Eisherz und Sonnenschein von Harulein (Sasuke und Hinata: Gegensätze ziehen sich an) ================================================================================ Kapitel 11: Verwischte Spuren ----------------------------- Oma Yoneko wohnt in der großen Uchiha-Residenz, aus der Mama schon vor dem Krieg ausgezogen ist, bevor Itachi überhaupt da war. Ich kenne diesen riesigen Komplex, der fast schon ein eigenes Viertel von Konoha ist, von den Besuchen meiner Kindheit und weil ich, als Oma aus dem Exil zurückkam, bei der 'Wiederbelebung' der alten Häuser geholfen habe. Da ist das kein Problem, denn an … jenem Tag … habe ich die Familienresidenz nicht betreten. Nur in das Haus, in dem ich aufgewachsen bin, kann ich nicht mehr zurückkehren. Es liegt im Zentrumsviertel von Konoha, aber es gibt immer Wege, um diese Straße herumzugehen. Oma hält sich tagsüber meist in ihrem Teehaus auf. Das Teehaus ist das aktive, sehr lebendige Herzstück ihrer hintergründigen Machtbeziehungen, in denen alle Dorfbewohner ihres Alters eine Rolle haben. Es gibt das Yoneko-Lager und das etwas kleinere, dafür aber deutlich aggressivere Koharu-Lager. Gerüchten zufolge existiert diese Einteilung schon seit der Entstehung des Dorfes. Zu jener Zeit war meine Urgroßmutter ein Mädchen von etwa zehn Jahren. Es herrscht Krieg in den Teehäusern und Residenzen, ein Krieg der unnachgiebigen alten Leute und fast jeder Ninja im Dorf hängt mit drin. Itachi wohl am meisten. Manchmal erscheint es mir so, als würde sich ein großer Teil der Kämpfe zwischen den Lagern um ihn drehen und darum, welche Pläne Oma für ihn gemacht hat. Ich häng auch mit drin, aber nicht ganz so sehr. Das ist einer der Vorteile daran, der zweite Erbe und nicht der erste zu sein. Manchmal, wenn ich am Rande mitbekomme, dass Itachi wegen Oma Yonekos Machtkämpfen unter Druck steht, tut er mir richtig leid und ich frage mich, ob Oma und Papa überhaupt wissen, wie wenig sie ihm damit einen Gefallen tun. Natürlich, irgendwo wissen sie natürlich, dass es ihm damit nicht gut geht, aber wahrscheinlich unterschätzen beide, wie sensibel Ita wirklich ist. Auch, als ich jetzt das Teehaus betrete, läuft wieder eine Diskussion zwischen Minamiko Senju und einer anderen alten Lady, die, meines Wissens nach, mit den Sarutobi verwandt ist. Minamiko ist, glaube ich, eine Tante oder so von Tsunade und eine von Oma Yonekos ältesten Verbündeten. „Hallo, Sasuke-chan!“, ruft Oma und kommt auf mich zu. Es ist wie mit Mama, wenn sie mich „Spatz“ nennt. Man kann es ihnen nicht abgewöhnen. „Was gibt’s?“, Oma trägt wieder einen ihrer kreischbunt geblümten Mädchenkimonos. Sie hat noch nie gedeckte Farben getragen. Seit ich mich erinnern kann, ist sie immer mit einer geflochtenen Vogelnestfrisur und bunten Kimonos herumgelaufen, als wollte sie allen durch diese Kleidung zeigen, dass man sie keineswegs unterschätzen sollte. „Kakashi hat in der Bibliothek eine Schriftrolle gefunden. Darin stehen Dinge, die nur jemand aus unserer Familie wissen kann. Itachi hat überall nach Hinweisen gesucht, aber nichts gefunden. Die leeren Seiten in der Familienchronik müssen dir doch auch aufgefallen sein, oder?“ „Ja, die kenne ich.“, sagt Oma und lässt meine Hoffnung, dass sie etwas weiß, kurz aufkeimen, „aber ich kann mich nicht erinnern, was einmal auf diesen Seiten stand.“, und die Hoffnung stirbt! „Echt nicht? Du weißt es nicht mehr, Oma?“ „Es ist wie ausgelöscht. Ich hab keine Ahnung. Irgendwann, damals war dein Bruder wohl ungefähr dreizehn, da habe ich selbst mal danach gesucht. Aber ich habe genauso wenig gefunden wie ihr beiden jetzt.“ „Aber das ist doch sehr seltsam! Ich meine, es ist, als würde sich etwas mit aller Macht vor uns verstecken wollen! Irgendwo muss es doch eine Spur geben.