Eisherz und Sonnenschein von Harulein (Sasuke und Hinata: Gegensätze ziehen sich an) ================================================================================ Kapitel 12: Nachtgedanken und gefärbte Wolken --------------------------------------------- „Du meinst doch nicht etwa…?“ „Es ist nur eine Vermutung. Und so etwas aufzulösen, das braucht eine ganze Weile. Und ziemlich viel Können. Mir fällt nichts anderes mehr ein.“ Vom Gemeindearchiv aus mache ich mich auf den Weg zum Trainingsplatz drei. Naruto und Sakura warten schon auf mich. „Da bist du ja wieder.“, sagt Sakura, „und? Was war das vorhin?“ „Das, was du gesagt hast, mit Tsunade und den Falken.“ „Wegen deinem Traum?“ Ich nicke, weiß nicht genau, wie viel Sakura und Naruto über die Sache mit der Schriftrolle wissen dürfen. „Kakashi verspätet sich schon wieder.“, motzt Naruto. Er sitzt mit verschränkten Armen auf dem Boden und zieht ein beleidigtes Gesicht. „Das ist doch nun wirklich nichts Neues.“, der abfällige Klang meiner Stimme erinnert mich an die Zeit, als wir fast jeden Tag hier auf Kakashi gewartet haben. Es ist immer dasselbe, wie ein Ritual unseres Teams: Naruto, Sakura und ich sitzen auf Trainingsplatz drei herum und Kakashi kommt viel zu spät. Ob sich das wohl jemals ändern wird? Nach einer Stunde herumsitzen, auf und ab gehen und warten haben wir genug und fangen schon mal mit dem Training an. Naruto ist wirklich stark geworden. Und Sakura hat eine Kraft in ihrer Faust, vor der ich ziemlichen Respekt habe. Früher war ich mir immer sicher gewesen, den beiden überlegen zu sein, aber diese Gedanken sollte ich vergessen. Wir sind ein Team und es gibt eine Menge wichtiger Sachen, in denen Naruto besser ist als ich. Als Sakura dann eine ganze Lichtung in eine Schlucht aus Felsen und Erdspalten verwandelt, Naruto mit einem geschickten Satz ausweicht und ich fast das Gleichgewicht verliere, wird mir endgültig klar, dass ich nicht mehr der beste im Team Kakashi bin. „Kakashi taucht wohl heute nicht mehr auf.“ sagt Sakura, als wir wieder zu den drei Holzpfosten zurückkehren, an denen wir bei unserem ersten Training hier mal von Kakashi angebunden worden waren. Ich öffne mein Stirnband, das ich seit meiner Rückkehr nur noch im Training und auf Missionen trage. Darunter rinnt mir der Schweiß über die Haut. Das Training heute war ganz schön anstrengend, vor allem, weil ich immer nur einen gewissen Bruchteil meines Chakras nutzen kann. Auf diese Weise hat Jiraiya vor ein paar Monaten meine verbotenen Jutsu gesperrt: ich kann nur so viel Chakra nutzen, dass es für dreimal Chidori, viermal Feuerversteck und die Sharingan reicht. „Alles okay, Sasuke?“, fragt Naruto und sieht mich besorgt an. „Ja, alles gut. Ich bin nur müde.“ „Dann machen wir Schluss für heute und gehen alle nach Hause.“, schlägt Sakura vor. „Wir beide, Saku?“, Narutos blauen Augen leuchten. Den Weg ins Dorf gehen wir noch zusammen. Dann biege ich zu meinem Haus ab, während Naruto und Sakura zu seinem Zimmer im Zentrum weitergehen. Nach dem Abendessen wartet die Dusche. Unter der Tür schimmert Licht durch und ich kann Wasser rauschen hören. Der einzige, der beim Abendessen nicht da war, ist Itachi. Er hat wahrscheinlich wieder am Schreibtisch gegessen. „Hey, brauchst du noch lange, Bruder?“ Ich muss nicht lange warten, bis er im Yukata und mit nassen Haaren aus dem Bad kommt. Der Yukata hat Ärmel und verdeckt so die Narben auf Itachis Oberarmen. Narben von Verletzungen, die er sich selbst zugefügt hat, als ich ihm noch nicht verziehen hatte. Er hat sich damals mit den Fingernägeln lange, blutige Schrammen in die Haut geritzt. „He, alles okay, Sasuke?“, fragt er und tippt mir lächelnd auf die Stirn. „Ich… ich dachte nur gerade…“ „Woran?“ „Ach, nichts.