Carlisle von _stern_ (Tales from long ago... oder so ähnlich :-)) ================================================================================ Kapitel 2: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg --------------------------------------------- Ich musste eine endlose Strecke hinter mich gebracht haben. Der Durst nach menschlichen Blut nahm überhand und ich riet keinem auch nur annähernd in meine Nähe zu kommen. Wie lange hatte ich für die Strecke gebraucht? Ich hatte mich an Schleichwege gehalten, versucht mich an der Umgebung zu orientieren, um nicht zurück zum Dorf zu gelangen. War ich weit genug weg? Der Duft traf mich aus heiterem Himmel und raubte mir den eh schon vernebelten Verstand. Er war so appetitlich, so wundervoll und unglaublich einnehmend, dass mir das Wasser im Mund zusammen lief. Doch der Geschmack war zu bitter für Speichel. Ich war nicht länger ein Mensch, meine Drüsen sezernierten keine wässrigen Sekrete mehr, deren einziger Sinn das Zersetzen der Nahrung war. Das Gefährlichste an menschlichen Speichel waren die Bakterien, welche bei zuckerhaltiger Nahrung zahnschädigende Substanzen ausschieden, doch die Flüssigkeit in meinem Mund zerstörte mehr als nur den Schmelz. Dieses Gift zerstörte Gewebe, Leben, Seelen. Ich wollte weg. Weg von dem armen Opfer, welches nichtsahnend seinen Wanderweg beschritt. Ich musste zu Ende bringen, was der Vampir nicht vollbracht und dessen ich mich entzogen hatte. Ich musste mich töten. Ein Vampir der Selbstmord beging. Gab es einen direkteren Weg in die Hölle? Ich sah den Teufel schon die Streckbank ölen. Nicht weit von mir nahm ich das Rauschen des Wassers wahr. Es brauchte keine drei Sätze und ich stand auf der Klippe. Wie perfekt, wie geradezu herausragend für mein Vorhaben. Mehrere Dekaden an Metern tief, der Boden bestückt von scharfem Gestein, darunter Meer. Sollten mich die Felswände nicht zerreißen, würden die Steine die Arbeit erledigen und wenn auch die aus welchem gottverdammten Grund auch immer ihren Dienst verweigerten, würden mich die Fluten erledigen. Ich stellte meine Füße an den Rand der Klippe. Von hier Oben sah es noch tiefer aus. Nicht bedrohlich, ganz im Gegenteil, erlösend, befreiend. Ich schloss die Augen und sprang. Auf in die Hölle. Es war ein wundervoller Gedanke. Ich sollte das erhalten, was ich verdiente. Ich spürte den Luftzug an meinen Ohren, das zerbersten von Stein und dann... nichts. Ich öffnete die Augen. Mein Körper befand sich unter Wasser. Die Wellen schlugen über mir zusammen. Die Stille des Ozeans hatte etwas Beruhigendes. Ich verweilte einige Minuten unter Wasser und genoss die Leere, die dieses in mir auslöste. Mehrere Minuten waren vergangen und nichts passierte. Ich brauchte keine Luft. Ich schwebte in der Unendlichkeit des kühlen Nass und hatte es nicht geschafft. Wut breitete sich in mir aus und ich schlug mit den Armen. Die Bewegung beförderte meinen viel zu schweren Körper an die Oberfläche. Mein Blick auf das Gestein ließ mich stutzen. Es war zerbrochen. Mehrere Massen und mein fragiler Körper hatten sie durchstoßen, wie ein Messer ein Stück Brot zerschnitt. Wütend schwamm ich durchs Wasser. Mein Körper glitt voran, wie als wäre er an das marine Leben angepasst. Schneller als gedacht erreichte ich das Ufer. Wie bitte konnte das geschehen? War meine Haut so stabil? Ich nahm einen Stein vom Boden und warf ihn mit meiner ganzen Kraft auf einen Fels um ihn zum absplittern zu bringen. Er durchdrang ihn in der Mitte und ließ ein Loch zurück. Ich war ein noch größeres Monster als ich dachte. Ungeheure Kraft und sie war in meinen Händen, in den falschen. Ich brach mit der bloßen Hand ein Stück Stein aus dem Fels. Es war derartig spitz und scharf, dass es locker durch jedes Gewebe dringen musste. Mit der unmenschlichen Kraft eines Verdammten zog ich mir den Stein über die Pulsadern. Ich versuchte ihn in meinen Magen zu rammen, schlug ihn mir gegen die Stirn. Nichts. Ich hatte nicht einmal einen Kratzer. Was man von dem Stein nicht behaupten konnte. Er war fast gänzlich zerstört. Ich ließ mich in den Sand sinken, mein Gesicht in den Händen und begann zu weinen. Ich versuchte es zumindest. Keine einzige Träne verließ meinen Augenwinkel. Wütend zerschlug ich den Fels in seine Einzelteile und lief in den Wald. Ich wusste nicht wo ich mich befand und