Skifahren für Anfänger von Juju ================================================================================ Kapitel 4: Friede, Freude, Weihnachten? --------------------------------------- „Aufstehen, Weihnachtsfrühstück!“ Soras Stimmte trällerte durch die Luft und riss Mimi aus einem tiefen erholsamen Schlaf. „Hä?“ Verpennt öffnete sie die Augen und wusste im ersten Moment nicht, wo sie sich befand. Sora hielt ein frisches Brötchen unter ihre Nase und wedelte den Duft zu ihr. Mimi musste zugeben, dass das verführerisch roch. Sie wollte Sora das Brötchen aus der Hand reißen und hinein beißen, doch diese zog ihre Hand zurück und schüttelte den Kopf. „Nein, nein, erst, wenn du dich fertig gemacht hast“, sagte sie und marschierte wieder aus dem Zimmer. Mimi sah sich um. Draußen schien die Sonne und ließ den Schnee auf den Dächern der Häuser glitzern. Kari war ebenfalls schon aufgestanden und so machte Mimi sich auf den Weg ins Bad. Dabei hörte sie aus einem der Jungenzimmer Schnarchgeräusche. Sie lugte in das Zimmer, das gegenüber von ihrem Zimmer lag, und erblickte Tai, der noch friedlich in seinem Bett lag und schlummerte. Mimi grinste und ein Plan machte sich in ihrem Kopf breit. Sie ging ins Badezimmer, füllte ihren Zahnputzbecher mit eiskaltem Wasser und ging zurück zu Tai. Leise schlich sie sich an und als sie neben ihm stand, kippte sie das kalte Wasser in einem Schwung über sein Gesicht. Tai schnappte nach Luft und schnellte hoch. Mit weit aufgerissenen Augen erblickte er Mimi. „Guten Morgen, Faulpelz. Das war für all deine Gemeinheiten“, sagte sie vergnügt, drehte sich um und ging wieder aus dem Zimmer. Doch Tai war aufgesprungen und packte ihr Handgelenk. „So nicht, Fräulein“, zischte er und schubste sie auf sein Bett. Mimi wollte sich augenblicklich wieder aufrappeln, doch er stürzte sich auf sie und kitzelte sie ab. Obwohl Mimi wütend war, fing sie an zu lachen und versuchte verzweifelt ihn abzuwehren, doch er war so viel stärker als sie. „Lass mich!“, kreischte sie und strampelte mit den Beinen, doch Tai wich ihr geschickt aus und kitzelte sie weiter. Sie musste schon weinen vor Lachen. Schließlich traf ihr rechtes Knie seine Nase und sein Kopf wurde zurückgeworfen. „Aua!“, schrie Tai und hielt sich die Nase. Mimi nutzte ihre Chance, sprang auf und rannte ins Badezimmer, doch Tai war ihr dicht auf den Fersen. Sie stürmte zur Dusche, schnappte sich die Brause und drehte das Wasser so stark auf wie es ging. Als Tai sie gerade von Neuem überfallen wollte, richtete sie den Wasserstrahl direkt auf ihn. Im Nu war er pitschnass. „Hey!“, rief er empört. Er kämpfte mit Mimi um die Brause, wobei auch sie innerhalb von wenigen Sekunden klatschnass wurde. Sie schrien und lachten und kämpften und... „Stop!“, schrie jemand von der Tür her. Beide sahen auf. Sora stand im Türrahmen und starrte die beiden entsetzt an. „Seid ihr verrückt geworden?!“ Fassungslos sah sie sich in dem Raum um. So gut wie alles war nass geworden. Auf dem Boden hatten sich mehrere große Pfützen gebildet, an den Wänden hingen kleine Tropfen und auch das Fenster und der große Spiegel waren nicht verschont geblieben. Schnell stellte Mimi das Wasser ab und warf mit einer Kopfbewegung ihre nassen Haare nach hinten. Sora sah aus als würde sie jeden Moment explodieren. „Was ist denn in euch gefahren? Habt ihr den Verstand verloren? Euch ist schon klar, dass wir hier in einem Ferienhaus sind und alles bezahlen müssen, was kaputt geht?“, tobte sie. „Wir machen's wieder sauber“, sagte Tai kleinlaut. Sora warf den beiden einen letzten wütenden Blick zu und verließ dann, nicht ohne die Tür geräuschvoll zuzuknallen, das Badezimmer. „Hast du ja super hingekriegt“, raunzte Tai und schüttelte sein nasses Haar. „Ich? Geht's noch? Du hast mich doch nicht in Ruhe gelassen!“, rief Mimi empört. „Ach ja? Wer hat denn angefangen?“ Mit trotziger Miene wischte er Blut von seiner Nase, zog sein nasses T-Shirt aus und ging zur Tür. Mimi erwischte sich dabei, wie sie auf seinen durchaus reizvollen braungebrannten Rücken starrte. An der Tür drehte er sich noch einmal zu ihr um und es lag wieder ein keckes Grinsen auf seinen Lippen. „Man kann übrigens durch dein Nachthemd sehen.“ Mit diesen Worten verließ er das Bad. Was hatte er da gerade gesagt? Erschrocken sah Mimi an sich herunter und musste feststellen, dass er Recht hatte. Ihr weißes Nachthemd war durchsichtig geworden, weil es nass war. Hitze schoss in Mimis Wangen und sie wurde wütend. Was bildete der sich eigentlich ein? Sie stieg aus der Dusche, in der sie noch immer stand und fing an sich fertig zu machen. Sie schaffte es schließlich sogar noch vor Tai beim Frühstück zu erscheinen. Der Tisch sah mehr als nur einladend aus. Jeder freie Fleck, der nicht mit allerlei Tellern und Gläsern zugestellt war, war mit Kerzen bedeckt worden. Jemand hatte außerdem eine Räucherkerze angezündet und der Duft von Weihrauch erfüllte die Luft. Das Radio spielte fröhlich allerlei Weihnachtslieder. Alle ihre Freunde saßen am Tisch und Mimi fragte sich unwillkürlich, was man sich an Weihnachten mehr wünschen konnte. Lächelnd ging sie zu ihrem Platz neben Sora und setzte sich. Ihre beste Freundin warf ihr einen mürrischen Blick zu. „Guten Morgen, Prinzessin“, sagte Izzy sarkastisch. „Sei lieber nett und reich mir mal den Brötchenkorb“, antwortete Mimi fröhlich. Sie bekam, was sie wollte, und nahm sich ein duftendes, noch warmes Croissant. Sie sah in die Gesichter ihrer Freunde. Offenbar waren nicht alle so fröhlich wie sie sich fühlte. Lediglich Joe, Izzy und Matt wirkten gut gelaunt, während Sora und T.K. genervt aussahen und Kari immer noch ein trauriges Gesicht machte. In diesem Augenblick trat auch Tai, der sich zusammengerollte Fetzen eines Taschentuchs in die Nasenlöcher gestopft hatte. „Was ist mit deiner Nase passiert?