin stehen, dass du sie liebst und ihr würdet mächtig Ärger kriegen?“ „Genau. Aber vor allem deswegen, weil Lilys Lebensbuch weg ist. Es ist ausgeliehen worden und ich soll auch bei Carry danach gucken, ob sie es unter einem falschen Namen ausgeliehen hat. Ansonsten war es der alte Knacker.“ „Aber hat William gleich verlangt, dass du dich ihr auf dem Silbertablett servierst?“ Ronald schüttelte mit dem Kopf. „Nein, er sagte nur, ihm sei es egal wie und bei Carry einbrechen wird nicht gehen. Sie wird bestimmt einen ihrer Klone in der Nähe ihres Zimmers haben. Also fiel mir nichts anderes ein, als mich ihr mit Schleife im Bett zu präsentieren.“ „Verstehe…“, sagte Grelle und überlegte kurz. „Aber sie es so, sie frisst dir aus der Hand und das nur durch deine Frage. Aber dafür denkt Shinamoto, du würdest uns alle hintergehen und hättest deine Angebetete angelogen.“ „Sag bitte nicht Angebetete, Kollege.“ Bei diesem Worten merkte Ronald, wie ihm warm im Gesicht wurde. „Das klingt so spöttisch…und bitte, sag niemanden etwas! Bisher weißt nur du es und Alan.“ „Was?“, keuchte Grelle entsetzt. „Der Kleine weiß es und das auch noch vor mir? Da muss ich doch gleich mal ein Hühnchen mit ihm rupfen!“ „Lass Alan da raus. Ihm geht es durch den letzten Anfall schlecht genug. Er hat es auch rausgefunden. Genau wie du. Ich habe es ihm nicht einfach so erzählt. Also mach ihm da keine Vorwürfe. Vor allem würdest du dann mit Eric Ärger kriegen…“ „Wie dem auch sei. So wichtig ist das nicht. Dein Auftrag hat gerade Vorrang!“ „Ich schaff das schon. Ich sehe gut aus und ich weiß, wie ich meine Körpersprache spielen lassen muss.“ Grelle lachte los. „Was ist? Wieso lachst du?“ „Du bist aus der Übung. Du schaffst es so sicherlich nicht, Carry rumzukriegen, dass du ihr Bruch kriegst.“ „Doch, das werde ich. Carry will mich. Sie steht auf mein Aussehen, nicht auf meinen Charakter. Damit hab ich das Buch schon so gut wie sicher!“ „Glaubst du, sie gibt sich mit ein paar Flirtblicke zufrieden, Kollege?“, sagte Grelle mit ernster Stimme. „Vergiss nicht, du bist verliebt. Du kannst jetzt nicht mehr so einfach mit einer anderen Flirten oder sie küssen. Es wird nicht leicht werden. Immerhin wird sich dein Gewissen dabei melden.“ „Das weiß ich und deswegen überlege ich, wie ich das anstelle, ohne das Gefühl zu haben, dass ich Lily betrüge.“ Grelles Augen verengten sich kurz und er grinste breit. „Dann hoffst du mal besser, dass deine Konzentration heute Abend nicht nach lässt, denn ich schätze, dass Carry ein paar körperliche Aktivitäten haben will. Ich wette mit dir, dass du es nicht schaffst.“ „Du meinst…?“ „Ja, genau. Sie wird nicht nur Händchen halten wollen. Carry ist eine Frau, sowie du ein Mann bist. So wie sie hinter dir her ist, wird sie dich ganz haben wollen. Bedenk doch nur, dass sie nur deswegen die Gerüchte verstreut hat, damit Lily als Konkurrenz verschwindet. Mach dich also drauf gefasst, dass du ihr Schlafzimmer sehen wirst.“ Mit jedem Wort spürte Ronald ein unangenehmes Kribbeln auf seiner Haut. Den Gedanken daran, wie weit er gehen würde müssen, hatte er bisher erfolgreich verdrängt, aber Grelle hatte ihn laut ausgesprochen und er hatte recht. Carry würde sich niemals nur mit einem Essen zufrieden geben. Sie würde ihn im Bett haben wollen und mit allem was dazu gehörte. „Sei froh, dass McNeil nicht hier ist. Sonst würdest du richtig Tief in der Patsche sitzen.“ Grelle erhob sich vom Stuhl. „Ich weiß und das ist das Einzige gute an der Entführung.“ „Wollen wir deinen Auftrag ein klein wenig Interessanter gestalten? Wie wäre es mit einer Wette?“ „Eine Wette?“ „Ja, genau. Wenn du versagst, gehst du nächsten Montag mit mir Shoppen und kaufst mir, was ich will.“ „Wenn ich gewinne?“ „Dann erzähle ich dir eine geheime Story über mich.“ „Einverstanden.“ Ronald schlug mit Grelle ein. „Die Wette gilt.“ Grelle grinste siegreich und vollführte zur Tür einen Freudentanz. „Jemand, der mit mir einkaufen geht, alles bezahlt und trägt!“ Ronald konnte ihn noch freudig Seufzen hören, als Grelle sein Büro verlassen hatte und durch die Society ging. Er schüttelte den Kopf und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Es würde nicht mehr lange bis zur Verabredung dauern und er hatte noch keine Idee, wie er Carry rumkriegen sollte, ohne sich übergeben zu müssen. Wie hatte er sie nur mal schön finden können? Sie hatte zu viel Make up auf dem Gesicht. Ihr Parfüm war viel zu aufdringlich und verursachte bei ihm Kopfschmerzen. Ihr Verhalten und ihre ganze Art waren ihm viel zu künstlich. Er schloss entspannt die Augen und nur wenige Sekunden später ging seine Bürotür erneut auf. „Ronald Knox, was muss sich da hören?