Die Geschichte des Shinigami Will von undyne ================================================================================ „Abgeben!“, ertönte Greens Stimme. Luville fluchte leise, doch ehe er noch etwas schreiben konnte, stand hinter ihm der Mann mit den Koteletten und nahm ihm die Zettel weg. Er sah ihn tadelnd an, dann drehte er sich um und rauschte durch den Saal zu seinem Pult, wo bereits fast alle Zettel lagen. Will und Sutcliff waren die einzigen Schüler, die noch hier waren. William stand auf, um seine Prüfung ebenfalls einzuhändigen. Vor ihm stapfte Sutcliff über den marmornen Boden, sodass das laute Klappern seiner Absätze alle anderen Geräusche übertönte. Der Rothaarige sah seltsam wütend aus, als er seinen Prüfungsbogen auf das Pult knallte. Er funkelte Green zornig an, dann drehte er sich um und rauschte davon. Will legte seine komplett ausgefüllte Prüfung auf Sutcliffs, dann verließ er das Büro. Es war kurz nach zwölf Uhr. Will machte sich auf den Weg zur Caféteria, wobei er sechs Stockwerke nach unten gehen musste. Dabei begegnete er einigen Shinigami, die ihm freundlich zulächelten. Unten angekommen, bog er links ab und ging einige Schritte geradeaus, dann sah er die schwarz angestrichene Tür. Schon stieg ihm der Geruch frischer Brötchen in die Nase. Ja, er hatte wirklich Hunger. An der Bar standen einige Shinigami, Will stellte sich hinter etwa drei anderen Shinigami an. „Luwannige Prüfung, nicht?“, sagte jemand hinter Will. Überrascht drehte er sich um und sah den Schwarzhaarigen, dessen Namen er nicht kannte. Wie war er hereingekommen? „ Mein Name ist Corner...“ , er lächelte verschlagen, „Chris Corner.“ Will nickte höflich. „Mein Name ist William T. Spears. Was meinten sie mit ´luwannige Prüfung´?“ „Na ja, du weißt schon... Ich fand sie eben luwannig.“ Seine silbrigen Augen verengten sich zu Schlitzen und er beugte sich zu Will vor: „Im Ernst, ich versteh nicht, wozu wir drei Texte schreiben müssen. Einer hätte doch gereicht!“ Will zuckte die Schultern: „Es hat alles seines Zweck, Mr Corner.“ Corner lachte auf. „Da wäre ich mir nicht so sicher. Ach ja, und nenn mich Chris.“ „Es ist ein Gebot der Höflichkeit, hier alle mit dem Nachnamen anzusprechen“, beharrte Will. „Ach, komm“, lachte er, „Ich nenne dich auch Will.“ Will ignorierte ihn und fragte: „Warum tragen Sie keine Brille?“ Corners Lachen verstummte augenblicklich und er sah William in die Augen. „Ach so, das nennst du also Höflichkeit.“ „Verzeihen Sie“, entschuldigte sich Will, „ich wusste nicht, dass Sie es mir nicht sagen möchten.“ Er hielt seinem intensiven Blick nicht länger stand und wandte die Augen ab. „Tja“, sagte Corner abfällig, „jetzt weißt du es.“ Damit wandte er sich ab; Will verstand und drehte sich wieder nach vorne. Als der Shinigami vor ihm sich mit seinem Tablett entfernte, bestellte er sich Gemüseauflauf mit Pasta. Während der Koch in die Küche huschte, drehte Will sich wieder zu Corner um. Dieser lehnte an der Theke, die Hände lässig in die Hosentaschen gesteckt. „Ich wusste es“, grinste er und zeigte dabei seine in allen Regenbogenfarben zu schimmern scheinenden Zähne. „Warte auf mich.“ Will nickte, obwohl er nicht ganz verstand, und nahm seinen dampfenden Teller entgegen. Er platzierte ihn auf einem Tablett und stellte sich neben die Theke, um auf Corner zu warten. Dieser nahm sich eine Flasche Mineralwasser und zwei Gläser, dann bestellte er Kartoffelsalat mit Mangopudding. Schon wieder so ein seltsames Gericht. Der Koch sah verwirrt aus, aber er nahm die Bestellung entgegen. Corner sah Will an und lächelte. „Weißt du“, eklärte er, „ich bin ein besonderer Fall.