Delilah – Die Liebe einer Wölfin von Darklover ================================================================================ Kapitel 54: 54. Kapitel ----------------------- Es duftete im ganzen Haus nach warmem Apfelkuchen und frisch gekochtem Kaffee. Delilah fühlte sich zwar nicht zum ersten Mal wie ein richtiges Hausmütterchen, doch heute war das Gefühl besonders stark vorhanden. Vielleicht lag es an der gelb geblümten Schürze, die sie gerade noch so zubekam oder den für sie ungewöhnlich hochgesteckten Haaren, die zu einem perfekten Dutt zusammengedreht waren, ohne dass es auch nur einem einzigen Härchen erlaubt gewesen wäre, in eine falsche Richtung zu schauen. Ganz sicher aber trug ihr Bedürfnis nach einer völlig makellosen Umgebung zu diesem Gefühl bei. Immerhin hatte sie die letzten Tage wie eine Irre geputzt, auch wenn es dank ihres gewaltigen Umfangs nur sehr langsam vonstattengegangen war. Selbst ihre Männer waren nicht vor ihrem Reinlichkeitsfanatismus gefeit gewesen und hatten tatkräftig mithelfen müssen, sofern sie nicht den Zorn einer hochschwangeren, verunsicherten Wölfin auf sich ziehen wollten. Auch jetzt noch war da dieses nagende Gefühl in Delilah, dass es nicht reichen würde. Dass all ihre Mühen, all ihr Bestreben das Bild einer perfekten Hausfrau und künftigen Mutter zu verkörpern nicht ausreichen würden. Dass sie einfach nicht gut genug sein würde. Immerhin war sie nur eine Wölfin. Bis vor einiger Zeit war dieses ’nur' kein Thema für sie gewesen, immerhin liebten die Zwillinge sie so, wie sie war, und wollten sie gar nicht anders. Zumindest hatten sie ihr das oft genug versichert. Auch Elijah akzeptierte sie vorbehaltlos als ein Mitglied seines Rudels, obwohl gerade er sie am Anfang gar nicht hatte akzeptieren können. Woher kam also Delilahs plötzlicher Zweifel an ihrer DNA? Ihr entkam ein tiefer Seufzer bei diesem Gedanken und sie rückte noch einmal den Kaffeelöffel im perfekten Winkel zur Tasse. Sie wusste die Antwort darauf doch schon längst. Es waren die vielen Abfuhren, die sie erteilt bekommen hatte. Nicht von Männern. Das wäre ihr herzlich egal gewesen und war auch selten genug vorgekommen. Nein, es handelte sich hierbei um etwas viel Schlimmeres - Geburtshelferinnen! Sämtliche übernatürlichen Hebammen, die es in Great Falls und Umgebung sogar überraschend häufig gab, hatten sie einfach abgewiesen. Nicht jede hatte den wahren Grund ihrer Ablehnung genannt, aber dennoch war klar gewesen, was wirklich das Problem mit Delilah war. Sie war einfach kein reinblütiger Werwolf. Inzwischen kam ihr das Great Falls Rudel wie die verdammte Mafia vor, mit seinen weitverzweigten Netzwerken an Personen, die sie alle voll und ganz im Griff hatte. Bestimmt nahmen sie ihr das mit Nadine immer noch übel. Aber mal ganz ehrlich, wie nachtragend konnte man denn sein? Auf eine Schlampe mehr oder weniger in der Stadt kam es doch wohl nicht an, oder vielleicht doch? Ob so oder so. Keine der Hebammen, die in Frage gekommen wären, wollten Delilah treffen, geschweige denn betreuen. Selbst Young war schon mit dem Latein ziemlich am Ende gewesen, obwohl er wirklich sehr überzeugend sein konnte. Nun zumindest überzeugend genug, so dass er am Ende doch noch eine mögliche Kandidatin hatte ausfindig machen können, die bereit war, sich mit Delilah zu treffen. Hoffentlich war das keine von der Sorte, die nur gekommen war, um ihr etwas vorzuheucheln, damit sie beim nächsten Kaffeeklatsch mit ihren Kolleginnen etwas zum Erzählen hatte. Delilah durfte bloß nicht dran denken, sonst würde ihr nur ganz schlecht