“ Ronald verzog das Gesicht bei der lauten Stimme. „Sutcliffe hat Slingby in der Mensa erzählt, dass du auf McNeil stehst und mich nur rumkriegen willst, um ihre Haut zu retten! Er hat ebenfalls erzählt, dass ihr eine Wette darüber am Laufen habt!“ Ronald glaubte, dass jeden Moment sein Trommelfell platzen würde bei dem gekreische. Er seufzte ergeben und versuchte ruhig zu bleiben. Später würde er mit Grelle ein ernstes Wörtchen reden müssen. Ronald hatte zwar nichts dagegen, dass seine engsten Freunde und Kollegen davon wussten, aber Sutcliffe hätte besser aufpassen sollen. „Glaubst du wirklich das, was Sutcliffe erzählt?“, säuselte er. „Carry, Liebes, ich würde dich doch nicht um einen gemeinsamen Abend bitte, auf den du schon so lange träumst, wenn ich es nicht ernst meinen würde.“ „Warum erzählt er das denn?“ „Ich kann wohl kaum kontrollieren, was Kollegen sich über mich zusammen reimen, oder?“ „Du liebst sie also nicht und es bleibt bei einem Gerücht? Du gehst also nicht mit mir aus wegen dem Lebensbuch?“ „Natürlich nicht, Liebes. Warum sollte ich auf so eine Schnalle abfahren, wenn es dich hier gibt? Du bist die heißeste Frau der ganzen Society.“ Er ging um den Schreibtisch herum und setzte seinen ganz speziellen Blick ein, mit dem er bisher jede Frau rumgekriegt hatte. Er umfasste ihre Hüfte und zog Carry an sich. „Ich steh doch nicht auf ein kleines Kind. Das weißt du doch. Für mich gibt es nur dich.“ Carry kicherte und ihre Wangen färbten sich rot. Ronald hatte nur Mühe sich selbst den Mund nicht mit Seife auszuspülen und zu übergeben. Alles an ihm war angespannt und wollte sich von ihr lösen, doch wenn er Erfolg haben wollte, blieb ihm keine andere Wahl. „Dann werde ich eben allen sagen, dass er Mist erzählt und wir jetzt zusammen sind.“ „Nein, tu das nicht.“ „Warum nicht?“, fragte sie skeptisch. „Naja, stell dir doch mal vor, wie es wäre, wenn McNeil wieder kommt und sie hört dann das Gerücht, ich würde sie lieben. So ein kleines Ding, wie sie ist, fällt sie sicherlich drauf rein und malt dann kleine Herzchen in ihr Schulheft. Vielleicht glaubt sie dann selbst auch noch, sie sei in mich verliebt. Stell dir vor, wie sie mich dann darauf anspricht und einen Liebesbrief schreibt und erfährt, dass ich mit dir zusammen bin. Wäre das nicht klasse? Es wäre der perfekte Gag.“ Innerlich verfluchte Ronald sein schlechtes Gewissen und hoffte, dass Lily das niemals hören würde und wenn doch, dass sie ihm verzeihen möge. „Oh Ronald Knox, ich liebe dich. Du bist so ein böser Teufel.“, kicherte Carry in seinem Arm. „Du meinst wohl, ich bin ein böser Todesgott?“ Er stieß ein Lachen aus. „Was sagst du also?“ „Du hast Recht. Es ist die perfekte Demütigung für dieses kleine Luder!“ „Eben. Du brauchst also nur den Mund zu halten. Dann wird es schon funktionieren.“ Er stupste ihre Nase an und lächelte sie verliebt an. Letzteres bekam er nur auf die Reihe, weil er in diesem Moment daran dachte, dass Lily vor ihm stehen würde. Ronald verfluchte Carry gleichzeitig für die Beleidigung. „Aber Ronie, denk bloß nicht darüber nach, so was jemals mit mir zu machen. Ich falle darauf nicht rein.“ „Da wäre ich mir nicht so sicher…“, murmelte er leise zwischen zusammen gepressten Zähnen. „Was hast du gesagt?“ „Ich sagte, natürlich nicht. Dafür bist du viel zu schlau.“ Er fühlte sich wie ein gehorsamer Hund an der Leine. „Ach, Ronie…“ Jedes Mal, wenn sie seinen Namen so verschandelte, lief es ihm kalt den Rücken hinunter. „Ich freue mich auf später. Meine Kleidung wird dir sicherlich gefallen. Schwarze Strumpfhose, kurzer Rock, Strumpfhalter…“ „Klingt gut“, nuschelte er und ließ sie los. Ihr Parfüm vernebelte seinen Kopf und verursachte ein Schwindelgefühl. „Ist es auch. Mein Bett ist frisch bezogen und die Kissen gut aufgeschüttelt.