Sekaiichi Hatsukoi von hard-peel_soft-core (Erinnerungen) ================================================================================ Kapitel 3: Der Vergangenheit auf der Spur ----------------------------------------- „Hier wohne ich?!“, stieß Ritsu ungläubig, ja schon beinahe geschockt, aus, nachdem sie seine Wohnung betreten hatten. Gemeinsam mit Takano bahnte er sich einen Weg über Schmutzwäsche, Bücher und Papierstapel. Ich muss eine wirkliche schlampige Person sein!, dachte er wenig begeistert. Es kam ihm vor, als würde er eine vollkommen fremde Person kennenlernen, wenn er etwas Neues über sich selbst erfuhr. Das deprimierte ihn. Zudem mochte er die Person, die er zu sein schien, im Moment nicht besonders. Wer konnte in so einer Müllhalde auch leben? Ordnung schien ihm wohl ein Fremdwort zu sein. „Hm“, machte Takano nachdenklich, während er sich umsah. „Eigentlich hat es sich sogar schon ein wenig gebessert seitdem ich das letzte Mal hier war.“ Zwar kaum merklich, aber er scheint tatsächlich ein wenig aufgeräumt zu haben, bemerkte er erstaunt, was er sich aber nicht anmerken ließ. Diese Bemerkung munterte Ritsu natürlich nicht sonderlich auf. Zumindest sah die Küche besser aus. Eigentlich machte es den Eindruck als wäre sie überhaupt noch nie benutzt worden. Offenbar war er nicht nur unordentlich, sondern er konnte wohl auch nicht kochen. Allmählich wollte er sich gar nicht mehr an die Person erinnern, die er war. Jeder hat auch gute Seiten. Vermutlich auch ich, fiel ihm plötzlich ein, was seine Stimmung ein wenig hob. Während er sich, auf Befehl Takanos hin, an den Küchentisch setzte, kochte Takano ihnen einen Tee. Als sie sich beide gegenüber saßen und in Stille ihren Tee tranken, entschied Ritsu, dass es an der Zeit war, etwas über sich selbst herauszufinden. Doch irgendwas an dem Anderen machte ihn nervös und hemmte ihn so weit ein, dass er kein Wort herausbrachte. Takano beobachtete amüsiert wie sich Onoderas Mund des Öfteren öffnet und gleich wieder schloss und er dabei von mal zu mal roter wurde. „Ich…ähm, also…du…äh… Wo-was ist denn eigentlich…unsere Beziehung z-zueinander, Takano-san?“, brachte der Braunhaarige schließlich mit hochrotem Kopf zustande. Takano musste ein Grinsen wegen der Verlegenheit des anderen unterdrücken. Immerhin war das ein ernstes Thema. Als er so über die Frage nachdachte, sah er auch gar keinen Grund mehr zu grinsen. Was sollte er antworten? Natürlich könnte er es sich leicht machen und ihm sagen, sie wären ein Paar, doch das würde ihn auf lange Sicht vermutlich nicht weiterbringen. Sobald Ritsu wieder er selbst war, würde er ihm vorwerfen, seine Hilflosigkeit ausgenutzt zu haben. Womit er in diesem Fall auch Recht hätte und das wollte Takano erst recht vermeiden. „Ich bin dein Boss und Nachbar“, erklärte er dann widerwillig Das Richtige tun ist so verdammt schwer, wenn er mich aus diesen großen grünen Augen verschämt ansieht und dabei so rot wie eine Tomate ist, dachte der Ältere wehmütig. Ritsus Gesicht leuchtete ein wenig auf. Unter diesen Umständen würde er sogar etwas über seine berufliche Vergangenheit herausfinden können. „Was ist denn mein Job?“ Ritsu war genauso aufgeregt wie ein Kind, das die Eltern über den Weihnachtsmann ausfragte. „Shoujomanga-Editor.“ „Shoujomanga?!?“ „Nicht männlich genug? Unsere Arbeit ist nichts für Weicheier“, ermahnte Takano ihn mit verengten Augen. Der Mann wirkte tatsächlich ein wenig furchterregend. „N-nein, so meinte ich das nicht!