Der andere Harry Potter von -Sanna- ================================================================================ Kapitel 2: Die Geschichte über Quidditch ---------------------------------------- Die Geschichte über Quidditch Also wussten nach spätestens zwei Wochen alle, dass es fortan zwei Harry Potters in Hogwarts gab – außer einigen wenigen unbedeutenden Randfiguren. Solche Nachrichten verbreiten sich natürlich rasend schnell, schneller als jede Expresseule sein könnte. Die Lehrer redeten darüber, die Schüler tratschten darüber und ich bin mir ziemlich sicher, dass auch die Geister und die Potraits ihren eigenen Klatsch im Umlauf hatten. Die meisten fanden diesen Umstand einfach nur recht erstaunlich. Andere hielten es für einen schlechten Scherz. Wiederum andere hielten es für einen ziemlich guten Scherz. Aber wie ich bereits erwähnte – einigen Randpersonen blieb diese pikante Information verschlossen. Das war auch wirklich nicht weiter dramatisch. Ich meine, solcher Tratsch ist auch wirklich nicht für jeden interessant und eigentlich sowieso überflüssig. So toll war diese Sache im Grunde ja auch gar nicht. Bestimmt gab es auch mehrere Dumbledores in England und niemand machte sich darüber großartige Gedanken. Und daher ist es natürlich ganz und gar nicht weiter tragisch, dass meine Freunde mir es nicht erzählten, dass Harry James Potter nun ebenfalls in Hogwarts war und stattdessen abwarteten, was dieser Umstand noch für eine Geschichte ergeben würde. Worauf sie nicht sehr lange warten mussten. Natürlich – das wird jetzt ein jeder sagen – ist es auch zu einem gewissen Grad meine Schuld. Wahrscheinlich grenzt es auch an ein Ding der Unmöglichkeit, dass ich diese bombastische Information nicht sofort mitbekommen hatte und vielleicht könnte man deshalb auch behaupten, dass ich die nächste kleine Geschichte verdient habe – als Strafe für meine eigene Dummheit. Dieses Urteil stelle ich jedem frei, es selbst zu fällen. Ich möchte nur kurz erklären, weshalb es mir nicht gelungen ist, diese für mein Leben so wahnsinnig delikate Information in meinen Wissensstand einzubringen. Vielleicht wird sich der eine oder andere daran erinnern, dass Harry James Potter seinerzeit in Hogwarts ein überragender Quidditchspieler gewesen war. Als jüngster Sucher seines Hauses seit 100 Jahren gelangen ihm spektakuläre Partien im Sport der Zauberer und unvergessliche Siege, angefangen mit seinem ersten Sieg, bei welchem er den Schnatz mit seinem Mund gefangen hatte. Ich hatte dieses Spiel gesehen und weiß heute noch genau, wie ich an meinen eigenen Augen gezweifelt habe und zuerst davon überzeugt gewesen war, die Weasley-Zwillinge hätten sich einen ihrer bösartigeren Scherze bei ihrem jüngsten Mannschaftsmitglied erlaubt. Ich persönlich traue den Weasleys eine ganze Menge zu. Vor allem, seitdem ich im vierten Jahr einmal selbst Opfer einer ihrer Scherze wurde – und damit gezwungenermaßen später ein großer Fan ihrer Scherzartikel. Aber das hat mit dieser Geschichte wenig zu tun. Kommen wir also zurück zu Harry James Potter, dem ungelogen großartigen Quidditchspieler. Potter und ich teilen eine große Bandbreite an Leidenschaften. Aus sicherer Quelle weiß ich sogar, dass wir die gleiche Marmeladensorte bevorzugen (Waldfrucht). Und auch Quidditch gehört eindeutig zu diesen Gemeinsamkeiten. Ich liebe diesen Sport, seit ich das erste Mal von ihm gehört habe und den ersten Flug auf einem Besen werde ich mein Leben lang nicht vergessen. Das Gefühl, sich in die Luft zu schwingen, ungebremst durch Wolken zu brausen und mit dem Wind um die Wette zu fliegen, ist etwas Unvergleichliches. Deshalb habe ich auch den Flugunterricht bei Madam Hooch über alles geliebt – und was soll ich sagen? Dieses Fach hat mir einfach von Anfang an gelegen. Ich meine, es war nicht unbedingt so, als ob ich in allen anderen Fächern schlecht gewesen bin oder mir sonst nichts Spaß gemacht hat. Mir machen sogar eine