Angel's Tale von -hoshi- (aus dem Leben Ayames) ================================================================================ Kapitel 15: 1.13 ---------------- -1.13- Leise vor sich hinsummend schlenderte der Blonde zwischen den Sportplätzen hindurch zu den Umkleiden des Fußballclubs. Ayame war nach dem Unterricht noch länger geblieben, weil er mit Shin und Sono heute Nachmittag noch in die Stadt zum Einkaufen wollte. Die beiden Größeren hatten aber erst Fußball und da Ayame nicht wie ein verliebtes Schulmädchen beim Training zu gucken wollte, war er in der Bibliothek gewesen und hatte Hausaufgaben gemacht bzw. gelernt. Sein Vater wäre sicher mächtig stolz, wenn er das mitbekommen hätte. „Hey, ihr seid ja schon fertig.“ Sono und Shin kamen ihm schon geduscht und angezogen entgegen, kaum war er am Fußball-Trainingsgelände angekommen. Dabei hatte er extra darauf geachtet, nicht zu spät loszugehen. „Ja, Lehrerkonferenz, wir haben früher Schluss gemacht.“, entgegnete Shin freudig lächelnd, lief auch schon voller Elan an dem Blonden vorbei. Der konnte es anscheinend gar nicht abwarten shoppen zu gehen. Sono belächelte das nur, aber er kannte ja auch die schlimmsten Auswüchse von Ayames Shopping-Lust. „Wo wollen wir zuerst hin?“, fragte der Blonde dann auch gleich in die Runde, harkte sich bei Sono ein und lief mit ihm Shin hinterher. „Keine Ahnung. Ich brauch ein paar neue Shirts jetzt wo Sommer wird.“, antwortete der Braunhaarige nach einigem Nachdenken, Sono hatte nur mit den Schultern gezuckt, aber sein bester Freund war auch nicht so der Einkaufs-Fan, wenn er etwas brauchte, schnappte er sich eigentlich meistens Ayame und ließ den Blonden alles aussuchen, von den Läden in die sie gingen bis zu den Klamotten, die er letztendlich kaufte. „Ach und eine Sonnenbrille bräuchte ich auch.“ „Oh, da weiß ich ein paar Läden.“ Ayame nickte ganz begeistert. Sonnenbrillen war einfach, sein Vater war verrückt nach den Dingern und so war der Blonde auf so ziemlich jeder Shoppingtour mit seinen Eltern früher oder später in einem solchen Laden gelandet. Und die beiden anderen ließen sich dann auch von Ayame zielsicher zum Lieblingsladen seines Vaters führen, der Blonde wurde beim Eintreten sogar persönlich begrüßt, aber auch kein Wunder sooft wie er mit seinen Eltern hierher kam. „Also Shin, ich denke, die Auswahl ist doch für den Anfang schon mal ganz ausreichend.“ Der Kleinste drehte sich einmal fröhlich im Kreis und erwartete jetzt eigentlich, dass der Braunhaarige sich ebenso begeistert auf die Auslagen stürzen würde, aber Shin blieb nur etwas ratlos neben Sono stehen und blickte sich fragend um. „Also, das ist jetzt nicht so wirklich meine Preisklasse.“, meinte er dann schließlich und jetzt war Ayame erst recht verwirrt. So teuer waren die meisten Teile hier jetzt nicht. Von Sono wurde er für seinen erstaunten Blick aber mal wieder nur ausgelacht. „Ai-chan, nicht jedes Kind mit reichen Eltern hat von denen auch eine goldene Kreditkarte bekommen.“ Jetzt lachten die beiden Größeren synchron, während Ayame sie nur mit offenem Mund anstarrte. Also ein bisschen verarscht kam er sich schon vor. „Du musst wissen, Shin, Ayame hat sozusagen freien Zugang zum ganzen Geld seiner Eltern. Er hat ein bisschen ein nicht so realistisches Verhältnis zu Geld.“ „Hey, das stimmt gar nicht.