Winternacht von Yurippe (Adventskalender - Tag 12) ================================================================================ Kapitel 1: Winternacht ---------------------- Es war eine Winternacht, in der Luna von Todessern in den Kerker der Malfoys geworfen wurde. Dieser war, wie Kerker es eben an sich hatten, kalt und dunkel, und sie hatte Angst. Wie einer der Männer gesagt hatte, als er sie grob die Treppe hinunter schob, würde man sie so lange eingesperrt lassen, bis ihr Vater keine pro-Harry-Potter-Artikel mehr im Klitterer drucken würde. Er konnte nicht damit aufhören – der Widerstand brauchte jegliche Art von Unterstützung, die sie bekommen konnten. Und doch wusste Luna, dass Xenophilius Lovegood sich von der Drohung einschüchtern lassen würde. Wer könnte es ihm auch verdenken? Seine einzige Tochter war von Todessern aus dem Hogwarts-Express verschleppt worden und er wusste nicht, was sie mit ihr anstellen würden. Sie wusste es ja selbst nicht. Angst machte sich in ihr breit und ließ sie, zusammen mit dem eisigen Kerker, frösteln. Sie war es nicht mehr gewohnt, allein zu sein, seit sie sich in ihrem vierten Schuljahr Dumbledores Armee angeschlossen hatte. Vor wenigen Wochen erst hatten Ginny, Neville und sie selbst zusammen versucht, das Schwert Gryffindors aus dem Büro des Schulleiters – oder jetzt dem Büro von Snape – zu entwenden. Zwar waren sie gescheitert und mit einer nächtlichen Tour in den verbotenen Wald bestraft worden, aber sie waren zusammen gewesen. Während sie mit ihren Armen den Oberkörper umschlang, um sich wenigstens etwas zu wärmen, dachte Luna an jene Nacht zurück. „Da sind wir ja noch mal ziemlich glimpflich davongekommen, oder? Von Snape hätte ich eine wesentlich härtere Strafe erwartet.“ Ginny Weasley zog sich ihre Mütze tiefer ins Gesicht, während sie Hagrid und Fang in der Dunkelheit hinterherstapfte. „Ich dachte, er wirft uns den Todessern zum Fraß vor... oder zum Foltern“, murmelte Neville, der neben Luna den Schluss des kleinen Trupps bildete. „Glimpflich oder nicht, vergesst nich', dass der Wald auch gefährlich is'“, erinnerte Hagrid sie, als sie die ersten Bäume erreicht hatten. „Ich trenn' mich nur ungern von euch, aber Snape hat uns 'ne ziemlich lange Liste mit Pflanzen gegeben, die er haben will. Wenn wir nich' hier übernachten woll'n, teilen wir uns besser auf. Einer von euch geht mit mir und die restlichen zwei kriegen Fang. Verlasst euch aber nich' drauf, dass er im Fall der Fälle besonders nützlich is'. Neville, du hast Ahnung von Pflanzen, nich' wahr?“ „Na ja, es geht so...“, erwiderte der Junge wenig überzeugt, doch für Hagrid war die Sache beschlossen. „Gut, dann gehst du mit Fang und einem der Mädels in die Richtung.“ Er deutete auf einen Pfad, der nach rechts in die Dunkelheit führte. „Wer von euch geht mit mir?“ „Ich“, meldete Ginny sich. „Am besten wir brechen gleich auf, dann müssen wir vielleicht nicht hier übernachten. Hier lang?“, fragte sie und betrat einen weiteren Pfad, der links von ihrem Weg abzweigte. „Wart' auf mich!“, rief Hagrid ihr – für seine Verhältnisse – leise zu und wandte sich noch kurz an Luna und Neville. „Seid bloß vorsichtig, und denkt dran, wenn was is', sendet Funken aus oder schickt euren Patronus. Wir treffen uns später wieder hier.“ Dann verschwand er mit Ginny in die Dunkelheit. „Wollen wir dann auch gehen?“, fragte Neville. „Ginny hat Recht – je schneller wir hier fertig werden, desto besser.“ Soweit Luna im schwachen Lichtschein ihres Zauberstabs erkennen konnte, schien auch er die nächtlichen Geräusche des Waldes wenig beruhigend zu finden. Sie nickte. „Lass uns gehen. Komm, Fang.