Spuren im mexikanischen Sand von Yulia_Federkiel (NCIS: Los Angeles) ================================================================================ Kapitel 3: Hier spricht Ian Nicholls ------------------------------------ Kapitel 03 – Hier spricht Ian Nicholls „Hier ist die Mailbox von G. Callen. Ich bin leider zurzeit nicht erreichbar, Sie können mir aber gerne eine Nachricht hinterlassen … Piep …“ Sam wusste mittlerweile nicht mehr, wie oft er diese Bandansage heute schon gehört hatte. Nach dem zehnten Anruf hatte er aufgehört, zu zählen. Und dabei war es noch nicht einmal Nachmittag! Frustriert feuerte er sein Handy auf den Schreibtisch im OSP, wo es protestierend um die eigene Achse rotierte und schließlich still liegen blieb. Still – wie schon den ganzen Tag über. Verdammt, wo war G. nur? Sam bedachte sein Mobiltelefon mit einem letzten vernichtenden Blick und stapfte dann – übel gelaunt, wie er war – die Treppen hinauf in die Kommandozentrale, wo Eric und Nell hoffentlich mit besseren Neuigkeiten auf ihn warteten. „Gibt es irgendwelche Probleme, Mr. Hanna?“ Auf halbem Weg in den ersten Stock zuckte Sam erschrocken zusammen, als hinter ihm die vertraute Stimme seiner Chefin ertönte. Wie keine Zweite verstand es Henrietta Lange, unbemerkt durch die Hallen des OSP zu schleichen. Und jetzt stand sie am Fuße der Treppe und bedachte ihn mit einem ihrer unnachahmlichen, alles durchdringenden Blicke, die ihm stets das Gefühl gaben, geröntgt zu werden. Sam war sich bewusst, dass er vor ihr nichts würde geheim halten können – und für einen Augenblick spielte er mit dem Gedanken, einfach sie nach seinem Partner zu fragen, anstatt immer wieder sinnlos die gleiche Nummer anzurufen. Doch dann besann er sich eines Besseren. Natürlich, Hetty musste wissen, wo Callen zurzeit war – Hetty wusste ALLES. Aber trotzdem Sam sich Sorgen um seinen Partner machte, gab es da doch noch diese unsichtbare Grenze des Vertrauens, die er nicht überschreiten wollte. Immerhin wäre G. unter Garantie alles andere als erfreut darüber, wenn Sam sich in seine Angelegenheiten einmischte – vor allem, wenn er ihn offenbar absichtlich im Unklaren gelassen hatte. Nein, Callen hatte einen triftigen Grund, sein Handy ausgeschaltet zu lassen. Er hatte immer seine Gründe, mehr oder weniger. Und Hetty hätte Sam doch wohl informiert, wenn sein Partner in ernsthaften Schwierigkeiten steckte … oder? „Wir haben noch keine Spur von dem Petty Officer oder seiner Tochter“, wich Sam also mit betont gelassener Stimme aus, die seine Worte jedoch mehr als alles andere Lügen strafte. „Das LAPD hat die beiden landesweit auf die Vermisstenlisten gesetzt und wir suchen mit allen verfügbaren Ressourcen nach Hinweisen, die uns zu ihnen führen können.“ Hetty runzelte die Stirn. „Ich verstehe“, erklärte sie schließlich ernst, durchbohrte ihn aber noch immer mit ihren Blicken. „Aber Sie sind nicht mit dem zufrieden, was die ‚verfügbaren Ressourcen‘ bisher ergeben haben.“ Sam zögerte einen Augenblick, ehe er zu einer Antwort ansetzte. „Nein“, erklärte er schließlich, alle Gedanken an seinen Partner zur Seite schiebend. „Aber Kensi und Deeks kommen gleich vom Tatort zurück und Nell meint, dass die Computer demnächst ein paar Informationen liefern müssten.“ Hetty nickte. „Geduld, Mr. Hanna“, erklärte sie schließlich kryptisch, „ist eine Tugend, die gerade in Fällen wie diesen äußerst schwierig zu erlangen, nichtsdestotrotz aber äußerst notwendig ist.