Sehnsüchtiges Herz von xxNico_Robinxx ((Zorrobin)) ================================================================================ Kapitel 3: ... wie andere Frauen -------------------------------- Zorro New York 11. Mai 2012, 15:26 Uhr Was kannst du denn gebrauchen? Ich hätte bei dieser Frage laut aufstöhnen können. Der Kerl besitzt keinerlei Verhandlungsgeschick. Niemals – absolut niemals! – fragt man seinen Verhandlungspartner, was er gebrauchen könnte. Denn nicht nur, dass ihm dadurch sämtliche Türen für all seine Wünsche geöffnet werden, so behält man sich nicht einmal den kleinsten Spielraum für etwaige Verhandlungen wie das Runterdrücken des Preises vor. Man selbst wird quasi vor vollendeten Tatsachen gestellt. Entweder man bezahlt genau diesen Preis oder aber man bekommt nicht die gewünschte Dienstleistung. Aber Gott sei Dank ist unser Technikfreak keiner von der hellsten Sorte, wie mir scheint, so dass Sanji und ich lediglich einen – nun, ja – Dienstbotengang erledigen müssen. Es ist damit also eine machbare Aufgabe … eine lösbare Aufgabe … eine kostengünstige Aufgabe. Na ja, eigentlich eine Aufgabe, die doch eher zu einem Schlägertrupp passen würde als zu einem Exsoldaten der US Army. Wobei der Grad dazwischen nicht gerade übermäßig groß ist. Es kommt schließlich nicht gerade selten vor, dass Exsoldaten aufgrund ihrer Kampfausbildung gerne als Bodyguards, Türsteher oder als Sicherheitsleute irgendwo eingestellt werden. Dass dabei mal auch die Seite gewechselt wird, ist nicht gerade eine Seltenheit, da Gewalt stets ein fester Begleiter eines Soldaten ist. In umkämpften Kriegsgebieten ist es so, dass kaum ein Tag vergeht, an dem nicht die Schüsse der Panzer still liegen oder Explosionen die Erde zum Beben bringen. Dichter qualmender Rauch hüllt die Gebiete ein und macht den Tag zur Nacht. Immer muss man kampfbereit sein und den Finger am Abzug seiner Waffe halten. Und dann – wenn man plötzlich das Leben eines normalen Bürgers führen soll – steht man einer Welt gegenüber, die so völlig anders ist. Eine Welt, in der Gewalt nicht wie im Krieg ein Mittel zum Zwecke eingesetzt wird. Es ist eine Welt, in der man gänzlich anderen Feinden gegenübersteht – Feinden in Form des typischen Alltagslebens mitsamt seinen Herausforderungen, Problemen und Sorgen. Taten und Leistungen - und nicht Waffen! – bringen hier einen weiter. Doch hin und wieder kommt es vor, dass ein Exsoldat mit solch einem Leben überfordert ist, da ihm wirklich die Gewalt in seinem Leben fehlt, der er lange Zeit ausgesetzt war – und die ihm vielleicht sogar Spaß gemacht hat. Und der Job als Türsteher oder etwas in der Art wird ihn nicht gänzlich zufrieden stellen, da die Extreme, mit der solche Menschen Gewalt ausgeübt haben, in diesen Berufen nicht gegeben ist. Von daher ist es nur eine Frage der Zeit, bis dieser Exsoldat sich für ein kriminelles Leben entscheiden wird. „Wo ist die Warren Street?“ „Schau in der Straßenkarte nach“, antworte ich Sanji eher gelangweilt und weise mit der Hand auf das Handschuhfach hin, ohne dabei meinen Blick von der Autowerkstatt auf der gegenüberliegenden Straßenseite abzuwenden. Mal abgesehen davon, dass es mir nicht mal im Traum einfallen würde, dort meinen Wagen reparieren zu lassen – nur ein Mechaniker meines Vertrauens darf Hand an mein Baby legen –, so ist das Gebäude wirklich mehr als nur reif für die Abrissbirne. An mehreren Stellen bröckelt bereits der Putz von den Außenwänden, während die Fensterscheiben eingeschlagen sind und die Eingangstür schief in ihren Angeln hängt. Das große Werbeschild auf dem Dach scheint in seinen besseren Tagen wohl mal weiß gewesen zu sein. Heute jedoch ist es nur noch von einer dreckigen graugelben Schicht und von rotbraunen