Heap of shards von -Kuraiko ================================================================================ Kapitel 2: Kapitel 2 -------------------- Tatsächlich schafften die beiden es noch rechtzeitig zum Unterricht zu erscheinen. Die ersten vier Stunden des Tages verliefen ohne besondere Zwischenfälle. Hier und da tuschelten zwar einige Klassenkameraden, doch im Großen und Ganzen hielten sie sich heute zurück. Der Schultag hatte so harmlos angefangen. Haku hatte inzwischen die Hoffnung, das dies heute auch so bleiben könnte. Doch wie immer sollte es anders kommen. Als hätte das Mädchen nicht schon genug Ärger, heute sollte sie eine Überraschung der ganz besonders bösen Sorte erwarten. Die letzten beiden Stunden für heute waren Sport. Zwar war die Silberhaarige nicht gerade die Sportlichste, doch das war nicht der eigentliche Grund, warum sie dieses Fach so hasste. Sobald sie in der Halle waren, nutzten ihre Klassenkameraden meist die Gelegenheit, um sie ganz zufällig mit Bällen abzutreffen. Natürlich rein ausversehen verstand sich. Doch als Zielscheibe für Bälle dienen zu müssen, war nicht mal ihr größtes Problem an dem Fach. Das Schlimmste war es die Umkleide zu betreten. Es wunderte sie, das ihre Klasse Neru bisher noch nicht erzählt hatte, was genau vor einem halben Jahr passiert war. Die Silberhaarige konnte es kaum fassen, das bisher wirklich alle den Mund gehalten hatten. Doch gerade während des Sportunterrichts war das Risiko besonders hoch, das sich diese Tatsache bald ändern könnte, dessen war sie sich sehr wohl bewusst. Um nicht noch mehr Ärger mit den Anderen zu kriegen, als sie ihn ohnehin schon hatte, verschwand Haku wie selbstverständlich wieder in den Duschräumen um sich umzuziehen. Natürlich würde sie auch die Letzte sein, die die Umkleiden später verließ, wollte sie doch nicht als Spannerin dastehen. Natürlich hatte ihre einzige Freundin sich in den vergangenen Wochen schon oft über das ungewöhnliche Verhalten der Rotäugigen gewundert, doch hatte sie es bisher immer geschafft einige Ausreden zu erfinden, warum sie sich lieber allein umzog. Ja, es war wirklich ein Wunder, das ihre Klassenkameradinnen Neru bei dieser Gelegenheit noch nie gesteckt hatten, warum Haku tatsächlich jedes Mal in den Duschraum flüchtete, sobald die Klasse die Umkleiden betrat. In der Sporthalle angekommen, waren schon einige Schüler und Schülerinnen dabei sich aufzuwärmen, indem sie kurzerhand ein Basketballspiel angezettelt hatten und nun wie von Sinnen durch die Halle jagten. Haku blickte sich kurz suchend um und entdeckte die Blonde schließlich auf einer Bank sitzen. Vorsichtig bahnte sie sich einen Weg durch die Halle und gesellte sich zu ihrer einzigen Freundin. „Sag mal bist du im Duschraum eingeschlafen? Ich verstehe nicht, wie du immer so lange brauchen kannst, um dich umzuziehen?“, neckte Neru sie. „Ach weißt du, ich hetze mich eben nicht so gern.“, wich die Silberhaarige der Frage aus. Sie hasste es, zu einer Notlüge greifen zu müssen, doch sie traute sich einfach nicht ihrer einzigen Freundin die Wahrheit zu erzählen. Zwei goldgelbe Augen durchbohrten sie förmlich mit einem stechenden Blick. Es war deutlich zu sehen, das die Jüngere ihr nicht glaubte. Doch Neru kam nicht dazu ihre Bedenken zu äußern, da just in diesem Moment der Lehrer die Sporthalle betrat. Heute stand erst einmal Völkerball auf dem Programm. Die Klasse wurde in zwei Gruppen aufgeteilt, die Hallenbänke wurden in die Mitte der Halle geschoben, um das Spielfeld zu trennen und schon konnte es losgehen. Der Rotäugigen war klar, das sie wieder eine der Ersten sein würde, die am Spielfeldrand stehen würden. Kein Wunder, wenn man die Zielscheibe der gesamten gegnerischen Mannschaft war. Dazu kam noch, das sie derzeit ihren Gedanken nachhing. Sie war sich fast schon sicher, das Neru das Gespräch von eben, nach dem Sportunterricht fortsetzen wollte. Aber...was erzählte sie ihr dann? Sie wollte sie nicht ewig anlügen. Doch die Wahrheit zu sagen, traute sie sich schlicht und ergreifend nicht. Allein schon bei dem Gedanken, das ihre einzige Freundin sich angewidert von ihr abwenden könnte, wurde ihr ganz anders. Sie wollte nicht schon wieder allein sein. Sie wollte auf keinen Fall die einzige Person verlieren, die ihr wichtig war. Bisher war sie den geworfenen Bällen ganz automatisch ausgewichen, doch nun rauschte ein Ball auf sie zu, dem sie nur noch schwer entkommen konnte. Sie versuchte es trotzdem. Das Geschoss flog genau in Augenhöhe auf sie zu und so einen Treffer wollte sie vermeiden. Haku warf sich also herum, machte einen schnellen Ausfallschritt zur Seite und..registrierte zu spät, das eine ihrer Mitschülerinnen fast neben ihr stand. Zu spät um noch ausweichen. Sie hatte zu viel Schwung um zu stoppen, prallte unglücklicherweise mit der Türkishaarigen zusammen