“ Und noch ehe Sam den wahren Sinn hinter den Worten seiner Vorgesetzten verstanden hatte, hatte diese schon auf dem Absatz kehrt gemacht und war genauso lautlos und plötzlich verschwunden, wie sie aufgetaucht war. „Wie gut, dass wir darüber gesprochen haben“, murmelte der ehemalige Seal schließlich verwirrt und setzte kopfschüttelnd seinen Weg in Erics Reich fort. ~*~*~*~*~*~*~ Nur ein paar Minuten vor Sam waren auch Kensi und Deeks von ihrem Außeneinsatz zurückgekehrt und warteten bereits in der Kommandozentrale auf ihn. Kensi hatte die Arme vor dem Körper verschränkt und starrte mit grimmiger Miene auf die übrigen Tatortfotos, die Officer Bailey ihnen vom LAPD aus übermittelt hatte und die Eric nun in einer Dauerschleife über die Monitore jagte. Deeks stand ein wenig abseits. Auch seine Gesichtszüge spiegelten deutlich die angespannte Stimmung wider, die den ganzen Raum zu erfüllen schien. Sam brauchte gar nicht erst fragen, was seine Kollegen herausgefunden hatten. Ganz offensichtlich war es genauso viel, wie seine Gespräche in Camp Pendleton ans Tageslicht gebracht hatten: gar nichts. Also wandte er sich sofort Eric zu, der ausnahmsweise allein vor den Computern hockte und offenbar immer noch am Suchen war. „Okay, Eric, was hast du für uns?“ Der Computerspezialist horchte auf und schwang mit seinem Drehstuhl herum, sodass er die Agents ansehen konnte, während er sprach. „Ich befürchte, es ist nicht viel“, entschuldigte er sich schon einmal im Voraus, ehe er zu seinen tatsächlichen Ausführungen ansetzte. „Auf den ersten Blick ist Ian Nicholls ein wahrer Saubermann. Gute Noten in der Highschool, keine Einträge wegen Prügeleien oder Sonstigem. Nach dem Abschluss hat er eine Lehre im computertechnischen Bereich absolviert, ehe ihn die Navy gelockt hat. Auch dort ist seine Dienstakte blitzblank. Dann habe ich allerdings tiefer gegraben und das hier gefunden.“ Eric nahm seinen Tablet-PC in die Hand und ersetzte die Dauerschleife der Tatortfotos auf dem Großbildschirm durch ein einziges Bild, auf dem vier junge Männer in Highschool-Uniform zu sehen waren. Einer von ihnen war unverkennbar Ian Nicholls. „Das ist die Highschool-Clique von Ian Nicholls. Die drei finsteren Gesellen neben ihm sind Manolo Cortez, Ernesto Souza und Ron Doyle“, erklärte Eric. „Souza und Doyle haben im Gegensatz zu unserem Petty Officer bereits zu Schulzeiten mehrere Akteneinträge wegen Gewalttätigkeit, kleineren Drogendelikten und Erpressung. Cortez‘ Akte ist zwar genauso sauber wie die von Nicholls, allerdings stand er dreimal unter Mordanklage, kam aber jedes Mal wieder frei.“ „Klingt danach, als hätte Cortez ein Händchen dafür, seine Schuld jemand anderem unterzuschieben“, mutmaßte Deeks und runzelte die Stirn. „Schwer zu glauben, dass Nicholls mit solchen Freunden in der Schule ein Heiliger war.“ „Andererseits scheint er nicht wie jemand, der sich selbst die Hände schmutzig macht. Meint ihr, er könnte seine Kumpels von damals beauftragt haben, seine Frau umzubringen?“, fragte nun Kensi in die Runde, doch Eric schüttelte den Kopf. „Doyle sitzt wegen schwerer Körperverletzung in Louisiana ein und Souza trägt eine elektronische Fußfessel – sein Bewährungshelfer sagt, dass er in den letzten vier Tagen sein Haus in Austin nie für mehr als eine halbe Stunde verlassen hat.