Rostflecken überzogen. Und auch der Vorhof hat mit seinem löchrigen Asphalt schon mal bessere Tage gesehen. Wenn man das alles also genau betrachtet, dann wäre das Grundstück eher als Müllkippe denn als Werkstatt von Nutzen bei all dem ganzen Unrat, der sich auf den freien Wiesenflächen angesammelt hat. Doch was will man von einer kleinen Hehlerbande auch groß erwarten, die ihren Lebensunterhalt damit verdient diverse Autos zu klauen und auszuschlachten, um die Teile schlussendlich an den Meistbietenden zu verkaufen?! „Shit“, flucht Sanji neben mir leise, so dass ich dann doch mal zu ihm herüberblicke. Tief in Gedanken versunken schaut er abwechselnd von der Straßenkarte in seiner Hand auf die Tageszeitung auf seinem Schoß. „Teure Gegend?“ Nachdem wir uns einen Parkplatz gesucht hatten, von dem aus wir die Werkstatt gut im Blickfeld haben ohne dabei selbst auffällig zu erscheinen, hatte Sanji die Gunst der Stunde genutzt und neben zwei Becher heißen abgestandenen Kaffees auch noch eine Tageszeitung besorgt. Seitdem ist er mit dem Studium der Wohnungsanzeigen beschäftigt. „Ist zwar jetzt kein exklusives Viertel, aber – ja, es übersteigt meine finanziellen Mittel.“ Seufzend lehnt er seinen Kopf an die Nackenstütze und reibt sich müde über die Augen. Mit leisen Gewissensbissen mustere ich sein viel zu blasses Gesicht und überlege kurz, den Motor zu starten und ihn zu seiner Schwester zu fahren, da Sanji wohl äußerst dringend Schlaf benötigt. Doch ein kurzer, dumpfer Schlag mit der geballten Faust, mit der Sanji die Seitentür malträtiert, hält mich dann doch davon ab nach dem Zündschlüssel zu greifen. „Die ganze Sache ist doch einfach nur Scheiße!“, flucht er halblaut ins Wageninnere hinein. „Ich habe keine Wohnung und ich habe keinen Job. Aber ohne Job kann ich keine Wohnung finanzieren. Und noch weitere Tage mit meiner Schwester zusammen zu wohnen, in einer so kleinen Wohnung, in der man sich bereits gegenseitig auf die Füße tritt, sobald man sich auch nur umdreht – Nein, danke! Ich liebe meine Schwester, ganz ehrlich. Aber ich würde dann doch lieber ein Jahr im Amazonas leben wollen, als noch einen Tag bei ihr.“ Aha, daher weht also der Wind, denke ich so im Stillen, wobei ich mir ein breites Grinsen nicht nehmen lassen kann. Mein Mitleid für ihn hält sich dabei allerdings in Grenzen, da Sanji während seiner vierjährigen Abwesenheit vergessen zu haben scheint, wie schwierig Nami sein kann – und ist. Von ihrer Art her ist sie schon immer dominant, bestimmend und herausfordernd gewesen, und alles muss nach ihrer Pfeife tanzen. Als Filialleiterin eines Drogeriemarktes kommen ihr diese Eigenschaften als Führungskraft sicherlich zu Gute, aber auf der zwischenmenschlichen Ebene sind es dann doch eher störende Faktoren. Denn nicht jeder lässt sich gerne herumkommandieren, wie es Nami das eine oder andere Mal bei mir erfahren musste. „Du kannst so lange bei uns wohnen, bis du was anderes gefunden hast“, schlage ich schließlich vor. „Robin wird bestimmt nichts dagegen haben.“ „Weißt du, daran hatte ich auch schon gedacht, aber …“ Sichtlich unangenehm lässt Sanji seine Worte offen im Raum stehen, bis ich ihm mit einem ungeduldigen Handzeichen auffordere seinen Satz zu beenden. Seufzend und mit zögernder Stimme spricht er schließlich weiter. „Also, bei eurer prekären Situation wäre ich da doch nur ein Störfaktor.“ „Prekären Situation?“, wiederhole ich völlig verdattert, während meine Augenbrauen schlagartig in die Höhe schnellen. Habe ich irgendwas verpasst, geht es mir durch den Kopf. Gleichzeitig versuche ich den Sinn hinter den Worten zu verstehen. „Na, komm schon“, kontert er augenblicklich mit einem vielsagenden Blick. „Du willst mir doch wohl nicht weiß machen, dass ihr beiden die Sache bereits geklärt hättet, oder?