Die Chroniken von Khad-Arza - Die andere Seite des Himmels von Linchan (Drittes Buch) ================================================================================ Kapitel 26: Leben ----------------- Ein zylinderförmiger Gegenstand, an den Enden mit Gold eingefasst, in ihm eine wabernde Art Flüssigkeit, hatte Thiras komischer Cousin gesagt. Asta starrte auf das Ding in ihren zerkratzten Händen, das sie aus dem verbeulten Heck der Tari Randora geangelt hatte, und glich es in Gedanken mit der Beschreibung ab; das musste sie sein. Sie schien intakt zu sein, das war gut – ohne diese Batterie wären sie alle verloren. Allerdings hatte Asta wenig bis gar keine – eher letzteres – Ahnung von zuyyanischen Dingen, oder gar Endlosbatterien, wer wusste, ob sie doch kaputt war? „Ich habe sie!“, schrie sie unter dem Schrott durch, der über ihnen bebte und einzustürzen drohte, und sie sah auf der anderen Seite des Haufens Thiras angespanntes Gesicht. „Dann rolle sie hier unten durch, rasch!“, schrie die Zuyyanerin, „Und mit Schwung, damit sie nicht stecken bleibt!“ „Meinst du, das Ding passt da durch?!“, japste Tayson, „U-und wie kriegen wir Asta da raus?!“ „Das ist mir im Moment völlig egal!“, blaffte Thira mit einem Zorn und einem Elan in der Stimme, dass Asta ihre harschen Worte kaum bezweifelte – sie war es gewohnt. Sie war allen egal, sie war sogar sich selbst egal. Wer war sie denn? Asta Zinca, Tochter eines Vergewaltigers und Mörders, ein dummes Mädchen aus Holia, das weder irgendetwas konnte noch zu irgendetwas taugte. Thira war eine große, wichtige Person, wie sollte sie sich um jemanden so Unwichtiges wie sie scheren? Es war nicht einmal Selbstmitleid, was sie empfand, als sie die Batterie mit allem Schwung, den sie haben konnte, über den holprigen, zerrissenen Boden rollte; sie stand zu ihrem Schicksal, sie war nicht groß. Sie war nicht dafür geboren, groß zu sein, und sie war zufrieden damit, sehr klein zu sein... In Holia schon wäre sie am liebsten nicht nur klein, sondern unsichtbar gewesen... Die Batterie blieb irgendwo unter dem Schrott stecken. Asta starrte auf das Ding, das sich nicht mehr bewegte, und irgendwie war es so klar gewesen – warum war sie nicht einmal dafür zu gebrauchen, die verdammte Batterie zu Thira zu schaffen?! „Sieht nicht gut aus.“, sagte Thiras seltsamer Cousin, der auf der anderen Seite neben ihr auftauchte, „Also mit der Hand kommt niemand von uns mehr an sie heran.“ „Was machen wir denn jetzt?!“, jammerte Asta panisch und wurde ignoriert, aber Thiras Cousin schien unkaputtbar zu sein, jedenfalls zog er seine Waffe, eine Art Dolch mit drei Klingen, und schleuderte einen Eiszauber auf die Batterie; Asta fragte sich erst, ob er bescheuert war, aber dann erkannte sie, dass er so eine Verbindung aus Eis zwischen seiner Waffe und dem Gegenstand geschaffen hatte, mit so einem verlängerten Arm konnte er die Batterie mit offenbar einiger roher Gewalt und einem Ruck, dem ein grausames Knirschen von oben folgte, unter dem Schrott heraus zerren. Die junge Frau japste vor Erleichterung, obwohl sie das alles an sich kaum tangierte – war sie nicht sowieso egal? „Habt ihr sie?!“, fragte sie überflüssig, und Thira hatte sich bereits mit ihrem Cousin erhoben. „Rasch, zurück zur Trias.“, ließ jener verlauten, dann wandte er sich offenbar an Tayson: „Und du, sieh zu, dass du hier raus und ins andere Schiff kommst, denn das hier wird vermutlich in Kürze zusammenbrechen und jeden, der noch hier drinnen ist, begraben.“ Das sagte er und dann erklangen Schritte, die sich entfernten. Asta saß japsend am Boden und starrte unter dem Müll hindurch auf die Stelle, wo gerade noch Thira und ihr Vetter gewesen waren; jetzt waren da Taysons Füße – und sein Kopf, als er sich wieder herab beugte. „Ich hole dich da raus, egal wie!“, schwor er ihr ernst, „Ich lasse dich nicht verrecken, bleib wo du bist! I-ich versuche mal, mich von außen rein zu schlagen!“ Dann rannte er weg und Asta schnaufte irritiert – Bleib wo du bist, der war witzig. Wo sollte sie denn hin? Thira schnappte nach Luft und sah auf die Batterie in ihren Händen, während Yamuru langsam hinter sie trat. Das Gefühl, in der Trias zu stehen, vor sich das kleine, kastenförmige Gerät, in das die Batterie sollte, war überwältigend. Es war zu mächtig für sie und sie spürte, dass ihre Knie weich wie Gummi waren, während sie da stand. Sie spürte Yamurus Atem in ihrem Nacken und seine Nähe elektrisierte sie, als würde die ganze Präsenz dieser riesigen, sagenumwobenen Maschine ihre Anziehungskraft zwischen ihnen beiden mit aller Kraft wirken lassen wollen. „Steck sie rein.“, sagte Yamuru kalt und sie schauderte; klang zweideutig. „Je eher, desto besser, wir müssen schließlich noch zurück zur Zuyya... und das rasch.“ „Wir?“, fragte sie ungläubig, dann errötete sie. „Du… wir… du meinst, wir bleiben… jetzt zusammen? Ich weiß nicht, ob ich dir vergeben kann.“ „Musst du nicht.“, sagte er und strich ihr flüchtig über die grünen Haare. „Rasch, steck sie rein, wir fangen gleich an!“ Thira nickte und sah auf die Batterie, deren Licht immer mehr verblasste. Verblasste? „Yamuru!“, keuchte sie, als sie die Batterie in ihrer Hand drehte und erkannte, wieso das glimmende Licht verblasste, „Sie... sie hat einen Sprung!