Written Pages von Jessa_ ================================================================================ Kapitel 15: First Times ----------------------- Kapitel 15: First Times Vor dem Kino auf Rin und die Kleinen wartend, ließ Kakashi den Neunjährigen im aktuellen Kinoblättchen blättern, mit der Bitte, dass er schon mal nach einem Film schaute, den er gerne ansehen wollte. Itachi suchte nach einem, von dem er glaubte, dass sowohl Kakashi und Rin, als auch deren Kinder daran Spaß haben könnten, aber das war schwer – er kannte sie doch kaum. Doch dann erinnerte er sich an die Filme, die sie bisher zusammen angeschaut hatten – sie waren alle Zeichentrick gewesen. Sein Blick fiel auf einen Animationsfilm, der Ice Age hieß und neu in den Kinos lief. Die Idee, von einem Mammut, einem Riesenfaultier und einem Säbelzahntiger die ein Menschenbaby zu seiner Sippe zurück bringen müssen, während sich die gesamte Tierwelt vor dem drohenden Winter nach Süden flüchtete, erinnerte ihn an Lilo & Stitch, auch wenn es dort nicht um Eiszeiten gegangen war, sondern um Aliens in Hawaii. Es waren Geschichten von zusammen gewürfelten, disfunktional scheinenden Familien, die über das größte Attribut verfügten; dem, das sie niemanden auf den Weg zurückließen. „Hast du was gefunden?“, hörte er Kakashis Stimme. Sie standen nebeneinander vor der Glasfront des Kinos, während Rins alter Ford SUV um die Ecke bog und in der Nähe einen Parkplatz suchte. „Vielleicht“, sagte Itachi und zeigte auf den Film seiner Wahl. „Da wird sich Naruto freuen – er wollte schon lange Ice Age schauen.“ Kakashi hatte seinem Sohn sowieso versprochen, dass sie versuchten ihn im Kino anzuschauen, und sollte dass nicht klappen, würde Kakashi die DVD besorgen – das tat er sogar bei vielen Filmen, die sie zuvor im Kino angesehen hatten. „Wann läuft denn die nächste Vorstellung?“ Itachi schaute auf die dünne Zeitschrift in seinen Händen, fand die Uhrzeiten zu den nächsten Vorstellungen in einem blau umrandeten Kasten neben dem Titelbild des Kinofilmes und sagte leise: „Um halb sechs.“ „Passt ja prima. Dann schauen wir Ice Age?“ Unsicher zuckte Itachi mit den Schultern, dachte aber dann daran, dass der Agent gesagt hatte, es würde seinem Sohn sicherlich gefallen, wenn sie Ice Age schauten und nickte. Es war gut, wenn Naruto mit seiner Wahl zufrieden war. Niemals würde Kakashi ihm und seinem kleinen Bruder erlauben zu bleiben, wenn sein Sohn sie nicht da haben wollte. „Papa!“, hörte er den Kleinen grölen und sah wie er auf Rins Nicken hin, losrannte. Kakashi ging in die Hocke, fing seinen Sohn auf und setzte ihn sich auf die Hüfte, während er selbst aufstand. „Alles klar, Kumpel?“ „Ja! Was gucken wir, Papa?“ „Itachi hat Ice Age ausgesucht? Ist das cool?“ „Yeah! – Rin, wir gucken Ice Age!“, rief der Blondschopf, obwohl sie schon beinahe neben ihm stand. „Ice Age – das mit dem lustigen Erdmännchen?“ „Das ist kein Erdmännchen, Süße“, erklärte Rin ihrer Tochter. „Sondern ein Faultier. Die sehen ein bisschen anders aus.“ „Auch egal. Auf jeden Fall ist es süß.“ „Ja, Schätzchen. – Sollen wir dann reingehen, Kakashi? Ich glaube nämlich ganz ohne Popcorn kommen wir heute nicht aus, wo wir das Abendessen ein wenig nach hinten verschieben.“ „Ja, ich gehe Karten kaufen und du suchst Snacks mit den Kindern aus, einverstanden?“ „Klar.