“, eigentlich hab ich mir doch verziehen. Aber Narben werden wahrscheinlich für immer bleiben. Itachi scheint mal wieder meine Gedanken lesen zu können, denn er zieht den linken Ärmel hoch. Auf seinem Oberarm, unter dem roten Anbu-Zeichen, sind fünf dünne, blasse Streifen zu sehen. „Siehst du, sie sind schon fast weg.“, sagt er und lächelt mich an, „und selbst wenn, es ist nicht wichtig. Das Leben als Ninja hinterlässt immer Narben. Sie sind Zeichen dafür, dass man die Verletzungen überlebt hat.“ Wie macht er das, dass seine Worte immer wie die eines buddhistischen Weisen klingen? Und noch dazu scheint er immer irgendwie Recht zu haben mit dem, was er sagt. Wird man so, wenn man auf eine ganz bestimmte Weise viel über das Leben nachdenkt? „Gute Nacht, kleiner Bruder.“, er streicht mir durchs Haar und geht an mir vorbei zur Treppe. Nach dem Duschen fällt mir ein, dass mein eigener Yukata oben in meinem Zimmer ist. Itachi hat seine hier unten im Badezimmerschrank liegen, also nehme ich einen von denen. Inzwischen sind wir fast gleich groß und es ist ja nicht das erste Mal, dass ich seine Sachen trage. Als ich auf dem Weg zu meinem Zimmer an Itachis vorbeikomme, höre ich das unverkennbare Konan-Kichern. Ich will gar nicht wissen, was die beiden gerade machen. Also versuche ich, es zu überhören und schiebe meine Zimmertür mit einem deutlichen Knall zu. Auf dem Vorsprung vor meinem Fenster liegt etwas, das sich bei Öffnen des Fensters und näherer Betrachtung als Briefumschlag mit einem Foto von Hinata drin herausstellt. Das Bild ist in ihrem Zimmer aufgenommen worden, vielleicht von ihrer kleinen Schwester. Hinata lächelt wie eine Puppe und am unteren Bildrand ist zu erkennen, dass sie wieder die Fingerspitzen aneinander tippt, wie sie es immer tut, wenn sie aufgeregt ist. Sie hat also wirklich den Mut aufgebracht, mir ein Foto von sich zu schicken! Auch sie scheint sich weiter zu entwickeln, seit wir „zusammen“ sind. Ich suche in meinen Schreibtischschubladen nach einem Rahmen, finde nur eine alte Klemmstütze für Schulbücher, die ich in der Akademie benutzt habe, und verwende sie als provisorischen Bildhalter. Der kommt auf meinen Schreibtisch. Bevor ich die Rollläden herunterlasse, werfe ich noch einen Blick auf das Foto. Gute Nacht, Hinata. Vielleicht träum ich ja von dir. Wenig später, als ich, nur in Shorts, unter der Decke liege und versuche, die unverkennbaren Geräusche aus dem Zimmer neben mir trotz der nächtlichen Stille zu überhören, schleicht sich ein seltsames Gefühl in meinen Körper. Meine Haut ist noch warm und ein wenig nass vom Duschen, genau wie meine Haare. Trotz des harten Trainings von heute Nachmittag und der durchgearbeiteten letzten Nacht kann ich nicht einschlafen. Und irgendwann fällt mir nichts mehr ein, um die Geräusche von nebenan auszublenden. Ich hab zwar eine kleine Musikanlage in meinem Zimmer, aber keine Kopfhörer und noch nicht mal Platten, die ich hören könnte. Das seltsame, neue Gefühl breitet sich immer weiter aus und konzentriert sich dann irgendwo unten. Es kommt mir entfernt bekannt vor, so als hätte ich mal davon geträumt, es aber noch nie wirklich gekannt. Ein bisschen ähnelt es dem Gefühl, dass ich manchmal beim Aufwachen habe. Nicht unangenehm, aber irgendwie unheimlich. Etwas, über das ich keine Kontrolle habe, das ich nicht kenne, obwohl es sich in meinem eigenen Körper abspielt. Eigentlich wird es Zeit, sich damit zu befassen. Und ich muss irgendwas tun, um mich von dem erregten Atmen des glücklichen Ehepaars im Zimmer neben mir abzulenken. Mein Bruder und seine Frau. Itachis Privatleben, das mich nur dann etwas angeht, wenn er mir von sich aus etwas darüber erzählt. Es ist vollkommen dunkel, meine Rollläden halten dicht und auch durch das doppelt gespannte Papier meiner Tür kommt kein Lichtschimmer. Ich schließe die Augen und sehe genau so wenig wie zuvor. Das Gefühl wird stärker und meine Hand