“ „Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Ich kann dir ja noch nicht einmal sagen, wann die Seiten in der Chronik so gründlich ausgelöscht wurden. Das kann zwanzig oder dreißig Jahre her sein. Sieh mal, Sasuke, unsere Familie ist sehr groß. Und man sieht sich nicht einfach so die Chronik an. Die meiste Zeit über liegt sie im Schrank und theoretisch kann sie sich jeder ansehen, wenn es einen Anlass gibt. Aber diese Anlässe sind wirklich selten und wenn, dann sieht man nur die Seiten an, die man gerade braucht. Als dein Bruder geheiratet hat, haben wir die Chronik gebraucht, um Konans Namen einzutragen. Allerdings…“ „Was?“ „Da ist auch so eine Lücke im Stammbaum gewesen. Zwei Einträge wurden mit derselben Technik gelöscht wie die beiden ganzen Seiten. Aber niemand, den ich gefragt habe, konnte sich erinnern, wessen Namen dort standen.“ Wenn noch nicht einmal Oma Yoneko etwas weiß, wird es wirklich schwierig. Bisher war es immer so, dass wenn Itachi etwas nicht wusste, man die Lösung eines Problems von Oma bekam. Sie ist Konohas ältestes lebendes Lexikon. Schließlich hat sie den Hokage der ersten Generation gekannt und an fast jeder Geheimsache im Dorf irgendwie mitgewirkt. Dass sie jetzt auf eine Frage keine Antwort hat, bedeutet, dass es sich um eine wirklich sehr schwierige Sache handelt. Jemand scheint den Wissensschatz unserer Familie überlistet zu haben. Hoffentlich findet Itachi bei der Materialanalyse der Schriftrolle etwas heraus. Nach einem Reiskuchenfrühstück im Teehaus gehe ich die Treppen hinauf zum Tempel auf dem Felsplateau. Von da oben hat man einen guten Blick auf das Dorf. Wenn ich mit den Büchern und Omas Wissensschatz nicht weiterkomme, bleibt mir nur noch das Bild aus meinem Traum von letzter Nacht. Auf einem Stein über der Felswand bleibe ich sitzen und versuche, mir dieses Bild wieder in Erinnerung zu rufen. Über dem Dorf kreist tatsächlich ein kleiner Greifvogel. Ob es ein Falke ist, kann ich jedoch nicht genau erkennen. Jemand tippt mir von hinten auf die Schulter. „Hey, Sasuke!“, das ist Sakuras Stimme, „was machst du denn hier?“ „Ich hatte heute Nacht einen seltsamen Traum und über den denke ich jetzt nach.“, antworte ich. „Und was war das für ein Traum?“, fragt sie und setzt sich neben mich. „Es war Vollmond und da war so ein Vogel über dem Dorf. Ich glaube, es war ein Falke. Und der Mond hatte so eine seltsame, rote Farbe.“ „Rote Farbe?“, wiederholt Sakura. „M-hm.“ „Das war dann aber ein komischer Traum!“ „Kannst du laut sagen, Saku.“ „Sag mal, Sasuke, ich hab gehört, dass du… und Hinata… also dass ihr beiden… ihr seid sowas wie zusammen, oder?“ „Du hast es erfasst.“ „Das ist ja toll! Obwohl ich nie gedacht hätte, dass du gerade ein Mädchen wie Hinata magst… sie ist, na ja, so ganz anders als du.“ „Genau darum mag ich sie.“, jetzt, wo ich es ausspreche, wird mir klar, dass es stimmt. Ein Grund, warum ich Hinata mag, ist, dass sie so ganz anders ist als ich. Dadurch bringt sie mich immer wieder dazu, mich anders zu verhalten als sonst. Und ich spüre, wie gut mir das tut. „Das ist wirklich schön für dich!“, Sakura strahlt mich an. Sie ist wirklich toll als beste Freundin. So hab ich sie richtig gern. „Und wie ist es mit dir und Naruto?“ „Tja, also ehrlich gesagt... nimm es mir nicht übel, Sasuke, aber ich kann gar nicht mehr verstehen, was ich an dir damals eigentlich so toll fand. Naruto ist zwar immer noch ein Vollidiot, aber irgendwie… ist er auf eine bestimmte Art auch erwachsen geworden.“ „Wenn ihr zwei… na ja, allein seid?“ Sakura nickt und ich werde gar nicht weiter fragen. Ich will's einfach nicht wissen. „Ähm, also, wie sieht es da eigentlich bei dir aus? Ich meine, also falls du mit mir darüber sprechen willst. Vielleicht ist das auch etwas, worüber du lieber mit Naruto redest…“ „Ich hab noch nicht viel darüber nachgedacht. Itachi hat mal mit mir drüber gesprochen. Aber eigentlich ist es mir noch nicht so wichtig.