“ Das Glas war gesprungen; die wabernde Substanz trat aus dem Inneren und benetzte bereits Thiras Hand, und sie starrte noch fassungslos auf das, was da auf ihren Fingern klebte und sich dann in einem surrealen Licht auflöste, da schnappte Yamuru ihr die Batterie bereits weg und schob sie in den Kasten, in den sie gehörte – er schloss sich, als er einen Knopf betätigte, als hätte er seit Jahren gewusst, wie diese Maschine zu bedienen war, und Thira starrte ihn einen Moment an... er hatte die Augen geweitet und wirkte einen Augenblick lang apathisch, als er auf den Kasten starrte. Thira schauderte und in ihrem Inneren breitete sich ein fürchterliches Gefühl der Unruhe aus – etwas lief schief. Sie hätte niemals springen dürfen... war es zu viel für die Batterie gewesen, unter dem Schrott hervorgezogen zu werden? „Ich habe es nicht bemerkt bis eben!“, keuchte sie und hatte das Gefühl, sich rechtfertigen zu müssen; Yamuru fiel ihr ins Wort. „Jetzt wird nicht mehr der Energie austreten, wo sie im Kasten verschlossen ist.“, kommentierte er sein Handeln, „Versuchen wir, sie zu aktivieren, jetzt gleich. Hoffentlich ist nicht zu viel ausgelaufen...“ Er machte eine Handbewegung mit der Sanhari, die er hielt, „Los, zieh den Hebel, Thira!“ Sie tat es... und es geschah nichts. „W-was…?! Es hat nicht funktioniert?!“, machte sie perplex. Yamuru sah schweigend auf den Hebel. Sie drückte ihn hoch und versuchte es noch einmal; eben hatte es noch kurz gesurrt, jetzt tat es nicht mal mehr das. Sie keuchte und wurde hektisch. „Sie hat zu viele Seelen verloren.“, sagte Yamuru und es war nicht so, dass er es nicht irgendwie geahnt hätte. „Hat Chenoa dir ihre Baupläne vermacht?“ „Was?!“, schrie sie ihn an, „Was soll mir das jetzt helfen?! Wenn diese Batterie nicht funktioniert, funktioniert die Trias nicht!“ „Vielleicht können wir eine andere Energiequelle anzapfen, die uns den Rest gibt, der der Batterie jetzt fehlt.“, erläuterte er seine vorige Frage und sah sich in dem surrealen Ding um, in dem sie standen. Das einzig handfeste hier schien die Plattform zu sein, auf der sie standen, mit all ihren Geräten. Er fragte sich, wie Honuk Jamali diese Maschine gefertigt haben mochte... es war ein gutes Stück Magie in ihr. Alte Magie... Magie der Altvorderenzeit. Magie der Götter von Khad-Arza. „Können wir nicht einfach die Seelen von Manhas Schakalen nehmen?!“, fauchte Thira aufgebracht, und ihre Emotionalität hätte ihn erfreut, hätte er nicht gerade andere Sorgen gehabt. „Sie sind zu lange tot, Thira.“, sagte er, „Das funktioniert nicht, ihre Seelen sind längst verblasst. Falls sie welche hatten, oder so. „Also, hast du die Pläne? Vielleicht hat der gute Alrik Jchrrah irgendetwas vermerkt über die Energiegewinnung, immerhin gehört das Konzept der Tari Randora mit dem der Trias unvermeidlich zusammen.“ Er holte seine eigene Reikyu herauf und versuchte, die Menge der Energie abzumessen, die fehlte. Hinter ihm wühlte Thira in ihren Kleidern und zog tatsächlich die Pläne unter ihren Rock hervor, die Kanau aus dem Palast gestohlen, Emo gegeben und ihn wieder zurück zum Palast hatte bringen lassen. Wäre auch reichlich dumm von Chenoa gewesen, sie Thira nicht mitzugeben. „Energiequelle, Energiequelle... h-hier steht nichts von Energiequelle!“, stammelte sie und wühlte in den Pergamenten, vollkommen neben sich und fahrig. Sie bebte und er spürte, dass der Schatten ihre Unruhe verstärkte... In ihrem Inneren wusste sie genauso wie er, wie das hier enden würde, wurde ihm klar, und er musste gerührt lächeln über die Art, in der sie es auf keinen Fall wahrhaben wollte. „Tod... und Schatten.“, murmelte er mit einem Kopfnicken, und sie fuhr hoch. „Was hast du gesagt?!“ „Such nach Energiemangel.“, schlug er ihr vor, „Ersatzenergie, oder so. Alles, was damit zu tun haben könnte, vielleicht können wir die boshafte Energie des Abgrunds anzapfen, immerhin ist auch boshafte Energie Energie...“ Schnapsidee, es sei denn, man wollte eine Welt, die rundherum die Aura des Yirana-Nebels versprühte. Gab sicher eine super Stimmung da... der Gedanke hätte ihn lachen gelassen, aber er war so pietätvoll, Thiras Panik-Modus nicht zu zerstören. Er begehrte sie... jetzt noch mehr als je zuvor, kam ihm, weil er spürte, wie ihre kleine Seele die Schale abwarf wie ein schlüpfendes Küken. Sie war so schön... Sie war sein. Die Tari Randora war zwar Mus, allerdings waren die Außenwände mit nur einem Schwert unmöglich zu zerstören, stellte Tayson Marih beklommen fest, als er um das Wrack herum rannte und irgendwie versuchte, am Heck hinein zu gelangen und Asta zu befreien. Verdammt, sie konnten sie doch nicht hier lassen... er wusste gar nicht, ob es ihm echt um Asta ging oder ob er nicht einfach einen Heldenkomplex hatte, der ihn dazu trieb, unbedingt zu beweisen, dass er etwas konnte. Er hatte das schon immer gehabt... er hatte es bei Neisa auch gehabt. Neisa... die ihn verraten hatte und jetzt Zoras Derrans Frau war, pff. So ganz vergeben hatte er ihr immer noch nicht und würde es vielleicht auch nie, und verstehen, was sie an diesem Pimpf fand, tat er auch nicht... das war sicher so eine Schamanensache, verbundene Geister und so... ihm war das zu hoch. Er war nur ein Mensch... er war kein Magier. Vielleicht hing er darum an Asta... sie war wie er. Sie gehörte nicht hierher, sie war nur da und wurde meistens ignoriert. Er hatte sie nie ignoriert, seit sie aufgebrochen waren mit dem Schiff. Er wusste nicht, ob sie es gemerkt hatte... er hatte sie manchmal angesehen, wenn sie ihm im Steuerraum Gesellschaft geleistet hatte. Sie war oft da gewesen, einfach nur da, und sie hatten kaum geredet, denn es gab nichts zu sagen. Aber er war froh gewesen, dass sie da gewesen