“ „Geklärt ist zwischen uns noch gar nichts. Aber das bedeutet nicht, dass Robin und ich nicht miteinander auskommen.“ Lange Zeit ist es still im Wagen, währenddessen Sanji mich aufmerksam mustert. Ich kann es förmlich vor mir sehen, wie es in seinen Gehirnwindungen arbeitet und er meine Worte, wie bei einem Frosch aus dem Biologieunterricht, seziert. „Überzeugung klingt anders“, meint er schließlich lapidar und zündet sich dabei eine Zigarette an. Durch die graubläulichen Rauchschwaden hinweg, blickt er mich dann mit hochgezogener Augenbraue fragend an. Um mehr Zeit zu schinden, greife ich nach dem Kaffeebecher und schlucke den mittlerweile kalt gewordenen Inhalt herunter. Dabei verkneife ich mir nur sehr mühsam ein Schütteln angesichts des bitteren Geschmacks, der meine Kehle hinab rinnt. Dieses Gesöff wäre im Ausguss besser aufgehoben als in meinem Körper, geht es mir kurz durch den Kopf, bevor ich meine Gedanken dann auf Sanjis unausgesprochene Frage richte. Über tiefgründige Gefühle zu reden – jemandem von seinen Problemen und Ängsten zu erzählen oder darüber, was man für jemanden empfindet –, ist noch nie so mein Ding gewesen. Von daher ist es mir auch schon immer schwer gefallen Gefühle überhaupt zum Ausdruck zu bringen. Doch die Unterhaltung würde unweigerlich in diese Richtung gehen, und dabei fühle ich mich alles andere als wohl. Aber welche andere Möglichkeit bleibt mir? Sicher, ich könnte versuchen Sanji zu ignorieren – wobei die Betonung hierbei auf versuchen liegt. Aber zurzeit liegt die Autowerkstatt einsam und verlassen da. Und wer kann schon sagen, wann jemand von der Bande auftaucht? Im Augenblick jedenfalls muss ich mich auf ein längeres Warten einstellen – und mit einem äußerst neugierigen Sanji kann diese Warterei sehr nervenaufreibend werden. „Also gut“, seufze ich schließlich und ergebe mich niedergeschlagen meinem Schicksal. „Das Verhältnis zwischen Robin und mir ist ziemlich angespannt, obwohl wir irgendwie miteinander auskommen können. Wir haben letzte Nacht das Thema kurz aufgegriffen und ich habe mich für mein Verhalten damals entschuldigt. Ich habe versucht ihr meine Gründe soweit zu erklären, wie ich nur konnte, aber … irgendwie scheint das nicht auszureichen.“ „Siehst du das etwa als dein Problem an?“, fragt Sanji mich ungläubig, während sich gleichzeitig ein grimmiger Zug um seine Augen legt. „Dass euer Verhältnis angespannt ist, obwohl du dich bei ihr entschuldigt hast? Angesichts dessen, wie lange ihr euch bereits kennt, hast du ihr damals nicht den nötigen Respekt entgegen gebracht, und sie stattdessen mit einem armseligen „Vergiss mich einfach“ abgespeist. Du solltest lieber froh darüber sein, dass sie noch mit dir redet. Andere Frauen an ihrer Stelle hätten dir die Tür vor der Nase zugeschlagen.“ „Aber genau das meine ich doch“, entgegne ich genervt, wobei ich die maßlose Wut, die mir von Sanji entgegenschlägt, geflissentlich ignoriere. „Robin ist nicht wie andere Frauen. Sie schreit mich nicht an. Sie setzt mich nicht vor die Tür. Sie versucht noch nicht einmal ihre Wut an mir auszulassen. Stattdessen ist sie freundlich und höflich – beinahe, als wenn nie was gewesen wäre. Aber sobald ich versuche diese … diese Distanz … zu überbrücken, zieht sie sich sofort wieder zurück. Ich weiß einfach nicht, wie ich mich ihr gegenüber verhalten soll, oder was ich sagen kann oder darf.“ „Also wäre es dir lieber, Robin wäre wie andere Frauen?