“ „Also stehen wir wieder am Anfang“, murmelte Sam resigniert und dachte an sein Gespräch mit Hetty. Wie sollte er sich einfach nur gedulden, wenn dort draußen ein Mörder lauerte und genauso wenig auffindbar war wie das vermisste Kind? Es war zum Mäusemelken. Wäre doch bloß G. hier, dann … Sam konnte nicht einmal mehr den Gedanken zu Ende denken, als plötzlich Nell schon zum zweiten Mal an diesem Tag in atemberaubender Geschwindigkeit in die Kommandozentrale gerauscht kam. Diesmal jedoch wartete sie nicht, bis sie wieder genügend Luft bekam, sondern verkündete mit glühenden Wangen: „Ich habe sie gefunden! Nancy Nicholls … und ihren Vater!“ Auf diese Worte folgte ein einziges Durcheinander. Sofort wurde Nell mit Fragen nach dem Wann, Wie und Wo bestürmt, die sie alle unmöglich gleichzeitig beantworten konnte, ehe Sam schließlich ein Machtwort sprach und die anderen verstummen ließ. „Also Nell, jetzt ganz in Ruhe …“, meinte er und überließ dann der jungen Technikerin das Wort. Rasch warf Nell Eric einen USB-Stick hin und bedeutete ihm, die Daten darauf auf den Großbildschirm zu werfen. „Okay, ich habe den Wagentyp und das Kennzeichen von Petty Officer Nicholls‘ Auto über seinen Leasingvertrag herausgefunden und ihn landesweit mit Kaleidoscope suchen lassen, wo ich …“, begann sie und nahm nun die Steuerung der Dateien, es waren fast ausschließlich Fotos, selbst in die Hand. „… das hier gefunden habe.“ Auf dem Großbildschirm erschien das Foto eines schwarzen Geländewagens, der offenbar mitten in der Nacht über eine Landstraße raste. „Die Aufnahme stammt von einer Radarfalle im Norden von San Diego“, erklärte sie rasch und zoomte mit einer flüchtigen Handbewegung auf die Person hinter dem Lenkrad. „Den Fahrer des Wagens konnte ich per Gesichtserkennung eindeutig als Petty Officer Ian Nicholls identifizieren. Wenn man genau hinsieht, erkennt man auf dem Rücksitz noch eine weitere Person, die leider durch die Beifahrerlehne größtenteils verdeckt ist. Ich habe sie mit dem Bild von Nancy Nicholls verglichen und eine 75-prozentige Übereinstimmung erhalten.“ Man konnte förmlich spüren, wie eine Woge der Erleichterung über das Team schwappte. Deeks trat langsam näher an die Großleinwand und betrachtete die Aufnahme nun aus der Nähe, während sich Sam wieder an Nell wandte: „Von wann genau ist die Aufnahme?“ „21:36 Uhr, gestern Abend“, antwortete die Technikerin und fuhr, noch ehe sich Ernüchterung unter den Agents breitmachen konnte, fort: „Aber da wir aufgrund der Fahrtrichtung und der Uhrzeit mehrere Parameter seiner Reise kennen, habe ich Kaleidoscope mit den wahrscheinlichsten Routen gefüttert, die er genommen haben könnte, und konnte die Suche dadurch rapide eingrenzen.“ Sie drückte erneut auf eine Taste und schon erschien ein gutes Dutzend weiterer Aufnahmen des schwarzen Geländewagens mit dem jeweiligen Zeitstempel auf den Monitoren, zusammen mit einer riesigen Landkarte der Ostküste. „Wenn man nun die Bilder in eine chronologische Reihenfolge bringt und zusätzlich das Verkehrsaufkommen sowie die möglichen Rastplätze in Betracht zieht, ist das die wahrscheinlichste Route, die Petty Officer Nicholls und seine Tochter in den letzten zwei Tagen genommen haben.