“ Damit ließ Kakashi seinen Sohn zu Boden und machte sich auf zu den Kinokassen. Rin sah zu, wie Itachi seinen kleinen Bruder an die Hand nahm. Es war recht voll, selbst für einen Samstag, aber das Kino war groß und Karten bekam man eigentlich immer für jede Vorstellung. „Was möchtet ihr denn trinken? Apfelschorle oder Fanta?“ „Apfelschorle“, kam es von Sakura, während Naruto die Gelegenheit nutzte und Fanta haben wollte. Zuhause gab es das nicht, außer wenn jemand Geburtstag feierte – dann machten Papa und Rin eine Ausnahme. „Was ist Fanta?“, fragte Sasuke. „Du kennst keine Fanta?“ Naruto war entsetzt. Das war so lecker! Und so toll Orange – wie konnte Sasuke das nicht kennen?! „Das schmeckt ein bisschen nach Orange und ist ziemlich süß, ein bisschen wie die Limonade, die ich am ersten Tag bei Kakashi gemacht habe. Möchtest du das probieren?“ „Wir dürfen keine Fanta trinken, Rin“, wandte Itachi unsicher ein. Sein Vater hatte es nie gemocht, wenn sie industriell gesüßte Limonaden oder Säfte tranken – zuhause gab es bloß Wasser, Milch und Tee für sie. Nur ganz selten durfte Mama ihnen ein Glas Kakao machen oder etwas frisch gepressten Saft in ihr Wasser mischen. „Haben eure Eltern euch das verboten?“, fragte Rin, bemüht darum leise zu sprechen. Die Gäste vor ihr in der Schlange mussten nicht alle mitbekommen, worüber sie sprachen. Itachi nickte. „Weißt du was?“, machte Rin. „Ich find es auch nicht so toll, wenn ihr zuviel Fanta trinkt, aber manchmal ist ein bisschen erlaubt – als eine Ausnahme oder was meinst du?“ „Okay.“ „Also, Sasuke, Süßer – Fanta oder Apfelschorle?“ „Apfelschorle“, murmelte der Kleine. Er wusste nicht ob er Fanta mochte und wollte nicht, dass Rin sauer war, wenn er es dann stehen ließ. Apfelschorle kannte er – Mama gab ihnen manchmal welche, die war süß und lecker und sprudelte so toll! „Und du, Itachi?“ „Auch Apfelschorle bitte.“ „Hallo, was kann ich Ihnen geben?“, fragte der Teenager hinter dem Tresen salopp. „Eine mittlere Cola, ein kleines Wasser, eine kleine Fanta, drei kleine Apfelschorlen und zwei mal die mittlere Tüte Popcorn, bitte.“ Kakashi aß nicht viel Süßes und Rin wusste, dass ihre kleine Tochter auch nur selten wirklich viel von dem Popcorn im Kino knabberte. Deswegen reichten zwei 200 Gramm Tüten locker aus! Rin bezahlte, gab den Kindern ihre Getränke, bat Itachi eine Tüte Popcorn zu tragen, während sie selbst die andere, ihr Wasser und Kakashis Cola nahm. Sie musste die Sachen nicht lange umständlich tragen, da Kakashi ihnen schon entgegen kam und etwas abnahm. Gemeinsam gingen sie in den Kinosaal, suchten ihre Plätze und naschten ein bisschen Popcorn, während auf der Leinwand die Werbung lief. Als der Film begann, beendeten die Kinder ihr geflüstertes Plappern und schauten gespannt auf die riesige Leinwand. Rin und Kakashi hatten erst eben davon erfahren, dass Itachi und Sasuke noch nie zuvor einem Film im Kino angesehen hatten. Der Kleine war ganz überrascht gewesen, dass es so große Fernseher gab und auch Itachi schien begeistert - gespannt hatte er seinen Blick auf die Leinwand gerichtet und nicht einmal schaute er von dort weg, um zu nachzusehen, ob sein kleiner Bruder okay war. Kakashi wandte sein Gesicht mehr als einmal von der Leinwand ab. Er blickte auf die Brüder und dachte daran, dass es ihr erstes Mal war - ihr erster Film und ihre erste Tüte Popcorn im Kino. Er dachte an die vergangenen Tage und