“, fragte Kari verwundert, als sie ihn sah. „Mimi hat mir eine reingehauen“, murrte Tai und brachte damit alle zum Lachen. „Aber nicht mit Absicht!“, rief Mimi empört über das Gelächter hinweg. Na, wenigstens war nun die Stimmung etwas lockerer. Zum Frühstück aß Mimi wirklich viel und fühlte sich hinterher so vollgestopft, dass sie dachte, sie müsste platzen. Alle standen auf um den Tisch abzuräumen, doch Sora hielt Mimi und Tai auf. „Ihr geht erst mal das Bad putzen“, raunzte sie die beiden an. „Mimi, fängst du schon mal an? Ich komme gleich nach, ich will Sora vorher noch beim Abwaschen helfen.“ Tai legte einen Arm um Soras Schultern und lächelte unschuldig. „Nimm deine Pfoten da weg!“, knurrte Matt scherzhaft und zerrte Tai von Sora weg. Mimi verschränkte die Arme und sah Tai missbilligend an. „Sag mal, denkst du vielleicht, ich bin bescheuert? Du kommst schön mit.“ „Allerdings. Sonst bleibst du heute zu Hause und kümmerst dich den ganzen Tag um den Haushalt“, pflichtete Sora ihrer Freundin bei. Tai verzog das Gesicht und ging vor sich hin grummelnd die Treppe hinauf. Mimi holte aus dem Besenschrank zwei Lappen und folgte ihm. Viel zu spät machten sie sich schließlich auf den Weg zum Lift, wo Marius schon stand und sich gerade mit einem Kollegen aus der Skischule unterhielt. Als er die acht Freunde sah, unterbrach er seine Unterhaltung und trat auf sie zu. „Ich dachte schon, ihr kommt gar nicht mehr.“ Er stemmte die Hände in die Hüften und musterte sie. „Es tut uns wirklich Leid“, sagte Sora mit schuldbewusster Miene, als hätte allein sie die Verspätung verzapft. Marius sah sie an, lächelte und sagte: „Schon gut. Lasst uns anfangen.“ Zu neunt reihten sie sich in die Schlange vor dem Lift ein. Mimi wollte etwas zu Sora sagen, sah sich um und bemerkte dann, dass Marius sich mit ihr unterhielt. Sie verstand nicht, worüber, doch sie sah, dass Sora fröhlich lachte. „Hat er sie gestern schon die ganze Zeit so angestarrt?“, zischte Matt ihr plötzlich von der Seite zu, der die beiden offenbar auch beobachtet hatte. „Ähm... ich weiß nicht so genau.“ Eindringlich musterte sie Matt. War er etwa eifersüchtig? Ihr war gestern schon aufgefallen, mit was für einem Blick er Marius angesehen hatte. Dabei hatte Mimi doch wirklich genug mit sich selbst zu tun, um sich auch noch darum zu kümmern, dass Marius ja nicht mit Sora flirtete. Trotzdem beschloss sie, die beiden heute mal genauer zu beobachten. Auf dem Lift unterhielten Sora und Marius sich angeregt. Sora erzählte von sich und ihren Erfahrungen mit Fußball und Tennis, Marius erzählte von sich und seinen Skischülern. Sie lachten viel und schienen wirklich gut miteinander klarzukommen. „Mimi? Alles okay mit dir?“, fragte Joe, der sie angesehen hatte, ohne dass sie es mitbekommen hatte. „Ja, wieso?“ Verwundert sah sie ihn an. „Weiß auch nicht. Du siehst so misstrauisch aus“, antwortete Joe schulterzuckend. „Pscht!“, zischte Mimi. „Was ist denn?“ Nun sah er doch ein wenig ungeduldig aus. „Ich erkläre es dir später“, flüsterte Mimi. „Okay“, flüsterte Joe zurück. „Klingt ja geheimnisvoll.“ Mimi nickte zustimmend. Sie könnte Joe einweihen und ihn auch anweisen Marius und Sora zu beobachten. Doch das würde er bestimmt nicht gut finden. Als sie oben ankamen, sammelten sich zunächst alle, bevor sich Matt, T.K. und Izzy von den anderen verabschiedeten. „Bis nachher zum Mittagessen“, rief Tai ihnen hinterher, als sie schon die nächste Piste hinunter schossen. Marius und die Anfänger suchten sich eine andere Piste, mit der sie üben konnten. Marius fuhr voran und die anderen fuhren einer nach dem anderen hinterher. „Sag mal, was war das eigentlich vorhin mit dir und Tai?“, murmelte Sora in Mimis Ohr, während Joe sich gerade als Dritter auf den Weg machte. Mimi sah ihre Freundin fragend an. „Tu nicht so. Ich meine die Aktion im Bad.“ „Bist du etwa immer noch sauer? Wir haben doch alles aufgewischt“, antwortete Mimi und sah Sora verständnislos an. „Darum geht’s doch gar nicht“, antwortete Sora unwirsch und wickelte sich die Schlaufen ihrer Skistöcke um die Handgelenke. „Ich meine, was da mit euch beiden los war.“ „Nichts weiter“, sagte Mimi mit Unschuldsmiene. „Wir haben uns nur gegenseitig geärgert, wie immer.“ „Na, wie ärgern...“ „Hallo! Kommt ihr endlich mal? Wir wollten heute eigentlich noch weiter!“, schrie Tai ihnen von unten zu. Sora seufzte, wandte sich von Mimi ab, stieß sich mit ihren Skistöcken ab und fuhr nach unten. Mimi folgte ihr mit einigen Metern Sicherheitsabstand. Es klappte erstaunlich gut. Dabei hatte sie erwartet, sie müsste heute wieder von Null anfangen. „Du solltest ihm keine falschen Hoffnungen machen“, sagte Sora ernst, als sie wieder darauf warteten, weiter zu fahren. „Was? Ich mache ihm doch keine Hoffnungen!“, entgegnete Mimi empört. „Ich wollte ja nur sichergehen. Er ist ein lieber Kerl und hat es nicht verdient“, erklärte Sora. Mimi wurde langsam ärgerlich. „Ach ja, und was ist mit Matt? Ich glaube nicht, dass er es verdient, dass du mit Marius flirtest.“ „Ich flirte doch gar nicht mit ihm!“, protestierte Sora sofort. „Wie kommst du überhaupt darauf?“ „Also, bitte! So, wie ihr...“ „Sagt mal könnt ihr das nicht beim Mittagessen bequatschen?