und beide fanden sich eine Sekunde später auf dem Boden wieder. Von einem Moment auf den Anderen schien die Zeit still zu stehen. Die Hallentemperatur fiel mindestens um 10°. Die Silberhaarige musste sich gar nicht erst umsehen um zu wissen, das alle Blicke auf ihr ruhten. Teils geschockte, teils hassende aber durch die Bank weg bohrende Blicke. Sie hatte sich bei dem Sturz nicht verletzt, war sie doch weich gelandet. Weich gelandet...das war wohl das größte Problem. Wie in Zeitlupe wanderte ihr Blick runter zu ihrer Klassenkameradin, auf die sie unglücklicherweise gefallen war. Der allseits beliebten Türkishaarigen stand der Schrecken über den kleinen Unfall selbst noch ins Gesicht geschrieben. Doch ganz langsam fand das Mädchen in die Realität zurück, begriff, was genau eben passiert war. Dann lief die Zeit wieder normal. Haku erwachte aus ihrer Starre, sprang vom Boden auf und reichte ihrer Klassenkameradin die Hand, um sie ebenfalls wieder auf die Füße zu ziehen. So langsam, wie zähflüssiger Honig einen Löffel herunter lief, so langsam begann ihr zu dämmern, in welchen Schwierigkeiten sie steckte. „Oh Gott, das tut mir leid Miku! Ich hab dich nicht gesehen!“, fand sie ihre Sprache schließlich wieder. Angesprochene blickte erst die Rotäugige, dann die ausgestreckte Hand an. In ihrer Mimik veränderte sich etwas. Der Schrecken und die Überraschung wichen aus ihrem Blick und machten einem hasserfüllten Funkeln platz. Ohne nach der Hand der Silberhaarigen zu greifen, stand sie vom Boden auf und klopfte eventuellen Dreck von ihrem Klamotten. „Hey Albino, vielleicht solltest du dir ne Brille kaufen. Wäre für die Leute in deinem Umfeld sicher von Vorteil.“, durchbrach Mikus Stimme die schon fast unwirkliche Stille. Von jetzt auf gleich fingen die Klassenkameraden an zu tuscheln. Sie taten das, was sie immer taten. Haku war die Lästereien der Anderen gewohnt, doch wusste sie, das sie diesmal nicht mit einem blauen Auge davonkommen würde. „Hast du keine Augen im Kopf?!“, rief einer ihrer Mitschüler durch die Halle. „Was fällt dir ein Miku umzurennen?!“, empörte sich eine weitere Person. „Alles in Ordnung mit dir?“ hörte sie Luka fragen, welche sich in der Zwischenzeit rüber zu Miku gesellt hatte. „Lass bloß die Finger von ihr.“, mischte Gakupo sich ein, welcher nach wie vor hinter einer der Hallenbänke stand, die das Spielfeld trennten. Der Lehrer sagte etwas um die Aufruhr ein wenig zu schlichten, wurde jedoch überhört. Die Silberhaarige wusste nicht, in welche Richtung sie zuerst blicken sollte. Von überall prasselten Stimmen auf sie ein. So war das immer. Wenn einer mit Beleidigungen anfing, dann dauerte es nicht lange, bis die halbe Klasse mit einstimmte. „Sagt mal, seid ihr eigentlich komplett bescheuert?!“ Nerus Stimme klang schneidend scharf. Ihre Augen blitzten vor Wut. Obwohl sie recht klein war, war die Klasse von einem Moment auf den Anderen still. Die meisten starrten nun sie an, nicht mehr Haku. Die Blonde stemmte die Hände in die Hüften und blickte ihre Mitschüler an. „Wie armselig seid ihr bitte?! Das war ein dummer Unfall, mehr nicht.“,fuhr sie fort. Zwei Klassenkameradinnen begannen wieder zu tuscheln, verstummten jedoch sofort wieder, als sie bemerkten, das zwei raubvogelartige Augen genau in ihre Richtung starrten. „Wie würdet ihr euch fühlen, wenn ihr von jetzt auf gleich zur Zielscheibe der ganzen Klasse ernannt werdet? Und wie fändet ihr es wohl, wegen so einem nebensächlichen Unfall so angemacht zu werden?“ Neru wartete nicht auf eine Antwort, sondern schritt durch die Menge um sich zu ihrer Freundin zu gesellen. Die meisten Schüler machten ihr sofort Platz, wussten sie doch, wie unangenehm sie werden konnte. Es trennten sie noch etwa 10 Meter von der Silberhaarigen, da versperrten ihr Meiko und Kaito den Weg. „Sag mal für wen hälst du dich eigentlich hier so große Töne zu spucken?“, verspottete die Braunhaarige sie. „Du traust dich was, Kleine.“, grinste der Blauhaarige sie an. „Einer muss Idioten wie euch nun mal die Stirn bieten.“, stellte Neru ungerührt fest, schubste ihre Klassenkameradin ein Stück zur Seite und ging seelenruhig weiter. „Hey!“, entrüstete Meiko sich hinter ihr, doch sie ignorierte sie einfach. Schließlich blieb die Blonde vor Haku stehen und warf ihr einen leicht fragenden Blick zu. „Ist alles okay mit dir?“ Auf den sonst so blassen Wangen der Rotäugigen bildete sich ein nicht zu übersehender Rotschimmer. Zum einen, weil ihr die volle Aufmerksamkeit der Klasse so unangenehm war, zum anderen, weil sie nicht fassen konnte, das Neru sich schon wieder stark für sie gemacht hatte. Zögerlich nickte sie also. „Warum...tust du das alles für mich?“, erkundigte sie sich leise bei ihrer einzigen Freundin. Diese blickte im ersten Moment irritiert zu ihr hoch, dann legte sich ein leichtes Lächeln auf ihre Lippen. „Ach weißt du, ignorier die ganzen Deppen einfach.