war... er hatte das Gefühl, ihr das nie gesagt zu haben. Er musste sie unbedingt retten, sie durfte nicht sterben! Er mochte sie doch... Der Gedanke ließ ihn kurz verblüfft schnaufen, denn unmittelbar nach ihm entdeckte er eine ziemlich schmale Lücke zwischen den Trümmern der zerquetschten Außenwand des Hecks, die ins Innere des Schiffes führte. Sie war ein gutes Stück über dem Boden und er musste klettern, um hin zu gelangen... aber er kam ins Schiff. Die scharfen Kanten des Risses im Schiff zerschnitten ihm Hände, Kleider und Beine, aber Tayson ignorierte den Schmerz tapfer, während ihn der Gedanke irritierte, dass er Asta gern hatte... er war immer so ein oberflächlicher Typ gewesen. Nie hätte er ein hässliches Mädchen für interessant befunden. Asta war etwas anderes... sie war ein wertvoller Mensch, man sah es von außen vielleicht nicht so, weil sie nicht auffiel... oder es kam gerade deswegen. „Asta!“, rief er sie, als er sich irgendwie durch den Schrott kämpfte, „Asta, ich bin hier! Kannst du hierher durch kommen?! Hier gibt es einen Ausgang... Asta!“ Er schlug mit seinem Schwert eine verbeulte Tür zur Seite und dann konnte er sie sehen. Die junge Frau kroch durch den eingekrachten Korridor auf ihn zu und als sie ihn erreichte, fiel sie ihm um den Hals. „Du hast... du hast mich nicht hier verrecken gelassen...“, stammelte sie und Tayson schnaubte. „Hallo? Sowas würde ich niemals tun!“ Sie errötete. „Bin... doch bloß ich... ich hatte Angst.“ Er nahm ihre Hand und zog sie hinter sich her zurück zum Spalt in der Außenwand. „Ich frage mich ja bloß, was wir ohne das Schiff machen!“, sagte er empört, „Ich meine, wie kommen wir zurück?“ „Mit Manhas Schiff?“, fragte sie zaghaft und er drehte sich um und sah sie dumm an. Moment... was sagte sie da? Moment, Yamuru hatte so etwas auch gesagt... „Wie jetzt?“, fragte er verwirrt, als er ihr aus dem Spalt half – sie schnitten sich beide und Asta schrie, als sie draußen aus dem Loch auf die Plattform knallte, und er schalt sich einen Deppen, weil er vergessen hatte sie zu warnen, dass es da ein Stück herunter ging... „Na ja, die Tari Randora funktioniert ohne die Batterie sowieso nicht!“, erklärte sie scheu und er zwängte sich keuchend und ächzend auch noch mal durch den Spalt. „Aber Manhas Schiff läuft auch mit einer Batterie, oder? Vielleicht w-war es Schicksal, dass Manha sich auch ein Schiff bauen konnte... denn ohne ihn wären wir nie... in der Lage gewesen, zurückzufahren!“ Tayson ließ sich das durch den Kopf gehen. Moment, sie hatte recht... irgendwie... „D-dann, was ist denn mit der Mannschaft?! Also, Manha, seine Schergen... ob die wohl dafür sind, dass wir mit ihnen mitfahren?!“ „Idiot.“, sagte Asta verblüffenderweise zu ihm und er starrte sie an, als sie gemeinsam um die Schiffe herum rannten, zurück zum Eingang der Tari Randora Zwei. „Von denen wird, wenn wir das überleben, niemand übrig sein, oder? Karana wird Manha töten und... die Schakale werden vermutlich von den anderen erschlagen.“ „D-du... du redest so skrupellos über das Morden von Menschen, als wäre das für dich ein alltägliches Thema, und ich dachte, du wärst die Unschuld vom Lande!“, keuchte Tayson irritiert, aber irgendwie auch beeindruckt von ihrem Schneid, und Asta schenkte ihm ein etwas klägliches Lächeln. „Ich bin in Holia als Tochter von Arlon Zinca aufgewachsen... vergessen?“ Die Plattform war bereits leer und tot, als sie wieder zurückkehrten, das Krachen hatte aufgehört. Die Schakale waren wirklich tot, fand Tayson heraus; von manchen sah er die Reste, von Manha war keine Spur – aber soweit er wusste, war der in seinem Schiff geblieben. Der junge Mann zögerte etwas, ehe er mit Asta in die Tari Randora Zwei kletterte, durch die sperrangelweit geöffnete Eingangstür ins menschenleere, düstere Innere des noch intakten Raumschiffes. Er hörte keinen Ton... war der Kampf vorbei? Wo waren die anderen? „Was ist mit den Lianern?“, fragte Asta ihn gerade und unterbrach seine Gedanken, und er schenkte ihr einen kurzen Blick. „Häh?“ „I-ich meine, Manha hatte doch Sklaven... sie müssen doch hier an Bord sein!“ Er sah sie an und fand, dass sie recht hatte... richtig, Scharan, der Sklavenkönig, hatte doch viele Lianer unter seiner Fuchtel gehabt... aber er kam abermals nicht zum Weiterdenken, und dieses Mal war es Yarek, der ihn unterbrach. „Sucht nicht nach ihnen, von denen ist nichts übrig.“ Tayson starrte den rothaarigen Mann an und Asta neben ihm schauderte. „Sind sie tot?“, fragte sie und Yarek steckte sich eine Kippe an – dass die nie alle waren – und pustete den Rauch in die Luft, ehe er antwortete. „Niemand hier an Bord war noch am Leben abgesehen von Manha selbst, zumindest, als wir rein kamen; inzwischen ist der auch hinüber, die anderen sind im Steuerraum. Manha muss die Sklavinnen selbst geschlachtet haben, warum, fragt mich jetzt nicht... vermutlich in einem Anfall von akutem Wahnsinn, oder so.“ Tayson schauderte. „E-er hat sie... alle umgebracht?! Einfach so?!“ „Reichlich kontraproduktiv, soll man meinen.“, stammelte Asta und er starrte sie an; was kannte sie bitte für komplizierte Worte? Kontra... was?! „Etwas.“, gab Yarek zu und blinzelte. „Vor allem, weil das die Anzahl der noch lebenden Lianer auf vermutlich ein Dutzend oder so reduziert, wenn überhaupt, und eine davon ist Eneela. Die sind echt eine bedrohte Art, katastrophal irgendwie.“ „Und der Großteil dieses Dutzends wird auch sterben, wenn wir nicht bald umkehren zur Zuyya.