“, protestierte der Blonde sofort. Er hatte wohl ein normales Verhältnis zu Geld. Er wusste, dass man dafür arbeiten musste, er sah ja wie hart sein Vater arbeitete und er war sich auch bewusst, dass es nicht selbstverständlich war, dass man sich alles kaufen konnte, so wie er das eben konnte. Ayame wusste, dass die wenigsten Menschen so ein Glück hatten wie er selbst und er warf das Geld auch nicht unbedacht zum Fenster raus. „Naja, Ai-chan. Du bist gelegentlich schon sehr freigiebig mit dem Geld deiner Eltern. Aber dafür kannst du ja nichts, du bist es eben nicht anders gewohnt und ich sag ja auch gar nicht, dass du gar keinen Bezug zu Geld hast. Du denkst nur manchmal eben nicht so richtig darüber nach, was etwas kostet und ob es das wirklich wert ist.“ „Ich bin gar nicht so schlimm.“ Ayame drehte sich von den beiden anderen weg, konnte gar nichts dagegen tun, dass er sich jetzt irgendwie schlecht fühlte. Es kränkte ihn ein bisschen, dass Sono so über ihn dachte. „Lasst uns woanders hingehen.“, nuschelte er nur noch, bevor er den Laden verließ und langsam die Einkaufsstraße, auf der sie sich gerade befanden, entlanglief. Dann würde er mal einen günstigeren Laden suchen und er selbst würde sich heute nichts kaufen, er wollte ja nicht, dass die anderen dachten, er sei wirklich ein gedankenloser, verschwenderischer Bonze. „Wo willst du hin, Aya?“ Shin war ihm hinterhergelaufen, schlenderte jetzt wieder an der Seite des Kleineren die Straße entlang. „Da vorne ist noch ein Sonnenbrillenladen, der ist günstiger.“ Er deutete auf ein kleines Geschäft weiter vorne auf der anderen Straßenseite. Sein Vater ging dort auch sehr häufig hin, der Shop führte zwar nicht die Lieblingsmarken des Älteren, aber ein paar schicke Modelle konnte man dort schon finden. „Okay, dann gehen wir mal dahin.“ Shin war von diesem Laden dann auch ganz angetan und stürzte sich sofort auf die Auslagen, probierte hier und da ein Modell an und Ayame fühlte sich dann auch langsam besser, während er seinen Freund beim Brillenkauf beriet. „Ai-chan?“, sprach Sono ihn dann irgendwann an, während Shin zu einem weiteren Brillenständer ging und noch andere Modelle raus suchte. „Ich wollte dich nicht kränken vorhin.“ „Eh?“ Der Blonde wandte sich etwas überrascht zu seinem besten Freund und es legte sich unweigerlich wieder ein glückliches Lächeln auf seine Züge bei Sonos Worten. „Schon okay, du hast ja irgendwie recht.“ Er hatte einfach ein bisschen überreagiert und er wusste ja, dass der Silberhaarige es nicht böse gemeint hatte. Sono würde ihn nie absichtlich verletzen. „Außerdem mag ich dich, wie du bist.“ Der Größere lächelte Ayame aufmunternd zu und so dumm das vielleicht klang, aber jetzt war Ayame mit der Welt wieder zufrieden. Zaghaft lehnte er sich an seinen besten Freund, ließ seinen Kopf auf dessen Schulter sinken und kuschelte sich einfach ein bisschen an und Sono legte auch gleich vorsichtig einen Arm um den Blonden. Wenn er es so recht bedachte, wirkten sie vielleicht manchmal doch wie ein Paar, aber das war Ayame gerade egal. Er genoss die Nähe seines besten Freundes. „Aya, ich brauch deine Hilfe.“, riss ihn Shins Stimme plötzlich aus seiner Träumerei. Der Braunhaarige stand mit jeweils einer Brille in jeder Hand vor ihm und blickte diese ratlos an. „Welche ist besser?“ „Zieh mal an.“ Der Blonde betrachtete seinen Freund genau dabei wie er die beiden anprobierte, zeigte dann auf die schmalere von beiden. „Die ist besser, die andere ist zu weiblich.