werden. Sie ließ einen letzten mehr als kritischen Blick über den gedeckten Tisch gleiten und gab sich dann damit zufrieden. Mehr konnte sie einfach nicht tun. Zumindest war ihr Timing perfekt. Delilah holte gerade den Kuchen aus dem Ofen, als sie ein Auto in die Einfahrt fahren hören konnte. Da Sonntag war, musste es ihr erwarteter Besuch sein. Schnell warf sie die Ofenhandschuhe zur Seite und riss sich die Schürze vom Leib. Auf dem Weg zur Tür zupfte sie noch einmal ihre Kleidung zurecht, überprüfte den Sitz ihrer Haare und atmete ein letztes Mal tief durch, bevor sie diese öffnete. Delilah hatte keine Ahnung, was genau sie nun erwartet hatte. Vielleicht so etwas in Richtung Gouvernante oder alte Fregatte, die von oben auf sie herabblicken würde, aber sicherlich nicht mit der ungewöhnlich sympathisch aussehenden Frau, die ganz vergessen zu haben schien, dass sie eigentlich aus dem Wagen hatte aussteigen wollen. Stattdessen war sie zwischen Tür und Angel hängen geblieben und sah sich mit großen, ehrlich interessierten Augen um. Ein Fuß im Wagen, der andere auf dem schneebedeckten Boden. Als ihr Blick schließlich den von Delilah traf, erschien nicht nur ein überraschend warmes Lächeln auf ihren Lippen, sondern es kam auch wieder Bewegung in sie. Delilah erwiderte das Lächeln zunächst noch etwas zurückhaltend, aber je mehr sie von der Präsenz dieser Frau eingenommen wurde, umso stärker wurde es, bis sie ihr Gegenüber regelrecht anstrahlte. „Hallo, du musst Delilah sein.“ Ihr Besuch nahm die buntgemusterte Mütze ab und ein Schwall aus haselnussbraunen Locken ergoss sich über die Schultern der Frau, die nur um wenige Zentimeter größer war als Delilah selbst. „Ich bin Holly Grey. Aber nenn mich ruhig Holly.“ Ihre Hand, die sie Delilah entgegen streckte, war ebenso braun, wie der Rest von ihr und wunderbar warm. „Gerne.“ Das meinte sie sogar tatsächlich so. „Komm doch rein. Der Kuchen ist gerade fertig geworden.“ „Danke, aber das wäre doch nicht nötig gewesen. Ich weiß schließlich, wie mühsam es ist, in der Küche zu stehen und dabei eine große Wassermelone vor sich herzutragen. Wenn das mal reicht. Du scheinst schon sehr viel weiter zu sein, als ich angenommen hatte.“ Holly schlüpfte aus ihren Boots und zog den ebenso bunten Mantel aus, der ein ungewöhnliches aber doch irgendwie total stylisches Design hatte. „Ja, ich bin gerade im Endspurt. Nur noch knapp fünf Wochen, dann ist es so weit.“ Delilah wollte den Mantel nehmen, doch stattdessen nahm Holly ihr den Kleiderbügel dankend ab und hängte ihn selbst auf. Delilah mochte auf Anhieb ihren Geruch, obwohl Holly definitiv ein Werwolf war. Dennoch war ihre anfängliche Angst fast schon wie weggeblasen und das war wirklich bemerkenswert. „Da komme ich ja gerade noch rechtzeitig. Dr. Young hat mir zwar erzählt, dass er dich bisher betreut hat, aber er ist ein vielbeschäftigter Mann. Ich kann mir vorstellen, dass da einiges auf der Strecke geblieben ist.“ Für einen Moment wurde Delilah wieder vorsichtig, während sie ihren Gast in die Wohnküche führte, und befürchtete einen versteckten Seitenhieb, besser gesagt Kritik an ihr und dass sie nicht gut genug auf die Geburt vorbereitet war. Sie hätte sich das Gefühl sparen können. „Keine Sorge, das kriegen wir schon hin und die Geburt selber ist weniger kompliziert, als man glauben mag. Im Grunde genommen ist die Praxis ohnehin der beste Lehrer.“ Wie schon zuvor in der Einfahrt sah sich Holly aufmerksam, jedoch nicht kritisch um. Es war viel mehr sehr viel Neugierde in ihren smaragdgrünen Augen zu sehen, und wenn Delilah es nicht besser wüsste, würde sie meinen, dass ihr sogar ein Hauch von Nervosität anhaftete. „Setz dich doch.