“ Verärgert sahen die drei Wartenden und Marius sie von unten her an. Sora schnaubte und stieß sich wieder ab. Mimi folgte ihr. „Tut uns Leid“, sagte Sora, als sie unten angekommen waren. „Was ist denn überhaupt so wichtig?“, fragte Tai neugierig. „Geht dich nichts an“, antwortete Mimi schnippisch. „Seid ihr bereit? Können wir weitermachen?“, fragte Marius gut gelaunt. Seine Schüler nickten und weiter ging es. „Ich flirte nicht mit ihm!“, zischte Sora, als sie wieder zu zwei dort standen. „Das sieht Matt bestimmt anders“, zischte Mimi zurück. Wütend starrten die Freundinnen sich an. „Wieso lenkst du überhaupt ab? Es ging gerade um dich und Tai“, sagte Sora nach einer Weile verärgert. „Ich hab doch aber schon alles dazu gesagt, was es zu sagen gibt“, erwiderte Mimi ungeduldig. „Das war einfach nur so.“ „Das sieht Tai vielleicht auch anders.“ „Was sollte er daran anders sehen? Wir ärgern uns doch immer gegenseitig.“ „Mimi!“ Sora stöhnte genervt. „Er ist in dich verliebt! Dass du halb nackt mit ihm eine Wasserschlacht führst, wird ihn nicht gerade kalt gelassen haben! Merkst du das denn nicht?“ Nun wurde Mimi ziemlich sauer. „Ich war nicht halb nackt!“ „Und wie willst du das bitte sonst beschreiben?“ Sora sah nicht minder wütend aus. „Weißt du was? Lass mich einfach in Ruhe und flirte weiter mit Marius“, fauchte Mimi und fuhr diesmal zuerst nach unten zu den anderen. Sora folgte ihr. „Was ist denn mit euch los?“, fragte Joe und sah die beiden verständnislos an. „Ihr seht so aufgebracht aus.“ „Nichts!“, raunzten beide wie aus einem Mund. „Ich würde gern den Platz tauschen“, verkündete Mimi. „Tai?“ Tai, der bisher an zweiter Stelle nach Kari gefahren war, blickte erst verdutzt drein, nickte dann aber. „Du bist so kindisch!“, murmelte Sora wütend. „Und du tust immer so, als wärst du die Vernunft in Person!“, blaffte Mimi sie an. Mit offenen Mündern verfolgten die anderen den Streit. Schließlich war es Joe, der sich einmischte. „Oh, Mädels, ganz ruhig. Man kann doch über alles reden. Was ist denn euer Problem?“ „Tz!“, machte Mimi. „Könnten wir bitte weiterfahren?“, fügte sie laut hinzu. Marius hatte die Stirn gerunzelt, zuckte nun aber mit den Schultern und fuhr weiter. Während des restlichen Vormittags vermied es Mimi auch nur ein Wort mit Sora zu sprechen. Zum Mittagessen trafen sie sich schließlich mit dem Rest, diesmal aber in einer anderen Hütte. Hier war alles festlich geschmückt und zur Feier des Tages gab es Wildbraten im Angebot. Ausnahmslos alle Jungen bestellten ihn sich sofort, nachdem sie einen freien Tisch ergattert hatten. „Ich weiß nicht, aber diesen Germknödel brauche ich nicht noch einmal“, meinte Tai und rümpfte die Nase. „Davon wird man gar nicht richtig satt.“ Mimi verdrehte die Augen. Wovon wurde Tai schon richtig satt? Sie selbst hatte sich diesmal eine Suppe mit Pfannkuchenstreifen darin bestellt, die den eigenartigen Namen Flädlesuppe trug. Sie war zwar skeptisch, aber auch gespannt, wie das schmecken sollte. Die Mittagspause war nicht so angenehm wie am vorigen Tag. T.K. redete immer noch nicht wieder mit Kari und auch Mimi und Sora ignorierten sich gekonnt. Marius, der vielleicht die Stimmung durch Erzählungen gelockert hätte, war dieses Mal auch nicht bei ihnen, sondern saß mit einem anderen Skilehrer zusammen. „Wollen wir heute vielleicht eher Schluss machen?“, schlug Sora vor. „Immerhin ist Weihnachten und wir könnten noch was Schönes zusammen machen. Den örtlichen Weihnachtsmarkt besuchen oder so.“ Tai und Matt sahen sich vielsagend an. „Wir müssen sowieso eher los“, verkündete Tai abwinkend. „Wieso?“, fragte Kari verwundert. „Haben noch was vor.“ „Was denn?“, fragte Sora neugierig. „Wir können doch dann gleich alle mitkommen.“ „Nein, nein, fahrt ihr ruhig noch weiter“, sagte Tai schnell. „Matt hat ein kleines Weihnachtskonzert vorbereitet und will dafür noch ein bisschen üben. Ich komme mit, damit er nicht so allein ist.“ Matt sah Tai mit gerunzelter Stirn an, sagte aber nichts. „Ein Weihnachtskonzert? Das ist aber cool“, fand Izzy grinsend. Mimi warf den beiden nur einen misstrauischen Blick zu. Die führten doch irgendwas im Schilde. Auch Sora und Kari sahen nicht so aus, als würden sie ihnen die Weihnachtskonzertgeschichte abkaufen. Doch keiner von ihnen fragte noch genauer nach. Nach dem Mittagessen verabschiedeten Tai und Matt sich bereits von den Freunden. „Pass auf Tai auf, dass er heil unten ankommt“, sagte Sora besorgt zu Matt. „Nicht, dass er sich noch was bricht.“ „Keine Angst, ich passe auf“, antwortete Matt lächelnd. Dann machten sie sich zu zweit auf den Weg. „Hey, wir haben gerade beschlossen, dass wir mit euch mitkommen und gucken, wie weit ihr schon seid“, verkündete Izzy fröhlich. „Kein Problem, aber ihr werdet euch sicher langweilen“, meinte Marius. „Ach, das macht uns nichts aus“, erwiderte Izzy abwinkend. Also begannen auch sie ihre Abfahrt. Mimi konzentrierte sich diesmal mit aller Kraft. Sie fuhr nun direkt hinter Marius. Er fuhr eine Strecke vor und Mimi machte es ihm nach. Angestrengt starrte sie nach unten, zog eine Kurve nach links, eine nach rechts, noch eine nach links und noch eine nach rechts und kam schließlich mit der gelernten Bremsbewegung neben ihm zum Stehen. „Das war wirklich super“, lobte Marius sie. „Man sieht schon eindeutige Besserungen bei dir. Klasse!