“, kommentierte er seine Auswahl und Shin schien ihm auch dankbar zu sein, machte sich damit gleich auf den Weg zur Kasse. „Und wo gehen wir jetzt hin?“, fragte der Braunhaarige auch gleich begeistert weiter, als er mit seinem neuerworbenen Accessoires wieder zurückkam. Ayame überlegte einen Moment, überlegte was Shin so anhatte, wenn sie sich nicht direkt nach der Schule getroffen hatten. Vom Stil her war er ja immer ein bisschen gekleidet wie Sono bzw. so wie Ayame Sono immer einkleidete, also wäre es auch am besten einfach dorthin zu gehen, wo er Sachen für Sono fand, da ließe sich bestimmt auch etwas für den Braunhaarigen finden. „Am besten wir gehen einfach zu Sonos Lieblingsladen.“, schlug er deswegen vor, erntete ein Nicken von Shin und eine fragend hochgezogene Augenbraue von dem Silberhaarigen. „Du meinst wohl den Laden, wo du mich am liebsten hinschleppst.“ „Ich dachte, die Sachen gefallen dir.“, erwiderte der Kleinste ein bisschen entsetzt. Er suchte zwar wirklich viel von Sonos Klamotten aus, aber er zwang den anderen ja zu nichts, er beriet ihn nur. „Tun sie auch, aber sein wir doch ehrlich, ohne dich würde ich nie einen Klamottenladen betreten. Wozu gibt es Internet.“ Der Silberhaarige grinste nur wieder und zog Ayame dann hinter sich aus dem Brillenladen, Shin folgte ihnen ebenso breit grinsend. „Manchmal seid ihr schon wie ein altes Ehepaar.“ Eine knappe Stunde später saß Ayame dann auch in besagtem Bekleidungsgeschäft vor den Umkleidekabinen und wartete, dass die anderen beiden wieder herauskamen. Bis eben war er ja noch damit beschäftigt gewesen, wie wild durch den Laden zu rennen und für die anderen beiden alles Mögliche herauszusuchen. Sono war wie immer nur halb begeistert, aber in Shin schien der Blonde ja endlich mal jemanden gefunden zu haben, der seine Shopping-Leidenschaft wenigstens ein bisschen teilte. Bei Saga war das letzte Woche ja auch eher ein schwierigeres Unterfangen gewesen, ihn vom Klamottenanprobieren zu überzeugen. „Und wie findest du das, Aya.“ Shin war unterdessen fertig, trug jetzt das erste Outfit, was der Blonde für ihn gesucht hatte, lässige Jeans und ein dünnes, helles Hemd. Und es stand dem anderen wirklich gut, vor allem weil er, wie Ayame gerade feststellte, eine sehr hübsche Bräune hatte. „Sehr hübsch, nimm das Hemd auf jeden Fall. Und sag mal, warum bist du so braun?“ Die Frage hatte er sich jetzt einfach nicht verkneifen können. „ Ach, im Sommer werd ich normalerweise noch viel brauner.“, antwortete der Größere grinsend, betrachtete sich währenddessen auch ausgiebig im Spiegel. „Aber ich war vor Schuljahresbeginn zu Hause bei meinen Großeltern, da ist es einiges wärmer und sonniger als hier.“ Der Blonde nickte nur verstehend. Er schätzte einfach mal, dass Shins Großeltern noch in Fukuoka lebten und seine Eltern hatten ja auch erzählt, dass es auf Kyushu viel sonniger und wärmer gewesen war. Sono hatte sich mittlerweile auch endlich aus der Umkleide bewegt, blickte aber weitaus skeptischer an sich herunter. Er trug in etwa das gleiche wie Shin, was aber nur halb so gut wirkte, weil der Silberhaarige eben überhaupt kein bisschen braun war. „Sono, du musst echt mal in die Sonne.“, kommentierte der Kleinste kichernd, erntete von seinem besten Freund dafür nur ein leises Murren. Sie wussten ja beide, dass egal wie viel Zeit der Größere draußen verbrachte, er einfach nicht wirklich richtig braun wurde. Selbst Ayame, der Sonnenstrahlen ja bekanntlich so gut wie komplett mied, war im Sommer meistens brauner als sein bester Freund. „Hm, also ich glaube das steht mir eindeutig besser.