fragte sich, wie viele erste Male es in ihnen für die Kinder gegeben hatte - das erste Mal einen toten Menschen berühren, das erste Mal einen Legoroboter bauen, das erste Mal Mac&Cheese zu Thanksgiving essen, das erste Mal Autoschrauben - und das waren bloß die ersten Male, von denen er wusste. Vielleicht hatte es Dutzende gegeben; vielleicht wäre es das gewesen, was Kakashi das dazu brächte, die Jungen zu behalten, wenn er seinen Entschluss nicht schon eher, durch schrecklichere Taten, getroffen hätte - denn wie konnte er, als Mann mit erhobenem Haupte stehen, wenn er nicht mal die Kinder behielt, die in ihm zum allerersten Mal einen Fremden vertrauten. Der Mensch war die Summe seiner ersten Male, sagte man. Sie konnten wunderschön sein oder ein Alptraum. Es gab das eine, das Offensichtliche, an das alle sofort dachten und es gab noch verdammt viele mehr: Das erste Mal Fahrradfahren, das erste Mal besoffen sein, das erste Mal Meer sehen, der erste Wohnungseinbruch, der erste Job, der erste Kuss, das erste Mal. Sie belegten unseren Mut (der erste Fallschirmsprung), unsere Ausdauer (der erste Marathon) oder auch unsere Dummheit (das erste Mal in Lebensgefahr). Sie waren Teil der wertvollsten Erinnerungen, die der Mensch ein Leben lang mit sich trug. Ob sie schön waren oder grausam, peinlich oder lehrreich, man wird sie ein Leben lang nicht vergessen - weil sie prägten. ~~ Während Kakashi duschte, las Rin für Itachi und die Kleinen im Gästezimmer eine Geschichte aus Narutos Bücherregal. Oh, the Places You’ll Go! von Dr. Seuss brachte Naruto noch von Zuhause mit – dem Zuhause, in dem er mit seinen Eltern gelebt hatte. Er hatte es von ihnen bekommen, wie seinen Plüschfuchs, einem halben Dutzend anderer Bücher, seiner Winnie-the-Pooh-Nachttischlampe und dem ganzen Zeug, dass Naruto nicht mehr brauchte und dass Kakashi nicht hatte abgeben können, weil er seinen Bruder nicht hatte verraten wollen. Noch fühlte es sie wie Verrat an, die Dinge wegzugeben, die Minato und Kushina ihrem einzigen Kind gekauft hatten. Rin wusste das. Vielleicht verstand sie es sogar. Alle Dinge die Sakura von ihrem Vater bekam und die sie irgendwann nicht mehr brauchte, hob sie eine Weile auf, bis sie wirklich sicher sein konnte, dass Sakura sie nicht vermisste. „You’ll look up and down streets. Look ‘em over with care. About some you will say, ‘I don’t choose to go there.’ With your head full of brains and your shoes full of feet, you’re too smart to go down any not-so-good street. And you may not find any you’ll want to go down. In that case, of course, you’ll head straight out of town”, las Rin. Naruto lag bäuchlings auf der Decke. Seine Beine baumelten in der Luft, während er gespannt ihren Worten lauschte. Er hatte dieses Buch schon immer geliebt. Sakura liebte die Illustrationen. Wann immer ihre Mutter, gegen die sie lehnte, umblätterte, reckte sie sich ein Stück und schaute sie aufmerksam an, obwohl sie schon mindestens ein Dutzend Mal gesehen hatte. Erst wenn Sakura ihrem Kopf ein Stück zurückzog, konnte ihre Mutter weiterlesen. „You will come to a place where the streets are not marked. Some windows are lighted. But mostly they're darked. A place you could sprain both you elbow and chin! Do you dare to stay out? Do you dare to go in? How much can you lose? How much can you win?