“, beeilte Ritsu sich zu sagen und wich angesichts des kühlen Blicks, der ihm entgegengebracht wurde, zurück. „Ich hätte nur nie für möglich gehalten, dass eine Person, die so lebt, einen solchen Job hat.“ „Was Liebe betrifft, stehst du ja auch wirklich völlig auf der Leitung.“ „Das heißt, ich bin schlecht in meinem Job?“ Verwirrung aber auch Enttäuschung standen Ritsu ins Gesicht geschrieben. Takano fuhr ihm beruhigend durch seine haselnussbraune Mähne. „Nein. Du bist sehr fleißig und außerdem lernfähig.“ Ritsu lächelte erleichtert. Die ersten guten Eigenschaften, die auf ihn zutrafen. Es war schon wirklich merkwürdig, sich selbst kennenzulernen und dabei Angst zu haben, das was man entdeckte, nicht zu mögen. „Nichts desto trotz auch ziemlich beschränkt“, ergänzte Takano, woraufhin sein Gegenüber nur große Augen machte. Der alte Ritsu hätte sich jetzt mit Sicherheit aufgeregt. Nicht so dieser, ohne Vergangenheit. Dieser war nach wie vor zu unsicher, um irgendetwas abzustreiten. Natürlich. Er kannte sich selbst ja auch nicht, um für sich gerade zu stehen. „Weißt du auch etwas über meine Familie?“, fragte Ritsu nach einer Weile des Schweigens, das auch schon früher ihr ständiger Begleiter gewesen war, hoffnungsvoll. Takano wusste zu seinem eigenen Bedauern nicht sehr viel über Onodera, aber mit den wenigen Informationen, die er über ihn hatte, konnte er ihm zumindest aushelfen. „Wir sollten sie vermutlich mal anrufen und sie über deine derzeitige Lage informieren. Es wäre ein zu großer Schock für sie, wenn einer von ihnen auf einmal auftauchen würde und du kannst dich nicht an sie erinnern“, meinte Takano, mehr zu sich selbst. Er war nicht sehr begeistert davon, aber er wusste, dass er es tun musste, wenn er sich das Vertrauen der Familie Onodera verdienen wollte. Doch ihm war klar, dass seine überfürsorgliche Familie jede freie Minute nach ihm sehen würde, was ihm die Zeit allein mit Ritsu raubte. Takano kam also die ziemlich unangenehme Aufgabe zu, die Eltern Onoderas zu benachrichtigen, was im schlimmsten Fall sogar zu einem Gehörsturz führen hätte können, als Onodera-san nach einer langen Pause, in der schon die Befürchtung aufkam, sie wäre ohnmächtig geworden, vollkommen durch den Wind „Oh mein Gott! Wie geht es meinem Baby?!“ kreischte. Die Nachricht, ihr Sohn könnte sich nicht an sie, seine eigene Mutter, erinnern, löste wie bereits erwartet keine Begeisterungsstürme bei ihr aus. Sie versprach, so schnell wie möglich da zu sein, obwohl es in Takanos Ohren mehr wie eine Drohung klang. Befürchtete sie, er würde Ritsu gegen sie aufhetzen? Er schrieb es der Sorge um ihren einzigen Sohn zu. Was den Schwarzhaarigen jedoch wirklich beunruhigte war nicht der harte Tonfall Onodera-sans, sondern das baldige Auftauchen von Ritsus „Verlobten“ auf der Bildfläche. Das wollte er sich auf keinen Fall antun. „Deine Familie wird bald hier sein, also werde ich gehen. Falls du irgendwas brauchst, meine Nummer ist in deinem Handy eingespeichert“, verabschiedete er sich und stand auf um sich Mantel und Schuhe anzuziehen. Ritsu folgte ihm bis zur Tür und verbeugte sich tief. „Vielen Dank für deine Unterstützung, Takano-san“, sagte der Braunhaarige aufrichtig. Er konnte immer noch nicht fassen, warum sein Nachbar und Boss so viel für ihn tat. Erst jetzt, im Moment des Abschieds, fiel ihm auf, dass er ihn die ganze Zeit über geduzt hatte. Augenblicklich stieg ihm die Schamesröte ins Gesicht. „Verzeihen Sie, dass ich jegliche Höflichkeitsformen, die vielleicht angemessen gewesen wären, so ohne weiteres fallen ließ.