“ Shin drehte sich wie zum Beweis nochmal um sich selbst, bevor er mit einem zufriedenen Lächeln zurück in die Kabine ging. Sono murmelte nur etwas vor sich, was der Blonde nicht verstand, machte sich dann auch wieder auf den Rückweg in die Kabine. Wenige Minuten später kamen die beiden dann auch jeweils mit einem neuen Outfit wieder hervor und das was Sono jetzt trug, gefiel Ayame doch schon viel besser. Sein Freund war eben doch eher für dunklere Farben geeignet, während Shin in beige und weiß wirklich eine ausgesprochen gute Figur machte. „Und was sagt der Modekenner?“ Die beiden Größeren posierten für Ayame, so dass dieser die Klamotten genauer in Augenschein nehmen konnte. „Also Sono, die Sachen stehen dir viel besser und Shin ich bin für das erste Hemd, aber mit der Hose. Aber ich glaub bei den anderen Sachen, die ich euch noch rausgesucht habe, waren noch ein paar bessere Teile dabei.“ Der Blonde lehnte sich wieder bequem in seinem Sessel zurück und ließ die anderen beiden weiter Model spielen. Ja, so konnte er den Nachmittag auch rumkriegen, auch wenn er für sich selbst nichts kaufen würde. Eine weitere Stunde und zwei Läden später waren Sono und Shin dann auch reichlich bepackt und für heute fertig mit einkaufen und so hatten die Drei beschlossen zu ihrem Stammcafé zu gehen und noch entspannt einen Kaffee zu trinken. „Oh mann, ich glaub ich hab ungefähr dreimal so viel Geld ausgegeben wie ich eigentlich vor hatte.“ „Ach Quatsch, außerdem sehen die Teile alle super aus.“, entgegnete der Blonde auf Shins Einwand, während sie langsam die Hauptstraße entlang liefen, an deren Ende besagtes Café war. „Die Sachen sind ihr Geld wert, da kannst du meinem Urteil voll vertrauen.“ „Ja, aber…“, wollte der Braunhaarige gerade ansetzen, stoppte dann aber abrupt und deutete auf ein paar Leute, die in ihre Richtung liefen. „Ist das nicht Takarai?“ „Wo?“ Ayame wandte seinen Blick erstaunt in die Richtung, in die Shin zeigte, erblickte dort wirklich ihren Klassenlehrer und er konnte nicht verhindern, dass ihm gerade warm ums Herz wurde. Seit dem Wochenende hatte er den Älteren wirklich irgendwie zu sehr liebgewonnen. Und als der Lehrer sie erkannte, begann er sanft zu lächeln. Gott, er war so hübsch. „Na ihr Drei, erfolgreich eingekauft?“, begrüßte der Braunhaarige sie, nachdem die drei Schüler ihn zuerst mehr oder weniger erfreut begrüßt hatten, Ayame eher mehr und Sono eher weniger. „Ja, erfolgreicher als sie anscheinend.“, entgegnete Shin in Anspielung auf die kleine Tüte die Takarai trug und die im Gegensatz zu ihren fünf Tüten doch etwas mickrig war. Und zu Ayames Erstaunen schien der Ältere auf den Scherz einzugehen und lachte leise. Aber vielleicht war auch einfach seine Einschätzung des Älteren richtig und Sonos nicht. Der Lehrer schien sich auch wirklich noch weiter mit ihnen unterhalten zu wollen, als ein lautes Rufen seine Aufmerksamkeit auf sich zog und im nächsten Moment spielte sich sozusagen ein wahrgewordener Alptraum direkt vor Ayames Augen ab. Zuerst kam ein kleines Mädchen laut ‚Papa‘ rufend auf den Lehrer zu, wurde von diesem auch direkt in die Arme genommen und hochgehoben, dicht gefolgt von einer hübschen, schwarzhaarigen Frau, die sich zu den beiden gesellte und mit fast schon zu lieblicher Stimme fragte: „Sind das Schüler von dir, Schatz?