Spuren im mexikanischen Sand von Yulia_Federkiel (NCIS: Los Angeles) ================================================================================ Kapitel 8: Mexiko á la Eva Espinoza ----------------------------------- Kapitel 08 – Mexiko á la Eva Espinoza Die Adresse, die Eric ihnen aufs Handy geschickt hatte, führte Sam und Callen in eine der nobleren Gegenden von Los Angeles, genauer gesagt in den Stadtteil Beverly Hills. In den Seitenstraßen des Sunset-Boulevards reihten sich die kleineren Villen wie Perlen an einer Schnur aneinander und gaben den Besuchern einen ersten Vorgeschmack von der schillernden Welt der Superreichen, die nur einen Katzensprung entfernt ihr Zuhause hatte. Sobald ihr Zielort in Sichtweite kam, drosselte Sam den Motor seines Challengers und fuhr im Schritttempo an Manolo Cortez‘ Haus vorbei, ehe er ihn schließlich in einiger Entfernung auf der gegenüberliegenden Straßenseite zum Stehen brachte. Unterdessen hatte Callen das Grundstück, das Haus und alle Sicherheitsanlagen vom Beifahrersitz aus einer ersten Prüfung unterzogen. Wie man anhand seines Gesichtsausdrucks unschwer erkennen konnte, war diese jedoch keineswegs zu seinen Gunsten ausgefallen. „Nur eine offene Überwachungskamera am Eingangstor, aber mindestens zwei weitere sind in den Hecken darum versteckt“, analysierte er sachlich. „Das Gartentor liegt mitten in ihrem Blickfeld und wird vermutlich elektronisch vom Haus aus gesteuert.“ Sam runzelte skeptisch die Stirn und spähte durch die verdunkelten Scheiben seines Wagens hindurch. „Also werden Cortez‘ Leute uns ohne Durchsuchungsbefehl keinen Fuß aufs Grundstück setzen lassen“, fasste er die Situation zusammen. Callen nickte zustimmend. „Böse Jungs in dieser Position riechen einen Bundesbeamten eine Meile gegen den Wind. Es wäre bescheuert, uns zu empfangen, wenn wir ihm keinen Wisch unter die Nase halten können.“ Schweigen. Für gewöhnlich hätte Sam sich diese Steilvorlage wohl kaum entgehen lassen und die beiden Agents hätten eine ganze Weile über verschiedene Gerüche und Babypuder sinniert, ehe sie sich mit einem Grinsen auf dem Gesicht ins Abenteuer stürzten, doch heute hatte keiner von ihnen das Bedürfnis, den Clown zu markieren. „Okay“, durchbrach Sam schließlich die Stille. „Was sollen wir machen? Spielen wir die Pizzalieferanten?“ Aber Callen schüttelte nur verneinend den Kopf und griff nach seinem Mobiltelefon. „Bei der Anzahl an Kameras würden die den Fake sofort erkennen. Ich glaube, wir brauchen heute eine etwas unkonventionellere Lösung … Hey Eric, ich fürchte, du müsstest uns mal einen kleinen Gefallen tun …“ ~*~*~*~*~*~*~ Und so dauerte es kaum fünf Minuten, bis das zuvor noch hermetisch abgeriegelte Eingangstor ein leises Klicken von sich gab und sich für eine ganze Weile von seinem Dienst verabschiedete. Das stetige Blinken der Sensoren erstarb und sämtliche Kameras sanken in ihren Verankerungen schlaff nach unten, als wollten sie sich einen kurzen Mittagsschlaf gönnen. Kurzum, Eric hatte sich wieder einmal selbst übertroffen. Nun in wesentlich besserer Laune verließen die beiden NCIS-Agenten den Schutz des Wagens und machten sich auf den Weg ins Feindesland. Callen machte sich nicht einmal mehr die Mühe, den Knopf unterhalb des unbeschrifteten Klingelschilds zu drücken, sondern öffnete ohne Umwege das Gartentor und betrat das Grundstück. „Also, irgendwie hatte ich mir das komplizierter vorgestellt“, erklärte der leitende Ermittler süffisant, während er sich im Vorgarten nach weiteren Überwachungskameras umsah, die aber wie ihre Pendants am Eingang in einen zeitweiligen Dornröschenschlaf gefallen waren. „Schlampig“, stimmte Sam seinem Partner mit einem Hauch von Belustigung zu. „Aber die Unterweltbosse von heute sich wohl auch nicht mehr das, was sie einmal waren.