“ Kurz lache ich leise und humorlos auf, während mein Blick durch die Windschutzscheibe hinaus auf die Straße wandert. Was die Situation zwischen Robin und mir angeht – ja, da würde ich mir schon wünschen, dass sie sich gänzlich anders benehmen würde … halt einer typischen Frau entsprechend, denn damit könnte ich eventuell umgehen. Aber sonst? – Nein! Anders möchte ich Robin gar nicht haben, denn dann wäre es auch niemals so weit zwischen uns gekommen. New York Eleanor Roosevelt High School 29. Mai 2001, 15:32 Uhr In vielen Filmen und Serien werden Schulen oft in irgendwelchen ruhigen und schicken Vororten gezeigt – mit einem riesigen Parkplatz vor dem Eingangsbereich, einem Denkmal für den Namensgeber und mit einer gewaltigen Grünfläche drumherum. Doch diese Darstellung trifft auf die Eleanor Roosevelt High School überhaupt nicht zu, da sie sich direkt in der New Yorker City befindet. Der Eingangsbereich liegt direkt an der Straße, und Parkplätze findet man mit sehr viel Glück in einen der Nebenstraßen ganz in der Nähe. Bei Schulschluss herrscht dann auf dem Gehsteig ein heilloses Durcheinander, sobald sich der Mob an Schülern in alle Himmelsrichtungen zerteilt. Die meisten von ihnen versammeln sich dann bei den Schulbussen, die mit brummenden Motoren abwartend in ihren Parkbuchten stehen. Andere wiederum begeben sich zu Fuß nach Hause oder werden von Eltern oder Geschwistern abgeholt. Nur die etwas älteren Schüler, zu denen auch ich gehöre, greifen auf ihren eigenen fahrbaren Untersatz – oder den ihrer Eltern – zurück. Grimmig und unter Einsatz meiner Ellenbogen kämpfe ich mich also durch dieses Gedränge, wobei mein Rucksack immer wieder an irgendjemandes Sachen hängen bleibt. Obwohl es nur drei, vier Schritte braucht, um den Straßenrand zu erreichen, benötige ich dennoch mehrere Sekunden, da der Schülersog mich immer wieder in eine andere Richtung mitzieht. Doch so geht es jeden Tag zu, so dass ich mich mittlerweile daran gewöhnt habe – was jedoch nicht bedeuten soll, dass es mich nicht nerven würde. Denn jedes Mal klingeln mir die Ohren bei dem ganzen Lärm, den meine Mitschüler verursachen. Wortfetzen über Lehrer, Hausaufgaben, Freunde, Partys und dergleichen hallen über den Mob hinweg und verursachen ein solches Stimmengewirr, dass man nicht mal mehr sagen kann, wer sich mit wem unterhält. Gerade als ich schnell zwischen zwei Autos die Straße überqueren will, bemerke ich aus den Augenwinkeln einen dunklen Haarschopf auf mich zukommen. Mit einem gequälten Gesichtsausdruck drängt sich Robin durch die Schülermasse zu mir. Der Riemen ihres Rucksacks ist ihr mittlerweile auf den Unterarm heruntergerutscht, und sie hat erhebliche Mühe die etlichen Bücher in ihren Armen nicht fallenzulassen. Schnell gehe ich ihr entgegen und nehme ihr die Last von den Armen ab, was sie mit einem erleichterten Lächeln quittiert. „Warst also mal wieder in der Bücherei“, stelle ich mit einem kurzen Blick auf die Bücher fest, die Titel wie Ägyptische Rituale der griechisch-römischen Zeit, Das Leben und die seltsamen Abenteuer des Robinson Crusoe und Das Manifest tragen. Meine Fresse, was für Schinken, geht es mir kurz durch den Kopf. „Ich hatte heute Mittag eine Freistunde“, erklärt mir Robin ein wenig atemlos, während wir mit ausgreifenden Schritten die Straßenseite wechseln. Angesichts ihres scheinbar unstillbaren Hungers nach Wissen kann ich nur stumm mit dem Kopf schütteln, doch überraschen tut es mich schon lange nicht mehr. Wenn wir nicht gerade was gemeinsam unternehmen, vergräbt sie ihre Nase stattdessen in Büchern, wobei sich ihr Interesse auf kein bestimmtes Gebiet bezieht. Sie liest einfach alles: Kunst, Geschichte, Theologie, Mathematik, Wirtschaft, Biologie, Politik und was es sonst noch alles gibt. Aber mir soll es recht sein, denn ihr unstillbarer Wissensdurst und ihr schnelles Verständnis von der Materie kommen mir dagegen zu gute, da ich sonst bei einigen Themen sang- und klanglos untergegangen