“ Itachi legte die Arme um den Bauch seines kleinen Bruders, der zwischen seinen Beinen saß und mit dem Rücken gegen seine Brust lehnte. Er hoffte, dass Rins Worte ihn trösteten, für dass, was er ihm gleich, wenn sie alleine waren, erzählen musste. Sachte fuhr Itachi mit seinen Fingern Kreise auf dem bedeckten Bauch seines kleinen Bruders. Er wünschte Rin könnte das tun – Sasuke erzählen was passiert war und ihm versprechen, dass sie hier bleiben durften. Itachi konnte das nicht. Er wusste nicht ob sie hier leben durften. Er wollte seinen kleinen Bruder nicht anlügen. „Somehow you'll escape all that waiting and staying. You'll find the bright places where Boom Bands are playing.” Kakashi rutschte neben Sakura aufs Bett und schielte über ihr helles Haar auf das Bilderbuch. Er lächelte über die Wörter, die er las und hoffte, dass Itachi und Sasuke von den schlechten Orten geflohen waren und vielleicht in seinem Haus einen der vielen fröhlichen Plätze fanden. Er lauschte Rins Worten und dem Gähnen des kleinen Mädchens, als ihre Mutter das Bilderbuch zuschlug. „Da ist aber jemand müde“, hörte er Rin sagen. Sie knuffte ihre Tochter in die Seite, ehe sie sie, vom Bett rutschend, auf den Arm hob. „Komm, Naruto, Schätzchen – ich bringe euch beide noch ins Bett, nachdem wir das Buch weggestellt haben. Möchtest du es tragen?“ „Ja, Rin.“ Der Kleine nahm das Buch von der Decke, während Rin Sasuke und Itachi über die Köpfe streichelte, und sagte ihnen und seinem Papa Gute Nacht. Sakura winkte müde, ehe Rin sie, mit Naruto im Schlepptau, aus dem Zimmer trug. Itachi schaute auf die geschlossene Zimmertür und fragte sich, was Agent Hatake von ihnen wollte. Sagte er ihnen bloß gute Nacht? Schickte er sie fort? „Ich muss mit euch reden, Jungs. Seid ihr noch wach genug, um ein bisschen zu reden?“ Itachi nickte. Er festigte den Griff um seinen kleinen Bruder, und öffnete den Mund, um etwas zu sagen – aber er traute sich nicht und schloss ihn wieder. „Was ist los, Kumpel? Rede mit mir – was wolltest du sagen?“ „Ich … Bitte Agent Hatake, dürfen wir bitte hier bleiben? Wir sind ganz artig, fest versprochen. Sie müssen sich gar nicht kümmen – gar nicht wirklich. Ich kümmere mich um meinen kleinen Bruder. Ich bring ihn zum Kindergarten und bade ihn und alles, bitte Agent Hatake.“ „Hey, hey, hey – ganz ruhig, Großer. Komm, lass uns erstmal reden.“ „Ja“, gab Itachi sich geschlagen. Er hatte gebettelt – sogar für sich selber. Er wollte hier so gerne leben. „Sasuke, weißt du wo ich gestern Abend war?“ „Eh eh“, machte der Kleine und kuschelte sich an seinen Bruder. Sein Verlust war groß. Er hatte seine Mama sehr geliebt – er liebte sie noch immer. Er vermisste es mit ihr zu spielen, vermisste ihren Tomatensalat (den Besten der Welt) und ihre Küsse, mit denen sie ihn ins Bett brachte. Aber viel mehr noch vermisste er ihre einfache Präsenz. Es war noch gar nicht so lange her, da war er ein Säugling gewesen, der sich für einen Teil seiner Mutter gehalten hatte und erst später herausfand, dass er unabhängig von ihr existierte. Wie jedes Baby war er unsicher gewesen und hatte geschrien und geweint. Er hatte jedes ihre kleinen Verschwinden für einen realen Verlust gehalten, bis sein Kopf irgendwann wie von selber verstanden hatte, dass sie nicht auf Dauer gegangen war, sondern bloß um Wäsche zu waschen oder die Fenster zu putzen. Doch er wusste auch, dass das hier echt war – dass er