“, bemerkte Asta, „W-was ist mit Thira? Hat sie die Batterie eingesetzt, die Trias gestartet, oder so?“ „Genau genommen warte ich nur noch auf sie.“, entgegnete Yarek, „Geht ihr zwei zu den anderen; ich warte weiter. Abgesehen von Yamuru ist niemand mehr am Leben von der Truppe hier, ich glaube nicht, dass der ihr... eine Gefahr ist.“ „Was?!“, rief Tayson alarmiert, „Sie ist mit dem Kerl alleine da drinnen?! Was, wenn er sie erpresst, oder getötet hat, oder...?!“ „Tayson...“, seufzte der Mann und der Schwarzhaarige schnaufte bei dem bedauernden Blick, den er da bekam – hey, bemitleidete dieser Penner ihn?! „Du kriegst nicht viel mit, was? Vertrau mir, es gibt sicher einiges, was Yamuru von Thira will, aber ich glaube nicht, dass es ihr Tod ist.“ Tayson war verwirrt. Den sollte mal jemand verstehen... dass Asta irgendwie errötete und beschämt wegsah, signalisierte ihm, dass sie es verstanden hatte – häh? Warum war sie intelligenter als er? Gemeinheit... Es gab keine andere Energiequelle. Yamuru und Thira standen eine Weile still schweigend auf der Plattform der Trias mit den Plänen der Tari Randora. Sie hatten sich tausende Möglichkeiten überlegt, die Energie zu verlegen, irgendetwas zu tun… aber es gab keine Lösung. Es gab nicht genug Energie… sie würden die Trias nicht benutzen können beim aktuellen Stand. „Das… das ist ein Scherz! Und ein verdammt schlechter!“, schrie das Mädchen plötzlich und brach die Stille. Sie stampfte im Kreis herum und schnaubte wütend. „W-wir sind den ganzen Weg hergekommen, weil wir dachten… weil wir glaubten, so neues Leben erschaffen zu können! Und jetzt funktioniert es nicht, wie… wie kann Katari uns das antun?! Katari hat uns… verraten!“ „Nein… das hat er nicht.“, machte Yamuru gelassen, und sie fuhr herum und starrte ihn wutentbrannt an. Er zuckte. In ihren Augen waren Tränen der ehrlichen Verzweiflung. „Was soll ich den anderen sagen?!“, schrie sie und fing an, zu weinen, „Wir alle werden sterben! Es wird kein neues Leben geben! Wir haben einfach keine Energie für die Trias! Die Batterie der Tari Randora Zwei brauchen wir, um nach Zuyya zu kommen und wieder hierher! Die Batterie der Rettungskapsel ist nicht mit der anderen kompatibel! Wie kannst du da stehen und das einfach geschehen lassen, Yamuru...?!“ Er sah ihr erstaunt zu, wie sie weinte, aber lange konnte er das nicht ertragen, so schloss er sie seufzend in die Arme und drückte sie liebevoll gegen seine Brust. „Du hast tatsächlich gelernt, was Gefühle sind…“, sagte er grinsend und küsste sanft ihren Kopf, ehe er sie sanft von sich schob. Sie hatte zu weinen aufgehört. „Du irrst dich, Thira… ihr werdet nicht sterben, es gibt noch eine Lösung.“ „Was für eine?!“, keuchte sie und ließ ihn los, er senkte den Kopf und zog langsam die Sanhari aus seinem Gürtel, sie eine Weile betrachtend. „Ich habe die Reikyu meines Vaters.“, sagte er. „Eine… zweite Seele in meinem Körper. Zwei Seelen… müssten reichen, um das zu ergänzen, was der Batterie fehlt, Thira. Du wirst die Trias aktivieren und sie… wird funktionieren, wenn ich ihr meine beiden Seelen schenke.“ Sie starrte ihn an und hörte für einen Moment zu atmen auf. Was sagte er da? Meinte er das ernst? „Du-…?!“, keuchte sie fassungslos und er schnaubte und hielt ihr die Sanhari hin. „Es ist der einzige Weg.“, meinte er, „Willst du etwa einen deiner Freunde opfern? Dann ja wohl lieber mich, hey, ich bin schließlich der Feind.“ „Spinnst du?!“, machte sie, „N-nein! Das darfst du nicht, das erlaube ich dir nicht!“ Sie breitete die Arme aus und stellte sich zwischen ihn und den Kasten mit der Batterie. Yamuru seufzte. „Geh aus dem Weg. Tu, was ich dir sage. Ich habe… in meinen Träumen gesehen, dass es so kommen würde. Es ist wie… bei meinem Vater…“ Er lächelte plötzlich seltsam und Thira erstarrte abermals. „Er hat… gewusst, dass er sterben würde. Und er hat es getan und dabei alle Rebellen vor dem Tod bewahrt. Es… wird ihn stolz machen… wenn ich es für das Trias-Projekt tue. Nimm die Sanhari, Thira! Wenn du einst Kinder bekommst, kannst du sie ihnen vermachen… die letzte Erinnerung an den Mirrhtyi-Clan.“ „D-du bist der Letzte von ihnen!“, schrie sie entsetzt, „D-deine Schwester, du hast Ngnhana versprochen, zu überleben… d-dafür bist du doch extra losgezogen! Wie kannst du dann… wie kannst du dein Versprechen jetzt brechen?!“ „Ngnhana wird sich geehrt fühlen, weil es eine gute Sache ist, Thira.“ Er sah sie an, als sie erzitterte und weiß im Gesicht wurde. Dann lächelte er sanft. „Hey… weine nicht. Tief in deiner Seele spürst du… weißt du… dass ich recht habe. Und dass es der einzige Weg ist, den wir gehen können.“ „Ich werde es mit dir tun.“, sagte sie stockend und er lachte laut auf. „Auf gar keinen Fall! Du musst leben. Wenn ich es nicht kann, musst du es für mich tun, Thira. Oder soll Kwok Ar-Khajh etwa Chenoa heiraten als letzte Frau der Himmelclans? Die ist doch viel zu alt für ihn.“ Er gluckste, aber Thira war nicht zum Lachen zumute. Sie zitterte und senkte keuchend den Kopf so weit, dass sie ihn nicht mehr sehen konnte. Kwok Ar-Khajh... der Erbe des Ostclans Ngrrchah. „Die Ar-Khajhs leben also noch…? Du hast gesagt, du wüsstest es nicht…“ „Ich weiß, dass sie leben.“, antwortete er. „Sie waren in Lamiya, mit ziemlicher Sicherheit. Sie werden auf anderem Wege zum neuen Planeten gelangen, denn auch in Lamiya gab es ein Fleckchen, an dem keine Gletscher waren. Vielleicht sind die Rebellen ja auch mit dabei. Es würde mich freuen… ich hätte sie gerne noch einmal gesehen.