“ Callen grinste verschlagen. So gefiel ihm sein Freund schon wesentlich besser. „Eins musst du mir versprechen“, raunte er Sam zu. „Sollte ich jemals reich genug sein, um mir so eine Hütte zu kaufen, musst du mich daran erinnern, mir einen Hund zu besorgen.“ Von Sams Seite kam ein unterdrücktes Lachen. „Und was genau sollte das Vieh dann bewachen?“, feixte er. „Ich glaube kaum, dass es irgendeinen Dieb gibt, der Interesse an einem muffigen Schlafsack und deiner alten Unterwäsche hat. Außerdem …“ Doch Sam kam nicht mehr dazu, seinen Satz zu beenden. Plötzlich stürmten mehrere Männer in schwarzen Anzügen um die Ecke und ehe die Agents sich versahen, waren vier geladene Pistolenläufe auf sie gerichtet. „Keine Bewegung, oder ihr seid auf der Stelle tot.“ ~*~*~*~*~*~*~ Das Lächeln, das eben noch Callens Lippen umspielt hatte, gefror augenblicklich zu Eis. Sein Instinkt schrie förmlich danach, zu seiner Waffe zu greifen und sich zu verteidigen, doch genau wie Sam wusste er, dass Abwarten hier die klügere Taktik wäre. Und so beobachtete er, wie die Männer – offenbar alle in den Zwanzigern und lateinamerikanischer Abstammung – ihn umrundeten und einer, ein besonders klein geratenes Exemplar, näher kam. „Waffen sinken lassen“, forderte Callen in Befehlston und griff nach seinem Hosenbund, wo sich seine Dienstmarke befand. „Wir sind Bundesagenten vom …“ Doch weiter kam er nicht, denn mit einer erstaunlichen Geschwindigkeit schnellte der Zwerg nach vorne und drückte ihm seine Pistole auf die Brust. „Keine Bewegung, sagte ich.“ Callen bedachte sein Gegenüber mit einem vernichtenden Blick. Er konnte förmlich hören, wie Sam hinter ihm die Zähne zusammenbiss, aber natürlich war der Ex-Seal viel zu gut ausgebildet, um sich zu einer törichten Handlung hinreißen zu lassen. „Sie machen einen großen Fehler“, erklärte Callen scheinbar unbeeindruckt und sah seinem Gegenüber direkt in die Augen. „Ich kann Sie dafür festnehmen, dass Sie einen NCIS-Agenten mit einer Schusswaffe bedrohen. Die sind ja hoffentlich nicht illegal, denn sonst sitzen Sie und ihre Amigos ziemlich tief in der Scheiße, Kumpel.“ Für einen Augenblick flackerte Unsicherheit über die Miene des Mannes – für Callen war es jedoch mehr als genug. „Verlassen Sie dieses Grundstück, sofort“, befahl der Zwerg in noch immer scharfem Tonfall, aber Callen dachte nicht daran, aufzugeben. „Okay, das kann jetzt folgendermaßen ablaufen“, erklärte der Agent in hartem Tonfall. „Sie verweisen uns des Grundstücks und wir verlangen die Dokumente für all Ihre kleinen Spielzeuge. Und ist auch nur auf einem davon ein Tintenfleck zu viel, besorgen wir uns einen Durchsuchungsbefehl für das gesamte Anwesen. ODER …“ Er machte eine kleine Kunstpause, um die Reaktion seines Gegenübers zu testen. „… Sie führen uns zu Nolo, Ihrem Boss. Wir unterhalten uns ein wenig mit ihm und dann vergessen wir, dass wir illegale Waffen oder sonstige Dinge hier gesehen haben.“ In dem Gesicht des Zwerges konnte man förmlich sehen, wie die Zahnräder unter der Oberfläche in Höchstgeschwindigkeit ratterten. Doch dann – endlich – klickte es und der Zwerg wies seine Gefolgschaft mit einer kurzen Handbewegung an, die Waffen zu senken. „Wenn Sie mir bitte folgen würden.“ ~*~*~*~*~*~*~ Mehrere hundert Kilometer weiter südlich landete in diesem Augenblick ein kleines Linienflugzeug der Aeroméxico auf dem Flughafen von Mexico City und entließ ein leger gekleidetes Touristenpärchen in die Mittagshitze. „Uh, verdammt, können die sich hier keine Klimaanlage leisten?