“ „Ja, die drei sind in meiner Klasse.“, antwortete Takarai, schenkte der Frau ein liebevolles Lächeln, das gleiche Lächeln, was er am Wochenende noch nur Ayame geschenkt hatte und das ließ das Herz des Jüngeren sich erst recht schmerzhaft zusammen ziehen. „Darf ich vorstellen, meine Frau und meine Tochter Ayumi. Also wir müssen dann auch weiter, man sieht sich in der Schule.“ Und mit diesen Worten war der Braunhaarige mit seiner kleinen, perfekten Familie verschwunden und ließ Ayame vollkommen fertig und mit gebrochenem Herzen zurück. Er konnte spüren, wie Sono vorsichtig einen Arm um ihn legte, aber gerade half ihm die Nähe seines besten Freundes nicht. Es schmerzte einfach so schrecklich und der Blonde musste hart dagegen ankämpfen, jetzt nicht auf offener Straße los zu heulen. „Mir fällt grad ein, ich muss heute früher heim. Ich glaube, wir müssen das mit dem Kaffee verschieben.“, brachte Sono nach kurzem Schweigen hervor. Ayame wusste, dass das nur eine Ausrede war, damit der Blonde nach Hause gehen konnte, weil sein bester Freund wohl merkte, wie schlimm ihn dieses Treffen mit Takarai gerade belastete. „Okay, schade. Dann sehen wir uns morgen.“ Ayame hatte dann noch eine halbe Stunde gebraucht, um Sono davon zu überzeugen, dass er nicht mit zu ihm kommen musste und dass der Blonde gerade nicht über ihr Zusammentreffen mit ihrem Lehrer reden wollte. Er wusste, dass sein bester Freund in so einer Situation niemals darauf rumhacken würde, dass er genau so einen Ausgang prophezeit hatte. Aber trotzdem wollte Ayame jetzt nicht mit ihm reden, er wollte sich einfach nur alleine in seinem Zimmer verkriechen und still vor sich hin leiden. Er musste erst mal selber damit klarkommen, dass er so ein Idiot gewesen war und sich so in die Sache mit dem Lehrer verrannt hatte, dass er jetzt weinend und leidend auf seinem Bett lag. Dabei hatte er sich nicht in den Lehrer verlieben wollen und jetzt wo es passiert war, stellte er fest, dass der Ältere verheiratet war. Wieso hatte er das nicht von Anfang an wissen können? Dann wäre es nie soweit gekommen, dann wäre alles bei einer harmlosen Schwärmerei geblieben und dann würde Ayame dem Größeren jetzt keine Träne nachweinen. * Kouyou war froh, als er nach seinem langweiligen Arbeitstag endlich die Haustür aufschließen und ihr schönes Appartement betreten konnte. Im Moment gab es an der Arbeit nicht viel zu tun und von daher verbrachte der Blonde den halben Tag damit, mit Arbeitskollegen Kaffee zu trinken und Klatsch auszutauschen. Auf Dauer war das aber eben ziemlich langweilig. Er entledigte sich seiner Jacke, wollte gerade wie jeden Abend in die Küche gehen, als er ein leises Geräusch vernahm, was sich doch deutlich nach Weinen anhörte und es kam aus Ayames Zimmer. Woher sollte es auch sonst kommen? Takanori war ja noch nicht zu Hause und würde auch demnächst nicht hier auftauchen. Leise schlich der Größere zum Zimmer ihres Sohnes, war sich jetzt ganz sicher, dass es ein Weinen war, was da aus Ayames Zimmer kam. „Darf ich reinkommen, Engelchen.“, fragte Kouyou vorsichtig, nachdem er an die Tür geklopft hatte, bekam aber keine Antwort und so beschloss er einfach mal einzutreten. Ayame konnte ihn ja immer noch rauswerfen, wenn er nicht reden wollte. Der kleine Blonde schien ihn aber gar nicht bemerkt zu habe, so apathisch wie er auf dem Bett saß, seine Knie angezogen und sein Gesicht darin verborgen und herzzerreißend weinend. Gerade fühlte Kouyou sich in seiner Sorge von gestern bestätigt und ein bisschen ärgerte er sich, dass er nicht schon gestern auf den Jungen zu gegangen war, vielleicht würde er dann nicht so fertig hier sitzen. Vorsichtig setzte der Blonde sich neben seinen Sohn, zog ihn in seine Arme und strich ihm sachte über den Rücken. „Shh, Engelchen. Was ist passiert?