“ Thira erzitterte. „Tu nicht so, als wäre deine Idee jetzt beschlossene Sache, Yamuru, ich lasse das nicht zu!“, schrie sie ihn an und sie wunderte sich, warum sie so panisch war. Sie wollte ihn nicht verlieren... der Gedanke schmerzte und ließ etwas in ihrem Inneren sich fürchterlich verkrampfen, sodass ihr schlecht wurde. „Yamuru, bitte!“ Sie schämte sich nicht, weil sie ihn anflehte... sie schämte sich nicht mal dafür, dass sie weinte, denn es war zu verwirrend für sie. „Lügnerin.“, flüsterte er vor ihr und nahm ihre Hand in seine. Er gab ihr seine Sanhari, schloss ihre Finger um den Griff, zwang sie, sie festzuhalten. „Du hast gesagt, du würdest nicht um mich weinen.“ Sie hatte geglaubt, keine Tränen mehr übrig zu haben… weil sie auf Tharr so viel geweint hatte. Weil sie so viel traurig gewesen war. Jetzt merkte sie, wie viele Tränen sie übrig hatte… egal, wie traurig sie je gewesen war, noch nie hatte sie so aus tiefstem Herzen geweint wie in diesem Moment. „Du wolltest… d-doch, das ich deine Frau werde…“, schluchzte sie aufgelöst, „Ich sollte deine Kinder gebären… w-wir sollten zusammen sein! Du hast es selbst gesagt, d-das Band, das Katari zwischen uns gebunden hat… i-ist so stark! Ich spüre es… ich habe versucht, dagegen zu kämpfen, aber ich habe verloren… ich spüre es! Und ich will nicht, dass es reißt…“ „Das wird es nicht.“, versprach er ihr. „Ich werde bei dir sein… auch, wenn du mich nicht sehen kannst. Ich werde… in deiner Seele weiterleben, Thira…“ Er stutzte und sah plötzlich überrascht aus. Dann lächelte er wieder. „Oh… das hat… meine Schwester zu mir gesagt… als sie starb…“ Thira schluchzte und eine Träne tropfte von ihrer Wange auf den Metallboden. Was machte sie hier? Sie war hier falsch... sie beide sollten gar nicht hier sein. Sie sollten wo anders sein, irgendwo, wo die Sonne schien... wo nicht dieser abartige Schatten herrschte. Yamuru sah sie an, bevor er sich mit ihr herumdrehte, sodass er nun vor der Batterie stand. Fest umklammerte die junge Frau die Sanhari und bebte am ganzen Körper vor Schluchzern, als Yamuru mit den Händen über ihre Wangen streichelte. Dann beugte er sich zu ihr herunter und küsste sie. Sie teilten einen langen, innigen Kuss so voller Liebe, voller Zärtlichkeit und Verbundenheit, dass Thira nur noch mehr zu weinen begann, als er sich von ihr löste. „Nein…“, wisperte sie tonlos und schluchzte heftig, als Yamuru sie sanft wegschob. „Geh.“, sagte er zu ihr. „Aktiviere die Trias. Sobald du den Hebel gezogen hast, übergebe ich die Seelen… der Batterie.“ Er legte beide Hände auf den kleinen Gegenstand und Thira strauchelte. „Wie ironisch…“, murmelte sie benommen, „Ich habe… geschworen, dich zu töten… und indirekt… tue ich es jetzt wirklich.“ „Schwüre sind mächtig…“, erwiderte Yamuru grinsend, „Überlege nächstes Mal eher, bevor du etwas schwörst! Katari hat gute Ohren.“ Und sie sah ihn an und sein bescheuertes Grinsen, das sie so lange gehasst hatte... sie hatte ihn so sehr gehasst, diesen Verräter, und sie hatte die ganze Zeit gewusst, dass sie sich das bloß einredete, um gegen das Band zu kämpfen... das Katari zwischen sie gebunden hatte. Oder die Götter von Khad-Arza... wer auch immer. Sie hatte Angst gehabt... seit sie den Unort erreicht hatten, hatte sie panische Angst gehabt und hatte nie gewusst, wovor genau. Jetzt verstand sie... dass es dieser eine Moment war, den sie aus ganzem, tiefsten Herzen gefürchtet hatte... lange, bevor sie gewusst hatte, dass er kommen würde. Sie legte die Hände an den Hebel. Lange standen sie beide so da, Thira schluchzend und zitternd, Yamuru ganz ruhig und sie schweigend beobachtend. „Tu es.“, forderte er. „Du… bist mein Leben, Thira. Lebe! Lebe und sei glücklich… du hast es dir verdient.“ Ein liebevolles Lächeln. Sie sah apathisch herüber zu ihm, die Hände regungslos an dem Hebel. Sie erzitterte abermals, als ihre roten Augen ihn anstarrten, sein hübsches Gesicht, sein warmherziges Lächeln. Als sie sprach, war es kaum mehr als ein Flüstern. Aber nichts, was sie jemals gesagt hatte, war so tief aus dem Innersten ihrer Seele gekommen. „Ich liebe dich, Yamuru… ich liebe dich… so sehr!“ Er lächelte breiter, ehe er die Augen schloss und sich auf seine Seelen zu konzentrieren begann. „Ich weiß.“ Sie zog den Hebel. Ein tiefes Grollen und ein darauf folgendes, mächtiges Beben erschütterten die gesamte Trias und hätten Karana beinahe vom Rand der Plattform geworfen. Er keuchte und taumelte rückwärts, bevor er zu Boden stürzte. „Was zum-…?!“, rief er erschrocken und sah zu der bebenden Maschine und zur Tür, durch die sie vorhin hineingegangen waren. Aus der Tür drang ein gleißendes Licht, das ihn blendete, und alarmiert rappelte er sich auf die Beine. Dann sah er einen Menschen aus dem Licht auf ihn zu rennen. „Thira!“, erkannte er das Mädchen perplex, und sie starrte apathisch zu ihm herüber, die roten Augen geweitet und anders, als er sie je gesehen hatte. War das Schmerz in Thiras Augen? Wo sie doch sonst so kalt war? Und was war das für ein merkwürdiger Dreizack, den sie in der Hand hielt...? War das nicht Yamurus ultimative Familienwaffe, oder so? Und wo war der abgeblieben? „Karana, schnell!“, rief sie und wirkte erzwungen gefasst, „Wir müssen sofort aufbrechen! Ich habe sie aktiviert, sie wird sich jeden Moment auflösen und einen neuen Planeten erschaffen!“ Karana blinzelte. Ach ja, da war ja was gewesen. Er beeilte sich, zusammen mit ihr in Scharans Schiff zu eilen, während das Licht immer gleißender wurde und das Beben stärker. „Tayson!