ganze Reihe an Fächern Spaß, die ganz und gar nichts mit Besenreiten zu tun haben. Aber nichts übertrifft dieses unfassbare Gefühl der Freiheit. Ich habe meine Eltern den gesamten Sommer über verrückt damit gemacht, wie sehr ich von dem Fliegen begeistert gewesen bin und ihnen unzählige Male unter die Nase gerieben, dass Erstklässler zwar keinen eigenen Besen haben dürfen, aber Zweitklässler schon. Deshalb hab ich mich ein Loch in den Bauch gefreut, als ich zu meinem zwölften Geburtstag tatsächlich einen eigenen Besen bekommen habe. Mein erster Besen ist wirklich nichts Besonderes gewesen, es war – glaube ich – ein Sauberwisch. Aber das ist mir egal gewesen. Am liebsten hätte ich ihn selbst in die Schule geflogen, neben dem Hogwarts Express her und den anderen Schülern im Zug zuwinkend. Das hab ich natürlich nicht gedurft. Und das ist auch ganz gut so gewesen, denn als ich ein Jahr später von dem Horrortrip von Harry James Potter und Ron Weasley gehört habe, die mit einem fliegenden Auto zur Schule geflogen sind, um letztendlich einen sehr unsanften Zwischenstopp in der peitschenden Weide einzulegen, bin ich heilfroh darüber gewesen, diese Gemeinsamkeit nicht mit meinem berühmten Doppelgänger zu teilen. Aber ich schweife ab. Kommen wir wieder zurück zur Geschichte. Als das zweite Schuljahr für mich begonnen hat, habe ich es kaum erwarten können, meinen Besen vor meinen Mitschülern auszuprobieren und mein Können zu beweisen. Es ist einer meiner großen Träume gewesen, in meiner Schulmannschaft zu spielen, statt sie nur von den Rängen anzufeuern. Deshalb hab ich förmlich Hummeln im Hintern gehabt, als Madam Hooch uns endlich auf das Quidditchfeld geführt hat, um mit uns den Besenflug zu üben. Mein Plan ist es damals gewesen, eine besonders gute Figur im Unterricht abzugeben, um danach meine Lehrerin zu fragen, wie meine Chancen denn so stünden, in die Hausmannschaft zu kommen. Ich habe mir die Worte stundenlang zurecht gelegt und mich darauf vorbereitet, während allen Übungen hervorzuleuchten und besonders aufzufallen. Und – was soll ich sagen – es ist mir auf ganzer Linie gelungen. Aber nicht unbedingt so, wie ich mir das vorher gedacht habe. Zu meinen Schulzeiten habe ich eine sehr gute Freundin in Hogwarts gehabt, die gleichzeitig eine ungemein begabte Hexe gewesen ist. Und ich möchte jetzt keinen einzigen Vergleich zu irgendeiner gewissen Hermine Granger hören! Wie auch immer. Sie hat um meine Ambitionen wohl gewusst und hat mich mit Sicherheit nur tatkräftig unterstützen wollen, als sie Folgendes getan hat. Die Konsequenzen waren jedoch unerwartet für alle Beteiligten. Jedenfalls der Name meiner Schulfreundin ist Melissa White und wie ich bereits erwähnte, hat sie versucht, mir bei der Erfüllung meines Traums in die Schulmannschaft zu kommen, zu helfen. Sie hat schon immer ein großes Talent dafür besessen, sich alle möglichen Krankheiten einzufangen – eigentlich ist Melissa fast immer krank gewesen (physisch) – und deshalb hat es niemanden überrascht, als sie am Anfang unserer ersten Flugstunde in diesem Jahr zu Madam Hooch gegangen ist, um sich bei ihr zu entschuldigen. Ein schwerer Fall von Grünohrenschimmel oder was auch immer. Ich kann mich nicht mehr so genau daran erinnern – auf jeden Fall hat sie nicht am Fliegen teilgenommen, aber mir ein Zwinkern zugeworfen, bevor die erste Übung begonnen hatte. Vielleicht hätte mir das zu Denken geben sollen, aber ich habe mir darüber keine Gedanken gemacht, sondern bin viel zu sehr damit beschäftigt, mein Bestes dabei zu geben, die Bälle zu fangen und zu werfen, die unsere Lehrerin uns gegeben hat. Zielsicher habe ich in dieser Stunde jeden Ball gefangen. Ich habe ohne zu Zögern jeden Ball im Ring versenkt, den man mir später im Übungsspiel zugespielt hat. Mir ist es gelungen, keinen einzigen durch den Ring gleiten zu lassen, als ich in der Position des Hüters gewesen bin, ich habe einen vortrefflichen Klatscher-Schlag