“ Sie deutete auf einen der Stühle, doch Holly winkte schmunzelnd ab. „Ich helfe dir lieber mit dem Kuchen. Der duftet wirklich ausgesprochen lecker.“ „Danke und ehm ... danke.“ Sie mussten beide grinsen. „Und du hast selber auch Kinder?“, wollte Delilah wissen, nachdem sie den Kuchen angeschnitten und auf die beiden vorbereiteten Teller verteilt hatten. „Ja. Meine Tochter Lucy. Sie ist sechzehn und treibt mich regelmäßig in den Wahnsinn.“ Delilah sah in Hollys Gesicht, die Liebe einer Mutter, die selbst über den täglichen Wahnsinn hinaus unerschütterlich blieb. Ob sie auch einmal so sein würde? Ganz bestimmt. Schließlich liebte sie ihr kleines Trampeltierchen selbst dann über alles, wenn wieder einmal eines ihrer Organe als Boxsack herhalten musste. „Teenager eben. Wir waren doch alle nicht ganz einfach, möchte ich wetten.“ Sie holte noch die frisch geschlagene Sahne aus dem Kühlschrank und begab sich dann mit Holly an den Tisch. „DAS stimmt allerdings.“ Der Kuchen war noch sehr heiß und daher stärkten sich die beiden Frauen vorerst mit ihren Getränken. Ihr Gast genoss den frisch gebrühten Kaffee und Delilah hielt sich nur allzu gerne an ihren Früchtetee. Holly war eine bemerkenswerte Werwölfin. Offen und herzlich und gerne auch zu der einen oder anderen nett gemeinten Neckerei aufgelegt. Man fühlte sich sofort wohl in ihrer Nähe und Delilah hatte schon längst vergessen, dass sie eigentlich hätte nervös sein sollen. Die ältere Frau schaffte es einfach jede noch so starke Gefühlsblockade zu überwinden und hatte sie daher sehr schnell um den kleinen Finger gewickelt. Dennoch blieb Delilah vorsichtig, was gewisse Details in ihrem Leben anging. Sie wollte das hier einfach nicht versauen. Holly schien das zu spüren und bohrte nicht weiter nach. Stattdessen erzählte sie von sich und ihrem Leben. Dass sie bis vor ein paar Wochen noch mit ihrer Tochter in Australien gelebt hatte, was auch die deutliche Bräune im Winter erklärte. Ihr Mann starb vor einem Jahr bei einem Löscheinsatz, als wieder einer dieser verheerenden Waldbrände ausgebrochen war. Danach hatte es sie wieder zurück in ihre alte Heimat gezogen und in ihr altes Rudel oder besser gesagt, wollte Holly einfach, dass ihre Tochter auch weiterhin in einem starken Rudel unter Gleichgesinnten aufwuchs. Gerade jetzt war das für sie als junge Werwölfin besonders wichtig. Auch wenn es ihr selbst nicht besonders viel bedeutete. Was auch am Ende erklärte, warum Holly keinerlei Vorbehalte Delilah gegenüber hatte. Es kümmerte sie einfach nicht, dass sie lediglich eine Gestaltwandlerwölfin war. Viel mehr regten sie die engstirnigen Ansichten des Great Falls Rudels auf. Aber das würde wohl auch in hundert Jahren nicht dazu in der Lage sein, seine Meinungen und Vorbehalte zu ändern. Und wenn man dazu noch bedachte, was für Rudelmitglieder es beherbergte, unter anderem auch solche wie Nadine, da verzichtete man doch gerne auf eine Mitgliedschaft. Zumindest war das Delilahs unausgesprochene Meinung zu dem Thema. „Und meinst du, ich bekomme auch einmal den werdenden Vater zu Gesicht?“, warf Holly schließlich ein, während sie sich gesättigt von dem Apfelkuchen zurück in ihren Stuhl lehnte. „Ich muss doch schließlich wissen, wen ich schon bald ordentlich einspannen werde, damit du dich in den nächsten Wochen noch in Ruhe vorbereiten kannst.“ Delilah schob ebenfalls wohlig satt den Teller von sich und überlegte kurz. „Am besten wir machen einen kleinen Abstecher in die Werkstatt.