“ „Ich… ich will nicht… darüber reden.“, brachte der Kleinere nur unter erneutem Schluchzen hervor, drückte sich dabei eng an den Älteren, krallte sich in dessen Shirt. Kouyou konnte spüren, wie sein dünnes Hemd schon langsam von den Tränen des Kleinen durchnässt wurde. Es machte ihn regelrecht fertig, ihren Sohn so zu sehen und er würde wirklich gerne irgendwas tun, damit es dem Kleinen wieder besser ginge, aber mittlerweile wusste Kouyou, solange der Junge nicht darüber reden wollte, würde er es auch nicht tun und es war sinnlos, es aus ihm heraus quetschen zu wollen. „Du weißt, dass du mir alles erzählen kannst. Ich bin da, wenn du reden willst.“, entgegnete er nur, zog den Kleinen noch fester in seine Arme und zumindest schien Ayame jetzt schon mal weniger heftig zu weinen und das gab dem Älteren doch irgendwie das gute Gefühl, dass er seinem Sohn helfen konnte. „Kannst du einfach hier bleiben, Mama.“ „Klar, solange du willst.“ Wenn es sein musste, würde Kouyou auch bis morgen früh am Bett des Jüngeren sitzen. Denn was auch immer dem Jungen passiert war, es schien ihn richtig hart getroffen zu haben. Kouyou konnte nicht genau abschätzen wie lange sie so zusammen auf Ayames Bett gesessen hatten, aber sicherlich ungefähr eine Stunde, bevor Ayame dann doch endlich mal mit der Sprache rausrückte. „Ich hätte auf dich hören sollen, Mama.“, nuschelte er irgendwann vor sich hin und jetzt war der Ältere doch erstaunt, er wusste überhaupt nicht, worauf der Schüler hinaus wollte. Er konnte sich nicht erinnern, dass er dem anderen in letzter Zeit irgendwelche Ratschläge gegeben hatte. „Ich war so dumm und dabei haben mich alle gewarnt, du und Sono und Papa… und jetzt heul ich mich bei euch aus, obwohl ihr eigentlich alle zu recht sauer auf mich sein müsstet.“ Der Kleine begann wieder etwas zu weinen und Kouyou drückte ihn gleich beruhigend an sich. „Engelchen, es ist egal, was du getan hast. Ich bin dir nicht sauer und dein Vater und Sono sicher auch nicht.“ „Aber ich war richtig dumm. Ihr solltet mir böse sein.“, kam es wieder nur leise zurück, aber Kouyou konnte deutlich spüren, wie der Widerstand des Kleineren bröckelte. Er würde es ihm sicher gleich erzählen. „Ich hab wirklich was ganz Dummes getan, versprichst du mir, dass du mich ausreden lässt und dann wirklich nicht sauer bist, wenn ich es dir erzähle?“ „Ja, das verspreche ich.“ Es fiel ihm auch nicht schwer, das zu versprechen. Denn auch wenn Kouyou keine Idee hatte, was Ayame denn so Schlimmes getan haben könnte, wusste er doch, dass es im Endeffekt nicht so schlimm sein konnte, dass Kouyou einen Grund hätte, böse zu werden. „Okay, also es gibt da noch jemanden außer Saga. Also den ich toll finde, aber… naja er ist ein bisschen älter.“ „Wie viel älter?“ Der Blonde hatte sich bemüht jetzt nicht entsetzt zu klingen, auch wenn er sich schon nach diesen wenigen Worte doch ganz gut vorstellen konnte, was passiert sein könnte und allein bei dem Gedanken zog sich seine Brust schmerzhaft zusammen. „Ehm… so alt wie du und Papa ungefähr.