“ Sie warf ihm einen Kuss zu und verschwand aus seinem Büro. Ronald seufzte erleichtert auf und schüttelte sich angewidert. Die Vorstellung mit ihr im Bett zu landen, machte das Gefühl nicht besser, dass er sich wie eine männliche Prostituierte fühlte. Aber das war das gute an Carry. Gab man ihr, was sie wollte, gab sie einem im Gegenzug, was man wollte. Sie war zu leicht zu manipulieren. Wie er es versprochen hatte, stand Ronald pünktlich am Abend vor Carrys Zimmertür. Er hatte sich frisch geduscht und saubere Kleidung angezogen. Sein Plan war, Carry abzuholen, mit ihr in eines der Restaurants in die Stadt zu fahren und dann endlich in ihr Zimmer zu kommen und dort das Buch zu suchen. Mehr wie ein paar Küsse wollte er dabei nicht opfern. Immerhin würde bei diesem Essen genug Geld drauf gehen, was ihn die Buchhaltung nicht ersetzen würde. Ronald fuhr sich durch die Haare und richtete ein letztes Mal seine Krawatte. Er war nervös und dachte dabei an die Wette mit seinem Kollegen. Gleichzeitig meldete sich sein Gewissen und flüsterte ihm zu, wie falsch das alles war und dass er gar nicht hier sein sollte. Er sollte zurück auf sein Zimmer gehen und sich mit seinen Kollegen besprechen, wie die Suche weiter verlaufen würde. Aber in diesem Fall musste er unvernünftig sein und sich mit der miesesten Frau, der ganzen Society abgeben. Als Carry die Tür öffnete, lächelte sie ihn freudig an und griff nach seiner Hand. Ihre Haut war warm und weich. „Ich war mir nach unserem Gespräch nicht sicher, ob du kommen würdest.“ Ihre Worte klangen bedürftig und sehnsüchtig. Fast tat sie ihm leid, aber nur fast, denn sofort kam ihm wieder in den Sinn, was sie alles getan hatte. Carry hatte keine Gelegenheit ausgelassen, Lily dauerhaften emotionalen Schaden zuzufügen. Sie hatte versucht, ihre berufliche Kariere zu zerstören und dafür war er hier. Aus keinem anderen Grund. Er wollte, dass Carry ihre gerechte Strafe bekam. „Ich hatte es dir doch versprochen. Warum dieser Selbstzweifel? Das passt nicht zu dir.“, erwiderte er und betrat ihr Zimmer. Er nahm sie in den Arm und gab ihr einen kurzen Kuss auf Wange. Doch Carry gab sich nicht damit zufrieden. Sie drückte ihm einen Kuss auf die Lippen. Er küsste zurück, erwiderte aber nichts. Er legte einen Arm um ihre Hüfte und ging mit ihr zum Sofa. Vielleicht schaffte er es sogar das Buch zu kriegen, ohne sein halbes Monatsgehalt für ein Essen raus zu werfen. Ronald hoffte, dass sie eine Anspannung nicht spüren würde. „Ich weiß gar nicht, wie ich dir sagen soll, dass ich froh bin, dass dieses kleinen Ding endlich weg ist“, sagte sie. „Endlich gehörst du nur mir und ich muss dich nicht mehr mit jemanden teilen, der wie ein Prachtexemplar eines hässlichen Entleins aussieht.“ „Genieße es.“ „Das im Gericht war echt schrecklich“, jammerte sie und sah ihn dabei mit nassen Augen an. „Als dieser Shinigami dich mit seiner Sense getroffen hat, dachte ich, du würdest sterben! Wie geht es denn deiner Wunde?“ Ihre Hand wanderte zu seiner Brust und ruhte genau auf seinem schnell schlagenden Herzen und am Ende der Wunde, die ihm die Klinge der Death Scythe zugefügt hatte. „Die Wunde heilt gut. Es wird nur eine Narbe zurück bleiben.“ Carrys Augen weiteten sich. „Wie konnte dieser Kerl nur? Das alles nur wegen diesem Flittchen!“ „Berufsrisiko“, erwiderte er und wandte den Blick dabei ab. Er wollte nicht, dass sie sah, dass er diese Narbe mit Stolz trug. „Ich hätte versuchen sollen, dich da raus zu halten und mich mehr auf sie konzentrieren sollen. Das tut mir leid.“ „Was soll das heißen?“, fragte er skeptisch und hob fragend eine Augenbraue. „Oh nichts weiter…“, sagte sie mit einem breiten Lächeln und winkte ab. Sie nahm seine Hand und führte sie zu ihrer Taille. Er nahm sie weg. „Ich wüsste es aber gerne.“ Carry drückte sich enger an ihn heran und überschlug die Beine. Ihr schwarzer Rock, der schon sehr kurz war, rutschte noch ein Stück höher und entblößte dabei die schwarze Spitze ihrer Nylonstrümpfe. Sie fuhr mit der Hand über seinen Bauch. Wollte sie ihn jetzt schon auf dem Sofa flach legen? Ronald rückte ein wenig von ihr ab, doch sie folgte ihm. „Was hast du denn?“, fragte sie mit rauer Stimme. Jeder Zentimeter, den sie näher rückte, nahm ihm die Luft zum atmen und am liebsten wäre er aus dem Raum geflüchtet. „Nichts…“ Suchend sah er sich im Raum nach dem Buch um. Er fand nur eine Zeitung vom heutigen Tage. Die Regale waren leer. Es war kein einziges Buch im Raum. Ronald biss sich auf die Lippen und überlegte, wie er Carry aus dem Raum kriegen konnte, um das Buch in den Schubladen zu suchen und in den anderen Räumen. Das Schlimmste wäre, wenn sie es für diesen Abend einen ihrer Monde-Mafia-Tanten übergeben hätte. Carry zog an seiner Krawatte und rutschte auf seinen Schoß. Sie schloss die Augen und küsste ihn. Ronald verdrehte die Augen und unterdrückte ein würgendes Geräusch. Er ließ sich zu ihr ziehen und legte einen Arm um ihre Hüfte. Die andere Hand ließ er über ihr Bein gleiten. Die Strümpfe fühlten sich glatt, aber auch ein wenig rau durch das Netzmuster an. Mit den Fingern konnte er das fein gewebte Spitzenmuster fühlen und das Band von dem Strumpfhalter. Ronald musste sich die ganze Zeit zusammen reißen, um sie nicht von sich zu stoßen und sich angewidert über den Mund zu fahren. Sie zog ihn näher zu sich und spielte mit seiner Zunge. Während Carry im Kuss vertieft war und leise seufzte, suchte er mit den Augen den Raum weiter ab. Nur kurz schloss er die Augen und küsste sie zurück, um den Schein zu wahren. Noch bevor er sich in dem Kuss gedanklich verlor, setzte sein schlechtes Gewissen ein und ließ ihn an Lily denken. Das war seine einzige Rettung. Carry küsste ihn immer beharrlicher. Ihm blieb keine Wahl. Er musste mehr Körpereinsatz bringen, wenn sie ihm die Nummer abkaufen wollte. Er strich ihr vorsichtig über den Hals und berührte dabei sanft ihr Ohr. Zärtlich küsste er ihre Wange. So gut er auch versuchte das Gefühl zu verdrängen, er kam sich mit jeder Berührung schmutziger vor. Carry öffnete den Knoten seiner Krawatte und erlöste ihn von dem Stoff. Das Gefühl nicht atmen zu können wurde noch schlimmer, auch wenn der schwarze Strick fort war. Sie drückte ihn auf das Sofa und beugte sich über ihn. „Wollten wir nicht zusammen Essen gehen?“, fragte er vorsichtig, während sie ihm die Weste öffnete und sich dann den Knöpfen seines Hemdes widmete. „Du bringst mein Blut in Wallung, Ronald Knox“, flüsterte sie und strich über den Verband, der seine Wunde verdeckte. „Das ist schon lange her, seitdem mir das passiert ist.“ „Carry…das…das ist verrückt…“ „So verrückt, wie meine Gerüchte, um diese Kleine aus dem Weg zu schaffen?“, flüsterte sie. „Deine?“ „Ja…was denkst du denn?“ Ronald schüttelte den Kopf und unterdrückte den Drang, sie von sich zu stoßen und anzuschreien. Ihm fiel auch keine passende Antwort ein, weshalb er sie nur zu sich zog und küsste. Diesmal war es ein tieferer Kuss, bei dem seine Zunge spielerisch die ihre berührte. Er hatte ihr ein Geständnis entlocken können. Alle Gerüchte stammten von ihr. Aber er brauchte Beweise. Er brauchte ihr Lebensbuch. „Ich habe dich so vermisst, während du weg warst…“, seufzte sie und strich seine Brust mit dem Finger entlang. „Ich dich auch…es war so einsam ohne dich…“, erwiderte er und ließ den Blick kurz zur Seite schweifen. Ronald musste sich kurz fassen, um sie nicht Lily zu nennen. Seine Augen erfassten ein ledergebundenes Buch mit Carry Montroe auf dem Buchrücken. Da lag es! Er hatte ihr Lebensbuch gefunden. Sie hatte es unter den Tisch gelegt gehabt. Jetzt musste er sie nur genug ablenken, um daran zu kommen. In seinem Kopf entstand ein waghalsiger Plan. „Sag mir, was du willst, Carry“, flüsterte er, „Ich gebe mich dir hin, mit Körper und Seele.“ Sein nächster Kuss war zarter und es kostete ihn alle Mühe sich vorzustellen, sie wäre Lily. „Ich will dich, Ronie.“ Ronald lächelte und richtete sich etwas auf. Die Haut auf der Brust spannte ein wenig dabei und sein Rücken zitterte. Er zog schnell sein Jackett aus und legte es auf den Boden ab, während er sie in einen Kuss verwickelte. Carry rutschte auf seinen Schoß und keuchte leise. „Ich glaube, wir sollten ins Schlafzimmer gehen. Was sagst du dazu?“ Ronald nickte vorsichtig und sie stand von seinem Schoß auf. Als sie seine Hand nahm, konnte er fühlen, dass ihre warm war und feucht. War Carry etwa nervös? Weshalb war ihre Handfläche feucht oder war es doch seine? Unauffällig wischte er seine Hände an der Hose ab, als sie ihn los ließ. Er war noch nie in ihrem Schlafzimmer gewesen und er hatte sich nie Gedanken darüber gemacht, wie es aussehen würde. Der Geruch von ihrem Parfüm war hier noch stärker zu riechen und er musste ein Niesen unterdrücken. Das Bett war mit einer blumigen Bettwäsche bezogen und mehrere Kissen in unterschiedlicher Größe lagen darauf. Er kam sich vor, wie im Zimmer einer Prinzessin. Es war ganz anders als Lilys. Alles war ordentlich und auf dem Nachtschrank lag ein kleiner Spiegel und ein paar Cremes. Ronald hatte kaum Zeit sich alles anzusehen, da zog Carry ihn am Handgelenk auf das Bett. Sie rutschte wieder auf seinen Schoß und zog sich das fliederfarbene Halstuch aus. Der Ausschnitt ihrer Bluse war viel zu tief und sie zog auch diese aus. Ronalds Gesicht rötete sich. Er blickte ihr unverwandt in die Augen und versuchte sich nicht ablenken zu lassen. Ihre Hand strich seinem Bein entlang und glitt immer weiter in Richtung Gefahrenzone. Ronald schluckte schwer und schloss die Augen, was Carry als wohlwollen seinerseits verstand. Innerlich betete er um Erlösung. Sie öffnete seinen Gürtel und knöpfte den Knopf auf. Er hörte das Surren des Reißverschlusses. Ihr warmer Atem streifte sein Ohr. „Das wird dir gefallen, mein Liebster.