sie wirklich verloren hatte. Denn seine Mama war jetzt im Himmel – Itachi hatte ihm dass gesagt. Aber Kakashi und Rin linderten seinen Verlust. Sie spielten mit ihm, sie kauften Tomaten und brachten ihn ins Bett. Sie übernahmen die Dinge, die seine Mutter getan hatte. Er fühlte sich geborgen bei ihnen. Würden sein großer Bruder und er gehen müssen, würde er einen zweiten Verlust erfahren – der vielleicht nicht so tief säße, weil er sie erst ein paar Tage kannte und nicht so liebte wie seine Mutter – aber es wäre der zweite – wenn man seinen Vater mitzählte – der dritte Verlust in einer so kurzen Zeit und Sasuke war noch klein. „Wir haben gestern Abend euren Vater gefunden, Sasuke.“ „Meinen Papa? Müssen Itachi und ich jetzt zurück zu Papa?“ Sasuke liebte seinen Vater, aber er fürchtete ihn auch. Er wollte nicht wieder gehauen werden. Lieber wollte er bei Kakashi und Rin bleiben. „Nein, Kumpel. Dein Papa hat viele böse Dinge gemacht und ich hab mir fest vorgenommen, euch vor ihm zu beschützen. Wie ein Indianerehrenwort“, sagte Kakashi. „Gestern Abend musste ich auch mein Team von der Arbeit vor ihm beschützen.“ „Wollte mein Papa euch auch hauen?“ „Nein. Aber er hatte eine Pistole und wenn man mit einer Pistole auf einen Menschen schießt, dann muss dieser Mensch meistens sterben, weil er sehr verletzt ist.“ Itachi fuhr seinem kleinen Bruder über das Köpfchen. Er war so erleichtert, dass Kakashi mit Sasuke sprach. Er hätte das nie so gut gekonnt! „Ich bin so was Ähnliches wie ein Polizist und manchmal haben Polizisten auch Pistolen mit, damit sie ihr Team beschützen können, wenn sie in Gefahr sind.“ „Weil Leute wie mein Papa auch Pistolen haben?“ „Genau, Kumpel. Und manchmal müssen Polizisten schießen, auf Leute wie deinen Papa – weil es keinen anderen Weg gibt, sein Team zu beschützen.“ „Hast du gestern auf meinen Papa geschossen?“ „Ja.“ Kakashi nickte. „Und wo ist mein Papa jetzt?“ „Wo ist denn deine Mama, Sasuke? Weißt du das?“ „Meine Mama ist jetzt im Himmel hat Itachi gesagt. Aber da gehen es ihr gut und wir müssen ganz tapfer für sie sein.“ „Du hast einen klugen großen Bruder“, sagte Kakashi und schenkte Itachi ein anerkennendes Lächeln, ehe er erklärte: „Im Himmel da gibt es keine bösen Menschen und alle die dahin kommen tun nichts Böses mehr. Deswegen darf dein Papa auch zu deiner Mama in den Himmel. Weil er da nichts Böses mehr machen kann.“ „Also haut mein Papa meine Mama im Himmel nicht? Versprochen, Kakashi?“ „Ja, versprochen. Indianerehrenwort.“ Kakashi schwieg eine Weile, während er Itachis Blick auf sich spürte. Der Junge fuhr seinem kleinen Bruder über das Köpfchen und den Rücken. Sasuke weinte nicht. Vielleicht würde er heute Nacht weinen, aber dann war Itachi da – er würde immer da sein, um sein Brüderchen zu beschützen. „Was ist mit uns?“, fragte Itachi und fast rutschte ihm wieder ein Agent Hatake raus. „Itachi.“ Der Hatake atmete tief durch. „Kumpel. Ab heute bin ich für euch verantwortlich. Ich werde mich um euch kümmern. Wenn ihr möchtet, könnt ihr bei mir leben.“ „Wir… möchten gerne hier leben.“ „Dann… kriegen wir das hin. Fest versprochen! – Ich kümmere mich darum.“ ~~ Obito legte den Kopf in den Nacken. Er hatte die Zeit des Tages immer gemocht, in der der Himmel dunkler wurde – nicht dieses grau regnerischer Tage, sondern dieses satte, dunkle, tiefe blau. Er liebte sternenklare Nächte, wenn der Mond die einzige Quelle des Lichts war, obwohl er selbst bloß schien, weil die Sonne seine dunkle Oberfläche mit Licht bestrahlte. Schon als Kind hatte er Nächte gemocht – aber wirklich begonnen zu lieben hatte er sie bei Jiraiya, der häufig spät draußen saß, einen Scotch trank, eine Zigarre rauchte und an seinen Romanen schrieb. In seiner Jugend hatte Obito sich oft zu ihm gesellt. Es gab Orte dieser Welt, dieser Stadt, die er besonders liebte: das Freiluftkino in Mission Hills, die Interstate 8, La Jolla Shores und das Meer, Hennessey’s Gaslight in der Nähe des Balboa Parks und die Liegestühle auf Jiraiyas Terrasse, wo es sich manchmal noch besser Bier trinken ließ als dort. Jiraiya hatte nie etwas gesagt, wenn er sich nachts zu ihm setzte und schweigsam den Mond anschaute – auch nicht, wenn am nächsten Tag Schule war. Sie hatten die Nächte genutzt, um Vater und Sohn zu werden. Nachts, wenn Worte nicht nötig waren und die Schritte seiner Brüder, deren Schnarchen aus den Nebenräumen, das Kratzen von Jiraiyas Füllfeder auf hellen Papier und das Klirren von Tsunades Weinglas, so viel lauter schienen, als Worte es je konnten. All diese Geräusche hatte er geliebt. Seit er bei Jiraiya lebte, hatte er sich nachts nie wieder alleine gefühlt – er trug die Geräusche mit in seine erste eigene Wohnung und hegte sie bis heute. Nachts, wenn die vernichtende Analyse des Tages getan war und er wach lag, fragte er sich manchmal, was nur schief gelaufen sein konnte. Er hatte es als Kind getan und er tat es in dieser Nacht, während er in Jiraiyas Liegestuhl lag, an dem Etikett seiner Bierflasche knibbelte und den Mond anschaute. Er glaubte, dass wenn der Mond nur einmal in Hundert Jahren aufginge, würden die Menschen ihn mehr zu schätzen wissen. Sie würden draußen sitzen und schauen. Sie würden lauschen, ob von dort leben kam und sich wundern, sie etwas so Schönes, Leuchtendes in Wirklichkeit so dunkel sein konnte. Aber man konnte ihn in jeder Nacht in jedem Jahr sehen, außer in jenen in denen der Mond durch den von der Erde geworfenen Schatten lief und die man Mondfinsternis nannte, und die Menschen blieben in ihren Häusern, ließen ihre Lichter brennen und ignorierten die Schönheit dort oben; und weil sie es jede Nacht sehen könnten, werden sie es vielleicht nie bemerken. „Schätzchen“, hörte er Tsunades raue Stimme. Trank sie abends ein Glas Wein und wurde müde, war ihre Stimme rauer als tagsüber. Er hatte das immer gemocht. Er genoss die kühle Briese, stellte sein Bier auf der Armlehne ab und wandte seinen Kopf der Frau zu, die zu seiner Mutter geworden war, ohne dass er sie je in seinem Leben Mama genannt hatte. Sie ging in die Hocke, stützte eine Hand auf die Liegefläche des Stuhls und schenkte ihrem Pflegesohn ein Lächeln. Früh hatte sie erkannt, welche Bedeutung die Nacht für ihn hatte und ihn mit Vorsicht behandelt, wenn er in ihr seinen Gedanken nachhing. „Kakashi hat eben angerufen. Er fragt, ob wir ihn, Rin und die Kinder morgen in den Zoo begleiten möchten.“ „Behält er die Jungs?“, umging Obito ihre Frage. Er hatte das Kakashi einfach nicht fragen können, als er heute früh vorbeigekommen war, um Autos zu schrauben. Tsunade nickte. „Es scheint ganz so, als wolle er das mit Rin zusammen tun.“ „Das ist gut“, sagte Obito leise. Er drehte seinen Kopf zurück in den Nacken und schaute hoch in die Nacht. „Das ist wirklich gut.