“ Oh nein, bitte nicht. „Auf jeden Fall hat er auch so gewirkt, als ob er Interesse an mir hat und also ich wollte am Anfang nicht, wirklich nicht, Mama. Aber dann war das mit Saga und ich hab mich so blöd und hässlich gefühlt und es hat sich gut angefühlt, wenn er mit mir geflirtet hat. Ich hab mich dann attraktiv gefühlt und das war ein schönes Gefühl.“ Kouyou versuchte so ruhig wie möglich zu zuhören, konnte aber nicht verhindern, dass er sich mit jedem Wort ein klein bisschen mehr verkrampfte. Irgend so ein perverser, alter Sack hatte sich an seinem süßen, kleinen Engel vergriffen, denn er war sich ziemlich sicher, dass die Geschichte darauf hinaus laufen würde. „Und als ihr am Wochenende nicht da ward, also das hab ich ausgenutzt und bin zu ihm nach Hause. Und da war er wieder so wunderbar und aufmerksam zu mir und dann hab ich mit ihm geschlafen.“ „Dieses Arschloch, ich werd ihm den Schwanz anschneiden.“, presste Kouyou zwischen seinen zusammengebissenen Zähnen hervor. Er hatte nicht gewollt, dass sein Sohn so eine grausame Erfahrung beim ersten Mal machte und dafür würde er diesen Kerl töten, sobald er wusste, wer es war. „Nein, nein, Mama. Ich bin noch nicht fertig mit erzählen.“, unterbrach Ayame unsicher seine Mordfantasien, schien doch ein bisschen verängstigt von der Reaktion des Älteren. „Dass er mit mir geschlafen hat, war nicht das Schlimme. Ich meine, es war wunderschön, er war so liebevoll und zärtlich und er war ganz vorsichtig. Er hat es wirklich schön für mich gemacht und er war danach auch weiter so toll zu mir, hat mir irgendwie das Gefühl gegeben, dass ich ihm was bedeute und als ich ihn dann die Woche wiedergesehen habe, hat er auch so getan, als wäre ich ihm wichtig und er wollte mich wiedersehen. Ich meine, ich hab mir am Anfang ja keine Hoffnung gemacht, dass er mehr will, als mit mir schlafen und ich wollte auch nicht mehr von ihm, aber dann war er so wundervoll und ich hab mich ein bisschen in ihn verliebt und ich dachte, er sich auch in mich.“ Der Kleine unterbrach seine Erzählung kurz, kämpfte wieder ein bisschen mit den Tränen, worauf Kouyou seine Umarmung gleich wieder festigte. „Aber heute hab ich ihn in der Stadt gesehen, mit seiner Frau und seiner Tochter. Dabei hab ich gedacht, er hat niemanden und mag mich und dabei hatte Sono vollkommen recht und ich war nur sein süßes Spielzeug für zwischendurch.“ Jetzt fing der Kleine wieder an richtig zu weinen und Kouyou zog ihn jetzt richtig auf seinen Schoß, wiegte ihn sanft hin und her und redete beruhigend auf ihn ein. Er hatten Ayame selten so fertig gesehen und dafür wollte er diesen Kerl am liebsten wirklich leiden sehen. „Warum tut das so weh, Mama? Ich hab doch eigentlich gewusst, dass das nichts wird mit uns. Ich wollte mich auch gar nicht in ihn verlieben. Aber ich bin so dumm und hab es doch getan.“ „Shh, du bist gar nicht dumm, Engelchen. Man kann nicht kontrollieren, in wen man sich verliebt. Dein Verstand hat da gar keinen Einfluss drauf, es passiert einfach und auch wenn du es jetzt vielleicht nicht glaubst, aber der Liebeskummer, denn du hast, der geht wieder weg. Es wird besser, glaub mir.“ Der Größere wusste nicht so genau, wie er seinen Sohn jetzt trösten sollte, immerhin war das auch für ihn das erste Mal, dass er ein Kind mit Liebeskummer trösten musste. „Aber weißt du, was gut hilft? Süßigkeiten, Kakao und Filme mit heißen Typen im Fernsehen angucken, zumindest hat mir das immer geholfen.