“, rief er dann keuchend, als sie die Brücke wieder erreicht hatten, „Schnell, fahr uns weg von hier, sonst fliegen wir zusammen mit der Trias in die Luft!“ Iana war auch wieder zu sich gekommen und starrte auf ihren Mann, der japsend in der Tür stand, von oben bis unten blutverschmiert. „W-was ist denn mit dir geschehen…?!“, fragte sie, während Tayson seiner Arbeit nachging und das Schiff startete. Es schien intakt zu sein, jedenfalls hatte es keine Startprobleme, und langsam erhoben sie sich von der Plattform. Karana seufzte. „Ich habe… ich meine, Scharan ist jetzt beseitigt. Sowohl sein Leib als auch sein Geist.“ Iana sagte nichts. Sie verstand wohl. Langsam nickte sie und nahm dann schweigend seine Hand in ihre. Er war zu müde zum Lächeln… aber er hätte es normalerweise getan. Sie verließen die schützende Atmosphäre um die perlenförmige Trias und tauchten wieder ein in die Dunkelheit, inzwischen wurde die ganze Trias von dem hellen Licht erfasst und sie konnten das Grollen trotzdem noch hören. Die Kameraden beobachteten fassungslos das Schauspiel, während sich das Schiff immer weiter von der Trias entfernte. Sie war wie ein Ball aus Licht und das Licht wurde zu einem gewaltigen Feuer, einem Inferno, das Karana noch nie in seinem Leben gesehen hatte, und sein eines Auge dankte ihm das gleißende, blendende Leuchte da vorne nicht so wirklich. Es tränte und schmerzte, bis er den Blick keuchend abwandte, wie es auch die meisten anderen taten, abgesehen von Thira. Karana sah sie an und sie wirkte verändert... er konnte nicht sagen, woran es lag, aber seine ermatteten Instinkte sagten ihm, dass die Tränen in Thiras Augen nichts mit dem blendenden Licht zu tun hatten... er war erstaunt darüber, dass sie weinen konnte. „Wo hast du deinen Vetter gelassen?“, fragte Tayson sie dumpf, während er das Schiff irgendwie durch den Schatten manövrierte, der all seine Schrecklichkeit verlor durch das gleißende Feuer da draußen, das die Trias verbreitete. Das Licht war so hell, dass es Karana vorkam, als wären sie direkt an eine Sonne heran gefahren, etwa genauso heiß war es auch im Inneren des Schiffes und er strauchelte gegen die Wand, ehe Thira seine Aufmerksamkeit und die der anderen wieder auf sich zog, indem sie keuchend den Kopf herab riss und bebend die komische Waffe umklammerte. „Yamurus Seelen sind... jetzt Teile der Trias.“, wisperte sie und Karana starrte sie an; Moment, was sollte das bedeuten? Dann war er...? „Häh?“, machte Tayson taktlos und es war Yarek, der ihm Einhalt gebot, indem er ihm Rauch auf den Kopf pustete, worauf Tayson hustete. „Halt einfach die Fresse, du Vollidiot. Nur für diesen Moment, bitte.“ Asta riss die anderen aus ihrer bedrückten Starre. „Seht doch! Die Trias!“ Karana fuhr wieder herum nach vorne, und das Licht verblasste, als hätte es nur auf ihn und sein eines Auge gewartet... und als das Licht erloschen war, sah er vor sich den neuen Planeten. Er sah zu, wie aus der glühenden Kugel eine pechschwarze wurde. Winzige Blitze wurden auf der Oberfläche erkennbar und nach einer Ewigkeit, die sie starrten, wie es ihnen schien, riss die schwarze Hülle aus Gaswolken plötzlich auf und darunter war der Planet blau und grün. „Zuyyanische Magie ist einfach die Härte.“, sagte Yarek irgendwo, „Dass die fähig sind, so etwas... zu schaffen.“ „Seht nur!“, keuchte Asta, „D-das Blaue ist Wasser! Das Grüne sind Pflanzen... seht doch nur, es... es ist eine richtige, echte Welt, ein... ein neuer, kleiner Planet!“ „Das Zusammenspiel von Magie und zuyyanischer Technik hat hier jedenfalls einen Meisterstreich getan...“, war Zoras' monotoner Kommentar, „Ich kann die Sonne sehen... zu der sie gehört, eure Welt.“ „Der Abgrund verblasst...“, stammelte Eneela, „Ich kann richtig spüren, wie der kleine Planet da allen Schatten von mir zieht, es... es ist so schön, dass ich weinen möchte...“ Sie tat es und Simu stützte sie, und Karana starrte immer noch geradeaus auf die Welt, die sie geschaffen hatten... sie, die Sieben. Oder am ehesten Thira, denn sie hatte die Maschine aktiviert. „Und seht... dort, diese zwei kleineren Planeten, die drum herum fliegen...?!“, schrie Tayson auf und Zoras schnaufte. „Das sind keine Planeten, sondern Monde, Tay-Tay. Unsere neue Welt hat zwei Monde!“ „So wie Tharr früher...“, japste Asta und schien kurz davor, wie Eneela zu heulen anzufangen... Karana hatte keine Tränen, er wusste gar nicht, was er empfinden sollte... Sie hatten es tatsächlich geschafft. Sie hatten ihre Aufgabe gemeistert... irgendwie fühlte es sich... leer an in seinem Inneren. Er senkte den Kopf, als er spürte, wie Iana seinen Arm berührte; den linken Unterarm, auf dem das Zeichen von Ulan Manha verblasst war... denn der Fluch war mit dem Tod des Urhebers erloschen. Es war das erste Mal seit langem, dass er nirgends Schmerzen hatte, kam dem jungen Mann, und er musste hohl lächeln, noch nicht fähig, zu erfassen, dass all das wirklich vorüber war. „Wie willst du sie nennen... Thira?“, fragte er in den Steuerraum hinein und sofort sahen ihn alle an, abgesehen von Thira, die geradeaus starrte und nur halb anwesend zu sein schien. „Wieso Thira allein?“, jammerte Tayson, „Nennen wir ihn doch Tharr!“ „Weil sie es war, die die Karte hatte, und weil sie es war, die diese Maschine bedient hat.“, erklärte Karana gelassen, „Also, Thira... sprich.“ „Es gibt nur einen einzigen Namen, der für diese Welt Sinn ergibt.