“ Ein Schauer lief ihm über den Rücken. Es gehörte nicht zu den angenehmen Gefühlen, sondern zu denen, bei dem man sich stundenlang unter der Stunde stellen möchte, um es abzuwaschen. Carry küsste seinen Hals und ihr Mund glitt über seine Brust. „Du bist viel zu verkrampft…entspann dich…“ Ronald seufzte und er konnte nicht verhindern, dass sie genau wusste, wie sie bei ihm körperliche Reaktionen auszulösen hatte. Er zwang sich zur Konzentration und starrte auf den Bettpfosten. Mit den Augen fuhr er das Muster nach. Carry fuhr mit der Zunge über seine Brustmuskeln, während ihre Hand über seine Wade fuhr. Die Holzmaserung erinnerte ihn an ein schiefes Kreuz. Er tat das für Lily und durfte jetzt nicht nachgeben. Sein Körper gehorchte ihm und nicht umgekehrt. Er war der Herr über diesen Körper und diese Frau würde bei ihm keine lustvollen Gefühle auslösen. Ihr Mund hatte seinen Bachnabel bereits hinter sich gelassen und ihre Finger berührten den Saum seiner Unterhose. Ein Lautes Klopfen ließ Carry hochfahren und auch Ronald zuckte zusammen. Sein Herz klopfte laut und schwer in seiner Brust. „Erwartest du jemanden?“, fragte er mit schwerem Atem. War das Eric, der ihn herausholen wollte? Oder war es Grelle, der sie unterbrach, damit er seine Wette nicht gewinnen konnte? Carry sah ihn misstrauisch an. „Nein, ich erwarte niemanden. Meine Freundinnen wissen, dass ich heute Abend nicht gestört werden will.“ Ronald sah sie fragend an. Es war erneut ein Klopfen zu hören. Diesmal lauter und ungeduldiger. Für einen Augenblick war es still und im nächsten Moment war ein lautes Krachen zu hören. Jemand stampfte über den Boden auf das Schlafzimmer zu und riss die Tür auf. „Was zum Henker tun Sie hier? Was denken Sie sich dabei?“ Carry gab einen erschreckten Aufschrei von sich und sprang von seinem Schoß herunter. Sie presste die Bluse an ihre Brust „Was suchst du in meinem Zimmer, du kleiner Bastard?“, fauchte Carry. Nakatsu antworte nicht auf ihre Frage, sondern ging durch das Zimmer auf Ronald zu. „Shinamoto…was suchen Sie hier?“, fragte er verwirrt und konnte nicht verhindern, dass er rot wurde. Nakatsu funkelte ihn wütend an und holte zum Schlag aus. Einen Moment später spürte Ronald einen kräftigen Schlag auf der Wange. „Was fällt dir ein, so mit einem Mentor umzuspringen?“, fuhr Carry ihn an und sprang vom Bett auf. „Das ist kein Mentor“, antwortete er kalt, „Nur ein Scheißkerl.“ „Shinamoto…“, versuchte Ronald anzusetzen und richtete sich im Bett auf. Schnell knöpfte er seine Hose zu. „Schämen Sie sich nicht?“, unterbrach ihn Nakatsu. „Was denken Sie sich nur dabei! Ich hatte ernsthaft geglaubt, Carry würde lügen…Aber als Sutcliffe es in der Mensa erzählt hat…ich dachte, ich höre nicht recht…Wie gut, dass ich nachgesehen habe. Ich weiß, wieso ich Ihnen nicht geglaubt habe!“ Ronald sah den Schüler vor sich verwirrt an. „Nicht geglaubt? Wie…Beruhigen Sie sich erst einmal und lassen Sie uns das draußen klären.“ Er stand vom Bett auf und schloss schnell ein paar Knöpfe seines Hemdes. „Ronie, wo willst du hin?“, fragte Carry und rutschte zum Bettende. Sie hielt seine Hand fest. „Ich bin gleich wieder da, Liebes“, flüsterte er ihr zu und küsste ihren Handrücken. Er zwinkerte ihr verführerisch zu und wandte sich Nakatsu zu. Nakatsu holte bereits Luft für die nächste Schimpftirade, aber Ronald zog ihn am Kragen mit aus dem Schlafzimmer. Er schloss die Tür hinter ihnen und ging schnell zum Sofa, ums eine Krawatte und das Jackett zu holen. „Mitkommen“, sagte Ronald nur und wies Nakatsu an auf den Flur zu gehen. Leise schloss er die Wohnungstür und ging zum Treppenhaus des Wohngebäudes. Er drückte das Jackett an sich. „Was ist hier los?!“, fuhr Nakatsu fort. „Sie lügen selbst Lily an! Kommen Sie sich nicht schäbig vor? Von wegen Sie haben Ihre Lektion gelernt! Von wegen Sie fassen sie nicht mal mehr mit einer Kneifzange an!“ Ronald seufzte genervt und drückte Nakatsu gegen die Wand des Treppenhauses. Er hatte ein Hand auf seinen Mund gelegt. „Seien Sie endlich still!“, zische Ronald wütend. „Wollen Sie Carry darauf noch aufmerksam machen oder einen ihrer Tanten? Es ist alles ganz anders als Sie denken! Also beruhigen Sie sich!