“ Der riesige Hund, der sich zu ihren Füßen niedergelassen hatte, stand nun eher widerwillig auf und trottete ihnen hinterher in den kleinen Pfad. Dabei ließ er sie demonstrativ vorgehen, so als wollte er sagen, 'geht ihr ruhig vor und überprüft die Sicherheit, ich komme dann nach'. Fürs Erste schien ihnen jedoch ausnahmsweise mal niemand nach dem Leben zu trachten, und so hatten sie die meisten Pflanzen auf ihrer Liste auch dank Nevilles fachmännischem Auge bald zusammen. „Das erinnert mich daran, wie ich als Erstklässler mal in den Wald musste“, erzählte Neville. „Ich wünschte, damals wärst auch du mit mir und Fang unterwegs gewesen statt Malfoy.“ Luna runzelte die Stirn. Niemand aus der DA mochte Malfoy besonders gern, und sie konnte sich gut vorstellen, dass er im Wald eher hinderlich als nützlich war. „Ich wette, er hat sich ziemlich gefürchtet.“ „Na ja, ich mich auch“, gab Neville zu. „Wir waren auf der Suche nach jemandem oder etwas, das ein Einhorn ermordet hat, und dieses Etwas stellte sich dann als Du-weißt-schon-wer heraus, der versucht hat, Harry umzubringen.“ „Das ist ja nichts Neues.“ Auch wenn sie diese Geschichte zum ersten Mal hörte, war Luna nur leicht schockiert. Es hätte sie wohl eher überrascht, wenn einmal gar nichts passieren würde. Ob all das Kämpfen wohl je ein Ende hätte? „Glaubst du, dass es ihnen gut geht?“, fragte Neville. „Ja, sicher.“ Luna nickte bestimmt. „Harry ist ein toller Zauberer, und Hermione ist wirklich schlau, wenn auch etwas engstirnig. Solange die drei nur zusammenhalten, schaffen sie das.“ „Da hast du sicher Recht.“ Neville schwieg für eine Weile, dann sagte er: „Wir dürfen ebenfalls nicht aufhören, hier Widerstand zu leisten, auch wenn wir dann jede Nacht in diesem Wald verbringen müssen.“ Aus seiner Stimme konnte sie Entschlossenheit hören. „Vielleicht entdecken wir dann ja eine bisher unbekannte Spezies“, meinte Luna. Man musste nur immer versuchen, etwas Positives an einer Situation zu entdecken. „So wie den Schnarchigen Schrumpfkackler?“ „Der Schrumpfhörnige Schnarchkackler zieht andere Lebensräume vor“, erklärte das Mädchen geduldig und verfiel in eine Abhandlung über die Gewohnheiten dieser magischen Kreatur, bevor sie meinte: „Aber spätestens in ein paar Wochen werden die Mistelzweige wieder voller Nargel sein.“ „Apropos Zweige, ich glaube, wir haben die letzte Zutat auf der Liste gefunden.“ Neville leuchtete mit seinem Zauberstab einige Meter voraus, wo ein Strauch mit roten Beeren stand. Er pflückte vorsichtig ein paar Blätter und Früchte ab und füllte sie in einen kleinen Beutel, bevor er sich wieder dem Weg zuwandte. Dabei achtete er nicht auf seine Füße, geriet ins Straucheln und fiel auf den glücklicherweise weichen Waldboden. „Autsch.“ „Alles in Ordnung?“ Innerlich musste Luna etwas schmunzeln, denn diese Tollpatschigkeit, gleich nachdem er so fachmännisch die Pflanze gefunden hatte, war etwas, das sie an Neville schon immer liebenswert gefunden hatte. „Es geht schon, danke“, murmelte Neville und klopfte sich die Hose ab. „Ich hab ja Übung.“ Dabei klang er halb amüsiert, halb verärgert. Vermutlich wusste er nicht, dass auch seine Schwächen ihn zu dem Menschen machten, mit dem Luna gern Zeit verbrachte. „Na komm, lass uns zurückgehen, Hagrid und Ginny sind sicher auch schon fertig mit Sammeln“, forderte sie ihn auf und musste gleich darauf überrascht feststellen, dass sie das Ende dieses „Ausflugs“ fast schon etwas bedauerte. „Damit du nicht abhanden kommst“, sagte sie und griff nach seiner Hand. Und nun war sie es, die „abhanden gekommen“ war, dachte Luna und die Ironie der Situtation war ihr durchaus bewusst. Nevilles Worte hallten durch ihren Kopf. Er hatte Recht, sie durften nicht aufgeben. Jeder kämpfte auf seine Art, und das musste sie auch tun, selbst wenn sie jetzt allein war. Sie musste durchhalten, das war sie ihren Freunden, ihrem Vater und dem Widerstand schuldig. Immerhin musste sich auch noch die Welt von der Existenz des Schrumpfhörnigen Schnarchkackler überzeugen. Luna Lovegood gab nicht auf, auch wenn die Situation auswegslos erschien. Während sie im Dunkeln ihre rechte Hand mit der linken berührte, kam es ihr fast so vor, als hielt sie die Hand eines Freundes. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)