“ Ob sein Vorschlag wirklich auf Begeisterung treffen würde, wusste Kouyou jetzt zwar nicht, aber zumindest hatte es bewirkt, dass der Kleine aufgehört hatte zu weinen und ihn jetzt mit großen Augen anstarrte. „Ich geh schnell was holen.“ Auf Ayames Nicken war der Blonde kurz verschwunden, kam auch kurze Zeit später wieder mit Ayames Lieblingsschokolade, Gummibärchen, Kakao und Chips zurück in das Zimmer ihres Sohnes. Der Kleine saß mittlerweile wieder mit angezogenen Beinen am Kopf seines Bettes und zappte durch die Filmauswahl ihres Pay-TV-Anbieters. „Können wir Final Destination gucken?“ „Klar, was du willst, Engelchen.“ Die beiden hatten sich den Rest des Abends mit Süßigkeiten vollgefressen und dabei Horrorfilme geguckt und langsam schien es dem Jüngeren doch wenigstens ein bisschen besser zu gehen. Kouyou bekam die Worte ihres Sohnes aber nicht mehr aus dem Kopf. Für ihn war es weniger entscheidend, dass der Kleine Liebeskummer hatte oder dass er Sex gehabt hatte, das war in Ayames Alter ja jetzt früher oder später zu erwarten gewesen. Ihm machte es eher Sorgen, dass der Kleine von einem erwachsenen Mann verführt und so mies ausgenutzt worden war. Ihr Sohn war immerhin noch minderjährig und auch wenn er behauptete, es gewollt zu haben, war es für Kouyou doch offensichtlich, dass dieser Kerl ihren Jungen dazu getrieben hatte. „Engelchen, der Mann mit dem du geschlafen hast, wer war es?“ Kouyou musste das unbedingt wissen, einerseits weil er seinen Sohn demnächst vor diesem Kerl beschützen wollte und zweitens weil er der Meinung war, dass jemand der Minderjährige verführte ins Gefängnis oder zumindest sonst irgendwie bestraft gehörte. „Wieso willst du das wissen?“ „Weil du ein Kind bist und egal, was du behauptest. Du kannst so ein abgekartetes Spiel nicht so weit durchschauen, dass du gemerkt hättest, dass er dich nur ausnutzt und dafür gehört er ins Gefängnis.“, antwortete er ehrlich und jetzt sah sein Sohn doch wieder verunsichert aus. „Aber… ich hab es doch auch irgendwie provoziert. Ich will nicht, dass er wegen mir Ärger bekommt, ich hab es doch auch gewollt.“, nuschelte der Kleinere vor sich hin, wandte seinen Kopf zur Seite, sodass er Kouyou nicht mehr anblicken musste. „War es einer deiner Lehrer?“, stellte der Blonde dann noch eine Frage. Und ehrlich gesagt, war das gerade sein schlimmster Verdacht. Wo sollte Ayame auch sonst einen Mann im Alter seiner Eltern getroffen haben? Und es machte ihm Angst, es machte ihm Angst, dass sich einer der Lehrkräfte an seinem Jungen vergangen haben könnte. Ayames Reaktion, wie er jetzt nur noch starrer auf den Boden stierte, nervös an seinen Fingern herum spielte, war für den Größeren doch Antwort genug. Ihr Sohn war wirklich von einem Lehrer verführt worden. „Mama, kannst du Papa bitte nichts davon erzählen, er wird bestimmt ganz sauer sein.“ „Versprochen, Engelchen.“ Kouyou würde es Takanori dieses Mal wirklich nicht erzählen, er wusste, dass der Manager keine ruhige Sekunde mehr haben würde, wenn er von dem Vorfall mit dem potentiellen Lehrer erfuhr. Er wusste ja wie sein Mann sein konnte und er wusste auch, dass er in dieser Situation sicher nicht weiter ruhig zu Hause rumliegen würde. tbc @ Lucel: Ja die Skepsis war wie du merkst berechtigtxD und das Treffen kommt im nächsten Kapitel, ob Kouyou noch mehr herausfindet als hier, verrat ich nicht^-^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)