“ ~~ Als Rin mitten in der Nacht aus Kakashis Schlafzimmer schlüpfte, um zur Toilette zu gehen, stolperte sie beinahe über Sasuke, der neben der Tür zum Bad auf dem Boden lag und schlief. Sie hockte sich zu der kleinen Kugel hinunter und fuhr ihm über den Rücken hinab bis zum Popo, um ihn leicht zu klopfen, als sie bemerkte, dass die Hose dort nicht ganz trocken war. „Schätzchen“, sagte sie leise und streichelte sein Köpfchen. „Du musst aufwachen, Sasuke.“ Blinzelnd öffnete er seine Lider, drückte den Teddy fest an seinen Bauch und wimmerte. „Was ist denn los, Süßer? Hast du ein Aua?“ Der Kleine schüttelte den Kopf, rutschte auf ihre Knie und vergrub den Kopf in ihrem Shirt. „Ich hab Pipi gemacht“, hörte sie ihn gegen ihren Bauch murmeln, stützte seinen Popo mit ihrem Arm und hob ihn hoch. Sie trug ihn ins Bad, setzte ihn auf den geschlossenen Toilettendeckel und half ihm aus Pyjama und Unterwäsche. Die Sachen warf sie in den Wäschekorb, hob den kleinen, nackten Jungen hoch und stellte ihn in die Badewanne. „Alles gut“, sagte sie und fuhr ihm übers Köpfchen, ehe sie die Temperatur des Wassers aus dem Duschkopf prüfte und auf seine Füße richtete. „Okay so?“, fragte sie und er nickte sachte, sodass sie langsam das Handgelenk hob, um ihn abzubrausen. Als sie fertig war, stand er schlotternd in der Wanne, obwohl die Nacht nicht zu kalt war – draußen wehte nur eine leichte Briese – und das Wasser mit dem sie ihn duschte, angenehm warm. Sie hob ihn aus der Wanne, schnappte sich ein großes Badetuch und wickelte ihn ein. Sachte nahm sie ihn wieder auf den Arm. Er legte seinen Kopf gegen ihre Schulter, ließ sich das Kuscheltier zurückgeben, umarmte es und steckte sich den Daumen dieser Hand in den Mund. Rin trug den kleinen Jungen in Kakashis Schlafzimmer, da sie dort die wenige Kleidung der Jungen in eine Schublade seines Schrankes deponiert hatte. Sie setzte ihn auf die Seite des Bettes, in dem sie die Nacht verbrachte und öffnete die oberste Schublade. Sie zog eine frische Unterhose und den mit Sternen und Musik machenden Aliens bedruckten Schlafanzug heraus. Als sie die Schublade schloss und sich zum Bett umwandte, bemerkte sie, dass Kakashis Nase zuckte. In vielen Jahren, nach vielen Nächten und Morgen, in denen sie ihn beim Aufwachen beobachtete, würde sie wissen, dass dies das erste Anzeichen dafür war, dass er dabei war, aufzuwachen. Aber heute schlief sie die erste Nacht mit ihm in einem Bett (nicht das erste Mal in einem Zimmer, denn sie waren schon gemeinsam mit ihren Kindern über Nacht in Disneyland Resort in Anaheim gewesen). Kakashi hatte nicht gewollt, dass sie alleine heim ging. Nicht weil die paar Meter Bürgersteig so gefährlich wären, sondern weil er, einen Moment lang selbstsüchtig, endlich gewollt hatte, dass sie wirklich eine Familie waren. Rin hatte sie gefreut. Sie vertraute Kakashi mit ihrem Leben – hatte es vielleicht vom ersten Moment an getan. Er würde mit ihr nie etwas tun, das sie nicht wollte. „Was ist los?“, hörte sie seine vom Schlaf raue Stimme. Sein Blick legte sich auf den kleinen, in ein Handtuch eingewickelten, Körper. „Wir hatten einen kleinen Unfall mit vollen Blasen und nassen Schlafanzügen“, sagte sie, aber schenkte Sasuke ein Lächeln, um ihm zu zeigen, dass alles in bester Ordnung war. Doch es nützte nichts. Sie sah die winzigen Tränchen, die ihm über die Wangen kugelten. „Schätzchen, alles gut. Wir sind dir nicht böse. Das kann jedem mal passieren.