Glühwürmchen in the sky von Jeschi ================================================================================ Prolog: Kevins Abreise (oder: Endlich haut er ab!) -------------------------------------------------- Wenn ich jetzt mal ganz ehrlich bin, dann ist das ganze hier ein ziemlich großer Scheißdreck, um es gelinde auszudrücken. Ich blicke auf die Anzeige, die die nächsten Flüge ankündigt. Noch eine Stunde. Mein Gott… Warum müssen wir jetzt alle hier rumgammeln und so tun, als wären wir ganz furchtbar traurig über diesen wahrhaft glücklich Umstand, den diese ganze Sache mit sich bringt. Und warum zur Hölle sind die Idioten hier nicht bereit für den Check-in? Ich könnte kotzen. Mürrisch blicke ich zu dem Grund, weshalb wir hier sind und nebenbei auch den Grund für meine absolut tolle Laune: Meinen Bruder Kevin. Großkotz und Arschloch in einer Person. „Was glotztn du so?“, brummt er oder es oder was auch immer dieses Wesen darstellt. Ich hasse seine Baggypants, die ihm in den Kniekehlen hängen. Ich hasse sein XXL-T-Shirt, in dem er aussieht, als hätte er zwanzig Kilo zu viel auf der Waage. Und ich hasse seine blöde Fresse, die mich jetzt grimmig anglotzt. Ich hasse ihn. Ich hasse, hasse, hasse ihn! Das Beste an der Sache ist wirklich, dass ich ihn nicht mehr sehen muss. Bin ich froh, wenn der Junge in England ist und mir nicht mehr auf die Nerven fallen kann. Mein werter Bruder hat sich nämlich für ein Austauschschülerprogramm – oder wie auch immer der Kram heißt, was interessiert es mich – beworben. Warum auch immer, denn sein Englisch ist fürn Arsch. Aber wenigstens haut er jetzt ein ganzes Jahr ab. Gott sei Dank! Ein Jahr lang habe ich dann meine Ruhe vor seiner blöden Fresse und seinem noch blöderen Gelaber. „Wollt ihr euch nicht vertragen, Jungs?“ Das kann nur von meiner Mutter – Silvia mit Namen - kommen. Ganz ehrlich, diese Frau hat Komplexe oder einfach nur einen Schaden. Wie kann sie verlangen, dass ihre komplett unterschiedlichen Söhne sich vertragen? Sie sieht zwischen uns hin und her. „Es war doch nur eine CD, Adrian,“ richtet sie ihr Wort dann ganz allein an mich, obwohl es Kevin war, der mich gerade dumm von der Seite angemacht hat. Ganz ehrlich? Manchmal verabscheue ich sie. Nur eine CD… tss…. Der Idiot hat meine neue CD von ‚Bullet for my Valentine’ geschrottet. Ist draufgetrampelt mit seinen fetten Elefantenbeinen – und das noch ehe ich reingehört hatte. „Kein Interesse,“ erwidere ich also auf ihre Frage hin und sie sieht mich böse an. „Ihr seht euch jetzt eine ganze Zeit lang nicht, Adrian.“ Der Wink mit dem Zaunpfahl, dass wir uns vertragen sollen, ehe er fliegt. Es könnte ja das Flugzeug abstürzen und dann wäre das letzte, was wir zueinander gesagt hätten ein gepflegtes ‚Leck mich’ gewesen. Nun, ich bezweifle, dass das passieren wird. Weil seien wir ehrlich – so viel Glück könnte ich gar nicht haben! „Leider nicht lang genug,“ erwidere ich also nur und Kevin boxt mich volle Kanne in die Seite. „Halt die Fresse, man!“ Ich boxe zurück. „Willst du eins auf die Fresse haben, ja?