“ Er wusste nicht, ob sich das auf seine nicht vorhandene Brille oder die seltsamen Speisen bezog, auf jeden Fall gab er dem merkwürdigen Mann recht. Der Koch reichte Chris den Teller und die Schüssel. Corner stellte sie auf ein Tablett, legte es auf seine linke Hand, klemmte sich die Flasche unter den Arm und balancierte die Gläser auf der rechten Hand. Dann steuerte er auf einen Tisch in einer hinteren Ecke zu. Will folgte ihm, sie setzten sich und Corner schenkte in beide Gläser etwas Soda ein, dann reichte er eines Will. Er nippte daran und bemühte sich, das Gesicht nicht zu verziehen – er hasste Kohlensäure. Chris – nein, Corner – kicherte. Dann fuhr er mit einem Messer in den Mangopudding, zog es wieder heraus und schleckte die Messerspitze genüsslich ab. Will starrte ihn an. Daraufhin kicherte er wieder und sagte: „Hast du denn keinen Hunger?“ Ach ja. Er nahm das Messer in die rechte, die Gabel in die linke Hand und schob etwas von dem Gemüse auf seine Gabel. Langsam führte er sie zum Mund und pustete kräftig darauf. Das Gemüse dampfte. Doch als er es sich in den Mund schob, war es immer noch heiß. Er hielt sich die Hand vor die Lippen und hauchte dagegen. Corner, der gerade einen tiefen Schluck Mineralwasser getan hatte, stellte das Glas wieder zum Tisch. „Wenn du willst, Will“, sagte er und grinste, „kann ich dir helfen.“ „Und wie“, fragte Will und unterdrückte einen Seufzer, „Corner?“ „Aber nur, wenn du mich Chris nennst“, sagte Corner mit Nachdruck. Will zuckte die Schultern: „In Ordnung.“ Dann war ein leises Geräusch zu hören, das wie das Heulen von Wind klang. Chris hob die Augenbrauen und bedeutete Will, weiter zu essen. Und es war nicht mehr heiß. Er sah Chris fragend an, doch dieser lächelte nur. Dann stand er auf und schwebte zu dem Klavier, das einige Tische weiter stand. Er setzte sich auf den davor stehenden Hocker und legte die Hände auf die Tasten. Seine Augen waren leer, und einen Moment wirkte es, als wäre er nicht von dieser Welt, ein anderes Wesen. Doch dann... begann er, zu spielen. Seine Finger wanderten flink und doch mit Bedacht über die Tasten. Es klang lieblich, aber auch irgendwie... düster. Auf jeden Fall war es sehr schön. Alle Shinigami schauten auf, eine Blonde sah ihn verträumt an. Chris spielte weiter, die Stimmung schien zunehmend neblig zu werden. Er war wie ein... Geist. Er war anders als alles, was Will je gesehen hatte. Er war, als hätte er bereits ein Leben hinter sich. Etwas Rotes kam hereinspaziert – Sutcliff. Als er Chris am Klavier erspähte, schnaubte er und stellte sich an die Theke. Nachdem er einen roten, glänzenden Apfel in die Hand gedrückt bekommen hatte, setzte er sich an einen freien Tisch gleich neben der Tür. Er schien der einzige zu sein, der von Chris´Spiel völlig unbeeindruckt schien. Einige Minuten später erklang der letzte Akkord. Er klang, als wäre das Stück noch nicht fertig, aber Chris stand auf und kam wieder zu ihrem Tisch. Der letzte Akkord hing in der Luft wie ein Nebel, der sich über alles andere legte und eine gewisse Angespanntheit zurückließ. Bewundernd fragte Will: „Woher können Sie so schön Klavier spielen?“ Chris sah auf, einen Moment lang schien er zu überlegen. Dann senkte er die Stimme und lächelte düster. „Verstehst du es noch immer nicht? Ich bin eben was Besonderes.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)