“ Er schenkte ihr ein strahlendes Lächeln, wobei seine grünen Augen leuchteten. Mimi lief rosa an und war nun noch wütender auf Sora, dass er sich nur für sie zu interessieren schien, obwohl die ja schon einen Freund hatte. Als nächstes kam Joe an, der allerdings ein bisschen wackelte. T.K. kam auf seinem Snowboard neben ihm nach unten und sah dabei wesentlich eleganter aus. Kari folgte ihnen. Auch sie starrte angestrengt nach unten. Als sie kurz den Blick abwandte um zu den anderen zu schauen, schienen sich ihre Skispitzen zu überschneiden. Sie kam ins Schleudern, schrie auf und fiel dann direkt in T.K. rein, den sie mit sich riss. Die beiden landeten mit einem dumpfen Geräusch im Schnee. „Pass doch auf!“, rief T.K., doch dann sah er Kari besorgt an. „Ist dir was passiert?“ „Nein, nein, alles okay“, sagte sie schnell. Sich gegenseitig stützend standen sie wieder auf. „Tut mir Leid, dass ich dich umgenietet habe. Und nicht nur das tut mir Leid.“ Sie sah ihn bedeutungsvoll an. „Hör auf dich zu entschuldigen“, murmelte er und wandte sich wieder von ihr ab. „Heißt das, es ist wieder alles okay?“, fragte Kari unsicher, aber auch ein wenig hoffnungsvoll. Er sah sie verständnislos an. „Nein und jetzt hör auf davon zu reden.“ Kari kniff die Lippen zusammen und fing Mimis Blick auf, die sie mitleidig ansah. Als letztes kam Sora begleitet von Izzy, die eine wirklich gute Figur machte, wie Mimi zugeben musste. „Super, Sora“, sagte Marius begeistert, als Sora zum Stehen gekommen war. Er lächelte auch sie an. „Danke.“ Sora lächelte verlegen. Sie fuhren weiter. Als sie unten ankam, nahem sie den Lift nach oben und fuhren eine andere blaue Piste, die sie direkt zu der Liftstation führte, bei der sie immer anfingen. „Ich denke, wir lassen es für heute“, verkündete Marius. „Ihr wollt sicher ein bisschen Weihnachten feiern. Ich würde vorschlagen, wir treffen uns morgen erst um elf. Eher scheint ihr es ja eh nicht zu schaffen.“ Er zwinkerte Sora zu, als er das sagte. „Um elf sollten wir dann schaffen“, stimmte Sora lächelnd zu. „Okay, dann wünsche ich euch einen schönen Heiligabend“, sagte Marius und schenkte nun allen ein Lächeln. „Danke, dir auch“, sagten alle im Chor. Mit diesen Worten schnallten sie ihre Skier ab und stiefelten los nach Hause. Der Weg kam Mimi mit jedem Mal, den sie ihn mit ihren Skiern auf der Schulter ging, länger vor. Stöhnend kamen sie in ihrem Ferienhäuschen an. „Uff, endlich.“ Joe stellte seine Skier neben sich ab und schloss die Tür auf. Innen bot sich ihnen ein Anblick, mit dem sie nicht gerechnet hatten. Mimi machte große Augen. Ihr Mund klappte auf, ohne dass sie es bemerkte. Nun war klar, was Tai und Matt im Schilde führten. Sie hatten es tatsächlich geschafft einen Weihnachtsbaum zu besorgen. Er stand mitten im großen Wohnbereich und war mit einer Lichterkette und vielen kleinen roten Kugeln geschmückt. In der Luft lag der frische Duft einer Tanne. „Oh“, entfuhr es Kari, deren Augen leuchteten. „Ihr wart gestern so enttäuscht, dass wir keinen Weihnachtsbaum haben“, erklärte Matt den verdutzten Freunden. „Deswegen haben wir heimlich einen beschafft und wollten euch überraschen“, fügte Tai hinzu. Sora lehnte ihre Skier achtlos gegen eine Wand. Noch in Skischuhen lief sie auf Matt zu, schlang die Arme um seinen Hals und küsste ihn auf die Wange. „Das ist so süß von euch. Danke.“ „Danke, Tai!“ Kari war auf ihren Bruder zugelaufen und umarmte ihn ebenfalls. „Das ist wirklich... toll“, sagte Mimi leise und betrachtete den Weihnachtsbaum als wäre er das Beste, was ihr bisher passiert war. „Echt cool. Wo habt ihr denn die Lichterkette und die Kugeln her?“, fragte T.K., der den Baum musterte. „Haben wir im Besenschrank gefunden“, antwortete Tai grinsend. „Seht ihr, jetzt müsst ihr doch kein Weihnachten ohne Baum feiern“, sagte Izzy an Mimi gewandt. Diese nickte ehrfurchtsvoll. „Ich würde sagen, wir gehen jetzt alle unter die Dusche und dann kann die Weihnachtsfeier beginnen“, schlug Joe vor und rieb sich die Hände in Vorfreude. „Aber wehe ihr blockiert das Bad wieder für eine Stunde“, sagte Tai an Sora und Matt gewandt und brachte damit alle zum Lachen. Nachdem Mimi aus der Dusche gekommen war, ging sie ins Mädchenzimmer um ihr Geschenk für Sora zu holen. Die beiden Freundinnen schenkten sich jedes Jahr etwas zu Weihnachten und auch dieses Jahr sollte sich das wegen eines Streits nicht ändern. Mimi war zwar immer noch sauer, doch andererseits tat es ihr Leid, was sie zu Sora gesagt hatte. Sie kramte das in buntes Papier eingewickelte Päckchen aus ihrem Koffer und brachte es nach unten um es unter den Weihnachtsbaum zu legen. Dort lagen schon einige andere Päckchen und warteten darauf ausgepackt zu werden. Mimi sah die kleinen Kärtchen, die anzeigten, für wen jedes Päckchen war. Für Kari, Tai und auch für Joe und Izzy waren schon Päckchen dabei. Mimi lächelte und ging zu den Sofas, wo Tai, T.K., Joe und Izzy schon frisch geduscht saßen. Von ihnen ging ein Duft nach Duschgel aus. Mimi setzte sich auf eines der Sofas neben Izzy. „Da steht schon Kakao für dich“, sagte Izzy und deutete auf eine dampfende Tasse auf dem niedrigen Couchtisch. Im Kamin prasselte ein munteres Feuer und das Radio spielte unablässig Weihnachtslieder. „Ich bin dafür, dass wir heute zur Feier des Tages essen gehen“, sagte Joe und blickte in die Runde. „Ja, gute Idee. Heute können wir uns das ja mal leisten“, stimmte T.K. zu. Mimi nickte nur, während sie an ihrem Kakao nippte. „Wann dürfen wir denn die Geschenke auspacken?