“ Wow, woher kamen denn jetzt diese Worte? Ich muss eine gute Erziehung genossen haben, folgerte er. Statt einer Antwort fuhr Takano ihm noch einmal durch die bereits zerzausten Haare. Nie hätte er dem Anderen gesagt, dass er einfach das Gefühl der für einen Mann ungewöhnlich weichen, seidigen Haare genoss. „Ach, nur zur Vorbeugung von Missverständnissen, ich mache das nicht aus Hilfsbereitschaft“, Takano wandte sich noch einmal zu ihm um bevor er die Tür hinter sich schloss. „sondern weil ich dich liebe.“ Mit diesen Worten verließ er die Wohnung und ließ einen vollkommen entgeisterten und bis zu den Ohren roten Ritsu zurück. Er hatte sich noch immer nicht ganz von dem Schock dieses Geständnisses erholt als eine Frau mittleren Alters mit haselnussbraunen, an den Ansätzen bereits ergrauten Haaren vor seiner Tür stand und ihn sofort in eine enge Umarmung zog nachdem sie ihn erblickt hatte. Ihn überkam das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit, was ihm bestätigte, dass diese Dame zweifellos seine Mutter war. Doch sie war nicht allein. Ein hübsches Mädchen mit langen brünetten Haaren und braunen Augen kam auf ihn zu und umarmte ihn ebenfalls stürmisch. Nun fühlte er sich aber doch etwas unwohl. Ob es an der Überraschung oder an der Vertrautheit der Geste lag, konnte er nicht sagen. „I-ich will ja wirklich nicht unhöflich sein, a-aber… Wer sind Sie?“, fragte er das Mädchen zaghaft. Dieses Mal hatte er nicht vergessen, die höfliche Anrede zu verwenden. „Aber Ritsu!“, empörte sich seine Mutter und warf ihm einen tadelnden Blick zu. „Erkennst du nicht einmal deine eigene Verlobte, An-chan, wieder?!“ Seine Amnesie schien sie als Ausrede in dieser Angelegenheit wohl nicht zu akzeptieren. Bei dieser Erklärung wurden Ritsus Augen groß. Er fühlte plötzlich ein ungeheures Gewicht auf seinen Schultern lasten. Diese Nacht lag Ritsu lange wach. Zu viele Eindrücke und Informationen schwirrten durch seinen Kopf und hinderten ihn daran, Schlaf zu finden. Sein derzeitiger Wissensstand sagte ihm, dass er nicht sehr putzfreudig war und auch nicht kochen konnte. Dafür aber machte es den Anschein, dass er in seinem Job als Shoujomanga-Editor hart arbeiten würde. Seine Eltern schienen von seinem Beruf allerdings wenig begeistert zu sein, da ihm eines Tages der Verlag seines Vaters gehören würde und seine derzeitige Arbeit einfach zu wenig seriös war. Zu seiner Überraschung hatte er erfahren, dass er sich ursprünglich als Literatureditor beworben hatte, doch dann aus irgendeinem Grund bei Shoujomanga gelandet war. Da stellten sich ihm natürlich folgende Fragen: Warum hatte er den Verlag seines Vaters eigentlich verlassen, wenn er dort doch der Herausgeber der berühmtesten Literaturschriftsteller war? Und wenn er schon in einem anderen Verlag arbeitete, warum hatte er dort noch nicht die Abteilung gewechselt? Hinzu kam, dass sein Boss in ihn verliebt zu sein schien, obwohl er eine reizende Verlobte hatte und es moralisch verwerflich war. Wäre das nicht umso mehr Grund gewesen, zu wechseln? Etwas musste ihn in der Abteilung gehalten haben. Ob es sein Boss oder ein anderer Grund war, konnte er jedoch nicht sagen. Was er aber sagen konnte war, dass sich Takanos Berührungen anders anfühlten als die An-chans. Während die seiner Verlobten sich vertraut und angenehm anfühlten, hinterließen Takanos stets das Gefühl, in Flammen zu stehen. Ritsu ahnte bereits, was dies zu bedeuten hatte. Unruhig wälzte er sich von einer Seite auf die andere, doch fand keine Ruhe. Nein, das kann nicht sein! Bin ich wirklich jemand, der seine Verlobte betrügen würde? Und das auch noch mit einem Kerl! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)