wäre. Auf der anderen Straßenseite angekommen, warte ich geduldig ab, bis Robin die Bücher in ihrem Rucksack verstaut hat, und lasse meinen Blick eher desinteressiert durch die Gegend wandern. Dabei entgeht mir nicht, dass einige Mitschüler aus den unteren Stufen immer wieder missbilligend zu uns herüberblicken – wie eigentlich jedes Mal, wenn man uns beide zusammen sieht. Und wie jedes Mal überkommt mich eine maßlose Wut, da die Blicke ein Resultat dessen sind, dass Robin und ich unterschiedlichen Gruppensystemen angehören. Robin wird aufgrund ihres Wissensdrang und ihrer guten Noten – bislang ist sie mit einem Notendurchschnitt von 1,0 die Beste auf der ganzen Schule – als Streberin abgestempelt, während ich als Batter im schuleigenen Baseballteam zu den Sportlern zähle, weswegen auch eine solche Freundschaft nicht gerne gesehen wird. Noch ganz zu Beginn der Senior High, kurz nachdem ich der Baseballmannschaft beigetreten bin, hatten die Jungs aus dem Team versucht mich dazu zu überreden, die Freundschaft zu Robin zu beenden, da sie meinem Ansehen doch schaden würde. Und nichts anderes stellt solch ein Gruppensystem oder Klassifizierung dar – die Beliebtheit einer Person. Man wird dabei lediglich auf eine Fertigkeit reduziert, sei es nun Intelligenz, Sportlichkeit, gutes Aussehen, Hautfarbe oder Geld. Die inneren Werte eines Menschen zählen dabei nicht. Aber ich habe mich über diese allgemeingültige Regelung, die man an jeder Schule findet, hinweggesetzt, so dass meine Freunde die Freundschaft zwar akzeptieren, allerdings nur sehr widerstrebend. Herausfordernd und mit einer grimmigen Zufriedenheit – und mit dem Wissen, dass sehr bald wieder das Gerücht im Umlauf sein wird, Robin und ich seien ein Paar -, lege ich ihr den Arm um die Schultern, während wir uns auf den Weg zu meinem Auto machen. „Und, hast du schon einen Begleiter gefunden?“ „Wofür?“, fragt sie zurück und blickt irritiert zu mir hoch, da ihr Kopf mir gerade einmal bis zum Kinn geht. „Na, für Freitag“, erkläre ich kurz und blicke grimmig zu ihr runter. „Ah, der Schulball“, kommt es mit soviel Begeisterung zurück, als hätte ich von ihr verlangt, meine Trainingsklamotten zu waschen – was nun wahrlich kein Vergnügen ist. Ein verkniffener Zug legt sich um ihren Mund, während sie zur Seite blickt, und ich ahne schon, dass es gleich wieder zu einer Auseinandersetzung zwischen uns kommen wird. „Da ich nicht vorhabe hinzugehen, brauche ich auch keinen Begleiter.“ „Nicht schon wieder, Nici“, stöhne ich genervt auf und ignoriere die Tatsache, dass es ihrem Tonfall deutlich anzuhören war, das Thema besser auf sich beruhen zu lassen. Stattdessen nehme ich den Arm von ihrer Schulter und vergrabe missmutig meine Hände in den Hosentaschen. Same procedure as every year, schießt es mir unwillkürlich durch den Kopf, da wir diese Diskussionen jedes Mal führen, wenn es um den alljährlichen Schulball geht. Dass sie nicht an außerschulischen Aktivitäten dran teilnimmt, damit habe ich mich bereits notgedrungen abgefunden, obwohl ich mein Bestes gegeben habe, sie in meinen Freundeskreis zu integrieren. Aus Gründen, die mir unbegreiflich sind, kann sich Robin einfach nicht in die Gruppe einfügen, wie sie mir mal sagte. Okay, diese Tatsache habe ich akzeptiert, aber was den Schulball angeht … Also, wenn man unserer Schulsprecherin Glauben schenken darf, so ist der Schulball das wichtigste Ereignis im ganzen Jahr. „Und wie man sieht, hat es mir auch nicht geschadet“, meint Robin mit einem leicht schnippischen Unterton in der Stimme, ohne meinen Einwand auch nur weiter zu beachten. „Ja, und wirst weiterhin von allen als Sonderling abgestempelt“, knurre ich zurück, womit ich Robin wissen lasse, dass ich sauer auf sie bin. Mit