“ Sie öffnete das Handtuch, half ihm mit Unterwäsche und Schlafanzug und setzte sich ihn dann auf den Schoß, nachdem sie selber am Fußende des Bettes Platz genommen hatte. „Ich wollte nicht Pipi machen“, murmelte Sasuke. Er drückte sein Gesicht gegen ihre Brust und schniefte. „Ich weiß, Süßer – und es ist nicht schlimm. Möchtest du zurück ins Bett?“ „Eh eh“, machte der Kleine und schüttelte den Kopf. „Warum nicht, Schätzchen?“ „Weil… es ist nass, Rin!“ Sasuke klang fast aufgebracht, so als müsse sie doch wissen, dass der Stoff des Sofas nass war, nachdem er dort Pipi gemacht hatte. Und er hatte Recht. Sie müsste es besser wissen. „Das ist kein Problem. Morgen früh ist das ganz sicher wieder trocken“ – sie musste nur daran denken, mit Putzmittel und Lappen drüber zu gehen, um den Urin rauszuwischen – „und für heute Nacht kannst du bei mir schlafen.“ „Aber wenn ich wieder Pipi mache?“ „Dann wechseln wir das Laken und alles ist okay – dann bin ich trotzdem nicht böse.“ „Okay.“ Er rutschte in eine andere Position, lehnte den Kopf gegen ihren Oberarm und steckte erneut einen Daumen in den Mund. Manchmal tat er das, wenn er traurig war oder Angst hatte. Heute Nacht war es beides. „Aber Rin“, sagte er dann und reckte sich ein Stück, sodass er in ihr Ohr flüstern konnte. „Schläft Kakashi auch hier?“ „Ja, Schätzchen. Das ist sein Bett“, flüsterte sie zurück. Sie wusste, dass Kakashi sie beide hörte. „Und die Pistole?“, wisperte der Kleine mit großen Augen. „Hey, Großer.“ Kakashi hob seine Hände. „Schau, Kumpel. Ich habe keine Pistole.“ Er rutschte aus dem Bett und zeigte auf die Schublade seines Nachttisches. „Versuch mal, sie aufzumachen, Sasuke.“ Der Kleine blickte zu Rin, die nickte, und rutschte von ihrem Schoß. Mit dem Kuscheltier im Arm und dem Daumen im Mund, trat er näher, hockte sich neben Kakashi hin und versuchte die Schublade aufzuziehen, aber das ging nicht. „Hier ist die Pistole drin, aber die Schublade ist immer abgeschlossen. Nur ich kann sie aufschließen. Niemand sonst kann die Pistole benutzen und ich würde sie niemals gegen einen von euch richten – glaubst du mir, Kumpel?“ „Ja“, machte der Kleine und erklärte ganz tapfer: „Ich hatte bloß Angst, Kakashi. Weil Pistolen gefährlich sind.“ „Ja, Pistolen sind gefährlich, aber ich hab sie nicht hier, um euch Schaden zuzufügen, sondern um euch zu beschützen.“ „Okay.“ Sasuke nickte, rutschte ein Stück näher an Kakashi und lehnte sich gegen ihn. Der Agent hob ihn sachte hoch, legte ihn zwischen sich und Rin, die bereits wieder unter der Decke lag, ins Bett. Er löschte das Licht der Nachttischlampe und deckte den Jungen zu. „Ich sollte noch mal nach Itachi schauen“, sagte Rin, als Sasuke eingeschlafen war. „Schauen, ob er wach ist. Schließlich ist die Matratze nass.“ „Ich geh gleich“, sagte Kakashi. „Aber er wird schlafen. Sonst hätte er schon längst nach Sasuke gesucht. Und das Sofa wird nicht allzu nass sein, sonst wäre er ganz sicher wach geworden.“ „Du hast Recht.“ Sie lehnte sich rüber und drückte ihm einen schlichten Kuss auf die geschlossenen Lippen. Es war ihr erster Kuss – und auch wenn er nicht leidenschaftlich war, nicht heiß und kaum eine ganze Sekunde lang dauerte – war er schön gewesen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)