“, entgegnete die Zuyyanerin in ihrer kalten, gewöhnlichen Monotonie, die so gar nicht zu ihrem Erscheinungsbild passen wollte, wie Karana fand; sie sah nicht aus, als wäre ihr all das so egal, wie sie gerade klang. „Khad-Arza.“, fuhr sie fort, „Denn es ist der Neuanfang eines Bündnisses dreier Welten... wie es einst zwischen Tharr, Ghia und Zuyya bestand. Wir als Sieben... sind geboren worden, um ein neues Khad-Arza zu schaffen... es gibt keinen anderen Namen, den diese Welt tragen kann, denn die Götter haben... bereits dafür gesorgt, dass sie... so heißt.“ Sie erntete Schweigen und dann sah Karana überall zustimmendes Nicken. „Dann ist es beschlossen.“, sagte Yarek stellvertretend für alle, „Ein angemessener Name. Was ist mit den beiden Satelliten?“ Wieder richteten sich alle Blicke auf die grünhaarige Frau und Thira schien unter den Blicken zu schrumpfen, obgleich sie sich nicht rührte. Sie atmete unkoordiniert und wirkte nicht, als wäre sie gesund... als sie sprach, bebte sie. „Den kleineren... nenne ich Chihnii. Und den großen... nenne ich Yamuru. Es sind die Namen zweier ehrenwerter Männer... die ihr Leben gegeben haben, um das von vielen zu retten. Und es waren Yamurus Seelen... seine eigene und die seines Vaters, die er in Form einer Reikyu in seinem Auge trug... die uns alle gerettet haben, denn ohne sie hätte die Energie nicht gereicht. Ich verlange... dass ihr die Namen dieser Männer fortan ehrt.“ Das bedurfte keiner weiteren Worte, fand Karana ernüchtert und er spürte, wie die anderen einander, teilweise ihn und auch Thira anblickten, ohne dass jemand Worte fand, die angebracht gewesen wären. Es war eine stumme Übereinkunft, die sie trafen, und Karana fand, Thira hatte die Namen würdig gewählt. Damit wäre auch geklärt, wo ihr Cousin geblieben war... seine Seele war jetzt ein grüner Mond und umkreiste die neue Welt. „Du hast mein Wort darauf... dass wir sie ehren werden, Thira.“, sagte er leise, und er wusste, dass sie ihn gehört hatte, obwohl sie sich immer noch nicht bewegte und nur starrte, während die Welt und die beiden Monde immer kleiner und ferner wurden, bis sie in der Schwärze des Alls verschwunden waren. Die Reise zurück würde lang und anstrengend werden, denn ihnen voraus flog die Angst um jene, die sie zurückgelassen hatten auf Zuyya. Iana hatte niemanden, den sie ernstlich vermisste; ja, Karanas Eltern waren jetzt eigentlich ein Teil ihrer Familie, denn sie war Karanas Frau... aber so innig war die Bindung zwischen ihr und ihren Schwiegereltern bisher nicht gewesen, dass sie mehr als betrübt über deren Ableben sein würde; was sie Karana natürlich nie ins Gesicht sagen könnte. Karana pennte wie ein Stein. Sie saß seit einer Weile wach und vermutlich war es das Baby in ihrem Bauch, das ihr keine Ruhe ließ. Schweigend lehnte sie an der Wand, an der die Pritsche stand, und strich über ihren flachen Bauch, während Karana neben ihr lag und schnarchte. Die Tari Randora Zwei war logischerweise genauso aufgebaut wie es die Tari Randora gewesen war; vielleicht gab es das ein oder andere Manko, immerhin hatten die Arbeiter, die die Tari Randora gebaut hatten, einfach viel mehr Zeit und Material gehabt als die, die Manha, oder Yamuru, oder wer auch immer beauftragt hatte, diese Schrottmühle zu bauen. Iana beschwerte sich nicht, sie erkannte keinen Unterschied zur echten Tari Randora. Raumschiffe waren für sie alle Schrottmühlen, sie hielt sie für eine überflüssige Erfindung; zumindest einerseits, denn ohne sie wären die Zuyyaner nie nach Tharr gekommen, es hätte nie Kriege gegen Zuyyaner gegeben, die waren verheerend gewesen. Andererseits wären sie ohne Raumschiffe alle verreckt, als Tharr und Ghia explodiert waren... manchmal fragte sie sich, ob das nicht leichter gewesen wäre. Was beschwerte sie sich... sie hatten es hinter sich. Sie würde, wenn sie die neue Welt wieder hatten, nie wieder in ein Raumschiff steigen. Sie wollte auf der Erde leben, sie wollte zusammen mit Karana ihre gemeinsamen Kinder großziehen und all das vergessen, was gewesen war. Es war, als läge ein Zeitalter hinter ihr, und sie kam sich alt vor. Seufzend schloss sie die Augen und lauschte, ob die Geister etwas zu ihr sagten... oder Nalani, Karanas Großmutter, die irgendwie durch sie sprechen konnte. „Ich habe dir gesagt, eine letzte Aufgabe, Iana.“, sagte die Schattenfrau in ihrem Kopf, „Dann... lasse ich dich gehen. Jetzt ist der Dämon besiegt... jetzt habe ich Ruhe und ihr auch.“ „Für immer?“, fragte Iana dumpf, und sie hörte Nalani Kandaya in ihrem Kopf leise lachen. „Für immer... ist eine lange Zeit. Ich bin mir nicht sicher, ob... es ein Für immer wirklich gibt.“ Das waren ihre Worte, danach schwieg sie und ließ Iana mit ihrem ungeborenen Baby und dem schlafenden Karana alleine. Die Schwarzhaarige seufzte, als sie die Hand ausstreckte und seinen Unterarm berührte, dort, wo die Haut gereizt und vernarbt war, weil das Fluchmal ihn in den Wahnsinn getrieben hatte. Das Mal war fort... die Narben würden bleiben und ihn und sie und alle immer an das erinnern, was sie erlebt hatten. Sie wünschte ihrem ungeborenen Sohn, er würde so etwas nicht erleben müssen. „Schlaf... Karana.“, murmelte sie, beugte sich über seinen Kopf und küsste seine Schläfe, worauf er im Schlaf leise ein und ausatmete. „Jetzt weiß ich... dass du Karana bist... und nicht Kelar oder irgendjemand sonst. Ich bin... so froh, dass du bei mir geblieben bist.