ausgreifenden Schritten gehe ich auf meinen schwarzen Impala zu, während ich die Autoschlüssel mit einem kurzen heftigen Ruck aus meiner Jeans ziehe. Dass Robin Mühe hat mit mir Schritt zu halten, ist mir für den Augenblick so was von scheißegal. Soll sie doch wissen, wie wütend ich bin, zucke ich innerlich mit den Schultern. Mit einem dumpfen Plumps landet mein Rucksack auf der Rückbank, bevor ich Robin die Beifahrertür aufhalte, da ich trotz meiner Wut nicht mein gutes Benehmen vergessen habe, das mir meine Mom mit Müh´ und Not beigebracht hat. Unter gesenkten Lidern hervor wirft Robin mir beim Einsteigen einen vorsichtigen Blick zu, als überlege sie, ob sie etwas sagen soll oder ob es doch besser wäre den Mund zu halten. Ohne sie weiter eines Blickes zu würdigen, werfe ich schließlich die Autotür zu, gehe ums Heck herum auf die Fahrerseite und steige selber ein. „Siehst du mich auch so?“ Die Frage kommt nur sehr leise und zögerlich, als hätte Robin Angst vor der Antwort, so dass ich mich ihr mit einem tiefen Stirnrunzeln zuwende. Doch bei dem Anblick von Unsicherheit in ihren Augen, verraucht meine Wut so schnell, wie sie gekommen ist. Seit wir uns kennen, habe ich sie immer sehr selbstbewusst und selbstsicher erlebt. So überraschend oder komplex eine Situation auch erschienen ist, Robin hat solche Momente stets mit einer unglaublichen Überlegenheit gemeistert. Sie jetzt aber so zu sehen, lässt mich meine unbedachte Bemerkung aufs Tiefste bereuen, und ich komme mir wie der allerletzte, allerübelste Schuft vor, den es auf der ganzen Welt gibt. „Natürlich nicht“, antworte ich seufzend und beuge mich zu ihr hinüber. Meine rechte Hand lege ich ihr dabei in den Nacken und spüre die angespannten Muskeln unter der Haut. Beschwörend blicke ich ihr in die Augen, während ich meine Stirn an ihre lehne. „Nur manchmal wünschte ich mir, dass du dich wie ein Mädchen deines Alters benimmst.“ Robins Stirn legt sich in kleine Falten und ihr Blick wird intensiver, als sie über meine Worte nachdenkt. Ich kann es beinahe förmlich vor mir sehen, wie es in ihrem Kopf arbeitet. Still warte ich ab, bis sie ihre Augen für einen kurzen Moment schließt, um mich dann sofort wieder anzusehen. Der pure Schalk sitzt in ihrem Blick, während sich ein spitzbübisches Lächeln um ihre Lippen legt. Und der eiserne Griff um mein Herz lockert sich, da ich weiß, dass zwischen uns wieder alles in Ordnung ist. „Du möchtest also, dass ich stundenlang shoppen gehe, in Modezeitschriften rumblättere, mir massenhaft Make-up ins Gesicht schmiere und pausenlos über Jungs rede?“ Unwillkürlich muss ich an unser Cheerleader-Geschwader denken, an Jasmine und ihre Freundinnen. Für diese Mädels gibt es scheinbar tatsächlich keine anderen Themen als Mode, Styling und Jungs. Zugegeben, es graut mir jetzt schon davor, Jasmine am Freitag abzuholen, denn ich wüsste gar nicht, über was ich mich mit ihr auf dem Hinweg unterhalten soll. Aber das Thema wäre dann sowieso erledigt, sobald wir die riesige Turnhalle betreten, da sie sich zu ihren Mädels gesellen würde und ich mich zu den anderen Jungs. Aber mir vorzustellen, wie Robin durch das Einkaufszentrum schlendert, die Hände voll gepackt mit diversen Einkaufstaschen, und sich mit Jasmine über die neuesten Stylingtrends unterhält, wird mir schlecht. Nein, da gefällt sie mir um Längen besser, so wie sie ist: intelligent, belesen, schlagfertig, witzig, warmherzig, geduldig und offen für alles Neue. „Nein“, antworte ich nur mit fester Stimme und drehe den Zündschlüssel, während ich mir mühsam ein Schaudern verkneife. Aus den Augenwinkeln bemerke ich, wie das Lächeln auf Robins Gesicht breiter wird, bevor sie sich den Sicherheitsgurt umlegt. Robin New York 12. Mai 2012, 