“ Das war zwar keine Antwort auf ihre Frage, doch die Silberhaarige entspannte sich ein wenig. „Danke.“ Nach dem Aufruhr wurde der Sportunterricht zwar fortgesetzt und niemand machte sie noch dumm an, doch Haku hätte die Hand dafür ins Feuer gelegt, das das erst die Spitze des Eisbergs gewesen war. Die Blicke einer gewissen Gruppe verrieten es ihr. Zwar sagten ihre Mitschüler nichts mehr, doch etwa eine Hand voll Leute durchlöcherten sie förmlich mit Todesblicken. Sie fühlte sich unwohl in ihrer Haut. Wie gerne hätte sie einfach mit jemandem den Platz getauscht. Sie wünschte sich, einfach mal einen Tag keinen Ärger zu haben. War es denn so schwer, einen einzigen Tag im Leben in Ruhe gelassen zu werden? Einmal nicht verspottet oder beschimpft zu werden? Die Zeit verging und schließlich suchten die Schüler und Schülerinnen wieder die Umkleiden auf. Neru wollte erst vor den Umkleiden auf sie warten, doch die Silberhaarige bestand darauf, das sie sich draußen vor der Sporthalle treffen würden. Um weiterem Ärger aus dem Weg zu gehen, huschte Haku an den anderen vorbei und verschwand im Duschraum, in dem sie ihre Klamotten vor dem Sportunterricht auch gebunkert hatte. Da sie hier eh so schnell nicht mehr raus konnte, beschloss sie sich auch Zeit beim umziehen zu lassen. Die Rotäugige faltete ihr Sportzeug zusammen und stopfte es zurück in die Sporttasche. Ohne sich wirklich dabei zu beeilen, schlüpfte sie wieder in ihre normalen Sachen. Nachdem sie sich umgezogen hatte, blieb ihr nichts anderes übrig als zu warten, bis die Anderen die Umkleide endlich verlassen hatten. Ihr Blick blieb an einem Spiegel hängen, welcher genau über einem Waschbecken angebracht worden war. Sie verzog missbilligend das Gesicht, als sie ihr Spiegelbild genauer studierte. Ja, sie hatte eindeutig zu wenig geschlafen. Ihre Haut wirkte noch blasser als sonst, um nicht zu sagen ungesund. Unter ihren Augen zeichneten sich leichte Ringe ab und den tiefroten Iriden konnte man die Müdigkeit förmlich ansehen. Sie seufzte leise. Sie hatte sich diesen Körper nicht ausgesucht. Andere wären vielleicht sogar stolz darauf gewesen, etwas besonderes zu sein, doch für Haku war dies eher ein Fluch. Die Anderen hatten sie zur Aussätzigen degradiert. Manchmal wünschte sie sich nichts mehr, als einfach auszusehen wie jede andere auch. Vielleicht schwarze oder braune Haare, braune Augen und durchschnittlich groß. So würde sie vermutlich in der Menge untergehen. //Mach dir nichts vor. Sie wären sogar hinter dir her, wenn du ganz gewöhnlich aussehen würdest//, meldete eine innere Stimme sich zu Wort. Allein die Tatsache, das sie sich nicht für Männer interessierte und das, was vor etwa einem halben Jahr passiert war, würden sie immer eine Außenseiterin sein lassen, ganz egal wie sie nun aussah. Haku wurde aus ihren Gedanken gerissen, als jemand die Tür zum Duschraum öffnete. Ein wenig irritiert blickte sie in Richtung der Tür. „Die Anderen sind schon aus der Umkleide und haben sich längst auf den Heimweg gemacht.“, verkündete Gumi, als seie es das Normalste der Welt. Der Blick der Silberhaarigen wurde noch eine Spur fragender. Wieso kam sie extra rein um ihr das zu sagen? „Ja...und?“, erkundigte sie sich daher ein wenig skeptisch. Gumi betrat nun den Duschraum und gab die Tür wieder frei. Die Nächste, die den Raum betrat, war Luka. Die Rosahaarige war zwar eher als ruhige und freundliche Person bekannt, doch Haku wusste, das das so nicht ganz stimmte. Zu oft hatte sie schon das genaue Gegenteil erlebt. Und das Funkeln in ihren Augen sagte mehr als 1000 Worte. „Das heißt wir sind allein.“, beantwortete sie anstelle der Grünhaarigen Hakus Frage. „Naja, kommt drauf an wie man allein nun definiert.“, ergriff diesmal Lily das Wort und schob sich an Luka vorbei in den Raum. Ein flaues Gefühl breitete sich mit rasanter Geschwindigkeit im Magen der Silberhaarigen aus. Sie hatte schon im Sportunterricht geahnt, das die Sache noch nicht gegessen war, doch begriff sie erst jetzt, das sie tatsächlich in Schwierigkeiten steckte. „Und warum seid ihr dann noch hier? Ich glaube ich versteh nicht ganz...“ Die Frage hatte eher beiläufig klingen sollen, doch ihre Stimme klang unsicher. Ein nervöses Lächeln huschte über ihr Gesicht. „Naja, weißt du...wir wollten mit dir reden.“, antwortete Gumi gespielt harmlos. „Ihr könnt reinkommen, die anderen Mädels sind alle schon draußen und wir haben uns umgezogen.“, hörte sie Meiko von der Tür der Umkleide aus sagen. Kurze Zeit später betraten auch die Braunhaarige und Miku, gefolgt von Kaito und Gakupo den Raum. Der Silberhaarigen wurde kalt. Eiskalt. Sie kam sich vor wie in einem schlechten Film, als die anderen begannen einen Kreis um sie zu bilden. „Sag mal, sind die Augen von Albinos wirklich so schlecht, das sie ganz spontan Menschen übersehen?