“ Zwar hatte sie keine Angst mehr vor Hollys Reaktion, was ihre Beziehung zu zwei Männern anging. Aber es war dennoch besser, es ihr zu zeigen, als zu erklären. Also zogen sie sich in Ruhe warm an und stapften anschließend durch den Schnee in Richtung Büro. „Es hat sich ganz schön viel verändert. Wenn ich daran denke, wie es hier früher ausgesehen hat...“ „Du warst schon einmal hier?“ Das wunderte Delilah doch irgendwie. Immerhin lagen sie ein gutes Stück außerhalb von Great Falls. „Ja, in einem anderen Leben.“ Holly zwinkerte ihr zu, gab ihr aber zu verstehen, dass das jetzt nicht weiter wichtig war, also klopften sie ihre Schuhe ab und betraten das angenehm beheizte Büro. Es lief nur Elijahs PC, auf dem ein paar Datensätze zu sehen waren, ansonsten spielte sich alles wie immer in der Werkstatt selbst ab. Wortwörtlich. Im Radio lief ’Last Chrismas' perfekt performt von Dean und James McKenzie persönlich. Die nicht nur das Talent hatten den einen oder anderen Ton zu verfehlen, sondern auch gerne mal den Text nach ihren Wünschen dezent ordinär verbogen. Doch das absolute Highlight dieser Show war ihr vollkommen synchroner Po-Wackel-Tanz vor der offenen Motorhaube eines Range Rovers. Delilah schwoll das Herz bei diesem Anblick an und zugleich musste sie sich zusammenreißen, um die beiden nicht vor den Augen ihres Gasts in den Hintern zu kneifen. Man konnte die beiden doch nur lieben! Als der Song vorüber war, überraschte Hollys Beifall nicht nur sie, sondern auch die Brüder zuckten erschrocken zusammen und drehten sich dann leicht verlegen zu ihnen herum. „Das war eine wirklich einmalige Darbietung. Vielen Dank.“ Hollys Lächeln brachte die Zwillinge schließlich zum Grinsen, so dass Delilah die Gunst der Stunde nutzte, zu den beiden hinüberging und einem nach dem anderen einen Kuss auf die Lippen hauchte. Danach drehte sie sich um, nahm beide an den ölverschmierten Händen und hielt sie fest. „Darf ich vorstellen, die beiden Nachwuchstalente und zukünftigen Väter James und Dean McKenzie. Und das hier ist Holly Grey. Hoffentlich meine zukünftige ... Hebamme ...“ Delilah konnte nicht genau sagen, was Hollys Gesichtszüge entgleisen ließ, aber sie kam auch nicht dazu, nach dem Grund zu fragen, als irgendwo hinter ihnen etwas zu Boden fiel, das einen lauten, metallischen Klang verursachte. Alle drei drehten sie sich in Richtung Lager herum und Delilah staunte nicht schlecht, einen völlig erstarrten Elijah zu erblicken, der ganz klar nur Augen für Holly hatte. „Eli?“ Holly machte einen Schritt nach vor. „Bist du es?“ Noch ein Schritt und noch einer, bis sie regelrecht auf Elijah zustürmte und ihn beinahe umgeworfen hätte, wenn er nicht von solch beachtlicher Statur gewesen wäre. Es war befremdlich mit anzusehen, wie sie schon beinahe wie eine Verrückte an seinem Hals roch, mit ihren zittrigen Händen sein vernarbtes Gesicht befühlte und dabei fest die Beine um seine Taille umschlungen hielt. „Du bist es wirklich!“ Ihr kamen die Tränen, obwohl sie nun übers ganze Gesicht strahlte und den alten Werwolf kühn und zugleich ungestüm umarmte und ihn regelrecht herzte. Aber das, was darauf folgte, war wohl das realitätsfernste Phänomen überhaupt. Elijah schloss seine Arme ebenfalls um Hollys Rücken, drückte seine Nase in ihr Haar und sog tief mit geschlossenen Augen ihren Duft ein. Sein Körper bebte deutlich wahrnehmbar. Aber auch so konnte man sehen, dass ihn das Ganze ganz und gar nicht kalt ließ. Ganz im Gegenteil. So aufgewühlt hatte Delilah ihn noch nie gesehen. Aufgebracht ja, aber diese Art von Emotion war ihr an ihm völlig neu. „Hast du eine Ahnung, woher sich die beiden kennen?