“, fragte Tai aufgeregt und sah auf das Geschenkhäufchen unterm Weihnachtsbaum. „Ich finde, das sollten wir erst heute Abend machen. Da haben wir Zeit und das ist doch gemütlicher“, antwortete T.K. und warf Tai einen missbilligenden Blick zu. „Du benimmst dich wie ein kleines Kind.“ „Tai IST ein kleines Kind“, warf Izzy ein. „Manchmal schon“, stimmte Joe lachend zu. Tai schüttelte nur den Kopf und lehnte sich zurück. Mimi stellte ihre Tasse ab und stand auf. Sie suchte in der Küche einige Plätzchen und kleine Lebkuchen mit buntem Zuckerguss zusammen. In einer Schublade in der Küche fand sie dünnen Faden und Metallspieße, mit denen man zusammengerolltes Fleisch zusammenhielt. Sie brachte alles zu ihrem Platz auf der Couch und stellte es vor sich auf den Couchtisch. „Was hast du vor?“, fragte Joe neben ihr. Auch die anderen Jungen beobachteten sie. „Werdet ihr schon sehen“, antwortete Mimi geheimnisvoll lächelnd und fing mit ihrem Werk an. Wenige Minuten später kam Kari zu ihnen und Matt und Sora folgten ihr nur kurz danach. Auch die drei legten Päckchen unter den Weihnachtsbaum, bevor sie sich zu ihnen setzten. „Oh, Mimi, darf ich mitmachen?“, fragte Kari, als sie sah, was Mimi tat. „Klar“, antwortete Mimi. Kari nahm sich ein paar Lebkuchen und fing an mit der Nadel kleine Löcher in sie zu stechen. Anschließend zog sie einen Faden durch das Loch und knotete die Enden zusammen. „Was macht ihr da?“, fragte nun auch Matt, der von Mimi zu Kari und wieder zurück sah. „Wollen sie nicht verraten“, murrte Tai. Während Mimi und Kari also beharrlich Fäden durch Lebkuchen und Plätzchen zogen, widmeten sich die anderen Gesprächen. Sie rätselten, was in den Päckchen drin sein könnte und überlegten schon fieberhaft, was sie zum Abendbrot essen wollten. „So, das reicht“, sagte Mimi plötzlich und nahm ihre ganzen durchstochenen Gebäcke. Sie trug sie zum Weihnachtsbaum und fing an sie an die Zweige zu hängen. „Ach so“, sagten alle anderen wie aus einem Munde und schienen dabei ein wenig enttäuscht. „Was habt ihr denn erwartet? Zaubertricks?“ Kari kam zu ihr und half ihr. „Ich finde es so schön, wenn Süßigkeiten am Baum hängen, die man einfach weg futtern kann“, sagte sie lächelnd. „Ja, ich mag das auch“, stimmte Mimi zu. „Außerdem sieht der Baum so ein bisschen voller aus.“ Es war bereits dunkel geworden und die Freunde beschlossen sich anzuziehen und den örtlichen Weihnachtsmarkt zu besuchen, bevor der noch zumachte. Sie schlenderten durch die verschneiten Straßen und alles wirkte unglaublich friedlich. Überall in den Häusern brannten Lichter und die Fenster waren geschmückt mit Schwibbögen, Sternen, Nussknackern und allerlei anderen dekorativen Elementen. Hier und da konnten sie einen Blick in ein Wohnzimmer erhaschen, wo Kinder gerade mit leuchtend roten Wangen dabei waren ein großes, buntes Paket auszupacken. Ihre Eltern standen mit einer Kamera in der Hand daneben und schossen Erinnerungsfotos für das nächste Album. Sie erreichten den Weihnachtsmarkt, der sich in einer einzigen Straße befand. Normalerweise schien diese Straße eine Fußgängerzone zu sein, denn links und rechts waren einige Werbeschilder für Klamottenläden und ein paar Cafés zu entdecken. Diese hatten nun aber alle geschlossen und dafür lud der Weihnachtsmarkt ein Zeit zu verbringen. Wenn es nicht gerade einige Diskrepanzen zwischen den Freunden gegeben hätte, dann wäre dies die perfekte weihnachtliche Stimmung für einen perfekten Weihnachtsabend, dachte Mimi bei sich und warf einen Blick zu Sora hinüber, die Hand in Hand mit Matt zum nächstbesten Stand – ein Stand, der Mützen verkaufte – schlenderte um sich anzuschauen, was es dort hab. Kari stand neben T.K., doch der unterhielt sich gerade mit Izzy und schien sie nach wie vor zu ignorieren. „Ich glaube, ich brauch erst mal einen Glühwein“, verkündete Mimi seufzend und sah sich um. Gerade war kein Glühweinstand in der Nähe und so musste sie wohl oder übel warten. Sie hatte keine Lust ihre Freunde am Weihnachtsabend aus den Augen zu verlieren. Sora probierte gerade eine dicke graue Wollmütze mit zwei langen Bändern und einer Bommel oben drauf an. „Steht dir gut“, hörte Mimi Matt sagen, der seiner Freundin die Mütze liebevoll noch ein wenig zurechtrückte. Eine Minute später hatte Sora sich die Mütze gekauft und sie konnten weitergehen. Zum Glück war nicht allzu viel los auf dem Weihnachtsmarkt, sodass sie relativ gut vorankamen und nicht nur weitergeschoben wurden. Mimi erspähte einen Glühweinstand. „Wartet mal kurz“, rief sie nach vorn zu Tai und Joe. Die drehten sich um und als sie erkannten, was Mimi vorhatte, folgten sie ihr sogleich. „Ich könnte auch einen vertragen“, sagte Tai und studierte die Angebotsliste. „Du auch, Joe?“ „Klar, bei der Kälte“, antwortete der Angesprochene. Der Rest der Gruppe war ebenfalls stehen geblieben und so kauften sich alle bis auf T.K., Kari und Sora einen Heidelbeerglühwein. Mimi schloss ihre kalten Hände um den heißen Becher und seufzte erleichtert auf. Sie stellten sich um einen der kleinen Tische herum, um in Ruhe ihren Glühwein zu trinken. „Autsch! Heiß!“ Izzy streckte seine Zunge raus, die er sich soeben verbrannt hatte. „Wer hätte das gedacht, dass Glühwein heiß ist“, sagte T.K. grinsend. „Warte“, sagte Tai, der sich gerade gebückt hatte um etwas vom Boden aufzuheben. „Hier hast du eine Abkühlung.“ Mit diesen Worten drückte er Izzy eine kleine Hand voll Schnee ins Gesicht. „Du Idiot!