“ Nell sah zufrieden den kleinen Punkten zu, die sich anhand der Bilder auf der Landkarte positionierten und dann nacheinander mit einer blauen Linie verbanden, die stetig in Richtung Süden zeigte. „Gute Arbeit, Nell. Checkt die Listen aller Freunde und Verwandten der Familie, die einen Wohnsitz oder ihren Arbeitsplatz in der Umgebung haben, auf die die Route zeigt“, ordnete Sam an, als die Animation auf dem Bildschirm zu Ende war. „Und behaltet die Spur von Kaleidoscope im Auge! Und wir müssen uns noch einmal die restlichen Unterlagen vom LAPD ansehen …“ Die letzten Worte hatte Sam an Kensi und Deeks gerichtet, deren Mienen sich schlagartig verfinsterten. Der ehemalige Seal ahnte Schlimmes … ~*~*~*~*~*~*~ Und er sollte recht behalten. Die Unterlagen vom LAPD stellten sich zwar als sehr vorbildlich geordnete, jedoch handschriftlich verfasste Akten heraus, die die noch immer überaus gut gelaunte Heather Bailey persönlich im Bootshaus abgeliefert hatte. Der Mitarbeiter, der sie dort empfangen hatte, konnte sich auch jetzt noch ein Grinsen kaum verkneifen, als er Deeks neben den Akten auch noch eine schriftliche Notiz der Polizistin überreichte. „Hey, lass mal sehen“, forderte Kensi ihren Partner auf, als die beiden wieder unter sich waren, und kam zu Deeks‘ Schreibtisch herüber, um ihm beim Lesen über die Schulter schauen zu können. Deeks begnügte sich fürs Erste mit einem missbilligenden Blick, während er das sorgsam gefaltete Papier auseinandernahm. „Ach du meine …“, begann er, doch die restlichen Worte blieben ihm im Hals stecken. Aus der einen Seite waren plötzlich drei geworden, jede von ihnen doppelseitig und in feinster Schnörkelschrift beschrieben und in der unteren rechten Ecke mit Seitenzahlen versehen. Der Detective schluckte, seine Partnerin dagegen konnte nur mühsam einen Lachanfall verhindern. „Was zur Hölle habt ihr da draußen alles besprochen?“, fragte sie grinsend, während Deeks mit einem gequälten Gesichtsausdruck die ersten Seiten überflog. „Sie … sie entschuldigt sich“, murmelte er perplex, als er endlich bei Seite 3 angekommen war. „Und das ziemlich wortreich. Verflucht, woher hat die nur die ganzen Wörter her?“ Kensis Grinsen wurde breiter, als sie den nächsten Absatz gelesen hatte. „Wie es aussieht, steht sie auf dich“, kommentierte sie spöttisch und deutete auf die Handynummer, die Heather Bailey mit einer ausladenden Wellenlinie unterstrichen hatte. „Willst du sie nicht anrufen? Ich bin mir sicher, ihr unterhaltet euch prächtig.“ Deeks stöhnte gequält auf. „Was, glaubst du nicht, dass ihr zusammenpasst?“, fragte Kensi mit einem süffisanten Lächeln, das Deeks sogar spüren konnte, obwohl sie noch immer hinter ihm stand. „Nein, das ist es nicht …“, begann er seine Rechtfertigung, als er plötzlich vom schrillen Klingeln seines Handys unterbrochen wurde. Langsam zog er es aus der Hosentasche und stöhnte erneut auf. „Was?“, wollte Kensi sofort wissen, doch ihr Partner streckte ihr anstelle einer Antwort nur das leuchtende Display hin, auf dem Heather Baileys Nummer fröhlich vor sich hin blinkte. „Wie es aussieht, brauche ich sie wohl nicht mehr anzurufen“, kommentierte Deeks trocken, ehe er die grüne Taste betätigte und sich das Telefon ans Ohr hielt. „Deeks.“ Zu seinem großen Erstaunen war es nicht die helle Stimme von Officer Bailey, die am anderen Ende der Leitung erklang. Es war eine Männerstimme. „Hier spricht Ian Nicholls. Ich brauche Ihre Hilfe.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)