“ Deeks stöhnte dramatisch und versuchte, sich mit der flachen Hand ein wenig kühle Luft zuzufächeln, blieb jedoch ohne nennenswerten Erfolg. Kensi lachte trocken auf. „Verwöhnte Großstadtplage“, kommentierte sie grinsend und kramte in ihrer Handtasche, die sie extra von Hetty geliehen bekommen hatte, nach ihrer Sonnenbrille. „Vorhin war es dir zu stickig, jetzt ist es dir zu heiß … was passiert in fünf Minuten?“ „Was kann ich denn dafür, dass die Belüftung im Flugzeug kaputt war?“, beschwerte sich Deeks sofort und setzte eine beleidigte Miene auf. „Gar nichts“, erwiderte Kensi ein wenig patzig. „Manche Leute besitzen so etwas wie Selbstbeherrschung. Solltest du mal im Lexikon nachschlagen. Die Stewardess hatte nämlich bestimmt Besseres zu tun, als alle fünf Minuten bei dir anzutanzen und deine Fragen zu beantworten.“ Deeks grinste verschlagen. „Also ich glaube, das hat Adriana ganz anders gesehen.“ Von Kensi kam nur noch ein gequältes Stöhnen als Antwort. Besagte Adriana, die auf ihrem Flug das einzige Bordpersonal gewesen war, hatte tatsächlich mehr als die Hälfte ihrer Zeit damit verbracht, auf einem Sitz neben Deeks zu sitzen und in gebrochenem Englisch mit ihm zu flirten. Der Flieger war kaum belegt gewesen und die wenigen Fluggäste – allen voran unser LAPD-Detective – schienen sich an dem leisen Gekicher kaum bis gar nicht zu stören. Einzig Kensi hatte von Sekunde zu Sekunde intensiver darüber nachgedacht, ob sie das Mädchen nach ihrer Landung nicht einfach beim Piloten verpfeifen sollte. Doch am Ende kam Kensi zu dem Schluss, dass sie hier wichtigeres zu tun hatte. Das Mädchen konnte ohnehin kaum etwas für die Verfehlungen ihres Partners und DEM würde sie ohnehin später ordentlich den Kopf waschen – blaue Flecke inklusive. Und so ließ Kensi sowohl ihren Partner, als auch die Prozedur der Gepäckabholung und des Zolls über sich ergehen, ohne auch nur ein einziges Mal das Wort zu ergreifen. Deeks ließ sie wider Erwarten in Frieden und entschloss sich – wohl als Zeichen des guten Willens – ihr Gepäck zu übernehmen. Das schien Kensi ein wenig aufzumuntern, denn obgleich sie nichts sagte, zauberte Deeks‘ Tat doch einen glücklichen Gesichtsausdruck auf ihr Gesicht. Zumindest, bis sie durch die gläserne Drehtür in die Wartehalle entlassen wurden und eine wohlbekannte Gestalt in ihrem Blickfeld auftauchte … „Marty, wie schön, dich wiederzusehen!“ Eva Espinoza kam lächelnd auf die beiden Agenten zu und begrüßte Deeks sofort mit einer Umarmung. Sie sah gut aus, weitaus besser zumindest, als Kensi sie von ihrem letzten Treffen in Erinnerung hatte. Die Spuren der monatelangen Jagd, allen voran die dunklen Augenringe und eingefallenen Wangen, waren vollkommen aus ihrem Gesicht verschwunden und auch ihr Kleidungsstil hatte sich sehr verändert. Wäre sie nicht so zielstrebig auf Deeks zugelaufen, Kensi hätte sie wohl in der Menge nicht wiedererkannt. „Die Freude liegt ganz auf meiner Seite, Eva“, antwortete Deeks charmant und sah sie mit seinem typischen Deeks-Grinsen an. „Und vielen Dank, das wir herkommen durften.“ „Keine Ursache. Du hattest ohnehin noch etwas gut bei mir“, winkte Eva ab und wandte sich nun Kensi zu. „Miss Blye, willkommen in Mexiko. Ich hoffe doch, der Flug hat Ihnen keine Unannehmlichkeiten bereitet?“ Sie lächelte, als sie Kensi die Hand reichte, allerdings hätte die Begrüßung nicht kühler sein können. Doch die junge Mexikanerin war nicht die Einzige, die ein Pokerface aufsetzen konnte und Kensi hatte nicht vor, sich eine Blöße zu geben. „Der Flug hat meinem Freund weitaus mehr zugesetzt als mir“, antwortete sie freundlich und schüttelte ihr kurz die Hand. Natürlich hatte Deeks Eva schon vorab von ihrer Tarnidentität unterrichtet, nichts desto trotz bereitete es Kensi ein nicht zu unterschätzendes Vergnügen, ihrem Gegenüber so die Stimmung zu verhageln. „Aber ich bin trotzdem froh, dass wir angekommen sind. Wollen wir dann los?