“, rief Izzy, während die anderen lachten. Mimi pustete vorsichtig auf ihren Glühwein und nippte anschließend ein klein wenig daran. Er schmeckte wirklich lecker und wärmte gut. Allmählich spürte sie ihre Finger wieder. In dem Glühweinstand dudelte fröhliche Weihnachtsmusik, in deren Takt Kari gedankenverloren mit dem Kopf nickte. Sie kaute auf ihrer Unterlippe herum. Joe schien die Leute zu beobachten, die an ihnen vorbeigingen. Izzy unterhielt sich gerade mit T.K. und auch sie beobachteten die Leute. Sora nippte an Matts Glühwein und sah ihn anschließend an. „Danke“, sagte sie leise und sah ihm in die Augen. Sie lächelten beide ein wenig verträumt, als sich ihre Gesichter einander näherten und sich schließlich zärtlich küssten. „Nehmt euch 'n Zimmer“, murrte Tai scherzhaft. „Ist ja eklig.“ „Guck halt weg“, erwiderte Sora und streckte ihm die Zunge raus. „Apropos Zimmer“, sagte Matt grinsend. „Überlässt du uns unser Zimmer heute?“ „Ih, nein! Vergesst es!“, rief Tai entgeistert. Sora lief rot an und Matt lachte nur belustigt. Auch Mimi konnte sich ein Kichern nicht verkneifen. „Wo sollte Tai denn dann auch schlafen?“, fragte Mimi an Matt gewandt. „Auf der Couch?“ „Der kann doch in Soras Bett pennen“, antwortete Matt schulterzuckend. „Auf keinen Fall!“ Mimi schüttelte vehement den Kopf. „Dann schlafe ich nicht mehr in meinem Bett.“ Tai stützte den Kopf auf die Hand und sah Mimi vielsagend an. Mimi runzelte die Stirn. „Hör auf mich so anzusehen“, sagte sie misstrauisch. Tai lächelte amüsiert und wandte den Blick wieder von ihr ab. Verwirrt nippte Mimi an ihrem Heidelbeerglühwein. Es fing an zu schneien. „Wie romantisch. Schnee an Weihnachten und jetzt schneit es zusätzlich noch“, seufzte Kari und blickte in den Himmel. Dicke weiße Schneeflocken blieben in ihrem braunen Haar hängen, das unter der Mütze hervorlugte. T.K. warf ihr einen kurzen Seitenblick zu, dann klingelte sein Handy. „Och nö“, brummte er und sah auf das Display. „Geh doch einfach nicht dran, wenn sie dich nervt“, schlug Tai vor. Noch immer sah T.K. auf das leuchtende Display. Einige Sekunden schien er zu überlegen, ob er Tais Ratschlag befolgen oder doch lieber antworten sollte. Er entschied sich schließlich für Letzteres und entfernte sich ein paar Schritte von der Gruppe. Mit einem unergründlichen Blick sah Kari ihm nach. „Du kannst ja nachher noch mal mit ihm reden. Wer kann seinen besten Freunden schon am Weihnachtsabend böse sein?“, sagte Joe an Kari gewandt und lächelte ihr aufmunternd zu. Mimi biss sich auf die Lippen und dachte wieder an ihren eigenen Streit mit Sora. Sie fing ihren Blick auf, doch diese sah schnell wieder weg. Anscheinend hatte auch sie bei Joes Worten an ihren Streit gedacht. Nachdem alle ihren Glühwein ausgetrunken hatten und T.K. endlich Megumi hatte abwimmeln können, gingen sie weiter. Aus fast jedem Stand tönte ein anderes Weihnachtslied und es gab wirklich viel zu sehen. Neben den ganzen Ständen, die duftendes Gebäck, leckeres Grillgut und Getränke anboten, gab es noch viele Stände, wo zum Beispiel Kerzen in allen Formen und Farben, Blechschilder, Holzspielzeuge oder bunte Teelichtbehälter verkauft wurden. An einigen Ständen hielten sie an um sich alles näher zu betrachten, doch nach einer Stunde waren alle so durch gefroren, dass sie beschlossen, sich ein Restaurant zu suchen. Mimi konnte ihre Füße nicht mehr spüren und es kam ihr allmählich vor als würde sie auf Eisklumpen laufen. In einer Seitenstraße entdeckten sie schließlich ein gemütlich aussehendes Restaurant, das mit österreichischen Spezialitäten warb. Sie gingen hinein und konnten sich zwei Tische zusammenstellen, sodass sie alle beieinander sitzen konnten. Nachdem Mimi sich einen Platz zwischen Tai und Kari auf der gemütlichen weichen Bank ergattert hatte, sah sie sich um. Das Restaurant war nicht sehr groß und außer ihnen waren nur noch sieben andere Leute dort. Auch hier war alles weihnachtlich geschmückt und es duftete nach Räucherkerzen. Auf den Fensterbrettern standen kleine Lampen neben Räuchermännchen und frischen Tannenzweigen. Leise Weihnachtsmusik erfüllte die Luft. Behaglich lehnte Mimi sich zurück und studierte ihre Karte. Das Angebot war überschaubar, hörte sich jedoch gut an. Mimi wollte endlich mal in den Geschmack eines echten Wiener Schnitzels mit Pommes Frites kommen. Nachdem alle bestellt hatten, warteten sie sehnsüchtig auf ihr Essen. Mimis Füße waren nun wieder angenehm warm und ihre Wangen glühten. Sie nippte an ihrem heißen Kamillentee und verbrannte sich die Zunge. „Was wollen wir heute Abend noch machen?“, fragte Sora in die Runde. Das Licht der Kerzen auf den beiden Tischen spiegelte sich in ihren Augen wider. „Ich weiß ja nicht, was du machst, aber ich packe meine Geschenke aus“, antwortete Tai mit einem vorfreudigen Grinsen im Gesicht. „Wer sagt, dass du welche bekommst?“, stichelte Mimi. „Tja, im Gegensatz zu dir war ich das ganze Jahr lang artig“, erwiderte Tai. „Haha“, sagte Kari tonlos. „Wer's glaubt.“ „Also ich kann mir gerade auch nicht vorstellen, dass Tai artig sein kann“, warf Izzy ein und grinste Tai herausfordernd an. „Ha, du würdest staunen“, rief Tai voller Überzeugung. „Ich muss da nur an die arme kleine Aiko denken“, sagte Matt und setzte eine mitleidige Miene auf. „Zu der warst du alles andere als artig.“ „Matt!“, zischte Tai, doch natürlich hatten es alle gehört. „Als ob du immer so artig zu deinen ganzen Mädchen warst!“ „Zu Sora schon“, entgegnete Matt überlegen und legte demonstrativ einen Arm um Soras Schultern. Diese sah ihn zweifelnd an und auch Mimi konnte sich noch gut an andere Situationen erinnern. „Wer ist denn Aiko?