nicht wohin ich lief, doch ich fand einen Schuppen im Wald in dem ich mich verschanzte. Warum? Warum ließ Gott dies zu? Was hatte ich getan? Warum war mir dieses Leben, insofern man es als solches bezeichnen konnte zugeschrieben worden? Mir war nicht einmal der Freitod gegönnt. Mein Blick fiel auf ein Seil. Robust, stark. Ich schlang es um die Balken des Schuppens und stellte mich auf einen klapprigen Stuhl. Mein Genick zerbrach nicht als ich den Stuhl umstieß, dafür aber der Balken und ich wurde unter den Überresten des Schuppens begraben. Unter dem Schutt kugelte ich mich zusammen und schloss die Augen. Ich hatte seit mehreren Tagen nicht geschlafen. Schlaf war Erlösung. Daher hatte ich ihn ebenso wenig verdient wie diese. Und er kam nicht. Also lag ich einfach nur da. Stundenlang. In den darauf folgenden Woche fraß ich mich durch die Giftpilze des Waldes, trank Weihwasser aus einer abgelegenen Kirche, sprang von Brücken, stürzte mich von Hausdächern und Anhöhen, doch es brachte nichts. Am sinnlosesten war der Versuch, mir mit meiner eigenen Kraft das Genick zu brechen. Als die Sonne hinter den Wolken hervorbrach, keimte in mir die Hoffnung nach einem Ende auf und euphorisch sprang ich auf eine Lichtung, um mich von den unbarmherzigen Strahlen vernichten zu lassen. Doch auch das war mir nicht vergönnt. Stattdessen erkannte ich im hellen Licht eine erneute Abartigkeit. Ein Glanz der von meiner Haut ausging und mich noch unnatürlicher, noch monströser aussehen ließ. Ich hatte seit meiner Verwandlung kein Blut zu mir genommen und war ausgezehrt. Vielleicht war das die Lösung. Ich setzte mich auf einen Stein im tiefsten Inneren des Waldes und verharrte dort mehrere Tage. Wenn ich mich nicht auf die alt hergebrachte Art töten konnte, würde ich mich eben aushungern. Nach einer Woche war der Durst so übermannend, so allumfassend, dass ich mich hätte auf dem Boden wälzen können um den Schmerz in meinem Hals zu stillen. Es war ein kleines Reh, dass sich verirrt hatte. Es roch nicht appetitlich, nicht annährend so köstlich wie ein Mensch, doch das pulsierende Blut ließ meinen Instinkt durchbrechen und ich gab nach. Ich erwartete nichts, keine Linderung, keine Erlösung. Um so erstaunter war ich, dass sie trotzdem eintrat. Mein Durst war nicht gänzlich weg, dafür hatte ich zu wenig Blut aufgenommen, doch das Tierblut hatte eine ähnliche Wirkung, wie das eines Menschen auf mich. Der Schmerz war weniger stechend geworden. Die lodernden Flammen waren einem heißen Wasserschwall gewichen. Sollte es schlussendlich doch noch Hoffnung geben. War ich nicht früher oft Jagen? Hatte ich nicht schon früher Wild gegessen. Hatte ich doch noch eine Chance Erlösung zu erlangen? Ich begann die Suche nach weiteren Tieren, an denen ich mich sättigen konnte. Es war möglich, ich hatte eine Methode gefunden mich frei von Menschenblut zu ernähren. Nicht einfach und es würde einiges an Willenskraft erfordern, doch es war eine Möglichkeit. Langsam schloss ich das Buch, dessen Breite dem Umfang meines Armes gleich kam. Ich legte es schwungvoll auf den Stapel neben mir. Nachdem ich mich dem Studium der Philosophie hingegeben hatte, folgte das Studium der Medizin. Die Naturwissenschaften waren nicht weit entwickelt und manche Ausführungen und Praktiken waren wohl eher auf Vermutungen und nicht auf fundiertes Wissen zurückzuführen, doch vielleicht war das ein Weg, ein Weg meiner Seele Frieden zu schenken. Auch wenn mir Gottes Gunst bis in alle Ewigkeit verwehrt bliebe, so konnte ich doch auf diese Art und Weise Buße tun. Seufzend rieb ich mir die Augen, eine durch und durch überflüssige Geste, doch es löste meine versteinerte Position und ließ die Bibliothekarin in ihrem Glauben das ich durchaus menschlich war. Ihr Blut roch angenehm, doch durch die Arbeit mit verletzten Menschen, welche mich während des Studiums sämtliche Kraftressourcen und Widerstand gegen mein Selbst gekostet hatte und es immer noch tat, war es für mich mittlerweile ein Leichtes dem normal menschlichen Geruch zu widerstehen. Ich sah zu ihr und lächelte dankbar. Sie machte schon wieder Überstunden meinetwegen. Also brachte ich die Bücher zurück und machte mich bereit, den Heimweg anzutreten. Die Bibliothekarin schüttelte ihr Haar auf und raffte den Rock. Ich musste über ihr Verhalten schmunzeln. Für Menschen wirkte