“ Ronald sah sich nach allen Seiten aufmerksam um. „Ich lasse Sie jetzt los und dann reden wir leise weiter.“ Nakatsu nickte und er löste langsam seine Hand von dessen Mund. „Deswegen war ich bei Carry im Bett…“ Er hielt sein Jackett hoch und zog den Stoff von dem Buch. „Das ist…“ „Carrys Lebensbuch“, beendete er den Satz. „Sie haben es Ihr gestohlen?“ Ronald nickte und ging die Treppe herunter. „Ich muss es jetzt schnell zu Spears bringen, ehe Carry dahinter kommt, dass das alles nur eine Farce war.“ „Dann ging es gar nicht von Ihnen aus?“ „Natürlich nicht“, gab Ronald zurück und verzog dabei das Gesicht. „Das war alles nur, damit ich an das Buch komme. Sie waren sogar meine Rettung. Ich will mir nicht vorstellen, wie weit ich hätte gehen müssen ohne Ihr Timing.“ Er schauderte und lief schneller. Das Buch hielt er fest in den Händen. „Dann war das ein Auftrag von Spears?“ „Ganz genau. Gehen Sie jetzt also besser zurück in Ihr Zimmer und verhalten Sie sich ruhig. Es kann sein, dass Carry schneller als geplant dahinter kommt und Terror macht. Zur Not gehen Sie zu Eric. Er wird Ihnen sonst gerne behilflich sein. Ich muss mich jetzt beeilen.“ Mit diesen Worten rannte er die Etagen hinunter und über den Gehweg zur Society. Er wusste, wie er aussah. Die Haare zerzaust, die Kleidung unordentlich und sicherlich hatte ihr Lippenstift auch seine Spuren hinterlassen, aber das war ihm egal. Die Mission war erfüllt. Ronald beeilte sich die Treppen nach oben zu gelangen, wo Spears Büro lag. Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Zehn Minuten waren bereits um und er konnte sich gut vorstellen, dass Carry ungeduldig wurde. Er musste sich beeilen, ehe sie hinter all dem kam und ihn aufsuchen würde. Das Theater wollte er sich nicht ausmalen. Hoffentlich ging es Shinamoto gut und er war so klug gewesen, sich Hilfe bei Eric zu suchen? Wie hatte es nur soweit kommen können, dass seine Freunde und er auf Carrys Abschussliste standen? Als er vor Spears Büro stand, machte er sich nicht die Mühe zu klopfen, sondern öffnete einfach die Tür und ging hinein. Sein Atem ging schnell und seine Kehle fühlte sich ausgetrocknet an. „Knox“, war die knappe Begrüßung von seinem Vorgesetzten, „Was wollen Sie?“ Ronald ging auf den Schreibtisch zu und hatte Mühe seinen Atem unter Kontrolle zu bekommen. Er räusperte sich und legte William das Lebensbuch auf den Tisch. „Ich habe es.“ William nahm es in die Hand und musterte es. „Ausgezeichnet. Sehr gute Arbeit.“ Die kühlen Augen seines Chefs fielen über seine unordentliche Kleidung. „Möchte ich wissen, wie Sie das geschafft haben?“ Ronald schüttelte den Kopf. „Ich schätze aber, dass es mit Körpereinsatz war?“ William stand auf und ging zu dem kleinen Tablett, was auf einem Side Board stand. Er goss etwas Wasser in ein Glas und reichte es Ronald. Dankend nahm er es an und trank es in einem Zuge leer. „Sie haben am Hals und am Mund Lippenstift“, meinte Spears auf seinen fragenden Blick hin. Ronald wischte sich über den Hals und Mund. Sein Handrücken hatte eine leichte rötliche Färbung angenommen und er fluchte innerlich. Die Dusche würde für einige Zeit nachher in Benutzung sein, das konnte er schon jetzt sagen. „Mr. Spears…“, fing Ronald vorsichtig an, „Da wir jetzt Carrys Lebensbuch haben, ist doch McNeils Unschuld klar, oder? Und auch meine?“ „Davon können wir ausgehen.“ „Carry hatte mir gegenüber auch gestanden, dass es ihre Gerüchte waren“, sagte er schnell und ignorierte sein schnell schlagendes Herz. William nickte. „Sehr gut. Dann wird das hoffentlich reichen, um vor Gericht stand zu halten.“ „Mr. Spears…wäre…wäre es vielleicht dann möglich, dass…“ „Dass Sie wieder der Mentor von McNeil werden?“, fragte William und setzt sich hinter seinen Schreibtisch. „Nun, das kommt ganz darauf an, ob sie sie finden. Morgen stelle ich einen Suchtrupp zusammen. Solange Sie, Sutcliffe, Slingby und Humphries verletzt sind, werde ich andere Leute beauftragen müssen.“ „Mr. Spears…“ „Sie wollen, dass ich Ihnen den Job jetzt schon wieder gebe, oder?“ Ronald nickte zaghaft und sah auf den Boden. „Sie sind ziemlich ungeduldig. Gehen Sie in Ihr Büro und dann reden wir darüber weiter, sobald McNeil gefunden wurde.“ „In mein Büro? Ich versteh nicht…“ Verwirrt sah er William an und richtete seine Brille. „Ich dachte, ich kann jetzt zurück ins Wohnheim gehen und mich duschen, etwas schlafen und dann morgen bei der Suche helfen?