“, fragte Joe interessiert. „Ach“, sagte Tai und machte eine wegwerfende Handbewegung. „Niemand. War nichts Ernstes.“ „Ich glaube, das hat Aiko anders gesehen“, meinte Matt grinsend. „Und woher willst du das wissen? Hast du sie getröstet?“, höhnte Tai. Schockiert sah Sora zuerst zu Tai und dann wieder zu Matt. „War nur'n Scherz, Sora“, fügte Tai schnell hinzu. Matt warf seinem besten Kumpel einen missbilligenden Blick zu und nippte an seiner Cola. „Bitte nicht noch mehr Streit“, stöhnte Joe. „Noch mehr? Wer streitet sich denn noch alles?“, fragte Izzy verwirrt. „Niemand. Alles in Ordnung“, sagte Mimi schnell und bemühte sich nicht in Soras Richtung zu schauen. Warum nur hatte sie heute Mittag auf der Skipiste solche Dinge zu ihr gesagt? Der Lohn war, dass sie an Weihnachten kein Wort mit ihrer eigentlich besten Freundin redete. „Ich bin dafür, wir machen morgen einen Tag Pause vom Skifahren“, seufzte Izzy nach ein paar Augenblicken des Schweigens. „Was? Warum?“ Joe sah ihn fragend an. „Du kannst es doch wenigstens.“ T.K. lachte auf. „Besonders gut kann er es nicht.“ Er grinste zu Izzy hinüber. „Aber ich dachte, du bist schon mal gefahren“, fragte Joe weiter. „Ja, einmal, aber es macht mir nicht besonders viel Spaß“, murmelte Izzy. „Matt und ich müssen immer auf ihn warten“, erklärte T.K. zwinkernd. „Wir können ja morgen vielleicht alle zusammen fahren, dann müsst ihr nicht nur auf Izzy warten“, schlug Mimi kameradschaftlich vor. „Ich denke auch, dass wir mittlerweile so gut sind, dass wir die Pisten einigermaßen heil herunterkommen“, fügte Joe nickend hinzu. „Die blauen Pisten“, ergänzte Kari. „Ich würde so gern mal eine schwarze Piste ausprobieren“, sagte Sora und erntete dafür schockierte Blicke von allen Seiten. „Also die kannst du erst mal ohne mich fahren“, sagte Tai und hob abwehrend die Hände. „Sollten wir nicht erst mal die roten probieren, bevor wir an die schwarzen denken?“, warf Kari unsicher ein. „Ich bin dafür, wir fahren weiter auf den blauen Pisten“, sagte Mimi, der bei der Vorstellung steile, glatte Pisten hinunterfahren zu müssen angst und bange wurde. „Aber nur blau wird irgendwann auch langweilig“, fand Tai stirnrunzelnd. „Wir können ja morgen mal Marius fragen. Der wird uns bestimmt sagen können, wann wir so weit sind andere Pisten auszuprobieren“, sagte Sora, woraufhin Matt ihr einen skeptischen Blick zuwarf. Ganz offensichtlich war er nicht sonderlich erpicht darauf Marius irgendwas zu fragen. „Ach, der“, sagte Tai gereizt und machte eine wegwerfende Handbewegung. „Der wird sagen, dass ihr Mädchen gerne mit ihm auf die rote Piste könnt und wir sollen noch eine Weile auf der blauen bleiben.“ „Du hast Vorurteile, Tai. Du kennst ihn doch gar nicht“, antwortete Sora. „Na und? Du auch nicht“, entgegnete Tai schulterzuckend. „Auf mich macht er den Eindruck eines Mädchenliebhabers.“ „Ja, auf mich auch“, stimmte Joe zu. „Warum?“, fragte Mimi ein wenig verdattert. Ob ihr da etwas entgangen war? „Na so, wie er euch immer anlächelt.“ Tai machte Marius' Lächeln nach, bei dem er seine Zähne zeigte und einen verschmitzten Blick aufsetzte. „'Prima, Sora. Das hast du toll gemacht, Mimi. Super, Kari.'“ „Du spinnst doch“, murrte Mimi. „Ich glaube, das bildest du dir ein“, sagte Sora bestimmt. „Er ist einfach nur nett. Zu euch ist er doch auch nett“, meinte Kari. In diesem Moment wurde das Essen gebracht und ließ die Gespräche der Freunde verstummen. Als am späten Abend alle wieder in ihrem Ferienhäuschen ankamen, machten sie sich daran, die Geschenke unter dem Baum auszupacken. Also hockten sich alle um den Baum herum und suchten nach Päckchen, die für sie waren. Es dauerte nicht lange, bis Mimi ihres gefunden hatte. Es war weich und sie riss das bunte Papier ab. Darin befand ich ein Oberteil, und zwar nicht irgendein Oberteil. Es war ein hübsches Top in Pastellfarben, das sie letzten Monat beim Shoppen mit Sora entdeckt hatte. An jenem Tag hatte Mimi allerdings zu wenig Geld dabei um es sich zu kaufen und als sie ein paar Tage später wieder zu dem Laden kam, war es schon weg. Nun hielt sie es in den Händen und konnte es kaum glauben. Sie sah zu Sora, die ebenfalls gerade Mimis Geschenk auspackte. Mimi hatte ihr einen Roman von Soras Lieblingsautorin geschenkt. Sora fing Mimis Blick auf. „Mimi, ich...“, fing sie an und hielt das Buch immer noch hoch. „Sora!“ Mimis Augen füllten sich mit Tränen. Auf Knien rutschte sie hinüber zu ihrer Freundin und umarmte sie schluchzend. „Es tut mir Leid, was ich zu dir gesagt habe. Ich wollte das gar nicht, ich weiß selbst nicht, was ich mir dabei gedacht habe. Es tut mir wirklich, ehrlich Leid.“ „Mimi“, schluchzte nun auch Sora. „Mir tut es auch Leid, wie ich reagiert habe.“ Sie drückte sie fest an sich und streichelte ihr über den Rücken. Mimi ließ sie wieder los und sah sie an. „Vielen Dank für das Top. Damit habe ich wirklich nicht gerechnet. Ich liebe dich so sehr.“ „Oh, ich liebe dich auch. Und danke für das Buch, ich überlege schon seit langem, ob ich es mir kaufen soll oder nicht“, antwortete Sora und wischte sich die Tränen von den Wangen. Eine Weile sahen sich die beiden Mädchen an, dann mussten sie lachen und umarmten sich noch einmal. „Hat irgendjemand mitgekriegt, warum die sich gestritten haben?