“, wollte James geflüstert leise von seinem Bruder wissen. Der schüttelte nur sprachlos den Kopf. Delilah wusste es ebenfalls nicht. Holly hatte nicht wirklich etwas erwähnt, aber da sie in Great Falls aufgewachsen war, könnte es natürlich sehr gut sein, dass sie Elijah noch aus ihrer Jungendzeit kannte. Auch wenn sie die beiden auf keinen Fall auf den gleichen Jahrgang schätzte. Aber vielleicht sah Elijah durch die vielen Narben auch einfach älter aus. Das wäre auf jeden Fall möglich. Da die beiden sich immer noch nicht rührten und regelrecht in dieser Position verharrten, beschloss Delilah, dass es an der Zeit wurde, einen dezenten Abgang zu machen. Dieser Moment war viel zu intim, als dass sie ihm noch länger beiwohnen sollten. „Feierabend, Jungs.“ Delilah packte die Zwillinge vorne an ihren Overalls und zog sie mit sich in Richtung Büro. So perplex, wie die beiden immer noch waren, war das kein Kunststück, allerdings kamen sie nicht einmal bis ins Freie, als auch schon die Spekulationen losgingen. „Ich schwöre, ich habe ihn noch nie mit einer Frau gesehen!“, tat James für Delilahs Geschmack viel zu lautstark kund, bevor er sich noch ein weiteres Stück Kuchen in den Mund stopfte. Sie alle drei saßen gemütlich auf der Couch und Delilah war die Einzige, die nicht gerade alles vollbröselte. Vor Hollys Ankunft hätte sie den Jungs dafür die Hölle heißgemacht, jetzt aber war es ihr herzlich egal. „Ach, ich wusste gar nicht, dass wir nur männliche Kunden haben. Alle anderen müssen wohl Transvestiten gewesen sein.“ Auch Dean haute ordentlich rein. Der Kuchen würde den restlichen Tag wohl nicht überleben. „Du weißt genau, was ich meine.“ „Ja, schon klar.“ Deans Gabel hielt einen kleinen Moment lang in der Luft inne. „Ich kann mich auch nicht daran erinnern, dass nach Mom da noch irgendeine andere gewesen wäre.“ Delilah nutzte diesen kleinen Augenblick der Unachtsamkeit, zog seinen Arm zu sich rüber und stibitzte ihm seinen Kuchen von der Gabel. Was ihm ein kleines Lächeln entlockte, auf den ein süßer, ebenso kleiner Kuss folgte. „He und ich?“ James, auf dessen Schoß sie ihre Beine abgelegt hatte, forderte sein Recht ein bisschen länger ein, woraufhin sein Bruder nun unruhig wurde. Kein Wunder. Sie alle litten deutlich unter Sexentzug. Denn obwohl der Geist von Delilah definitiv willig war, war das Fleisch schwach. Die fast schon wehenartigen Kontraktionen nach einem Orgasmus waren einfach zu schmerzhaft und nach ihrer schlimmen Erfahrung zu Anfang der Schwangerschaft auch viel zu beunruhigend, weshalb sie das Ganze letzten Endes abgeblasen hatte. Umso weniger konnte sie daher glauben, was die Jungs da über ihren Vater sagten. „Ach kommt schon ihr beiden. Ihr wollt doch nicht ernsthaft andeuten, dass Elijah in den letzten zwanzig Jahren wie eine Nonne gelebt hat. Klar er ist irgendwie unheimlich und oft ziemlich kalt, aber ich kann mir vorstellen, dass gerade diese Bad Boy Ausstrahlung ihn auf jeden Fall für die ein oder andere anziehend macht. Zudem sieht er immer noch unbestreitbar gut aus und die Narben sind da nur noch das Sahnehäubchen oben drauf. Gefährlich und heiß. Ich weiß wirklich nicht, was ihr habt.“ Nach diesem langen Monolog sahen ihre beiden Gefährten sie auf eine Weise an, als hätte Delilah sich gerade vor ihren Augen in einen Alien verwandelt. „Was?“ Breit grinsend pflückte sie sich ein weiteres Stück Kuchen von Deans Teller und steckte es sich in den Mund. „Sie hat nicht gerade gesagt, dass sie unseren Dad heiß findet, oder D?