“ Bisher hatte ich immer genug andere Dinge im Kopf und wenn ich nach dem Training nach Hause komme, gehe ich ins Bett und schlafe meistens sofort ein. Ich weiß auch noch gar nicht, was ich davon eigentlich halten soll. Es ist einfach noch kein großes Thema für mich, obwohl ich längst in dem Alter bin. „Das schreibt einem ja niemand vor.“, sagt Sakura, „ich wollte nur mal wissen, so als gute Freundin, was du darüber denkst.“ „Weißt du eigentlich, dass du ziemlich cool bist, Sakura? Ich meine nicht cool so wie kalt, sondern so, wie Naruto das sagt, verstehst du?“, na prima, Sasuke redet wieder wirres Zeug! „Hihi, danke. Du auch. Als Kumpel und so.“, sie lächelt, so cool und frech, wie sie seit meiner Rückkehr ins Dorf immer zu mir ist. „Bist du wieder mit Ino befreundet?“ „Nicht wirklich. Sie hängt viel mit Sai herum und den kann ich nicht leiden, so wie er mit dir und Naruto redet. Aber ist auch egal. Ich hab ja meine Jungs. Ihr zwei seid zwar manchmal echt bescheuert, aber ich hab euch trotzdem gern.“ Sie steht auf und blickt auf das Dorf hinunter. Dann zu dem Vogel, der noch immer über dem Dorf fliegt. Bisher hat er keinen Ton von sich gegeben, aber jetzt schreit er und ich bin mir sicher, dass es ein Falke ist. „Ein Falke.“, sagt Sakura, „wie in deinem Traum. Eigentlich leben in diesem Wald nicht viele Falken. Tsunade sagt, wenn einer hier herumfliegt, ist das ein Zeichen für irgendwas. Aber genau sagen kann sie es mir nicht.“ „Manche Sachen sind und bleiben wohl Rätsel.“ Moment! Omas Gedächtnislücken, die gelöschten Seiten und der Falke, der für etwas steht, was ebenfalls jemand, der sonst viel weiß, nicht genau erklären kann? Und alle Fäden laufen bei dieser Schriftrolle zusammen. Ich springe auf. „Danke, Sakura, du bist echt toll!“ Und renne weg, zu den Felswand-Treppen. Als ich um die Ecke biege, ruft Sakura mir nach: „Bitte sehr! Erklärst du mir auch irgendwann, was ich jetzt so toll gemacht habe?“ „Jaa!“, im Laufen stiehlt sich ein breites Lächeln auf mein Gesicht. Auf dem kürzesten Weg, quer über die Dächer, zum Archiv, in dem der Raum für Materialanalyse ist. Drei- oder viermal über hölzerne Dächer, blecherne Regenrinnen und kleine Fenstervorsprünge, dann bin ich da. Itachi kommt mir gerade entgegen. „Und? Hast du was gefunden?“, frage ich. „Die Schriftrolle ist etwa dreißig Jahre alt, wahrscheinlich kurz vor Kriegsbeginn geschrieben. Sie lag lange in der Bibliothek und davor in einem anderen Raum, der felsige Wände hatte. Ich habe Felsstaub auf dem Papier gefunden und auch in der Tinte. Das bedeutet, die Schrift wurde auch in jenem Felsenraum geschrieben. Und jetzt überleg mal, wie viele Räume mit Felsenwänden wir hier im Dorf haben, kleiner Bruder.“ Ich kenne nur einen: das Geheimarchiv unserer Familie. Es befindet sich in einer Höhle unter dem Felsplateau, ganz in der Nähe der Hokage-Residenz. „Etwa unser Archiv?“ Itachi nickt bedeutungsschwer. Er kennt unser Archiv so gut wie auswendig, hat früher oft tagelang dort drinnen gesessen und alle möglichen Schriften gelesen. Und er weiß, dass fast nur Mitglieder unserer Familie dort reinkönnen. Das Siegel an der Tür lässt nur Ninjas mit Sharingan durch. Kakashi wäre die einzige Ausnahme, für ihn gilt ein Sonderverbot. Denn in diesen Räumen lagern die Geheimnisse unseres Clans. „Hast du auch etwas gefunden, Sasuke?“ „Ja. Sakura hat mich drauf gebracht. Es ist der Falke. Hier im Wald gibt es heute nur noch wenige Falken, aber früher soll es mehr gegeben haben. Vor dem Krieg, als diese Schriftrolle geschrieben wurde.“ „Das stimmt. Früher gab es mehr davon. Ich habe mir darüber auch schon Gedanken gemacht, aber es verläuft alles im Sand. Irgendjemand, vermutlich derselbe, der diese Schrift verfasst hat, verwischt seine Spuren sehr, sehr gut.“, Itachi sieht wieder sehr nachdenklich aus. Und auf einmal sieht er mir direkt in die Augen: „Zum Beispiel durch Erinnerungsversiegelung. Ich bin nicht der einzige, der das kann.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)