“ Sie errötete über ihre schnulzigen Worte und schämte sich etwas; er würde sie nicht gehört haben, das war vielleicht auch besser so. Karana, Kelar, Manha oder wie auch immer, dieser Typ bildete sich viel zu schnell zu viel auf Liebesbeweise ein. Der Zeitanzeiger war verschollen mit der Tari Randora; jetzt waren die letzten Lichter ohnehin erloschen. Sie wusste nicht, wie lange sie unterwegs waren... wie weit es zur Zuyya war. Sie hatte absolut kein Gefühl mehr für Zeit... für irgendetwas anderes abgesehen von der Leere, die plötzlich in ihrem Inneren war, weil die Aufgabe erloschen war. Wer war sie? Wozu war sie da, jetzt, da sie als Sieben nicht mehr gebraucht wurden? Sie war Iana Lynn, Akada – sie war Iana Lyra, Frau von Karana und bald Mutter seines Sohnes. Es war das erste Mal, dass sie auf diesen Umstand stolz war... auf den Umstand stolz war, Karanas Frau zu sein. Der Gedanke ließ sie lächeln... er gab ihr Wärme, die sie lange vermisst hatte. Thira hatte Yamurus Sachen gefunden; da dies das Schiff war, in dem er zur Trias gekommen war, hatte sie lange Zeit damit verbracht, die Kammer zu suchen, die seine gewesen war; sie wusste nicht mal genau, wozu. Was sollte sie mit dem, was er hinterlassen hatte? Sie lag auf dem Bett, in dem er geschlafen hatte, sie atmete seinen Geruch ein, sie betrachtete ein einzelnes, dunkles Haar von ihm, das auf der Pritsche gelegen hatte, als wäre es der Schlüssel zur Unsterblichkeit. Er hatte nicht viele Dinge bei sich gehabt, das einzige, was sie andächtig betrachtete, war die kunstvoll verzierte Haarnadel aus Ngurrha, mit der er vermutlich als Kind seinen geliebten Ngurrhaschen Haarknoten getragen hatte. Sie hatte ihn nie damit gesehen... und in ihrem Kopf war auch kein Bild davon, wie er wohl ausgesehen haben musste, obwohl sie durchaus wusste, wie der Haarknoten aus dem Westen gemacht wurde. Viele Zuyyaner in westlichen Provinzen, die vor Jahrtausenden mal zu Ngurrha gehört hatten, hatten die Frisur getragen, es war nicht ungeläufig. Ngurrha... das Westreich war mit Yamurus Tod erloschen, denn er war der letzte Erbe gewesen und hatte keine Nachkommen hinterlassen. Ein Stich fuhr ihr ins Herz, als sie daran dachte, wie er gefeixt hatte, er hätte sie gern zur Frau gehabt und mit ihr Kinder bekommen. „Ich möchte... auch...“, stammelte sie, presste die Haarnadel an sich und bebte, weil das Brennen in ihrer Kehle zu neuen Tränen führte. Sie wollte nicht weinen... es tat immer so weh, sie hasste es. Sie kam sich lächerlich vor, als sie allein und hinter verschlossener Tür in Yamurus Kammer hockte, neben sich seine Sanhari, in ihren Händen die Haarnadel, die er so geliebt hatte. „Du Idiot, ich... hätte... es doch gewollt...!“, keuchte sie weiter und die Gedanken an ihn zerrissen ihr Inneres auf eine Weise, die jeden Schmerz übertraf, den sie je gespürt hatte. Sie vermisste ihn... sein dämliches Grinsen, seine Stimme, seine verschiedenen Augen. Die Präsenz seiner unwirklichen, monströsen Macht – er war ein begnadeter Magier gewesen, einer der besten, die sie jemals gekannt hatte unter ihresgleichen. Sie vermisste, wie er sie anfasste, wie er ihren Namen sagte. Wie er durch ihre Haare fuhr, wie er sie begehrte und liebte... und sie musste weinen, weil sie dachte, ihm nie genug gesagt zu haben, dass sie ihn genauso begehrt hatte wie er sie. Sie fühlte sich leer... es war, als würde ein Teil von ihr fehlen, der nie wieder zurückkehren würde. Sie war kein Ganzes mehr... sie war eine Hälfte. Thira zitterte, als sie die Haarbänder aus ihren Haaren zog und den Kopf schüttelte, bis ihre grünen Haare ihr offen über den Rücken fielen. Sie waren lang geworden... es war gut, dass sie lang waren. Ohne ein Wort griff sie die oberen Haare auf ihrem Kopf und steckte sie mit der Haarnadel zum Ngurrhaschen Haarknoten zusammen, während der Rest ihres Kopfhaars offen herab hing. Sie war keine Prinzessin von Okothahp mehr... sie war die letzte Kaiserin von Ngurrha, und sie würde es mit Stolz sein. In ihrem Inneren hörte sie Yamurus Stimme wie eine verblassende Erinnerung an alte Zeiten. Er lachte... sie hörte seine Stimme und spürte seine Finger, die durch ihre so ungewohnt offenen Haare strichen, spürte die sanfte Wärme seiner Lippen an ihren wie einen Windhauch, obwohl sie genau wusste, dass da niemand war. „Tapfere Thira...“, sagte er zu ihr und sie schauderte, als durch ihren ganzen Körper eine Flut aus Empfindungen floss, die sie ängstigte und irgendwie auch betörte. „Mach dich nicht zur verbiesterten Witwe wie Chenoa Jchrrah... du bist noch jung. Lebe... für mich, Thira. Ich habe es Ngnhana versprochen... ich habe ihr versprochen, der Clan würde leben. Er wird es... wenn du es tust, Thira.“ Etwas an diesen Worten irritierte sie, aber sie wusste nicht, was es war, als sie seiner Stimme lauschte, seine Berührungen spürte, als wäre er wirklich da, wie sie es sich wünschte... sie wünschte sich so sehr, er würde sie in den Arm nehmen. „Dann werde... ich leben, Yamuru.“, wisperte sie, „Ich verspreche... es dir, wie du es einst Ngnhana versprochen hast.“ Sie fühlte ihn lächeln... und sie fühlte einen ganz winzigen, unscheinbaren Teil in ihrem Inneren, der lebte, als wäre das, was sie eben noch verloren geglaubt hatte, zurückgekehrt in ihre Seele. Es war da und nistete sich ein und lebte, sie konnte es genau spüren... Als hätten seine bloßen Worte ihr Leben zurückgegeben. „Ah...“, hörte sie ihn schmunzeln, „Das ist mein Mädchen.“ ________________________ Dööööh. Milch Gänse! Ein Kapi noch zur Abrundung, dann Epilog. YEAH. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)