“ Na gut.. Wenn Kevin und ich uns prügeln würden, dann würde ich den Kürzeren ziehen. Er ist zwar jünger als ich, blöderweise aber fetter. Also nicht, dass er wirklich fett ist – er ist nur nicht so schmal wie ich. Definitiv würde er mich aber niederwalzen, ehe ich flüchten könnte. „Versuch nicht immer böse zu sein. Das zieht bei mir nicht,“ entgegnet er nur belustigt und fügt breit grinsend hinzu: „Heulen würde viel besser zu dir passen, Emoschwuchtel.“ „KEVIN!“, empört sich meine Mutter sofort, obwohl Kevin eigentlich gar nicht so falsch liegt. Also mit dem Emo und dem schwul. Ich wünschte nur, er würde sich zivilisierter ausdrücken… „Ist doch so…“, verteidigt er sich jetzt gegen unsere entsetzte Mutter. „Warum erlaubt ihr ihm eigentlich, so rum zu laufen? Seine Klamotten sind hässlich.“ „Weil wenn sie mir verbieten würden, mit solchen Klamotten rum zu laufen, müssten sie dir verbieten, mit dem Gesicht rum zu laufen. Das ist nämlich auch hässlich,“ schmettere ich zurück. „Jetzt reicht es aber!“ Mein Dad, Anton genannt, Retter in der Not, gefürchteter Ritter in einer einsamen Schlacht… Oder einfach nur ein überforderter Vater, der eingreift, wenn Mum nicht mehr weiter weiß. „Ich kann nichts dafür,“ verteidige ich mich, „Man soll ja aufhören, wenn’s am schönsten ist. Aber ihr musstet nach mir ja noch so einen Mongo auf die Welt setzen.“ Ich deute auf Kevin. „Die wollten nur ein zweites Kind,“ entgegne Kevin mir sofort, „Weil ihr erstes so missraten ist.“ „ES REICHT!“, brüllt meine Mutter durch den gesamten Flughafen, so dass jeder – wirklich jeder! – um uns herum zu uns guckt. Peinlicher geht’s nimmer… Auch Kevin schnalzt missbilligend mit der Zunge. „Nicht so laut, Mum.“ „Ja, die gucken schon,“ halte ich zu Kevin und verdrehe die Augen. Das sie immer so ein Aufsehen erregen muss. Mürrisch verschränke ich die Arme und dann endlich kommt die Durchsage, dass Kevin abhauen darf. Juhuuuuu… „Pass gut auf dich auf, Schatz,“ heult meine Mutter, presst ihn mehr an sich, als dass sie ihn umarmt und hat dabei ganz vergessen, dass sie eigentlich sauer auf uns ist. „Tschüss, Sohnemann. Mach mir keinen Ärger,“ brummt mein Vater und klopft ihm ganz Dad-mäßig auf den Rücken. „Hau rein oder so,“ nuschele ich und heb die Hand zum Gruß. „Am liebsten dir,“ grinst er zurück. Ich grinse ebenfalls, zeige ihm den Mittelfinger und mach drei Kreuze, dass er endlich abhaut! „Ruf an, wenn du dort bist,“ ruft ihm meine Mutter nach und er erwidert ein genervtes ‚Jahaaaaa’. Mit seinem Rucksack bewaffnet, geht er zur Personenkontrolle. „Toll! Weg ist er! Dann können wir ja jetzt endlich nach Hause,“ stelle ich begeistert fest und mache mich auf den Weg zum Ausgang. Ich komm genau zwei Schritte weit, dann packt mich mein Dad an meiner Kapuze und zieht mich unsanft zurück. „Nicht so schnell, junger Mann.“ Er sieht mich tadelnd an: „Wir müssen noch auf deinen Tauschbruder warten.“ Ach ja… da war was. Mit dem Abgang von Mongo-Bruder kommt ja jetzt Mongo-Tauschbruder. Na super… Ich stöhne auf. „Kann der sich nicht ein Taxi nehmen?“ „Adrian! Stell dich bitte nicht so an.“ Wieder die hoch verehrte Silvia. Ja okay, ich stell mich an. Aber ich stell mich gerne an. Ich hab nämlich keinen Bock mehr! Also verdrehe ich nur die Augen. Was für ein behindertes Tauschprogramm. Kaum ist eine Nervensäge weg, kommt die nächste, die wahrscheinlich nicht mal Deutsch kann. Ich verschränke die Arme und suche mir eine Sitzgelegenheit. Dann heißt es wieder eine ganze Zeit warten. „Da… Kevin startet!