bewegt sich wie von selbst nach unten. Es geht schnell, dann ein kurzer, sehr guter Moment und die Gewissheit darüber, was mein Körper manchmal tut, während ich schlafe. Und dann wird mir schlagartig klar, dass ich dabei an Hinata gedacht habe. Ich hatte in dem einen, berauschenden Augenblick ihr Bild vor Augen und irgendein hirnverbrannter Teil meines Bewusstseins hat eine Vorstellung von ihr in knapper, schwarzer Unterwäsche produziert. Wie von der Wespe gestochen springe ich auf und renne mit einer bewegungsunfähig erstarrten rechten Hand runter ins Badezimmer. Hose aus und in den Wäschekorb, ab unter die Dusche, fünf Minuten kaltes Wasser, Handtuch um, Treppe wieder hoch. Völlig abgehetzt und runtergekühlt schiebe ich die Tür hinter mir zu, werfe mich aufs Bett und bin innerhalb von zehn Minuten eingeschlafen. Am nächsten Morgen ist das, was ich getan habe, das erste, was mir wieder einfällt und ich habe das drängende Gefühl, mit Itachi oder Naruto darüber reden zu müssen. Auch auf die Gefahr hin, vor mir selbst wieder als der Nachzügler auf Gefühlsebene dazustehen. Mein zweiter Gedanke gilt Hinata. Kann ich ihr noch in die Augen sehen? Ich hab mir zum ersten Mal in meinem Leben ganz bewusst einen runtergeholt und dabei an sie gedacht. Ist das okay oder nicht? Was denken Mädchen eigentlich darüber? Ich ziehe mich schnell an und renne die Treppe herunter. Unten klappern schon die Teller, ich bin mal wieder spät dran. Hab ich so lange geschlafen? Ein Blick auf die Küchenuhr verrät mir, dass es schon halb neun ist. „Morgen, Spatz!“, ruft Mama, während sie Reis und Rührei in der Pfanne auf dem Herd zusammenrührt. Papa ist nicht da, aber Itachi und Konan schon. „Du siehst ja furchtbar verschlafen aus, Sasuke!“, stellt meine Schwägerin fest, so gnadenlos ehrlich wie immer. Mama dreht sich um, sieht mich prüfend an und fragt dann: „Warst du gestern zweimal duschen? Deine Haare sehen so aus.“, und schon hat sie ihren Kamm aus der Schürzentasche gezogen, die Herdplatte ausgestellt und geht mit dem Kamm auf meine Haare los. „Mama! Lass das!“ „Keine Widerrede, Spatz, so lass ich dich nicht herumlaufen!“ Ich gebe auf. Mama hat dieselbe Art wie Itachi, dafür zu sorgen, dass ich keinen Widerstand mehr leiste. Als sie sich endlich davon überzeugt hat, dass ich ordentlich aussehe, wendet sie sich wieder dem Ei mit Reis zu, von dem sie selbst keinen Bissen essen wird. Sie ist Veganerin, hat irgendeine Eiweißallergie. Trotzdem kocht sie für alle mit: für Itachi kein Fleisch, für sich selbst kein tierisches Eiweiß und für Papa, Konan und mich ganz normal. Eigentlich ist Mama Augenärztin und früher hatte sie eine eigene Praxis bei uns, in unserem alten Haus. Aber seit sie wieder da ist, arbeitet sie nur noch zwei Tage die Woche und bei Notfällen im Krankenhaus, den Rest der Zeit ist sie hier zuhause, kocht, wäscht, putzt und passt auf, dass Itachi sich nicht überanstrengt. Aber sie ist glücklich damit, denn genau wie mein Bruder lebt sie davon, für andere da zu sein. Nach dem Frühstück schauen Itachi und ich uns noch einmal die Schriftrolle an. Die Aufzeichnungen scheinen tatsächlich so gemeint zu sein, wie sie da stehen und langsam ergibt sich ein Sinn daraus. „Ich habe gestern noch etwas gefunden, das uns weiterhilft.“, sagt Itachi und holt eine etwas kleinere Schriftrolle aus dem Regal, die man aufgrund des Siegels sofort als eine Schrift der Ersten Generation erkennen kann. „Und was?“ Er rollt die Schrift auf dem seltenerweise aufgeräumten Tisch aus und deutet auf eine der Randbemerkungen: „Hier steht etwas über diesen Satz mit der Farbe des Mondes.“ „Sag schon!“ „Wenn der Mond in seiner schönsten Farbe, dem Rot des Auges, am Himmel steht, färben sich die Wolken ebenfalls rot und der Himmel erscheint schwarz. Die Blätter der Bäume werden jedoch grün bleiben. Das ist der Tag, an dem das Dorf Konoha Gakure einen Hokage ernennen wird, der von denen kommt, sie sich bisher zurückhielten.