“ Eva nickte ein wenig kühl und bat die Agents, mit zu ihrem Wagen zu kommen. Kensi befolgte diese Anordnung sofort, Deeks jedoch blieb noch einen Moment lang stehen und sah den zwei Frauen verunsichert hinterher. Dann aber nahm er Kensis und seinen Rollkoffer und bemühte sich, mit dem Stechschritt mitzuhalten, den beide an den Tag legten. ~*~*~*~*~*~*~ Nachdem das übrige Wachpersonal verschwunden war, um wieder seine Posten aufzunehmen, führte ihr neuer Begleiter die Agents Callen und Hanna um das Haus herum und in den hinteren Garten. Anders, als man anhand der Frontfassade und des mäßig gepflegten Vorgartens vermutet hätte, war die Welt jenseits des öffentlichen Blickfelds durchaus geschmackvoll gestaltet. Die Blumenbeete waren sorgfältig, ja fast schon liebevoll arrangiert, die Hecken professionell geschnitten und der Kiesweg, der sich um einen kleinen Koi-Teich schlängelte, von jeglichem Unkraut befreit. Doch auch in dieser scheinbar perfekten Idylle wimmelte es nur so von subtil versteckten Überwachungskameras, die aber den meisten ungeschulten Beobachtern wohl entgangen wären. Callen allerdings entdeckte sie alle und musste sich ein Grinsen verkneifen, als er registrierte, dass auch diese Exemplare vollständig Erics kleiner Spielerei zum Opfer gefallen waren. Cortez‘ Handlanger führte die beiden NCIS-Agenten den Kiesweg entlang und in eine der hinteren Winkel des Gartens, wo ein weißer, von Rosen umrankter Pavillon sofort Callens Aufmerksamkeit erregte. Aber wie schon zuvor war es nicht das romantische Flair, das seine Sinne in Beschlag nahm, sondern vielmehr die Personen, die sich dort befanden. Zwei schwarz gekleidete Muskelpakete flankierten den ihnen zugewandten Eingang des Pavillons, traten jedoch auf einen kurzen Wink von Callens Begleiter hin schweigend zur Seite und offenbarten einen Blick auf den Mann, wegen dem sie das ganze Theater hier veranstalteten. Manolo Cortez saß, den Blick tief in einen dicken Wälzer vergraben, in einem gemütlichen Gartenstuhl und sah erst auf, als Callens Begleiter sich vernehmlich räusperte. „Mr. Cortez, hier sind zwei Herren von der Polizei, die mit Ihnen zu sprechen wünschen.“ Callen musterte Cortez aufmerksam. Abgesehen von ein paar Strähnen grauen Haares und wenigen unvermeidlichen Spuren des Älterwerdens im Gesicht sah der Mann noch genauso aus, wie Callen ihm von seinem High-School-Foto in Erinnerung hatte: Dunkle Augen und Haare, ein durchdringender Blick und einen gewissen Zug um den Mund, der ihn trotz seiner nicht unbedingt markanten Größe bedrohlich wirken ließ. „Polizisten?“ Aus Manolo Cortez‘ Mund klang es wie ein Schimpfwort. Der Handlanger sah betreten zu Boden und kämpfte offensichtlich gegen den Drang, einen Schritt zurück zu machen, während Cortez‘ Blicke langsam zu Callen und Sam wanderten und sie eindringlich musterten. „Special Agents vom NCIS“, erklärte Callen dem Mafioso rasch und versuchte so zu verhindern, dass dieser sich in Gedanken bereits eine Strategie gegen sie erarbeitete. „Wir haben ein paar Fragen zu ihrem Schulfreund Ian Nicholls.“ Die Sache mit der Entführung ließ er absichtlich unangetastet. Fürs Erste war es besser, nicht alle Trümpfe sofort auf den Tisch zu legen. „Ian? Den habe ich seit Jahren nicht mehr gesehen“, erklärte Manolo gelassen. „Aber wenn Sie sich kurz fassen, bin ich gerne bereit, der Navy mit meinem spärlichen Wissen unter die Arme zu greifen.“ Ein arrogantes Lächeln huschte kurz über sein Gesicht, ehe er sich wieder seinem Gefolgsmann zuwandte. „Raúl, Hector, Rico, verzieht euch. Und Raúl, wir sprechen uns später.