ich übernatürlich schön und vollkommen, doch ich ließ ihr Werben unbeachtet. Für mich hatte sie keinen Reiz. Schön war sie durchaus, doch mein versteinertes Selbst hatte keine Regung inne. Dieses Land konnte mir nichts mehr bieten. Ich war England überdrüssig. Obwohl ich noch lange keine Perfektion im medizinischen Bereich erreicht hatte und meine Selbstbeherrschung des öfteren ins wanken geriet, hatte ich ein Ende erreicht. Ich wollte mehr von der Welt sehen. Also entschloss ich mich nach Europa durchzuschlagen. Noch am selben Abend brach ich meine Zelte ab. Ich hatte nichts, was mich auf irgend eine Art festhielt, was mir das Gefühl des Bleibens vermittelte. Daher schwamm ich nach Frankreich und wanderte von dort aus nach Italien. Es war unglaublich wie viel Wissen ich auf meiner Reise mitnahm. Mehrere neue Sprachen, Kultur, Bräuche und doch vermochte der Raum in meinem Kopf nicht kleiner zu werden. Würde ich meinen Wissensdurst jemals gänzlich befriedigen können? Es schien mir schier unmöglich. All der Raum, all die Zeit, sie standen mir zu freien Verfügung. Ich hielt mich nie lange an einem Ort auf, sie gaben mir schon nach geraumer Zeit nicht mehr viel. Ich hatte niemanden mit dem ich mein Wissen teilen oder die Städte erkunden konnte. Es ödete mich an. Also setzte ich meine Reise unentwegt fort. Italien war wundervoll. Noch nie war ich so von Farbspiel und Kultur gefesselt. Das Meer war klar und auch wenn die Sonne es mir schier unmöglich machte tagsüber durch die Gassen zu flanieren, frönte ich dieser Leidenschaft nachts über. Ich fand eine Stadt zirka fünfzig Kilometer vom Mittelmeer entfernt, welche durch ihr landschaftliches Umfeld alles was ich derzeit in der Toskana gesehen hatte in den Schatten stellte. Die Gebäude waren fantastische Kunstwerke und die Höflichkeit der Menschen gab mir das Gefühl von Göttlichkeit auf Erden. Daher entschloss ich mich hier für eine Weile niederzulassen und meine Studien fortzusetzen. Ich saß am Rande eines Brunnens und verfolgte wie hypnotisiert das Spiel der Farben einer Gauklerin, welche sich mehrfach mit einem flammenden Ring um sich selbst drehte. Ihr Haare wirbelte umher und es war schier unglaublich das es in den züngelnden Flammen kein Feuer fing. Ich sah nicht auf als sich jemand neben mich setzte, doch aus den Augenwinkel erkannte ich eine schemenhafte Gestalt. „Verzeiht meine Aufdringlichkeit, ich will Sie nicht belästigen.“ ,die Gestalt neben mir war freundlich, die Stimme klar. Etwas Friedliches, doch gleichzeitig Bestimmendes füllte den wohlklingenden Ton seiner Stimme mit unglaublicher Autorität. Wenn er mich nicht belästigen wollte, was sprach er mich an? Er wartete eine Antwort ab, doch da ich mich eines Gespräches verwehrte, sprach er frohen Mutes weiter. „Ich möchte Ihnen nichts unterstellen und hoffe, dass Sie mich nicht missverstehen. Doch die Menschen dieser Stadt stehen schon seit Jahren unter Schutz. Daher würde ich Euch bitten, euren Hunger, sollte er zu übermächtig werden, außerhalb dieser Stadt zu stillen.“ Ich konnte ein kurzes, wohlklingendes Lachen nicht unterdrücken und blickte zu Seite. Der Mann neben mir war schwarzhaarig, hatte elfenbeinfarbene Haut, welche trotz der Perfektion brüchiger als die meine wirkte. Seine Augen waren von einem rubinfarbenem Rot. Als er meine Augen sah, schien er erstaunt. In seinem versteinerten Gesicht regte sich eine Neugier und etwas anderes, was mich kurzweilig ein wenig beunruhigte. Ein Ausdruck des Begehrens, nicht körperlich, eher wie ein Kind welches ein unvorstellbar interessantes Spielzeug erblickt hatte. Obwohl er mich beobachtet zu haben schien, waren ihm einige Details wohl entgangen. „Ich gedenke keinem Menschen hier ein Leid zuzufügen.“, meine Stimme war höflich, ruhig. Er lächelte ein nur allzu gütiges Lächeln. „Eure Ernährung weicht von der unseren ab?“, er versuchte es unbeeindruckt klingen zu lassen, doch konnte er die Neugier, das Verlangen nach neuen unentdeckten Erfahrungen nicht gänzliches aus seiner Stimme verbannen. „ Ich ernähre mich vorwiegend... vegetarisch... denke ich trifft es am ehesten.“ Von der Seite kam ein heiteres Lachen. „Ich heiße Aro und würde mich freuen Euch meiner Familie vorstellen zu dürfen. „Carlisle, es freut mich eure Bekanntschaft zu machen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)