“ James' fast schon flehentlicher Blick war einfach Gold wert. Der von Dean war hingegen eher gespielt angewidert, so als müsste er gleich würgen. „Ich befürchte schon.“ „Echt krass.“ „Absolut.“ „Tja, so wie ich das sehe, könnt ihr beiden jetzt nur noch eins tun.“ Delilah zog ihre Beine von James' Schoß und stand mit sichtlicher Mühe von der Couch auf. Mit beiden Händen auf ihrem stark gerundeten Leib drehte sie sich herum und blickte beiden abwechselnd in die Augen. „Lebt damit. Ich jeden Falls weiß mein Glück zu schätzen und bin dankbar für die guten Gene, die ihr abbekommen habt. Oh und so wie ich das sehe, könnte es gut sein, dass hier bald wieder Sex in der Luft liegt. Aber macht euch bloß keine allzu großen Hoffnungen. Wir werden es bestimmt nicht sein.“ Delilah machte einen Abgang in Richtung Badezimmer. Die Zwillinge brauchten noch einen Moment, um die Information zu verdauen, doch dann konnte sie hinter sich ihre gemischten Reaktionen hören. „Oh Mann, Deli! Das Bild bekomm ich nie wieder aus dem Kopf!“, rief James ihr hinterher, während Dean nun tatsächlich Würgegeräusche machte. Delilah grinste schelmisch. Es konnte wirklich nicht schaden, wenn sich ihre Jungs an den Gedanken gewöhnten, dass auch ihr Dad Sex hatte. Schließlich waren sie alle erwachsen, oder in manchen Fällen, versuchte man zumindest es noch zu werden. Es war schon ziemlich spät, als sich endlich etwas vor dem Haus tat. Delilah und die Brüder hatten es sich fürs Abendprogramm wieder auf der Couch bequem gemacht. Den ersten Film hatten sogar alle noch richtig mitbekommen, doch nun am Ende des zweiten Films schliefen sie in trauter Dreisamkeit und schenkten dem Geschehen im Fernsehen keine weitere Bedeutung. Im Gegensatz zum Nachmittag hatte es sich Delilah dieses Mal an James' Brust gemütlich gemacht und ließ sich von Deans warmen Händen die Füße wärmen, dessen Kopf schon längst gegen die Rückenlehne der Couch gefallen war. Sein Mund stand halb offen und er gab leise Schnarchgeräusche von sich. Im Halbschlaf bekam Delilah mit, wie ein Auto wegfuhr. Schwere Stiefel stampften kurz darauf leise den Schnee ab, bevor die Haustür geöffnet und wieder geschlossen wurde. Elijah verschwand für eine Weile in seinem Zimmer und Delilah schlief wieder weiter. Erst eine Bewegung in der Nähe ihres Bauches ließ sie wieder hochschrecken. Der uralte Instinkt ihr Baby zu beschützen, weckte sie schlagartig auf. Aber es war nur der alte Werwolf, der gerade eine Decke über ihre Beine zog. „Schlaf ruhig weiter.“ Seine tiefe Stimme war nur ein Flüstern. Delilah beruhigte sich sofort wieder und legte den Kopf zurück auf James' Brust. Ihr fielen bereits wieder halb die Augen zu, als ihr noch etwas einfiel. „Holly?“, nuschelte sie in James' T-Shirt. „Kommt morgen wieder.“ „Das ist gut.“ Sie schloss die Augen wieder, schlief aber nicht weiter, als ihr Elijahs Zögern immer deutlicher Bewusst wurde. Vor allem die Wärme seiner Hand, die sehr klar auf ihren Bauch abstrahlte, war nicht leicht zu ignorieren. Wäre Delilah richtig wach gewesen, sie hätte es nie gewagt, einfach so nach Elijahs Hand zu greifen und sie an der Stelle auf ihren Bauch zu legen, wo das Baby seinen Kopf deutlich dagegen drückte. Aber sie döste schon wieder halb, bevor sie sich deshalb Gedanken machen konnte. Sie wusste nur, dass sie glücklich und zufrieden war und Elijah von ganzem Herzen daran teilhaben lassen wollte. Er hätte es auf alle Fälle verdient, sein eigenes Glück zu finden. Wer weiß, vielleicht war Holly nicht nur für sie die Rettung. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)