“, stichelte der Blauhaarige. Die anderen kicherten, während Haku sich wünschte sich spontan in Luft auflösen zu können. Zuvor hatte sie es nur geahnt, jetzt wusste sie, das sie bis zum Hals in Schwierigkeiten steckte. „Nein, das glaube ich ehrlich gesagt nicht.“, mischte Gakupo sich ein, wurde jedoch von Lily unterbrochen. „Weißt du Kaito, das Schicksal meint es einfach nur nicht gut mit dir. Erst deine Freundin und jetzt stürzt sie sich sogar schon auf deine kleine Cousine.“ „Vielleicht bin ich jetzt bis ans Ende meines Lebens traumatisiert.“, jammerte Miku und zog ein Gesicht. Die Rosahaarige ging einen Schritt auf Haku zu. Die Rotäugige, die nicht wusste in welche Richtung sie sich zuerst drehen sollte, schluckte. „D-Das in der Sporthalle war ein Unfall. Das war bestimmt keine Absicht!“, versuchte sie ihren Kopf noch einmal aus der Schlinge zu ziehen. „Wer's glaubt wird selig!“ Mit diesen Worten versetzte Luka ihr einen Schubs, der sie nach hinten taumeln ließ. „Aaah!“ Die Silberhaarige rechnete schon damit sich jeden Moment auf dem Boden wiederzufinden, doch prallte sie nur gegen eine Person die hinter ihr stand und sie festhielt. „Hey, hey, pass auf das du nicht fällst.“, verspottete der Lilahaarige sie. Die Rotäugige hatte das Gefühl als würde ihr Magen sich zusammenziehen. Ein eiskalter Schauer lief ihr den Rücken herunter. Angst begann in ihr aufzusteigen. Diesmal war es nicht das altbekannte Unwohlsein, das sie immer überkam, wenn die anderen über sie herzogen, nein diesmal war es wirklich Angst. Sie wusste nicht, was die Gruppe sich noch alles hatte einfallen lassen. Die heutige Aktion war heftiger als alles, was ihre Klassenkameraden bisher ausgeheckt hatten. Sie suchte mit dem Blick den Kreis nach einer Lücke ab. Irgendeine Möglichkeit, die sie nutzen konnte um ihren Mitschülern zu entkommen. Die Silberhaarige sträubte sich gegen den Griff, in dem Lukas Freund sie nach wie vor hielt, doch anstatt loszulassen, verstärkte er seinen Griff nur noch. „Wo willst du denn hin? Wir haben gerade erst angefangen zu reden.“, erkundigte Miku sich scheinheilig. „Lasst mich doch einfach gehen!“ Diesmal war es die Blondine, die spöttisch eine Augenbraue hochzog. „Also wirklich Schneeweißchen. Wo bliebe denn da der Spaß, wenn wir dich jetzt schon gehen ließen? „D-der Unfall vorhin tut mir leid, wirklich...“ Langsam wusste Haku nicht mehr, was sie noch sagen sollte um die Anderen dazu zu bewegen sie in Ruhe zu lassen. Ihr Herz raste. Warum? Warum wurde immer sie zum Mobbingopfer Nummer 1 ernannt?! Konnten die sich nicht einmal einen anderen aus der Menge picken? Als nächste ging Meiko einen Schritt auf sie zu. Die Silberhaarige senkte den Blick. Nach wie vor hielt Gakupo sie fest. Den Plan, in einem günstigen Moment so schnell es ging aus dem Duschraum zu stürmen, konnte sie wohl vergessen. „Hey, hier Spielt die Musik!“, stellte ihre Mitschülerin fest. Zeitgleich zog sie Haku an den Haaren, um sie dazu zu bringen sie anzusehen. Der Griff, mit dem ihre ehemalige Saufkumpanin sie am Schopf gepackt hatte, schmerzte. Haku biss die Zähne zusammen, um den Anderen nicht auch noch den Gefallen zu tun und zu zeigen, das sie ihr weh taten. Tiefrote und rotbraune Augen trafen sich. Sie war schockiert über die Mischung aus Hass, Ekel und Ablehnung, welche sich im Blick der Anderen spiegelte. Die eisige Kälte im Blick der Person, für die sie einst so viel empfunden hatte, war schlimmer als ein Schlag ins Gesicht. „Weißt du, selbst wenn das eben in der Sporthalle wirklich nur ein Unfall war, das was du damals angestellt hast, werde ich dir nie vergessen.“ Die Stimme der Braunhaarigen war schneidend scharf. „Vielleicht könnte ich dich sogar verstehen, wenn ich damals denn etwas angestellt hätte! Aber...du weißt genau so gut wie ich, das das nicht wahr ist.“ Zu ihrer eigenen Überraschung klang ihre Stimme merkwürdig heiser. Irgendwie resigniert. Auf das was dann kam, war die Silberhaarige nicht vorbereitet gewesen. Die Hand ihrer Klassenkameradin traf mit überraschender Geschwindigkeit ihre rechte Wange. Ihr Kopf wurde von der Wucht des unerwarteten Schlags nach links gerissen. Ihre rechte Gesichtshälfte brannte heftig. Während die Gruppe in schallendes Gelächter ausbrach, machte Haku sich nicht einmal die Mühe den Kopf zu wenden um Meiko einen fassungslosen Blick zuzuwerfen. „So, hast du nicht? Du kannst jeden hier auf der Schule fragen was genau vorgefallen ist. Mir die ganze Zeit die ganz normale Freundin vorzuspielen, nur um dich dann an mich ranzumachen. Du bist so ekelhaft!“ Zwar sah sie ihre Mitschülerin nicht an, doch musste sie dies auch gar nicht um zu wissen, das diese ein spöttisches Grinsen aufgesetzt hatte. Der Lilahaarige ließ sie los. Die Schülerin landete wie ein Sack Mehl auf dem Boden. „Hey, geh mal weg da.