“ Ganz aufgeregt deutet meine Mutter auf das große Fenster, durch das man sieht, wie die Maschine nach London auf die Startbahn rollt. Ich blicke nach draußen. Hoffentlich ist der andere Kerl leichter zu ertragen, als Kevin! Nun setzen sich auch meine Eltern. „Du wirst dich doch benehmen, oder?“, fragt mich meine Mutter jetzt ernsthaft besorgt und ich weiß nicht, ob ich jetzt beleidigt oder belustigt sein soll. Ich nicke. Kann sein… aber das sag ich ihr lieber nicht so. „Dich stört es ja auch sicher nicht, wenn du dich ihm ein wenig annimmst, oder?“ Ich schnaube. „Muss ich ja wohl,“ meine ich wenig begeistert. Aber natürlich stört es mich. Es stört mich sogar sehr! Was bin ich für diesen Trottel verantwortlich? Soll er doch sehen, wie er klar kommt! „Ich geh schiffen,“ eröffne ich meinen Eltern und stehe auf, latsche zu den Toiletten. „Aber Adrian! Sein Flugzeug ist schon gelandet. Er kommt sicher gleich!“, ruft meine Mutter. Als hindert mich das am pinkeln. „Na und?“, brülle ich deshalb zurück. „Soll ich mir von ihm in die Hose machen?“ Ich grinse dreckig. „Oder soll er mit und mir meinen Schwanz halten?“ „ADRIAN!“ Wieder mein Dad. Ich flüchte zu den Toiletten. Sie lassen sich aber auch so leicht auf die Palme bringen! Abgesehen davon ist die Idee gar nicht so schlecht. Wenn er mich schon nerven muss, kann er ja als Fickmatratze herhalten. Wobei das wahrscheinlich voll die Fresse ist, so gar nicht attraktiv, als das ich darauf dann wohl doch freiwillig verzichten werde. Ich erschaudere, während ich mir das vorstelle. Ach so. Für alle, dies jetzt immer noch nicht begriffen haben: Ich bin schwul und folge demnach – zumindest laut Kevin – meinem Ruf als Emo. Ich finde die Toiletten, erledige, was es zu erledigen gilt, und wasche mir dann sogar die Hände – im Gegensatz zu dem Typ, der neben mir gepinkelt hat. Dann blicke ich in den Spiegel und richte meine Haare. Diese sind wieder braun. Leider. Ich hätte sie gerne schwarz gelassen, aber als ich sie gefärbt hatte, ist meine werte Mutter komplett ausgerastet. Sie ist der festen Meinung, dass man davon Haarausfall bekommt. Und na ja… des Friedens Willens war die schwarze Farbe dann eine einmalige Sache. Dafür habe ich jetzt hellere Strähnen in den Haaren. Das sie vom Blondieren das gleiche hält, ist mir egal. Wenn es wahr ist, was sie da redet, dann trifft es ja nur die Strähnen. Ergo fallen mir halt ein paar Büschel aus, aber der Rest bleibt dann ja unversehrt. Ansonsten sehe ich übrigens aus, wie man als Emo so mehr oder minder auszusehen hat – wie ich finde: Snakebites, typische Klamotten… mein Gott, man wird sich ja wohl einen Emo vorstellen können, ohne dass ich da jetzt lange drüber erzähle. Nachdem ich mich für hübsch und sexy erklärt habe, laufe ich zurück. Und… Oha! Das Kerlchen steht schon dort. Und… Oha! Ist der heiß! Scheiße man… „Adrian!“ Meine Mutter winkt mich heran und ich lege die letzten Meter zurück. „Adrian. Das ist Dyllan. Dyllan. This is Adrian.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)