“ William schloss das Lebensbuch in seinen Schreibtisch ein. Bei den Worten blickte er erschrocken auf. „Was?“ „Mein Zimmer, mein Bett.“ „Das habe ich schon verstanden, Mr. Knox. Aber es scheint Ihnen wohl entgangen zu sein, was für ein Charakter Miss Montroe hat. Sie wird Sie suchen? Ich denke, Sie haben sich an der brenzligsten Stelle aus dem Staub gemacht?“ „Naja, ich könnte auch zu ihr gehen und sagen, ich zu Ihnen musste und jetzt einfach nur meine Ruhe möchte. Dann würde Carry nicht ganz so ausflippen.“ „Das ist das Verrückteste, was ich bisher gehört habe und Mr. Sutcliffe gibt ja schon einiges von sich.“ „Aber wenn ich gar nicht zurück gehe, wer weiß, was sie dann anstellt! Wenn sie aber weiß, dass ich da bin, wird sie die Füße still halten und vielleicht erst in ein paar Stunden merken, dass das Lebensbuch weg ist!“ „Mr. Knox…“ Er schaute ihn für einen Augenblick ernst an, dann schüttelte er gedankenverloren den Kopf. „Sie gehen da nicht alleine rüber.“ „Aber…“ „Wenn Sie nicht ins Wohnheim zurückkommen, bin ich derjenige, der der Personal- und Verwaltungsabteilung erklären muss, wie ein Mitarbeiter zwischen Society und Wohnheim verschollen konnte. Die Unmengen Papierkram will ich mir nicht antun und erst recht nicht Rechenschaftsbericht!“ Ronald verzog ein wenig das Gesicht. Es hätte ihn schwer gewundert, wenn William sich wirkliche sorgen um ihn gemacht hätte. „Aber was ist mit der Suche nach McNeil? Ich kann doch nicht tatenlos hier rumsitzen! Vor allem dann nicht, wenn ich wieder ihr Mentor sein will!“ „Mr. Knox, ich habe nicht gesagt, dass ich Ihnen den Posten zurück gebe. Nicht nach allem, was passiert ist. Ich überlege sogar, diese Arbeit bei McNeil selbst zu übernehmen oder es bei Mr. Sutcliffe zu belassen. Was Sie jedoch betrifft…Sie könnten von Mr. Shinamoto der Mentor werden. Seiner wird alt und wird uns bald verlassen. Sie sind im selben Alter. Es dürfte doch keine Probleme damit geben.“ „Keine Chance!“, erwiderte Ronald. Allein der Gedanke, dass er Shinamoto unterrichten würde müssen, bereitete ihm Entsetzten. „Mr. Knox, Sie haben es vielleicht immer noch nicht begriffen. Sie und McNeil stecken in ernsten Schwierigkeiten! Miss Montroe ist es bitter ernst, McNeil aus dieser Society zu kriegen und ihr ist es egal, ob tot oder lebendig. Diese Gerüchte waren nur der Anfang. Das war für sie nur eine Aufwärmübung. Ich kann sie nicht einfach so wieder Mentor von McNeil sein lassen. Warum ist es Ihnen auch so wichtig, bei wem? Seien Sie froh, dass Sie nach der ganzen Sache überhaupt noch einen Schüler kriegen.“ „Mir ist die Sache wichtig, weil…“ Noch ehe er den Satz zu Ende sprechen konnte, wurde die Tür aufgestoßen. Eric betrat das Büro von William und er hielt Carry mit beiden Armen fest. Sie kreischte und zeterte. Ihre Bluse hing mehr schlecht als Recht an ihr und ihre ordentlichen Haare waren zerzaust. „Mr. Spears, ich hab Carry dabei erwischt, wie sie in mein Büro einbrechen wollte.“ Eric hatte Mühe sie fest zu halten, das konnte Ronald deutlich sehen. Sie wandte sich unter seinem Griff und versuchte ihn mit den Nägeln zu erwischen. Erics Arm war voller Kratzspuren, als hätte er sich mit einer wilden Katze angelegt. An einer Stelle war deutlich zu erkennen, dass sie ihn gebissen hatte. „Wirklich?“, fragte Spears und sah Carry aus kalten Augen an. „Lasst mich los! Ich habe nichts getan!“, keifte sie. „Ich will doch nur mein Lebensbuch zurück, was dieser elende Arsch mir gestohlen hat!“ „Seien Sie ruhig, Miss Montroe und benehmen Sie sich!“, fuhr William sie an und Carry hielt still. „Mr. Knox hat in meinem Auftrag gehandelt.“ „Was?“ Ihre Augen richteten sich auf Ronald und sie funkelte ihn hasserfüllt an. „Also war alles gelogen? Du hast mich benutzt und angelogen! Du hast mir nur Lügen erzählt! Von wegen McNeil bedeutet dir nichts!“ Ronald trat näher an sie heran. „Wie du mir, so ich dir. Denkst du ich lasse deine Gemeinheiten auf mir sitzen?“ Carry gab einen abfälligen Laut von sich. „Du meinst wohl eher auf dein geliebtes Schätzchen von Schülerin?“ „Was soll das bedeuten?“, fragte William. „Gar nichts…“, nuschelte Ronald schnell. „Gar nichts? Das sehe ich ganz anders!“, kreischte sie. „Meine Gerüchte sind sicherlich nicht nur wahllos daher gesagt, mein Lieber! Ich bin mir so ziemlich sicher, dass du auf McNeil stehst, aber wenn ich dich nicht kriege, wird es auch kein anderer!“ „Ist ja hoch interessant…“, hörte Ronald Spears sagen. „Ich habe in deinem Buch gelesen als du weg warst. Ich weiß es. Ich weiß alles über dich!