“, forderte Gumi ihn auf. Ihre Stimme klang ganz so, als wäre ihr eine neue gemeine Idee gekommen. Nachdem Gakupo tatsächlich ein Stück zur Seite gegangen war, näherte die Grünhaarige sich seitlich der Wand und streckte den Arm aus. Haku hatte keine Ahnung was sie nun schon wieder vor hatte. Sie war viel zu sehr damit beschäftigt die weißen Fliesen des Duschraums anzustarren. Die Silberhaarige kämpfte mit den Tränen, welche heiß in ihren Augen anstiegen. Etwas weiter links hörte sie Lily amüsiert loslachen. „Oh Gott, Gumi! Das ist zu genial!“ Einen Moment später wusste sie, was sie Blonde damit gemeint hatte. Die Grünhaarige hatte vorsichtig den Schalter der Dusche betätigt, unter der Haku derzeit saß. Lauwarmes Wasser prasselte auf sie nieder. Ihre Kleidung, sowie ihre schlohweißen Haare klebten binnen Sekunden nass an ihrem Körper. Sie nahm das Gelächter der Anderen nur noch am Rande wahr. Das Wasser der Dusche vermischte sich mit salzigen Tränen. Das...das war zu viel! Die Schülerin blieb wie gelähmt auf dem Boden sitzen, während die Gruppe sich köstlich über ihren 'kleinen Scherz' amüsierte. Haku war davon überzeugt das es nicht mehr schlimmer kommen konnte. Was hätten die Anderen sich als Steigerung nun auch noch einfallen lassen sollen? Sie schlagen oder treten? Überrascht stellte die Silberhaarige fest, das sie das nicht mehr im Geringsten interessieren würde. Worte waren manchmal schlimmer als Schmerzen. Die ganzen Gemeinheiten die sie nun schon seit Wochen und Monaten ertrug...das war einfach zu viel. Sie konnte nicht mehr! Ihr Schutzwall, den sie die ganze Zeit mehr schlecht als recht um sich erbaut hatte, war in viele kleine Scherben zerfallen. Fast genau so schnell und plötzlich, wie ein Kartenhaus, das von einem Windstoß erfasst wurde. Doch...wieder sollte sie eines besseren belehrt werden. Immer, wenn ein Mensch dachte es könnte nicht mehr schlimmer kommen, dann spielte das Schicksal der Person einen üblen Streich und es kam unweigerlich noch schlimmer. „Ich glaub ich spinne! Was geht denn hier ab?! Was zur Hölle habt ihr Idioten nun schon wieder angestellt?!“ Das Herz der Silberhaarigen setzte einen Moment aus, als sie die laute, aufgebrachte Stimme ihrer einzigen Freundin hörte. Wie in Zeitlupe drehte sie den Kopf in Richtung Tür. „N-Neru...?“, stammelte sie genau so geschockt wie überrascht. Hatte die Blonde nicht draußen vor der Sporthalle auf sie warten wollen? Wie viel Zeit war denn inzwischen vergangen, das sie wieder zurück zu den Umkleiden gewandert war? Im Normalfall wäre Haku froh gewesen, wenn Neru sich zwischen sie und die Anderen stellte um ihr zu helfen, doch heute war das anders. So weit wie ihre Klassenkameraden heute gegangen waren, war ihr absolut klar, was nun kommen musste. „Wir? Ach, gar nichts.“, antwortete die Braunhaarige mit einem übertrieben scheinheiligen Grinsen. „Vielleicht solltest du lieber fragen, was Schneeweißchen angestellt hat.“, verbesserte Lily. „Ach, und das wäre?!“, schnaubte Neru. Die Wut in ihrer Stimme war nicht zu überhören. Luka ging auf sie zu, legte ihr einen Arm um die Schultern und zog sie fast schon freundschaftlich rüber zu den Anderen. „Wie wäre es, wenn wir dir eine Geschichte erzählen?“, schlug sie vor. Angesprochene erdolchte sie nur fast mit Blicken. „Ja genau. Ich denke du hast ein Recht darauf zu wissen, warum wir sie alle hassen.“, mischte Gumi sich ein. Die Zeitschaltuhr für die Dusche schaltete sich aus. Endlich stoppte das Wasser, welches die ganze Zeit über auf Haku niedergeprasselt war. Die Silberhaarige war einem entgültigen Nervenzusammenbruch nahe. Sie musste ihre Mitschüler stoppen, bevor sie Neru wirklich noch die Geschichte erzählten, die nun schon seit einiger Zeit in der Schule kursierte. „Nein! Das könnte ihr nicht machen!“ „Ach nein? Können wir nicht?“, erkundigte Kaito sich. „Ich fang an!“, rief Miku aus. Die Türkishaarige ging einen Schritt auf Neru zu. Diese wiederrum schubste Lukas Arm von ihrer Schulter und ging an Miku vorbei, um sich vor Haku zu stellen. „Nein! Bitte! Alles nur das nicht!“ Entsetzter hätte Hakus Stimme nicht klingen können. Wenn ihre Klassenkameradin ihr DAS jetzt erzählen würden, sie war sich sicher, das Neru sich auf der Stelle angeekelt von ihr abwenden würde. Sie würde sie genau so hassen und verspotten, wie die anderen es schon jetzt taten. Allein schon der Gedanke daran war zu viel für sie. „Ich wüsste nicht was so schlimm sein sollte, das ihr das Recht hättet sie so zu behandeln.“ Mit festem Blick musterte das zierliche Mädchen die Gruppe. Das Herz der Silberhaarigen hämmerte von innen gegen ihre Brust. Nein! Nein! Nein! Sie konnte sich Nerus entsetzten Blick schon lebhaft vorstellen. Sie würde nichts mehr mit ihr zu tun haben wollen und sie würde wieder ganz genau so allein sein, wie sie es noch vor ein paar Wochen war. Als Miku dann zu reden begann, war die Rotäugige sich fast zu 100% sicher, das der Rest ihrer kleinen Welt nun auch noch in viele kleine Scherben zerspringen würde. „Weißt du Akita-san, bis vor etwa einem halben Jahr sah Haku einfach nur anders aus als wir.