“, liest er laut vor. „Das klingt ja wirklich nach einer Vision! Wie konnte jemand vor dreißig Jahren wissen, wann der nächste oder übernächste Hokage ernannt und wie es dann aussehen wird? Und wer es sein wird?“ „Rote Wolken, Sasuke. Rote Wolken an einem schwarzen Himmel. Der rote Mond.“, Itachis Stimme zittert ein wenig, „merkst du was?“ „Nee, oder? Itachi, wovon sprichst du da? Du meinst doch nicht etwa…?“ „Das ist jetzt wirklich nur so ein Gedanke, aber bei roten Wolken und einem roten Mond muss ich eben immer daran denken. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass da ein Zusammenhang besteht. Ich meine, wo soll da die Verbindung sein? Aber der Gedanke kommt mir trotzdem.“ Akatsuki. Und unsere Augen. Baum, Falke, Mond. Das wird wirklich immer merkwürdiger und irgendwie hab ich kein gutes Gefühl dabei. Die Umrisse der Lösung hinter all dem weiten sich aus, umspannen Dinge, die eigentlich viel zu weit entfernt sind. Und trotzdem irgendwie nah. Weil ich wieder so eine Ahnung habe, dass Itachi schon jetzt mitten drin hängt. Es geht auch um ihn, wie immer bei den ganz großen Sachen. Ich muss ganz schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Das mit Akatsuki ist schließlich nur so ein Gedanke, es kann gut sein, dass das überhaupt nichts mit unserer Schrift zu tun hat. Schließlich gibt es auch Zeiten, in denen der Mond ganz normal rötlich wird, zum Beispiel im Herbst, den man hier in Konoha auch nur an der Mondfarbe erkennt, weil die warmen Temperaturen und die Blätter an den Bäumen das ganze Jahr über bleiben. Also, raus aus der Gedankenwelt und zurück zu den Tatsachen. Das bedeutet auch, dass wir die Schriftrolle wieder eine Weile liegen lassen und uns anderen Dingen zuwenden. Zum Beispiel der Gedankenwelt von Mädchen in Bezug auf gewisse Jungsangelegenheiten. „Itachi? Kann ich dich mal was fragen?“ „Ja, natürlich. Was denn?“ Ich stehe auf und schließe die Tür des Arbeitszimmers. Bis eben war sie nur angelehnt, aber um über dieses Thema zu sprechen, muss sie zu sein. „Letzte Nacht, also eigentlich gestern Abend, als ich aber schon im Bett war…“ „Hast du Konan und mich gehört? Tut mir leid.“ „Nein, das geht schon in Ordnung, darum geht’s nicht.“, ich spüre die Anspannung, die durch den bloßen Gedanken an die letzte Nacht entsteht und die Frage platzt einfach aus mir heraus: „Hast du das auch mal gemacht, ich meine… also, du weißt schon, was?“, sofort, als ich merke, dass ich es tatsächlich ausgesprochen habe, könnte ich dafür im Boden versinken. Itachi so eine Frage zu stellen, gerade ihm! Aber er reagiert wie immer: ganz gelassen. Wie macht er das nur? „Kurz vor dem ersten Mal. Ich habe, genau wie du, sehr lange damit gewartet, mich überhaupt auf diese Dinge einzulassen. Weil ich auf die richtige warten und dabei nur an sie denken wollte.“ Er redet ganz offen, da ist nur ein ganz kleines bisschen Rot auf seinen Wangen. „Und was sagen Frauen dazu?“ Allein aus dieser zweiten Frage scheint er lesen zu können, worum es mir geht. „Es ist nichts Schlimmes. Ganz und gar nicht. Es ist eine natürliche Reaktion des Körpers auf die Entwicklung und auf Gefühle für jemanden, den man auf diese eine Weise liebt. Du musst dir also keine Sorgen deswegen machen.“ „Ich, ähm... ich hab dabei an Hinata gedacht. Ihr Bild war einfach in meinem Kopf, ich hab es erst danach richtig gemerkt.“ „Das bedeutet nur, dass du sie liebst. Du musst dir deswegen keine Sorgen machen.“ „Wirklich nicht?“, mir fällt ein Stein vom Herzen, „danke, Bruder!“ „Und wenn du wieder eine Frage hast, egal was, kannst du jederzeit zu mir kommen, Sasuke.“ Sagte ich schon, dass Itachi der beste große Bruder der Welt ist? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)