“, fragte Izzy verständnislos und sah ihnen zu. „Keine Ahnung“, antwortete Tai kopfschüttelnd. Mimi ließ ihre Freundin los und sah in die Runde. Jeder hatte irgendein Geschenk bekommen. Kari und T.K. hatten sich gegenseitig etwas geschenkt. Beide wirkten nun unschlüssig, wie sie sich gegenüber dem anderen verhalten sollten. Von ihren Brüdern hatten sie auch etwas bekommen und ihnen natürlich selbst etwas geschenkt. Tai hatte außerdem etwas von Matt bekommen und natürlich hatte Matt auch etwas von ihm und von Sora gekriegt. Joe und Izzy hatten sich gegenseitig beschenkt. „Hey, hier ist noch was für dich“, sagte Sora und reichte Mimi ein kleines Päckchen. Es fühlte sich hart an. Sie wickelte es auf und darin befand sich eine Tafel ihrer Lieblingsschokolade. „Oh, danke!“, rief sie fröhlich. „Von wem ist das denn?“ „Na, wenn das mal nicht von Tai ist“, sagte Izzy grinsend. Tai zuckte die Schultern und lächelte nur. „Willst du dich etwa schon wieder einschleimen?“, fragte Matt und verpasste ihm einen Klaps auf die Schulter. „Was heißt hier einschleimen?“, rief Tai empört. „Darf man einer Freundin nicht mal etwas zu Weihnachten schenken?“ Mimi lief rosa an und die anderen kicherten nur albern. Den Rest des Abends verbrachten sie mit plaudern und naschen. Die Jungen hatten sich jeder ein Bier auf gemacht und auch T.K. durfte eine halbe Flasche trinken. „Nicht, dass es wieder so ausartet wie letztes Jahr im Urlaub“, sagte Matt mit scharfem Unterton in der Stimme. In jenem Urlaub hatten Tai und Matt weniger auf ihre jüngeren Geschwister acht gegeben, was unschöne Folgen hatte. Die Mädchen tranken Bratapfelwein und auch hier durfte Kari ein Glas trinken. Hin und wieder zupften sie einen Lebkuchen vom Weihnachtsbaum. Im Radio dudelte unermüdlich Weihnachtsmusik und sie brannten eine Räucherkerze nach der anderen ab. Alle saßen zusammen auf den Sofas und redeten und lachten über alles Mögliche. „Wo sind denn T.K. und Kari hin?“, fragte Joe nach einer Weile und sah sich im Wohnbereich um. „Keine Ahnung. Ich habe gar nicht mitbekommen, dass sie weggegangen sind“, antwortete Matt. „Ich glaube, die sind vorhin hoch gegangen“, sagte Izzy und deutete zur Treppe. „Das heißt, Kari ist zuerst gegangen und T.K. ging irgendwann hinterher.“ „Oh Gott, die machen doch nicht etwa...“ Tai sprang mit alarmierter Miene auf und machte Anstalten zur Treppe zu gehen. „Jetzt hör aber auf!“ Sora warf ein Kissen nach ihm. „Setz dich wieder hin. Die werden schon nichts Unanständiges anstellen.“ „Zumindest hoffe ich das“, fügte Matt hinzu, der die Stirn in Falten gelegt hat. „Ihr macht euch zu viele Sorgen“, meinte Mimi kopfschüttelnd. „Seid doch lieber froh, dass sie sich wahrscheinlich wieder vertragen haben.“ „Genau. Ihr kennt doch die beiden. Die sind vernünftig“, sagte Izzy aufmunternd. „Also T.K. ist momentan alles andere als vernünftig“, schnaubte Matt. „Aber Kari ist es. Und jetzt hört auf euch Sorgen zu machen und lasst die beiden in Ruhe“, sagte Sora unwirsch. „Deine Kinder werden es mal gut haben“, lachte Joe. „Nicht, wenn sie auch die Kinder von Matt sind“, stichelte Tai und erntete dafür einen Fußtritt von Matt und einen bösen Blick von Sora. Nacheinander gingen Izzy, Joe und Sora zu Bett. Auch Mimi wollte eigentlich schlafen gehen, doch von der schlechten Luft in dem Raum, die von den Räucherkerzen her rührte, und auch vom Bratapfelwein war ihr ein wenig übel und sie beschloss noch einmal vor die Tür zu gehen und ein wenig frische Luft zu schnappen. Sie schlüpfte in ihre Stiefel, zog sich die Jacke über und ging vor die Tür. Die kalte Luft tat ausnahmsweise mal gut. Sie atmete tief ein und fühlte, wie ihr Kopf langsam wieder klarer wurde. Es hatte inzwischen zu schneien begonnen und dicke weiße Flocken legten sich über die ohnehin schon weiße Pracht auf dem Boden und den Dächern der Häuser. Hier und dort war noch ein erleuchtetes Fenster zu sehen, doch auf den Straßen befand sich um diese Zeit niemand mehr. Es war totenstill draußen. Das Knirschen des Schnees unter Mimis Füßen war das einzige Geräusch weit und breit. Mimi entfernte sich ein paar Schritte vom Ferienhäuschen, legte den Kopf in den Nacken und sah in den Himmel. Fast bekam sie dabei das Gefühl, den Schneeflocken entgegenzufliegen und wandte den Blick ab, bevor sie noch das Gleichgewicht verlor. Die Tür des Ferienhäuschens öffnete sich und Tais Kopf erschien im Türspalt. „Ich wollte dir nur gute Nacht sagen, weil ich jetzt schlafen gehe. Alle anderen sind auch schon im Bett. Mach dann bitte das Licht aus, okay?“, sagte er gähnend und wollte schon wieder verschwinden. „Tai?“ „Hm?“ Fragend blickte er sie an. „Ähm... danke für die Schokolade. Ich hab gar nichts für dich, weil ich nicht wusste, dass du mir was schenkst“, murmelte Mimi und sah ihn entschuldigend an. „Ach, vergiss es“, sagte er abwinkend. „Allerdings kannst du dich anders revanchieren, wenn du willst.“ Ein freches Grinsen umspielte seine Lippen und Mimi wusste, dass er nur scherzte. Trotzdem trat sie rasch auf ihn zu, vergrub die Hände in seiner Jacke und küsste ihn unvermittelt auf den Mund. Seine Lippen waren weich und er schmeckte ein wenig nach Alkohol. Obwohl es nur Tai war, spürte Mimi ein nervöses Kribbeln in der Magengegend. Sie löste den Kuss und grinste ihn an. Tai hingegen sah zu ihrer Überraschung eher wenig erfreut aus. „Was war das?“, fragte er misstrauisch. „Da, wo ich herkomme, nennt man so etwas einen Kuss“, antwortete Mimi schnippisch. „Und da, wo ich herkomme, küsst man nur Menschen, die man liebt und niemanden, von dem man behauptet, er würde die Freundschaft zerstören wollen“, entgegnete Tai kühl, drehte sich um und ging davon. Mimi blieb völlig perplex zurück und wusste nicht, weshalb Tai auf einmal sauer war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)