“ „Ach und das wäre?“, fragte Ronald und versuchte seine Angst zu überspielen. „Etwa, dass ich mir Sorgen um McNeil gemacht habe? Ich denke, das ist kein Geheimnis und auch nicht weiter schlimm.“ „Davon spreche ich auch nicht…“ „Mr.Spears, ich denke, wir sollten Carry unter Arrest stellen. Was denken Sie?“, mischte sich Eric ein und sah Ronald warnend an. William nickte. „Eine gute Idee. Bringen Sie sie auf ihr Zimmer und sorgen Sie dafür, dass sie dort bleibt bis die Untersuchungen abgeschlossen sind.“ Spears wandte sich kurz an Ronald zu. „Sie können dann auch gehen, Mr. Knox.“ „Ach ehe ich es vergessen…“, sagte Eric und zog etwas aus seinem Jackett heraus. Er überreichte es Ronald. „Sie muss wohl auch in deinem Büro eingebrochen sein und dein Buch genommen haben. Sie hatte es bei sich als sie bei mir eingebrochen war.“ „Bewahren Sie es gut auf“, kam es nur kühl von William. Er nickte und drückte das Buch an sich, als wäre es der größte Schatz der Welt. Carry fing an zu lachen und Eric musste sie festhalten, damit sie nicht zu Boden fiel. „Ich liebe sie…“, lachte sie lautstark, „Ich wette, sie vögelt schon längst diesen Bestatter!“ Ronald zuckte zusammen. Carry hatte aus seinem Lebensbuch zitiert. „Woher weißt du, dass er Bestatter ist?“, fragte Eric wütend und nahm ihm die Frage ab. „Ich weiß es eben. Aber ich habe schon zu viel gesagt.“ Stur sah sie jetzt zu Boden und allen war bewusst, dass sie nichts mehr aus ihr heraus kriegen würden. Ronald verabschiedete sich und beschloss einen Abstecher zu seinem Büro zu machen. Der Türgriff fühlte sich locker in seiner Hand an und es war schlimmer als jeder Zettel oder Gerücht. Das Büro war ein Trümmerhaufen. Es sah aus, als wäre eine Bombe eingeschlagen. Was nicht zerstört worden war, war auf einem Haufen geworfen. Die Akten von seinem Schreibtisch lagen in Papierfetzen auf dem Boden zerstreut. Der Tisch von Lily war mit Kratzern übersäht und in Großbuchstaben war dort „Schlampe“ eingeritzt. Die Bücher waren aus dem Regal gerissen worden. Sie lagen unordentlich auf einen Haufen. Ein paar Seiten lagen zerstreut und rausgerissen über dem Boden. Eine Uniform, die er zur Reserve hier hängen gehabt hatte, war in Stofffetzen gerissen und lag auf dem Tisch. Langsam stieg er über das Chaos und ging um den Schreibtisch herum. Seine Schubladen waren aufgerissen worden und er sah kleine Holzsplitter auf dem Boden liegen. Das Schloss war aufgebrochen worden von der Schublade, in der sein Lebensbuch gelegen hatte. Ronald seufzte, aber es ließ sich nicht mehr ändern. William würde nur ziemlich sauer werden über die zerstörten Akten und das Geld für eine neue Uniform würde er ihm vom Gehalt abziehen lassen. So viel zum Thema, er wäre hier sicher vor Carry. Ronald war froh, dass er zu diesem Zeitpunkt bei William war. Er verließ das Chaos und machte sich nicht die Mühe die Tür hinter sich zu schließen. Mit schnellen Schritten ging er zurück ins Wohngebäude. Sein Herz klopfte schnell vor Angst, dass Carry in sein Zimmer eingebrochen war und auch dort so eine Unordnung veranstaltet hatte. Mit dem Fahrstuhl fuhr er schnell nach oben und sah sich in dem Gang um. Alle Türen waren verschlossen und es wirkte friedlich. Vorsichtig ging er zu seiner Zimmertür und berührte den Knauf. Alles war in Ordnung. Die Klinke saß fest, das Schloss war heile und die Tür immer noch eingerastet. Ronald zog seinen Schlüssel aus der Tasche und schloss vorsichtig auf. Ein erleichterter Seufzer entfuhr ihm. Alles stand noch genauso da, wie er es verlassen hatte. Über dem Sofa hin eine getragene Uniform und auf dem Tisch stand ein halb leer getrunkenes Glas mit Wasser. Über der Lehne des Schreibtischstuhls hing sein feuchtes Handtuch vom Duschen. Er schloss die Tür und lehnte sich erleichtert dagegen. Er stieß einen weiteren Seufzer aus. Diesmal klang er erschöpfter. „Was für ein Tag…“, murmelte er und ließ sich zu Boden sinken. Ronald drückte sein Lebensbuch fest an sich. Carrys Satz ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Sie hatte es gelesen. Sie hatte die Stelle gelesen, als er zu dem Mönch gesagt hatte, dass er sie liebte. Ronald drückte seine Stirn gegen den Einband und konnte den Geruch von Tinte, Papier und dem Ledereinband riechen. „Wo bist du nur, Lily?“, murmelte er und schloss die Augen. Er kam sich wie ein Versager vor, denn er hatte sie nicht beschützen können. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)