01:32 Uhr Sanft wiege ich die Hüften zu den ruhigen, langsamen Klängen der Musik, die ich nur am Rande meines Bewusstseins mitbekomme. Neben mir plappert Nami ununterbrochen und erzählt mir von irgendeinem Vorfall, der sich am Nachmittag in ihrem Drogeriemarkt ereignet hat. Hin und wieder wedelt sie dabei wild mit den Händen, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen. Doch auch das bekomme ich nur am Rande mit. Meine gesamte Aufmerksamkeit ist ganz auf den Mann gerichtet, der so plötzlich und unerwartet wieder in mein Leben getreten ist. Noch immer klopft mir das Herz bis zum Hals, wenn ich an letzte Nacht zurückdenke, als ich ihn vor meiner Tür sah. Nie hätte ich damit gerechnet, dass er herkommen würde – nicht nachdem, was zwischen uns vorgefallen ist. Und dennoch ist er hier … ist dem Lockruf seines Herzens gefolgt. Und was sagt mein Herz? Ein bitteres Lachen steigt mir die Kehle hinauf, das ich schnell wieder hinunterschlucke. Stattdessen blicke ich auf den graumarmorierten Küchentresen und auf die noch immer halbgefüllte Bierflasche in meinen Händen, die ich die ganze Zeit über geistesabwesend zwischen meinen Fingern drehe. Jeder Herzschlag ruft freudig Ja, während meine Sinne Purzelbäume schlagen. Mein Verstand jedoch wehrt sich vehement gegen die aufkeimenden Gefühle, da er sich noch gut an die Art und Weise erinnern kann, wie Zorro mich abserviert hat, sowie an den unsäglichen Schmerz, der mich noch Monate danach von innen heraus zu zerreißen drohte. „Hörst du mir eigentlich zu?“ Ein kurzer Stubser gegen meine Schulter reißt mich aus meinen Gedanken und leicht verwirrt blicke ich Nami an. „Ja, natürlich“, antworte ich instinktiv und zwinge mir ein Lächeln aufs Gesicht. Spöttisch hebt sich daraufhin eine ihrer zierlich geschwungenen Augenbraue, während ihr Blick mir deutlich zu verstehen gibt, dass sie genau weiß, wo ich mit meinen Gedanken bin. Anschließend wandern ihre Augen zu den Jungs, die es sich um den Kaffeetisch herum auf den Sofagarnituren gemütlich gemacht haben. Ihre Gespräche übertönen zum Teil die Musik, besonders wenn sie sich irgendwelche lustigen Anekdoten aus der Vergangenheit erzählen und sie in grölendes Gelächter ausbrechen. Aber ich gönne es ihnen, denn ihre ausgelassene Stimmung wärmt mein Herz, zumal es schon sehr lange her ist, als wir das letzte Mal eine Party geschmissen haben. Das war drei Abende vorher, bevor Zorro und Sanji nach Texas geflogen sind, um ihren Dienst als Soldaten der Vereinigten Staaten anzutreten. Ohne die beiden war es einfach nicht mehr dasselbe, so dass der Rest von uns sich mehr oder weniger in Diskotheken oder in Cafés getroffen hat, um ein wenig abzufeiern. „Wie läuft es zwischen euch?“, wendet sich Nami mir wieder zu. Ihr Blick ist dieses Mal mitfühlend, was in mir eine genervte Reizbarkeit aufkommen lässt. „Gut“, antworte ich nur, da ich überhaupt keine Lust habe, mit ihr über die verfahrene Situation zwischen Zorro und mir zu reden. Dass sie verfahren ist, daran besteht kein Zweifel. Aber schuld daran ist diese unwiderstehliche Anziehungskraft, die nach all der Zeit immer noch zwischen uns existiert. Wir können wie zwei Freunde wunderbar miteinander auskommen – das hat unser Gespräch am Morgen gezeigt. Doch sobald die Unterhaltungen persönlicher, intimer werden, wird es schwierig. Ich kann seine Abschiedsworte nicht vergessen … und auch nicht verzeihen, egal, welche Gründe er für sein Verhalten auch vorbringen mag. Er hat mir das Gefühl gegeben, irgendeine x-beliebige Freundin zu sein, obwohl wir uns schon fast ein ganzes Leben lang kennen. An den Tag, als wir das erste Mal miteinander geredet hatten, kann ich mich immer noch so gut erinnern, als sei es erst gestern gewesen. Das war