“ Trotz seines neutralen Gesichtsausdrucks klangen diese Worte wie eine Ohrfeige. Raúl jedenfalls nickte nur knapp und bemühte sich dann, die beiden Schränke im Schlepptau, Boden zwischen ihn und seinen Chef zu bringen. Schließlich wandte Cortez sich wieder den beiden Agents zu. „Ich würde Ihnen ja gerne einen Sitzplatz anbieten“, erklärte er mit aufgesetzter Freundlichkeit. „Aber da Sie es sicher vorziehen, ihre ‚Verhöre‘ aus einer erhöhten Position zu absolvieren, erspare ich Ihnen und mir die Peinlichkeiten einer solchen Absage.“ Callen ließ sich nichts anmerken, doch in seinem Kopf schrillten bereits alle Alarmglocken. Cortez kannte sich ohne Frage aus und würde mit Sicherheit nicht einfach zu knacken sein. Also konnte er sich das Vorgeplänkel auch sparen und gleich zur Sache kommen. „Was haben Ihre Leute vorgestern Abend an einer Tankstelle vor San Diego gemacht?“, fragte er also geradeheraus und erhielt das erwartete Lachen seines Gegenübers. „Tanken, nehme ich an?“ Cortez wurde wieder ernst. „Ich habe viele Angestellte, einige davon waren vorgestern Abend sicherlich auch in der Nähe von San Diego, aber Sie können wohl kaum von mir erwarten, dass ich zu jedem Zeitpunkt über den Aufenthaltsort von allen informiert bin. Also rate ich Ihnen, zum Punkt zu kommen, denn wenn ich mich recht erinnere, wollten Sie mich nach meinem Freund Ian befragen.“ Die letzten Worte waren fast drohend ausgesprochen worden, sodass Callen rasant umschwenkte und ein Standbild der Tankstellen-Überwachungsbänder aus seiner Jacke zog. „Das da sind Ihre Leute, in Ihrem Wagen, an genau der Tankstelle in San Diego, an der fünf Minuten zuvor die kleine Tochter Ihres Schulfreundes entführt wurde. Wir wissen, dass Sie und Nicholls seit dem Mord an seiner Frau zweimal telefoniert haben. Also ersparen Sie sich und uns die Peinlichkeiten und erzählen uns, was ihre Leute dort gemacht haben.“ Cortez‘ Gesichtszüge verhärteten sich mit jedem von Callens Worten mehr, und als der Agent schließlich geendet hatte, schienen die Blicke des Mafioso ihn schlichtweg aufspießen zu wollen. Callens Pokerface jedoch hielt dieser Attacke problemlos stand. Nach einer gefühlten Ewigkeit, in der sich die beiden ebenbürtigen Gegner mit Blicken maßen, um in der feindlichen Defensive eine Lücke zu entdecken, ergriff schließlich Cortez das Wort. „In Ordnung, Sie haben Recht. Meine Leute waren dort.“ Er seufzte vernehmlich. „Ian hat mich angerufen, nachdem er Emily tot im Haus liegen sah. Er hatte Angst, dass ihre Mörder auch hinter Nancy her sein könnten und bat mich um Hilfe.“ Cortez machte eine kleine Pause, doch Callen hatte nicht vor, ihm den Gefallen zu tun und seinen Redefluss zu unterbrechen. Denn auch wenn seine Geschichte vermutlich gelogen war, so konnte er doch vielleicht einen Nutzen daraus ziehen. „Wir hatten verabredet, dass er das Mädchen an dieser Tankstelle meinen Leuten übergibt.“ Cortez deutete auf das Foto. „Sie hatten den Auftrag, Nancy für eine Weile an einen sicheren Ort zu bringen, bis Ian die Sache mit Emily aufgeklärt hat.“ Callens Gesichtsausdruck zeigte Skepsis. Erneut wartete er darauf, dass Cortez‘ weitersprach, doch dieser hatte anscheinend genug gesagt. Wieder folgte ein gespanntes Schweigen, das diesmal allerdings Callen durchbrach. „Was ist schief gegangen?“ „Ich bitte Sie, dass wissen Sie weitaus besser als ich“, erklärte Cortez daraufhin spöttisch und verwies wieder auf den Ausdruck. „Vielleicht sollten Ihre Leute sich das Überwachungsband noch einmal ansehen, dann wissen Sie, was passiert ist.