“, fing sie an. „Als wir dann die Zeugnisse am Ende des elften Schuljahrs bekommen haben, hat unsere Klasse beschlossen das ganze in einer Kneipe hier in der Nähe zu feiern.“ „Bis zu dem Zeitpunkt hat niemand von uns geahnt, das unser Schneeweißchen anders ist.“, ergänzte Luka. „Ich war an dem Abend sturzbetrunken und sie war so nett und hat angeboten mich nach Hause zu bringen.“, ergriff Meiko das Wort. „Was soll ich sagen? Ich hab mir wirklich nichts dabei gedacht.“ Sie legte eine Künstlerpause ein und räusperte sich. „Zumindest so lange nicht, bis sie mir an die Wäsche gehen wollte.“ Einen Moment lang war es still im Raum. „Das muss man sich mal vorstellen, was?“, mischte sich nun auch Kaito ein. „Tut die ganze Zeit über so, als wenn sie keiner Fliege etwas antun könnte, nur um an mein Mädchen zu kommen.“ „Ne ziemlich krasse Geschichte, mh?“, mit einem Grinsen sah der Lilahaarige rüber zu Neru. „Sie hat uns das das ganze letzte Schuljahr verheimlicht. Naja, vermutlich damit sie uns in der Umkleide ansehen kann.“ Lily zog ein angeekeltes Gesicht. „Ich will gar nicht an den Ausflug ins Schwimmbad denken, bei dem die Schülerinnen unserer Klasse sich die Gruppenumkleide geteilt haben.“, pflichtete Gumi ihr bei. „Und? Hat sie bisher die Finger wenigstens von dir gelassen?“, erkundigte Miku sich. Hakus Sicht verschwamm immer wieder, da immer neue Tränen sich in ihren Augen sammelten. Jetzt war alles aus. Vermutlich würde Neru spätestens jetzt nichts mehr mit ihr zu tun haben wollen. Sie könnte es ihrer einzigen Freundin nicht einmal verübeln. Die ganze Zeit über hatte die Blonde sich für sie eingesetzt und vor der Klasse verteidigt. Nie hatte sie sich wirklich dafür revanchieren können. Und nun erfuhr sie auch noch ihr größtes Geheimnis auf diese Art und Weise. Woher sollte die Jüngere auch wissen, das diese Geschichte größtenteils aus verdrehten oder erfundenen Tatsachen bestand und nur ein kleines Fünkchen Wahrheit enthielt. Wie gern hätte sie ihr die ganze Sache erklärt, doch fehlte ihr einerseits die Kraft dazu, noch traute sie sich ihren Klassenkameraden zu widersprechen. Die hätten ihr vermutlich einfach nur das Wort im Mund herum gedreht, sodass sie am Ende noch schlechter dastehen würde. Sie wünschte sich nichts mehr, als doch endlich im Erdboden versinken zu können! „Mal abgesehen davon, das ich euch kaum ein Wort von all dem glaube : das ist wirklich alles? Nur weil Haku sich möglicherweise nicht für Jungs interessiert behandelt ihr sie so?!“ Nerus Stimme klang schneidend scharf und wütend. Mit ihrem falkenhaften Blick durchbohrte sie die Anderen förmlich. Haku glaubte sich verhört zu haben. Was? Hatte die Blonde das gerade wirklich gesagt? Sie störte sich gar nicht daran? Das alles war kein Traum? Sie konnte es nicht fassen! Gern hätte die Silberhaarige etwas gesagt, doch stellte sie fest, das die ganze Sache ihr die Sprache verschlagen hatte. Mehr als ein Schluchzen brachte sie nicht zu Stande. „Ihr terrorisiert sie die ganze Zeit über nur wegen so einer Nichtigkeit?“, hakte ihre einzige Freundin noch einmal nach. „W-wie meinst du das jetzt?“ Gumi hatte diese Antwort ziemlich aus der Bahn geworfen. Auch die Anderen blickten nicht gerade geistreicher drein. „Sonst habt ihr keine Probleme?“, erkundigte Neru sich erneut. „Wir? Nein, ich wüsste nicht was WIR für Probleme haben sollten.“ Überraschenderweise war es Luka, die sich am schnellsten wieder gefangen hatte und antwortete. Die Augen der Blondine funkelten. Haku wusste nicht warum, aber irgendwie wurde sie das Gefühl nicht los, das das Mädchen darauf gewartet hatte, das ihre Mitschülerin genau das antwortete. „Ach, ganz sicher? Es wundert mich das gerade du das sagst, Megurine-san.“ Nun war es an der Rosahaarigen eine Augenbraue hochzuziehen. „Ich versteh nicht was du meinst. Worauf willst du hinaus?“ „Was ist zum Beispiel mit deinem Freund? Ich werde das Gefühl nicht los, das er dir da etwas sehr wichtiges verschwiegen hat.“ Ein wenig irritiert blickte Luka rüber zu dem Lilahaarigen. „Gibt es denn irgendetwas, das ich wissen sollte, Schatz?“ Angesprochener wirkte plötzlich ein wenig nervös, schüttelte dann jedoch den Kopf. „Nein, ich wüsste nicht was.“ Neru hatte in der Zwischenzeit nach ihrem Handy gegriffen, tippte kurz auf dem Display herum und zeigte ihrer Klassenkameradin dann ein Foto. „Na das hier zum Beispiel. War eher Zufall das ich's gesehen hab, aber...ich dachte vielleicht würde es dich ja interessieren.