bewiesen und letztendlich habe ich sogar noch im Schnatz-Sucher-Spiel (eine Übungsvariante ohne den echten Schnatz, in dem wir kleine Gummibälle fangen mussten, die Madam Hooch verzaubert hatte) damit punkten können, gleich vier der kleinen Gummibälle zu finden. Alles ist geradezu erschreckend perfekt gelaufen. Vielleicht hätte mich das misstrauisch stimmen sollen – aber das hat es nicht. Wir waren mitten in einem weiteren Übungsspiel als Abschluss für die Stunde gwesen, als ich plötzlich bemerkt habe, dass meine Haut merkwürdig zu kribbeln begonnen hat. Und im nächsten Moment hörte ich bereits den entsetzten Schrei einer meiner Mitspieler und konnte sehen, wie er erschrocken auf meinen Arm deutete. Verwirrt habe ich ihn angestarrt und hab dann selbst einen Blick auf meine Haut geworfen – um dann ebenfalls aufzuschreien. Dort, wo vorher meine wunderbar normale und unauffällige Haut gewesen ist, bildeten sich nun blubbernde und leuchtende – ja leuchtende – Blasen. Natürlich ist Madam Hooch darauf aufmerksam geworden und hat das Spiel unterbrochen, während sich meine leuchtenden Blasen immer mehr ausgebreitet haben. Ich konnte es nicht sehen, aber ich konnte das Kribbeln auf der Haut spüren, überall wo sie sich gebildet haben. Und das war wirklich überall. Ich meine, es war nicht nur auf den Armen und auf den Beinen: Die Blasen bildeten sich an meinem Rücken, unter meinen Achseln, auf meiner Kopfhaut, in meinen Ohrmuscheln – und das waren die erträglichen Teile. Von den anderen will ich gar nicht erst sprechen. Ich war ein lebendes Glühwürmchen auf einem Besen. Ich spreche von erträglich, weil sich die Behandlung dieser Blasen über mehrere Tage hinweg gezogen hat. Obwohl Madam Pomfrey sehr schnell dahintergekommen ist, dass es wohl die Folge eines missglückten Aufmerksamkeits-Zauber gewesen sein musste (und damit bin ich noch schneller dahinter gekommen, wem ich diesen leuchtenden Auftritt zu verdanken hatte), hat sie mir versichert, dass die Behandlung mich einiges an Nerven kosten würde. Das Dumme an Madam Pomfrey ist, dass sie einfach immer Recht hat, wenn sie so etwas sagt. Die Behandlung bestand nämlich in einer Salbe, die ich am ganzen Körper anwenden musste und die Bläschen abklingen lassen sollte. Allerdings war das mit einem erbärmlichen Juckreiz verbunden, der mich beinahe in den Wahnsinn getrieben hat. Ich habe also den größten Teil der ersten zwei Wochen in Hogwarts im Krankenflügel verbracht. Erst durch meine Schokofrosch-Fressattacke und dann durch die „Hilfe“ von Melissa White. Übrigens hat sie mir danach versprochen, niemals wieder einen Zauber an mir auszuprobieren, den sie noch nicht geübt hatte, aber das Versprechen hat sie nicht gehalten. Aber das ist etwas, was ich noch bei Gelegenheit erläutern werde. Und obwohl man sonst überall in Hogwarts bereits darüber gesprochen hat, dass der tolle Harry James Potter nun auch an dieser Schule ist, ist diese Information nicht in den Krankenflügel vorgedrungen. Die Information, die jedoch vorgedrungen ist, hat jedoch dazu geführt, dass mir das selbst vor Augen geführt wurde. Das war so. Ich lag also am Nachmittag des zweiten Tages meiner Behandlung in meinem Krankenbett und versuchte nicht darüber nachzudenken, wie grässlich es mich überall juckte, als ich ein paar Gesprächsfetzen von Madam Pomfrey mit irgendjemand anderem aufschnappte, als diese etwas weiter entfernt vorüberging. Diese Gesprächsfetzen werde ich niemals vergessen. Sie lauteten: „Harry Potter... Quidditch... Sucher ausgewählt... Hausmannschaft.