noch in der Vorschule und wir hatten gerade Mittagspause. Ich weiß noch, wie ich ein Bild vom Nachbarshund malte, als plötzlich der dickliche Tommy vor mir erschien und wie ein drohender Schatten über mir aufragte. Mit einer einzigen schnellen Bewegung hatte er mir mein Bild aus den Händen gerissen und hielt es hoch über seinen Kopf, während er mich als blasse Kuh bezeichnete. Im nächsten Moment lag er aber dann vor mir auf dem Boden und Zorro saß rittlings auf ihm drauf. Immer wieder hatte er ihn ins Gesicht geschlagen und ihn angeschrieen, er solle sich bei mir entschuldigen. Zorro, ein kleiner schmächtiger Junge, der mit niemandem in der Klasse befreundet war und sich stets im Hintergrund gehalten hatte, hatte Tommy, den heimlichen Boss der Klasse, verprügelt, obwohl dieser gut einen Kopf größer und mehrere Pfunde schwerer war. Danach aber hatte Tommy mich für den Rest unserer gemeinsamen Zeit in der Vorschule in Ruhe gelassen, und Zorro und ich wurden von diesem Tage an unzertrennlich. Bei der Erinnerung an Klein-Tommy, wie er vor mir im Dreck gelegen hatte, muss ich leise lachen. „Erzählt du mir den Witz, damit ich mitlachen kann?“ Überrascht blicke ich bei der leisen Stimme auf. Nami hat sich in der Zwischenzeit, in der ich in meinen Erinnerungen schwelgte, unbemerkt zu den Jungs gesellt. Stattdessen steht Zorro mit einem amüsierten Lächeln auf den Lippen nehmen mir und schaut mich erwartungsvoll an. „Ich habe an Klein-Tommy gedacht.“ „Klein-Tommy?“ „Tommy aus der Vorschule“, erkläre ich bereitwillig, woraufhin sich Verwirrung in seinen Augen widerspiegelt. „Ich musste an den Tag denken, als du ihn verprügelt hattest.“ „Er hatte es nicht anders verdient.“ Vielleicht, denke ich im Stillen und mustere Zorro genauer. Von dem Jungen, der er damals in der Vorschule war, ist heute nicht mehr viel geblieben. Aus dem schmächtigen Jungen mit den schlaksigen Armen ist ein stattlicher und gutaussehender Mann geworden. Doch nicht nur äußerlich hat er sich verändert. Auch sein Wesen hat sich im Verlaufe der Zeit gewandelt. Als Kind war Zorro ein richtiger Rebell: aufsässig, streitlustig, herrisch und mit zuviel überschüssiger Energie, die er in unzählige Raufereien steckte. Während der Highschool dann wurde er ruhiger und kompensierte seine Energie in sportliche Aktivitäten, was auch dazu führte, dass er geselliger wurde. Ebenso besserte sich auch das Verhältnis zu seinen Eltern, insbesondere zu seinem Vater, da Zorro wohl begriffen zu haben scheint, dass es nicht immer nach seiner Nase geht und er auch Kompromisse eingehen muss. Seinen spielerischen Charme, seinen oftmals rauen und grimmigen Ton und seine unkontrollierbare Impulsivität hat er auch im jungen Erwachsenenalter beibehalten, aber der vierjährige Dienst in der Army hat ihn, ebenso wie alle anderen einschneidenden Ereignisse der Vergangenheit, verändert. Zorro ist stiller geworden, bedächtiger und vorsichtiger. Gefährlich ist wohl das richtige Stichwort, um seinen Charakter zu beschreiben, schießt es mir durch den Kopf und seltsamerweise lässt dieser Gedanke meine Nervenbahnen auf angenehme Weise erzittern. „Tanzt du mit mir?“ Beschwörend blickt Zorro mir in die Augen, während in meinem Inneren sämtliche Alarmglocken schrillen. Bislang ist es mir sehr erfolgreich gelungen jegliche Berührungen mit ihm aus dem Weg zu gehen, obwohl das Verlangen danach seine Wärme auf meiner Haut zu spüren, übermächtig groß ist. Doch als ich mich in seinen smaragdgrünen Augen zu verlieren scheine, weiß ich, dass mein Verstand dieses Mal den Kampf verloren hat, als mein Körper auch schon die Kontrolle übernimmt und ich mich bereitwillig aus der Küchenzeile ziehen lasse. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)