“ Luka warf einen Blick auf das Handydisplay, musterte das Foto und schaute dann immer ungläubiger drein. Im nächsten Moment wirbelte sie auch schon herum und funkelte Gakupo an. „D-Das glaub ich jetzt nicht! Seit wann verarschst du mich mit der?!“ Der Lilahaarige hob ein wenig aus der Bahn geworfen die Hände. „Hey, ich kann das erklären...“ „Und du?! Du nennst dich Freundin und spielst mir jeden Tag die heile Welt vor?!“ Haku kam sich vor wie im falschen Film. Was ging denn jetzt ab? Die sonst so ruhige Luka sah so aus, als wollte sie sich jeden Moment auf die Blondine stürzen. Diese überlegte einen Moment wie sie mit der Situation umgehen sollte, setzte schließlich ein Grinsen auf und ging dann in die Offensive. „Was kann ich dafür, wenn du ihm viel zu zahm bist, huh?“ Der Rosahaarigen schien die Situation über den Kopf zu wachsen. Anstatt die ganze Sache vor der versammelten Mannschaft zu klären, drehte sie sich um und stürmte aus dem Duschraum. „Hey! Jetzt warte Luka!“ Miku beschloss das es besser wäre nach ihr zu sehen und beeilte sich ihre beste Freundin noch einzuholen. „Na ganz toll hinbekommen!“, murrte Gakupo frustriert und machte ebenfalls Anstalten den Raum zu verlassen. „Was denn? Irgendwann hätte sie's eh rausgefunden.“Als wenn sie nichts mit der Sache zu tun hätte, zuckte Lily die Schultern und sah dann rüber zu Gumi. „Komm, wir gehen. Das wird mir hier zu bunt.“ Die Grünhaarige stand noch einen Moment irritiert im Raum herum, bis sie reagierte. „Äh...ja, ich komm ja schon.“ „Und schon fünf weniger.“, kommentierte Neru trocken. Dann wandte sie sich den Anderen zu. „Und? Geht ihr freiwillig oder..?“ Nachdem Luka, Miku, Gakupo, Lily und Gumi den Raum verlassen hatten, waren nur noch Meiko, Kaito, Neru selbst und Haku anwesend. „Zu zweit macht das keinen Spaß mehr. Los, komm jetzt.“, räumte die Braunhaarige zähneknirschend ein und wandte sich zum Gehen. „Ohne die Kleine wärst du aufgeschmissen, Albino.“, kommentierte Kaito, sah noch einmal kurz rüber zu Haku und folgte dann seiner Freundin. „Kümmert euch in Zukunft erstmal um eure eigenen Probleme, bevor ihr euch in das Leben anderer einmischt! Probleme scheint ihr mir ja alle genug zu haben!“, rief die Blonde ihnen nach. Haku und Neru blieben allein im Raum zurück. Die Rotäugige hörte, wie die Tür der Umkleide zugezogen wurde. Sie konnte es nicht fassen. Neru hatte die ganze Gruppe spielend leicht in die Flucht geschlagen und hatte dafür kaum mehr als ein einziges Foto gebraucht. Doch was sie noch weniger glauben konnte : nach all dem, was die Anderen Neru erzählt hatten, hatte sie sie nach wie vor beschützt. Sie hatte sich überhaupt nicht von dem, was ihre Klassenkameraden gesagt hatten, beeindrucken lassen. Oder konnte es sein, das sie den Anderen nur nicht glaubte und das alles deshalb so leicht nahm? Das wäre natürlich auch eine Möglichkeit. Und schon der Gedanke daran verunsicherte die Silberhaarige. Währendessen hatte ihre einzige Freundin sich vor sie gekniet und strich ihr einige verirrte Strähnen aus dem Gesicht. „Diese Idioten! Diesmal sind sie wirklich zu weit gegangen!“, regte sie sich auf. Dann wurde Neru jedoch wieder etwas ernster und ruhiger. „Ist alles in Ordnung mit dir?“, wollte sie wissen. Es kam nicht oft vor, das der stechend scharfe Blick der Blondine einmal weich wurde, doch nun sah sie Haku schon fast mitfühlend an. Diese nickte kaum merklich. „Ja...geht schon.“ Die Jüngere stand wieder auf und reichte ihrer Freundin eine Hand, um auch sie vom Boden hochzuziehen. Gemeinsam gingen sie rüber in die Umkleide und setzten sich auf eine der hölzernen Bänke. „Erzählst du mir, was damals wirklich passiert ist?“, erkundigte sich Neru dann. Und schon stieg wieder diese Panik in Haku auf. Was, wenn sie ihr die Wahrheit erzählte und sie diese dann doch nicht so positiv auffasste, wie erhofft. Sie schluckte und kämpfte gegen den Klos in ihrem Hals. So oft wie die Blonde sie nun schon in Schutz genommen hatte, hatte sie vielleicht wirklich das Recht darauf, die Geschichte so zu hören, wie sie damals wirklich passiert war. „Also schön.“, antwortete sie schließlich. Anstatt etwas zu sagen, blickte Neru sie nur aufmerksam an. „Damals waren wir wirklich mit der ganzen Klasse in dieser Kneipe. Zumindest der Punkt ist wahr. Du musst wissen, das Meiko und ich damals öfter zusammen etwas trinken gegangen sind. Wir haben uns eigentlich immer gut verstanden und ja...ich fürchte das es wahr ist, das ich damals wirklich bis über beide Ohren in sie verknallt war.“, gab die Rotäugige zu. Sie legte eine kurze Redepause ein und blickte abwartend rüber zu Neru. Sie versuchte irgendwie aus ihrer Mimik schlau zu werden. Überrascht bemerkte sie, das die Blondine nicht wie befürchtet angeekelt drein blickte, sondern nach wie vor nur aufmerksam und neugierig. „Wir haben an dem Tag wirklich viel getrunken. Allerdings war sie es, die mich gebeten hat sie nach Hause zu bringen, weil sie schon nicht mehr gerade gehen konnte.