“ Callen ließ sich seine Gereiztheit äußerlich nicht anmerken, doch seine Stimme wurde ein ganzes Stück härter. „Dann formuliere ich es anders. Wer sind die Leute, die ihnen das Mädchen vor den Augen weggeschnappt haben und woher haben die ihre Informationen?“ Doch damit hatte er den Bogen überspannt. Cortez erhob sich in einer schnellen Bewegung, die Maske der Oberflächlichkeit hatte deutliche Risse bekommen, seine Körperhaltung schrie förmlich vor unterdrückter Wut. „Das war alles, meine Herren“, erklärte der Mafioso bemüht ruhig und deutete in Richtung Straße. „Ich denke, Sie finden den Ausgang alleine. Raúl!“ Das letzte Wort hatte er förmlich geschrien und schon tauchte der untersetzte Handlanger wieder auf. „Bring unsere beiden Gäste bitte bis vor die Tür…“ Den Nachsatz „… und sorge dafür, dass sie dort bleiben.“ verschluckte er, aber trotzdem war sich jeder der Anwesenden seines Sinns durchaus bewusst. Callen und Sam sahen sich einen Augenblick lang an und nickten dann. Hier gab es nichts mehr für sie zu gewinnen, also war es besser, zu gehen. Sie waren ohnehin nicht scharf darauf, dass Cortez die Sache mit den gestörten Überwachungskameras zur Sprache brachte. Wort- und grußlos ließen sie sich von Raúl vom Grundstück geleiten und stiegen, nachdem sie sicher sein konnten, dass der Handlanger ihnen nicht nachspionierte, in Sams Challenger. ~*~*~*~*~*~*~ Inzwischen waren Kensi, Deeks und Eva Espinoza in einem zivilen Wagen auf dem Weg in Richtung Hotel. In Anbetracht ihrer Touristentarnung hatten sie es für vernünftiger gehalten, erst dort Halt zu machen und auf dem Weg herauszufinden, ob jemand sie verfolgte. Und ganz nebenbei hatten die beiden NCIS-Mitarbeiter nichts dagegen, ihre verschwitzten Klamotten vom Flug gegen frischere (und den Temperaturen angemessenere) auszuwechseln. Und so lenkte Eva ihren Wagen mit traumwandlerischer Sicherheit durch die überfüllten Straßen von Mexiko City, während Kensi von der Rückbank aus unauffällig im Rückspiegel nach Verfolgern Ausschau hielt. Deeks hatte sich auf dem Beifahrersitz breit gemacht und tat so, als würde er dösen. Denn nachdem die unterkühlte Stimmung zwischen den beiden Frauen ihnen bis in den Wagen gefolgt war, hatte er keine große Lust auf weitere Kommunikation. Entsprechend schweigsam verlief die Fahrt, bis Eva schließlich auf einen kleinen Parkplatz vor einem schlichten Hotel fuhr und Kensi ihren Partner mit einem kräftigen Knuff aufweckte. „Au, musst du denn immer gleich gewalttätig werden?“, beschwerte Deeks sich sofort lautstark, woraufhin Kensi mit den Augen rollte. „Ich war doch schon wach.“ „Genau, deswegen hast du mit deinem Schnarchen auch den halben Regenwald abgeholzt.“ „Ich habe nicht geschnarcht …“ Eva Espinoza beobachtete die Situation schweigend, doch mit fortdauernder Diskussion erschien ein leichtes Lächeln auf ihrem Gesicht, das erst wieder verschwand, als Kensi sie mit einem finsteren Blick bedachte. „Wir sollten einchecken, sonst kommen wir nie zu dem, wofür wir eigentlich hier sind“, unterbrach sie Deeks bei einer seiner Entschuldigungen. Ohne auf eine Erwiderung zu warten, stieg sie aus und betrat das Gebäude. Deeks lächelte Eva entschuldigend an und folgte seiner Partnerin, nachdem er ihr Gepäck aus dem Kofferraum des Wagens gehievt hatte. Doch schon in dem Moment, als er die schweren Taschen durch die Zimmertür bugsierte, zog bereits das nächste Unwetter auf. „Wir haben ein Problem.“ Kensis Tonfall war überaus ernst. Ein wenig verwirrt sah Deeks sich im Zimmer um, um den Grund für ihre Worte herauszufinden, doch er konnte nichts entdecken. „Was ist denn los?“ Kensis Miene verdüsterte sich. „Wir haben nur ein Bett…“ Und in diesem Moment verstand Kensi, was es mit Evas Lächeln auf sich gehabt hatte… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)