“ Tja. Ihr könnt euch den Schlamassel jetzt sicher schon denken, oder? Meine Freude darüber, dass ich tatsächlich zum Sucher meiner Hausmannschaft auserkoren sein sollte, war kaum zu bändigen. Und mit kaum zu bändigen meine ich gar nicht mehr zu bändigen. Mich hielten keine zehn Pferde mehr im Krankenbett. Ohne darüber nachzudenken, dass ich nur einen Pyjama trug (und obendrein einen sehr spärlich ausfallenden, damit die Salbe gegen die Blässchen möglichst großflächig aufgetragen werden konnte), sprang ich aus dem Bett und rannte schnurstracks aus dem Krankenflügel hinaus. Ich – Harry Potter – sollte als Sucher ausgewählt worden sein! Nach zwei Tagen grässlicher Tortur durch den ewigen Juckreiz und nach etlichen Wochen zuvor, die ich damit verbracht hatte, für diese eine Schulstunde das Fliegen zu üben, um dann so fundamental zu scheitern, war das eine Nachricht, mit der ich nicht im Geringsten gerechnet hatte. Deshalb wollte ich sofort zu Madam Hooch rennen und mich dafür bedanken, dass sie über den missglückten Zauber meiner Freundin Melissa hinwegsehen konnte und meine Fähigkeiten als Flieger dennoch schätzte. Das war eine der zahlreichen dummen Ideen, die ich in Hogwarts während meiner Schulzeit hatte. Ich habe ja bereits erwähnt, dass ich nur knapp geschneiderte Pyjamas trug – und es war eigentlich erstaunlich, dass mir die schiefen Blicke meiner Mitschüler in den Korridoren nicht auffielen, während ich zum Büro von Madam Hooch rannte. Außer Atem erreichte ich schließlich das besagte Zimmer, klopfte gar nicht erst an, sondern stürmte gedankenlos sofort hinein. In Madam Hoochs Büro stand sie selbst, sowie Professor McGonagall. Und beide sahen mich an, als wäre ich ein... na ja – ein Glühwürmchen in Boxershorts. „Mr. Potter? Sollten Sie nicht im Krankenflügel sein?“, fragte mich meine Fluglehrerin mehr als erstaunt. „Ja – ich weiß – ich wollte – nur – mich bedanken.“, erwiderte ich keuchend und stützte mich schnell atmend auf meinen Knien ab. „Aber wofür wollten Sie sich denn bedanken?“, fragte Madam Hooch weiter und wirkte nicht besonders schlauer als vor meiner Dankbekundung. „Dafür, dass sie mich als Sucher für die Hausmannschaft empfohlen haben.“, brachte ich nun hervor, nachdem mein schneller Atem sich endlich wieder beruhigt hatte. Mein Strahlen reichte von einer Gesichtshälfte zur anderen. Meine Lehrerin blickte mich erst einen Moment an und dann blickte sie Professor McGonagall an. „Ich möchte Sie nun wirklich nicht entmutigen, aber das habe ich nicht.“, sagte sie dann, „Ich habe Mr. Harry Potter als Sucher für seine Hausmannschaft zugelassen.“ Irritiert zogen sich meine Augenbrauen zusammen, als ich das hörte. „Ich bin Mr. Harry Potter.“, sagte ich. Nun bildete sich auf dem Gesicht von beiden Hexen ein kleines, amüsiertes Lächeln ab und ich ahnte sofort, dass irgendetwas hier nicht ganz stimmte. „Das sind Sie in der Tat – aber nicht der Harry Potter.“, sagte Professor McGonagall dann. „Oh.“, war alles was ich dann noch hervorbringen konnte. Denn jetzt war mir so einiges klar geworden. Warum Neville mich mit Namen gekannt hatte – und warum diese beiden Lehrerinnen mich so irritiert ansahen. Und dass ich ganz bestimmt nicht der Sucher meiner Mannschaft geworden war. Das einzige, was in meinem Gesicht jetzt noch strahlte, waren die verbliebenen Leuchtblasen und meine dazu perfekt harmonierende Schamesröte, als mir meine Situation bewusst wurde. „Vielleicht sollten Sie sich nun in den Krankenflügel zurückbegeben, Mr. Harry Potter.“, sagte Professor McGonagall dann. „Ich wollte gerade mit Madam Hooch besprechen, welcher Besen für Mr. Harry James Potter empfehlenswert sein könnte.“ Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, trat ich meinen Rückweg an. Und ja, nun bemerkte ich die Blicke der anderen Schüler auf den Korridoren und ich kann nur sagen – es war wirklich nicht sehr angenehm gewesen. Als Harry James Potter wenig später ein längliches Paket auf den Frühstückstisch geknallt bekam, habe ich bereits gewusst, was sich darin verbirgt und es hat mir so ziemlich den Morgen verdorben. Ich habe mich seitdem nie wieder getraut, auch nur daran zu denken, für meine Hausmannschaft spielen zu wollen. Und ich hab nie wieder vergessen, dass ich nicht der einzige Harry Potter in Hogwarts war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)