“ Erneut stoppte sie kurz, nur um sich verlegen am Kopf zu kratzen. „Weißt du, bei ihr weiß man manchmal nicht, ob sie sich gerade nur einen Scherz erlaubt oder etwas ernst meint. Als wir an dem Abend schließlich an ihrer Haustür angekommen waren, hat sie mich plötzlich geküsst. Sie fand das wohl einfach nur lustig und ich...ich war so besoffen das ich die Situation falsch interpretiert habe. Ich hab damals all meinen Mit zusammengenommen und ihr meine Gefühle gestanden.“ Haku seufzte frustriert. „Sie fand das plötzlich gar nicht mehr witzig und hat ziemlich heftig darauf reagiert. Und am nächsten Morgen kursierten dann auch schon Gerüchte in der Schule, die mich als die totale Perverse dargestellt haben.“ Unsicher wartete die Silberhaarige nun auf die Reaktion ihrer einzigen Freundin. Sie hatte ihr endlich die Wahrheit erzählt, obwohl sie sich die ganze Zeit davor gefürchtet hatte. Davor, wie die Blonde wohl mit der Situation umgehen würde. „Warum hast du mir nie davon erzählt?“ Haku fragte sich, ob diese Reaktion nun gut oder schlecht war und wurde unweigerlich noch etwas nervöser. „Weil ich Angst hatte, das du nichts mehr mit mir zu tun haben willst.“, gestand sie. Neru seufzte nur und schüttelte den Kopf. „So ein Quatsch. Wie kommst du denn auf die Idee? Nur deswegen?“ „Na sieh dir an wie die Anderen reagiert haben, als sie Wind davon bekommen haben.“ „Aber vermutlich auch nur, weil sie die Geschichte mit verdrehten Tatsachen gehört haben und jeder sich wieder etwas neues dazu erfunden hat. Außerdem bin ich nicht die Anderen, klar?“ Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen knuffte die Jüngere sie. Die Silberhaarige konnte es nicht fassen. All die Zeit hatte sie Angst vor diesem Gespräch gehabt und Neru reagierte so gelassen, wie man es sich nur vorstellen konnte. „Du...ekelst dich wirklich nicht vor mir?“ „Natürlich nicht! Was denkst du eigentlich von mir?!“ Erneut bahnten sich Tränen einen Weg über Hakus Wangen. Diesmal waren es allerdings Freudentränen. Sie war so froh, das ihre beste Freundin nach wie vor zu ihr hielt und sie im Gegensatz zu den meisten Anderen nicht schief ansah. Sie war einfach nur so unglaublich froh! „Hey, jetzt fang nicht schon wieder an zu heulen, du Schussel.“ Neru bedachte sie mit einem gespielt genervten Blick, bevor sie sie in eine Umarmung zog. „Deine Klamotten...ich bin doch ganz nass von der Dusche.“, gab Haku sofort zu bedenken. Überraschenderweise schüttelte die temperamentvolle Blondine nur den Kopf und drückte sie noch etwas fester. „Zerbrich dir in Zukunft nicht mehr über solche Kleinigkeiten den Kopf, sondern red einfach drüber, ja?“ Die Rotäugige, die sich an ihre beste Freundin gelehnt hatte, nickte nur. „Versprochen. Und danke, das du mir eben schon wieder aus der Patsche geholfen hast.“ Auf Nerus Lippen stahl sich ein schelmisches Grinsen. „Ach, das gehört zum Service.“ Daraufhin musste auch Haku leicht Lächeln. „Und weißt du was?“, begann die Blonde. „Eh? Na was denn?“ „So anders wie du denkst, bist du gar nicht.“ Bevor sie noch wusste wie sie das eben Gesagte aufzufassen hatte, hatte ihre beste Freundin sich auch schon zu ihr rüber gebeugt. Kurz berührten Nerus Lippen ihre Stirn, dann war die Blonde auch schon aufgestanden und rüber zur Tür der Umkleide gegangen. Die plötzliche Erkenntnis reichte aus, um Hakus Wangen im Bruchteil einer Sekunde einen interessanten Rotton annehmen zu lassen. Dank ihrer blassen Haut, fiel der Blush sofort ins Auge. „H-Hey! Was war das denn?“, erkundigte sie sich verlegen und überrascht zugleich. Neru hatte währendessen bereits die Tür der Umkleide geöffnet und blickte sie über die Schulter an. Auch auf den Wangen der stets genervten, eher barschen Schülerin, hatte sich eine nicht zu übersehene Röte gelegt. „Jetzt komm schon. Du bist nach wie vor patsch nass. Wenn du dich nicht langsam mal um trockene Klamotten bemühst, bist du morgen krank.“ Und schon war sie nach draußen auf den Flur getreten. Immer noch ein wenig neben der Spur erhob Haku sich von der Bank. //Neru ist eben nicht die Person die mit Freundlichkeit um sich wirft. Das eben scheint ihr wohl alles abverlangt zu haben.// Inzwischen hatte sich ein deutlich sichtbares Lächeln auf Hakus Lippen gelegt. „Jetzt warte! Ich komm ja schon!“ Auch die Silberhaarige setzte sich in Bewegung und beeilte sich um ihre Freundin auf dem Flur einzuholen. ~~~~~~~~~ Diese FF lag jetzt bestimmt schon ein gutes halbes Jahr in einem Ordner in meinem Laptop herum, aber irgendwie bin ich nie dazu gekommen sie fertig zu schreiben. Ursprünglich sollte 'Heap of shards' ein One Shot werden, aber dann wurde die FF doch ein wenig zu lang und so habe ich mich entschieden zwei Kapitel daraus zu machen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)